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Die Suche nach "Mr. Right"
Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin, die in einem verwunschenen Schloß lebte. Lange schon war sie in diesem Schloß gefangen und fand keinen Ausweg. Doch eines schönen Tages erschien ein wunderschöner Prinz und erlöste sie, unter Einsatz seines Lebens, aus ihrem Gefängnis. Und so fand die einst einsame Prinzessin Ihren Prinzen. Und wenn sie nicht gestorben sind dann leben sie noch heute.
Oh, wie oft hatte ich mir schon gewünscht, daß mein Leben ein Märchen wäre, in dem es immer ein Happy End gibt. Doch in meinem Leben schien es, als ob der Prinz nie kommen würde, der mich aus meinem verwunschenen Schloß befreite.
Ich hatte schon versucht meinem Schicksal etwas nachzuhelfen und hatte viele Frösche geküßt. Allerdings verwandelte sich keiner der Frösche in einen Prinzen und so blieb mir nichts als der schlechte Nachgeschmack.
Alle redeten mir ein, daß mir der Richtige schon noch über den Weg laufen würde. Aber warum dauerte das nur so lange? Ich wünschte mir manchmal, ich könnte mein Leben im Schnelldurchlauf vorwärts laufen lassen wie eine Videokassette, um zu sehen wie diese Geschichte zu Ende ging. Doch das ging leider nicht.
Ich stellte mir oft vor, wie mein Traumprinz aussehen sollte. Doch ein ganz genaues Bild hatte ich eigentlich nicht von ihm. Das Aussehen spielte für mich keine so große Rolle, das war auf jeden Fall das was ich allen erzählte, die mich danach fragten. Ich hätte aber natürlich nichts dagegen gehabt, wenn er dunkle Haare gehabt hätte, dunkle Augen und eine sportliche Figur. Doch vor allem war es mir wichtig, daß er mich so mochte wie ich war. Er müßte Mann genug sein um meine Launen zu ertragen und sanft genug sein um mir Geborgenheit zu geben, wenn ich sie brauchte. Ich weiß, meine Vorstellungen hören sich gar nicht so utopisch an, aber es war ganz schön schwierig einen Mann zu finden, der diesen Vorstellungen entsprach und vor allem Single war.
Und hier saß ich nun und wartete und wartete und wartete.
Hoffentlich hatten alle anderen recht damit, daß der Richtige schon noch auftauchen würde. Ich versuchte fest daran zu glauben, doch sogar der gläubigste Mensch hatte Tage an denen er zweifelte.
Ich liebe es in die Stadt zu gehen und die Menschen zu beobachten. Ich liebe es mir vorzustellen, wie wohl das Leben anderer Menschen aussieht. Wohin sie wohl an diesem Tag unterwegs waren und ob wohl jemand auf sie wartete, wenn sie nach Hause kamen.
Genau aus diesem Grund hatte ich mich auch an diesem Tag dazu entschlossen meine Sachen zu packen und Downtown zu gehen. Ich genieße es alleine durch die Straßen von Charleston zu bummeln und die Umgebung auf mich wirken zu lassen. Manchmal kam es mir so vor als ob mich die Menschen seltsam ansahen, aber es war eher so ein Gefühl als eine Gewißheit. Manche würden das als Paranoia abtun. Aber das war es nicht. Es war ja nicht immer so, daß mir dieses vermeidlich beobachtet werden unangenehm war. An manchen Tagen, an denen ich mich gut fühlte, fand ich dieses Gefühl sogar ziemlich kribbelnd. Doch an anderen Tagen wiederum wußte ich nicht nie genau wieso sie mich so ansahen. Ich hoffte natürlich daß es daran lag, daß sie mich bewunderten oder wenigstens halbwegs attraktiv fanden. Doch an schlechten Tagen stellte ich mir diese Horrorvisionen vor, in denen sie mich nur beobachteten weil ich die Hose auf hatte oder weil ich auffallend unattraktiv war. Von solchen Situationen hatte wahrscheinlich schon jeder geträumt nur leider habe ich diese Träume tagsüber, was es nur noch unangenehmer machte.
