Die Suche
Sie stand in der kleinen Küche vor dem Herd, während er sie von hinten betrachtete. Ihr dicker Hintern füllte das Hauskleid an typischer Stelle so sehr aus, dass er vermutete, es müsste bald platzen. Als er nun am Äquator vorbei weiter hinunter schaute, sah er ihre wassergefüllten Waden mit lila-grünen und blauen Krampfadern. `Naja wir werden alle nicht jünger` dachte er dann, als er an seinen Bierbauch hinuntersah. Er saß am Küchentisch und wartete darauf, dass das Abendessen endlich fertig wurde. `Wann habe ich eigentlich meinen kleinen Freund da unten das letzte mal gesehen?` Bei diesem Gedanken langte er mit beiden Händen voll in seinen Bauch und erschrak, als sie sich tatsächlich beide mit Speckrollen füllten.
Er stand blitzschnell auf! Was für ihn folgendes bedeutete: Erstens; die linke Hand auf den Tisch legen. Zweitens; das rechte Bein zwischen Stuhl- und Tischbein hindurchzwängen. Drittens; mit aller Kraft den Stuhl nach hinten schieben und viertens; sich nach vorne beugen, mit der linken Hand kräftigen Druck auf den Tisch ausüben, die Rechte auf die Stuhllehne und das Lebendgewicht auf die Beine stemmen.
„Wo willst du denn so plötzlich hin?“ fragte sie ihn. „Das Essen ist gleich fertig.“
„Ich habe keinen Hunger“ erwiderte er.
Sie starrte ihm hinterher als er sich schnaufend in Richtung Flur bewegte. Das hatte er seit zwanzig Jahren nicht mehr zu ihr gesagt. Ob er wohl krank ist oder gestern Abend beim „Sparen“ doch zuviel getrunken hatte?
Er ging Richtung Badezimmer. Dort angekommen betrat er das Klosett und verschloss die Tür hinter sich. Nun wollte er es genau wissen. Er machte seinen Gürtel auf, seinen Hosenstall und versuchte sich die Hose herunterzuziehen. Jetzt wurde ihm zum ersten Mal bewusst, dass er sich dafür immer hinsetzen musste. Also rauf auf die Porzellanschüssel. Knack! Das war der Klodeckel. „Au!“ das war die Haut seines Hinterns, die im soeben entstandenen Riss des Kunststoffklodeckels klemmte. „Schatz brauchst du Hilfe?“ fragte eine Stimme von draußen. „Nein bloß nicht! ...ääh.... ich meine nein danke.“ `Verdammt` fluchte er innerlich. Vorsichtig stand er wieder auf. Er zog das Hemd und das Unterhemd aus und sah wieder an sich herab. `Hm, ich sehe nichts. Verdammt! ... Mensch Egon sei doch nicht so dumm, er kann sich doch auch noch gar nicht frei entfalten. Du hast doch noch die Unterhose an.`, dachte er erleichtert. Er griff an sein Hinterteil, spürte den Stoff und einen kleinen Riss der durch das Klodeckelunglück entstanden sein musste. Diesmal wollte er sich zum Hoseausziehen nicht noch mal auf den Thron setzen. Also ging er auf die Badewanne zu, stellte sich vor sie, drehte sich um, tastete mit den Händen nach dem Rand und wollte sich setzen. Wäre da nur nicht noch ein kleiner Rest seines Rasierschaums auf dem Boden gewesen. Auf diesen trat er nun, rutsche auf ihm aus und flog rücklings in die Badewanne. Leider saß er nicht am Kopf- oder Fußende der Wanne, so dass er jetzt quer in derselben lag. Die Beine schauten nur noch unterhalb der Knie heraus und sein Kopf war so weit nach vorne gedrückt, dass er eine Speckschwarte genau vor dem Gesicht hatte und ihm seine eigenen Brusthaare in der Nase kitzelten.
„Ist alles in Ordnung Schatz?“ fragte wieder die Stimme die dieses mal direkt von der anderen Seite der Tür kam.„Ja doch“ sagte er. „Ich suche hier nur etwas.“ „Was denn?“ fragte sie. `Ein freies Blickfeld` dachte er grimmig. „Ist schon in Ordnung ich finde es schon“ Er lag noch immer in unveränderter Position und strampelte mit Armen und Beinen auf der Suche nach irgendeinen Halt. „Willst du wirklich nichts essen?“ „Nein verflucht noch mal!“ brüllte er so gut wie es ihm mit der Luft, die er in dieser Stellung zur Verfügung hatte, möglich war. „In Ordnung aber ich stelle eine Portion in die Mikrowelle falls du doch noch etwas willst. Oder soll ich lieber zwei Portionen aufbewahren?“ „Nein!“ rief er verzweifelt.
