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Die Suche nach dir
Die Suche nach dir
Lange habe ich dich gesucht, sehr lange.
Zunächst war es eine unbestimmte Suche, denn ich wußte ja nicht, wo du warst, wie du aussahst und wie ich dich erkennen sollte. Ich wußte lediglich, daß ein Diamant irgendwo zu irgendeiner Zeit auf mich wartete. Als du dann plötzlich vor mir glitzertest, konnte ich den Fund nicht recht begreifen, und heute noch staune ich über den Weg, der mich zu dir führte. Vielleicht ergeht es einem Archäologen ähnlich, der an einer zufälligen Stelle anfängt zu graben, um dann ganz unerwartet Atlantis zu entdecken? Wie hübsch du doch bist!
Ich verließ den Ort, an dem die Seifenblase einer Hoffnung zerplatzte und die kalte, harte Realität geboren war. Anfangs fiel mir die Orientierung schwer, doch ich lernte, Gold von Pyrit zu unterscheiden. So irrte ich durch das Land, gewöhnte mich an ein Leben als Einzelkämpfer. Namen erklangen und verhallten, bis die Einsamkeit inmitten der Masse zur Normalität wurde. Im Nachhinein weiß ich, daß ich dich damals ohnehin nicht hätte finden können, weil du noch geschlafen hast. Die Dekade half mir, zuerst mich selbst kennenzulernen, und in dieser Ära wurde der Grundstein zu dem Menschen gelegt, der dir heute die Hand reicht.
Einst reiste ich zum Vulkan und suchte deinen kristallinen Schein, doch da warst du nicht. Ich begab mich zu den Nachbarn, doch sie wußten nichts von dir. Oder ich fragte die Philosophen entlang des Weges, aber sie hatten keine Ahnung von deinem Reichtum. Dann flog ich der Morgenröte entgegen, aber dort konnte ich dich ebenfalls nicht finden. Stattdessen traf ich deine entfernte Cousine; sie war jung und suchte einen Besitzer für ihren Schmuck. Ich gab ihr Hoffnung, denn für mehr reichte es einfach nicht. Ob es dein Glanz war, der mich nach Hause rief?
Als mir Hermes dann den Weg zu Ali Babas Höhle wies, erkannte ich durch den Türspalt den Lichtreflex deines Schatzes: Welch ein funkelnder Brillant die Innenseite einer Kokosnuß beleuchtete! - Wie sollte man die Strahlenpracht von außen auch bemerken, wenn du dich ständig wie ein Reh verstecktest? Wie konnte ich denn ahnen, daß der Edelstein seit eh und je in meiner Nähe war? So still und unbeachtet wie ein Münzlein in der großen Truhe? Du sagtest nichts, blicktest mir nur ins Gesicht. Das Feuer deiner Augen entzündete den brach liegenden Acker und brannte im Nu meine Sturheit nieder. Zwischen Ebenholz und Seide schimmerte der Zauber deines atemberaubenden Lächelns. Selten hast du es mir geschenkt, viel zu selten. Stattdessen blies mir ein eisiger Schneesturm ständig ins Gesicht, und ich mußte trotzdem weiter. Weiter, um meinen Auftrag zu erfüllen: das verloren geglaubte Juwel wiederzufinden und zu befreien.
Nun stehe ich hier, halte dich fest und warte auf deine Antwort. In der Melodie deiner Stimme sichte ich es schon: Es tut dir so gut, geliebt zu werden! Nach all den Jahren durchströmt endlich das Gefühl einer wirklichen Geborgenheit dein Wesen. Keime der Güte erblühen in deinem Herzen. Merkst du, was für ein großartiger Flair deine Kostbarkeit umgibt? Im Rausche deiner Schönheit wandle ich mich zum Sklaven deiner Reize. Honig fließt mir durch die Adern, und ich schenke dir ein neues Ehrenkleid. Noch nie habe ich dich so glücklich erlebt.
Ich lausche deinen Bildern.