Aus der Entfernung sah ich bereits das „Custom House“. Dieses Gebäude faszinierte mich seit dem ersten Moment an dem ich es gesehen hatte. Ich setzte mich gerne auf diese Jahrhunderte alten Stufen. Ich stellte mir dann vor, was sich auf diesen Stufen schon alles abgespielt hatte und wie die Straßen früher aussahen. Doch meistens nutzte ich auch nur die Sommersonne um mich etwas zu bräunen und ein gutes Buch zu lesen.
Natürlich hatte ich auch an diesem Tag ein Buch dabei, obwohl ich ehrlich bezweifelte, daß ich auch nur durch ein Kapitel dieses Buches kam. Es war irgendwie einer dieser Tage an denen mir nichts recht zu machen war. Zu Hause wollte ich nicht sein, da war es mir zu einsam, in der Stadt zu bummeln hatte mich schnell gelangweilt und zum Lesen hatte ich irgendwie auch keine rechte Lust.
Hier saß ich nun mit meinem kitschigen Liebesroman und schaute in der Gegend herum und beobachtete meine Umgebung anstatt mich mit meinem Buch zu beschäftigen.
Nach einiger Zeit fiel mir jedoch dieser seltsame Typ auf, der mich offensichtlich beobachtete. Ich war ziemlich verunsichert und wußte nicht so recht was ich tun sollte. Also nahm ich schnell das Buch zur Hand und tat, als würde ich konzentriert in diesem Buch lesen.
Nach ein paar Momenten wagte ich es aufzuschauen. Leider stand dieser Typ immer noch da. So etwas hatte ich jetzt wirklich noch nicht erlebt und ehrlich gesagt glaubte ich nicht, daß mich dieser Typ nur anstarrte weil meine Hose offen war oder auffallend unattraktiv war.
Ich packte das Buch in meine Tasche und beschloß zu gehen. Ich versuchte so normal wie möglich die Straße Richtung „East Battery“ hinunterzugehen, doch ich merkte selbst wie verkrampft ich wirken mußte. Ich wechselte die Straßenseite und schaute kurz hinter mich. Dieser Typ war tatsächlich immer noch da und verfolgte mich.
Meine Schritte wurde schneller und tausend Gedanken rasten mir durch den Kopf. Was wollte er? Wer war er? Warum verfolgte er mich? Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich bereute bereits, daß ich zur „East Battery“ ging, denn ich merke daß immer weniger Leute um mich herum waren. Warum war ich nicht in ein Restaurant gegangen?
Da spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich wirbelte herum und sah diesen Mann vor mir. Mein Herz raste und ich bekam keinen Ton heraus.
„Entschuldigen Sie, ich wollte sie nicht erschrecken“, sagte er zögernd. „Ich habe sie nur da sitzen sehen und habe gedacht, daß ich es bereuen würde, wenn ich sie nicht anspreche.“ So etwas idiotisches hatte ich in meinem Leben noch nicht gehört. „Was fällt Ihnen eigentlich ein mir so einen Schrecken einzujagen. Sie haben wohl noch nie davon gehört, jemanden nett nach seinem Namen zu fragen“, platzte ich wütend heraus. Mein Schreck war nun meiner Wut gewichen. Daß er irgendein Perverser war, der mich überfallen wollte, konnte ich wohl ausschließen. Ein kurzes „Sorry“ kam über seine Lippen und ich hoffte schon, daß er sich nun umdrehen würde um sich zu verkrümeln. Doch statt dessen fragte er: „Wie heißen Sie?“ Ich schaute ihn sprachlos an und dachte ‚ was soll’s!?. „Jessica“, sagte ich etwas zögernd. Und in dem Moment dachte ich, daß das wohl ein Fehler gewesen war. „Ich heiße Chris und bitte glaube mir, daß ich so etwas noch nie getan habe“, sagte er. Er wirkte so wahnsinnig nervös und auf irgendeine Art tat er mir sogar leid. Er drehte sich um und schaute in den „Charleston Harbour“.
So von der Seite beobachtet sah er eigentlich gar nichts so schlecht aus.