„Was suchst du denn jetzt? Nun sag schon vielleicht habe ich es ja in letzter Zeit irgendwo gesehen.“ Ihm fiel ein das dies nicht der Fall war und sagte: „Nein, nein ich weiß schon wo es ist. Lass mir einfach ein bisschen Zeit.“ Er hörte wie sie irgendetwas murmelte und ging. Endlich bekam er den Haltegriff an der Wand zu fassen. Er zog sich langsam daran hoch und war kurz danach aus seinem engen Gefängnis befreit.
Jetzt war er es leid! Er zerriss die Unterhose einfach an beiden Seiten und ließ sie zu Boden fallen. Er schloss die Augen hob den Kopf betete kurz und schaute dann mutig nach unten. Nichts. Es war einfach nichts zu sehen. Das konnte doch nicht sein. Er fasste hektisch in seinen Bauch hinein und versuchte den Berg aus Haut und Fett beiseite zu schieben. Doch er sah wieder nichts. Natürlich wusste er längst, dass er zu dick war und seinen kleinen Gladiator, wie er ihn früher nannte, nicht mehr mit einem einfachen Blick nach unten sehen konnte, doch jetzt ging es ihm ums Prinzip. Er hatte einfach ein Recht ihn zu sehen wann er es wollte und das ohne Spiegel oder sonstige Hilfsmittel. Und nun wollte er ihn sehen!
Er beugte sich mit aller Kraft nach vorne bis ihm schwindelig wurde. Nichts zu sehen.
Er legte sich flach auf den Rücken und hob den Kopf um nach vorn zu schauen. Nichts zu sehen.
„Schatz die Nachrichten fangen an.“ – „Ja doch! Gleich!“
Er drückte mit der linken Hand auf seinen Bauch und zog am „Gladiator“ bis es schmerzte. Nichts zu sehen.
Er stellte einen Fuß auf das lädierte Klo und neigte den Kopf wieder nach vorn. Doch immer noch nichts zu sehen.
„Schatz es läuft heute nichts Vernünftiges im Fernseher, wir werden heute wohl nichts interessantes mehr zu sehen bekommen. Ich geh ins Bett und wasche morgen früh ab. Kommst du auch?“ – „Ja später warte nicht auf mich.“
Als er schon fast verzweifelte, fiel sein Blick plötzlich auf die Handtuchstange, die ungefähr in einem Meter Höhe an der Wand hing. Er musste an Balletttänzer denken, wie sie ihre Beine auf eine ähnlichen Stange legten. `Warum nicht. Das könnte klappen.`, dachte er.
Er hob sein Bein so hoch er konnte, so hoch, dass es schon weh tat, noch ein wenig höher und endlich lag es auf dem Handtuchhalter. Er hätte sich gerne erst einmal etwas ausgeruht doch die Spannung in seinen Sehnen war zu groß. Jetzt oder nie! Er zog mit beiden Händen seinen Bauch nach oben, holte tief Luft und beugte sich so weit wie möglich nach vorne.
Das letzte an das er sich erinnern kann bevor er KO ging war, dass das Blut immer stärker in seinen Kopf stieg, er immer weniger Luft bekam, sich aber immer noch weiter nach vorne beugte. Und als er dann endlich ein winziges Stückchen des Kopfes seines kleinen Freundes sah, verlor er das Gleichgewicht und fiel mit seinem eigenen Kopf zuerst, da alle anderen Körperteile ja voll im Einsatz waren, auf die Bodenfliesen.
Das hatte Eva natürlich nicht gehört. War ja klar. Er wachte ungefähr eine Stunde später wieder auf, raffte sich hoch (der Kopf dröhnte fürchterlich) und zog langsam seine Hose wieder an. Die Unterhose warf er in den Müll und die Hemden legte er sich nur über die Schultern. `Was für ein Reinfall!` dachte er, als er das Bad verließ. Der Rest der Wohnung war schon dunkel. Eva schlief. Er ging ins Schlafzimmer ohne das Licht anzuschalten und tauschte seine Hose gegen seinen Schlafanzug. Hunger hatte keinen mehr. Wie immer wackelten beiden Matratzen als er sich hinlegte und Eva wurde halbwegs wach. „Und hast du endlich gefunden was du gesucht hast?“ fragte sie mit verschlafener Stimme. „Nicht ganz.“, antwortete er. „Bist du dir sicher, dass ich dir nicht helfen kann? Vielleicht hatte ich es ja vor kurzem noch in der Hand und weiß jetzt wo es ist?“ „Oh nein Schatz glaub mir, das hattest du schon lange nicht mehr in der Hand. Das, was ich suchte, hat dich schon lange nicht mehr interessiert.“ sagte er und drehte sich um.
Beim Einschlafen dachte er noch kurz über eine Diät nach, aber wie gesagt nur kurz.