Und schon tat ich es wieder!! Ich lernte jemanden kennen, und zwar in diesem Fall auf die ungewöhnlichste Weise, und dachte schon wieder darüber nach, ob er wohl der Richtige sein könnte.
Doch was sollte dieser Scheiß? Ich mußte wohl jetzt total durchgeknallt sein. „Ist diese Aussicht nicht wunderschön?“, riß mich seine Stimme aus meinen Gedanken. Ich folgte seinem Blick. Er hatte recht. Die Aussicht von hier war wirklich bemerkenswert schön. Was tat ich eigentlich noch hier?, dachte ich plötzlich. „Ich muß jetzt gehen“, sagte ich hastig und machte mich auf den Weg zurück in die Stadt. „Bitte warten Sie“, rief er mir nach kurzem Zögern hinterher. Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht um. Ich hörte seine schnellen Schritte näher kommen und dann blieb er vor mir stehen. „Bitte, darf ich Sie zu einem Irish Coffee einladen? Ich möchte dich gerne näher kennenlernen und möchte wieder gut machen, daß ich Sie so erschreckt habe“, sagte er leise und aus seiner Stimme hörte man heraus, daß er mit einer Ablehnung rechnete. Ich konnte selber nicht glauben, daß ich diese Einladung tatsächlich annahm. War ich denn von allem guten Geistern verlassen? Er könnte irgendein Psychopath sein oder auch ein ganz normaler Spinner, der mich dann nach Hause verfolgte. Doch jetzt war es schon zu spät.
Ich ging neben ihm her und wusste nicht was ich sagen sollte. Zu meiner positiven Überraschung steuerte er direkt auf das „Kaminski‘s“ zu, meinem Lieblings-Café. Ich versuchte etwas Small-Talk zu machen und sagte: „Das „Kaminskis“ ist mein Lieblings-Café.“
Er schaute mich an und lächelte kurz und meinte nur, daß das ja ein großer Zufall war, weil das auch sein Lieblings-Café war. Tja, das war’s dann mit dem Small-Talk. Ich glaubte das würde der längste Irish Coffee den ich je getrunken hatte.
Beim Eintreten in das Café hielt er mir die Tür auf und dann rückte mir auch noch meinen Stuhl zurecht. Das brachte mich etwas durcheinander, denn nach dem unverschämten Überfall hätte ich diese Aufmerksamkeit nicht von ihm erwartet. Er bestellte zwei Irish Coffee und wir beide sagten kein Wort bis die Bedienung die Bestellung brachte.
Ich begann verlegen mein Irish Coffee zu trinken, als er plötzlich anfing los zu plappern. „Darf ich Sie duzen?“ „Ja, was soll’s“, stimmte ich etwas ermüdet zu. „Weißt du Jessica, es tut mir wirklich leid, daß ich dich so erschreckt habe. Ich habe so etwas wirklich noch nie getan. Ich bin überrascht, daß du überhaupt mitgekommen bist. Du mußt ja denken, daß ich ein totaler Spinner bin. Dabei bin ich ziemlich normal. Naja, ich hoffe nicht zu normal, denn normal sein ist langweilig. Und du siehst eben auch nicht normal aus und ich meine das im positivsten Sinne überhaupt. Und als du da auf der Treppe gesessen hast, sahst du so wahnsinnig hübsch aus und ich habe mich nicht getraut dich anzusprechen, also wollte ich den richten Moment abfangen. Ich muß zugeben, der Moment war ziemlich ungünstig, aber ich hoffe nicht, daß du mir das übel nimmst.“ Ich schaute ihn kritisch an. Erst bekam er den Mund nicht auf und dann sprudelte er los wie ein Wasserfall. Ganz normal konnte er wirklich nicht sein und ich wußte nicht, ob ich das im positiven Sinn meinte, wie er sich ausdrückte. „Also, ich habe keine Ahnung was ich von dieser ganzen Geschichte halten soll und ich verstehe selbst nicht, warum ich mit dir mitgegangen bin. Diese Sache ist total verrückt.“ „Vielleicht bist du mitgegangen, weil du meinem hinreißenden Lächeln nicht widerstehen konntest!?“, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln. In dem Moment musste ich auch lächeln und irgendwie war das Eis gebrochen und ich fing auch an zu erzählen.
Wir verstanden uns überraschend gut. Er erzählte von sich und so verging die Zeit. „Hast du Lust auf einen Spaziergang zum „South Battery Park“?“, fragte er nachdem wir unsere Irish Coffee getrunken hatten. „Ja, gerne“ Er bezahlte die Rechnung und wir gingen. Er hielt mir wieder die Tür auf und achtete darauf, daß ich die steile Treppe gut hinunter kam. Schon ein sehr merkwürdiger Typ.
Eine Stunde später standen wir immer noch im „South Battery Park“. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, als er plötzlich sagte, daß er gehen müßte. „Wirklich jetzt schon?“, fragte ich enttäuscht. „Ja, tut mir leid.“ Er beugte sich zu mir und ehe ich wußte was geschah, trafen sich unsere Lippen. In meinem Bauch kribbelte es wie verrückt und ich erwiderte den Kuß.
Unsere Lippen trennten sich und schon drehte er sich um und war weg. Ich brauchte ein paar Sekunden um wieder in die Realität zurück zu finden und plötzlich schoß es mir in den Kopf. Ich hatte ihn nicht nach seiner Telefonnummer gefragt.
„Chris, wie kann ich dich erreichen?“, schrie ich hinter ihm her, doch er war schon weg. Ich ging in die Richtung in die er gegangen war, aber ich konnte ihn nicht mehr finden. Ich lief durch die Straßen doch von ihm war keine Spur.
Auf meinem Heimweg mußte ich die ganze Zeit an ihn denken. An sein Lächeln, an seine blauen Augen und an unsere unglaubliche Begegnung. Irgendwie ähnelte diese Begegnung einem modernen Märchen, doch wenn es zu Liebe kam hatte ich gelernt Realist zu bleiben. Zu oft hatte ich schon an ein Märchen geglaubt und dann gab es doch kein Happy End.
Er gehört doch wieder nur zu einem dieser Typen, der zu perfekt war um wahr zu sein. So war es bis jetzt immer gewesen und es bedurfte schon etwas mehr als einem schönen Lächeln um mir zu beweisen, daß es doch noch Ausnahmen von der Regel gab. In diesem Fall war es nun mal eben so, daß er wohl nie die Gelegenheit haben würde, mich davon zu überzeugen, daß er anders war als alle anderen. Bestimmt gab es in seinem Leben irgendein schwarzes Geheimnis und er war aus diesem Grund einfach verschwunden. Vielleicht war er verheiratet oder vielleicht war er ein Mörder, gesucht von der Polizei. Ok, ok, da ging mal wieder meine Phantasie mit mir durch. Es nutze wohl alles nichts. Es gab doch keine Chance ihn wieder zu sehen. Charleston ist groß und ich wußte ja nicht einmal ob er überhaupt in Charleston lebte. Tatsächlich höret sich diese Geschichte sehr nach einem Märchen an, einem Märchen, daß bereits mehrere Male umgeschrieben und auch schon öfter verfilmt worden war – Cinderella.
Endlich Zuhause angekommen setzte ich mich in meinen Wohlfühlsessel und schaltete den Fernseher ein. Ich hatte das Bedürfnis jemandem von dieser unglaublichen Geschichte zu erzählen. Vielleicht rief ich meine Freundin Julia an und erzählte ihr davon. Doch sie würde mich wahrscheinlich nur auslachen. Mir kam diese Geschichte ja selbst völlig lächerlich vor. Das Beste war wohl, wenn ich ihn so schnell wie möglich vergaß. Doch leider gibt es in beinahe jedem Menschen ein Gen, daß verhindert, jemanden zu vergessen, den man vergessen will. Und dadurch, daß in dem hintersten Eckchen meines Gehirns immer noch ein Fünkchen Hoffnung glimmte ihn wieder zu sehen, wurde es um so schwerer diese Geschichte zu vergessen...