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Die tambe Klompe gnubbert
"Die tambe Klompe gnubberte verzweifelt an der/dem wersten Bling. Walch laufen Engern entlang. Blasen glumpen sachte gnubbern langsam weite Wege."
Major Levenberg ließ das Blatt sinken, nahm seine Lesebrille sorgsam ab und sah den Überbringer dieser Botschaft leicht zweifelnd an.
"Mein lieber Wierendorf, ich weiß ja, dass Wissenschaftler manchmal ein wenig exzentrisch werden, aber was möchten Sie mir hiermit sagen?"
Jörg Wierendorf war seit sechs Monaten am Forschungsinstitut und hatte vor seiner Entdeckung begonnen, an permanenter Langeweile zu leiden, aber exzentrisch war er gewiss nicht. Schließlich war er Linguist und kein spinnerter Physiker.
"Das ist die sinnvollste Entschlüsselung, die wir bisher aus einem der aufgefangenen Texte erhalten haben", entgegnete er und schob sein Kinn ein wenig vor. Er würde nicht vor dem Major kuschen.
Aber der lächelte ihn freundlich an, drückte auf eine Taste am Telefon und sagte, ohne auf eine Meldung zu warten: "Petermännchen, bringen Sie uns bitte zwei Kaffee und Kekse."
"Sie trinken doch Kaffee?", wandte sich Levenberg an Wierendorf. "Kommen Sie, setzen wir uns an den kleinen Tisch hier. Wir werden uns mal in aller Ruhe über ihr Problem unterhalten."
Wierendorf wusste nicht, wie er dieses Verhalten Levenbergs einschätzen sollte. Der Major war der Leiter des Projektes, aber nach dem Begrüßungsgespräch vor sechs Monaten hatte Wierendorf keinen näheren Kontakt mit ihm gehabt. Der Major sah drahtig und sportlich aus, seine kurzgeschnittenen Stoppelhaare waren allerdings durchweg grau. Er wird wohl bald pensioniert werden und das Institut verlassen, dachte Wierendorf und nahm zögernd an dem kleinen Tisch Platz.
Petermännchen, die das Vorzimmer des Majors beherrschte, kam mit einem Tablett herin und stellte es auf den kleinen Tisch. Wierendorf hatte den Eindruck, dass im Institut fast nur ältere Männer arbeiteten. Da wirkte Petermännchen wie eine exotische Pflanze, zumal sie sich recht auffällig kleidete. Aber wahrscheinlich war es ernst gemeint, was auf ihrer Oberbekleidung (Pullover oder Shirt? Wierendorf hatte wenig Erfahrung mit Mode) deutlich zu lesen war: "Out of bounds".
Levenberg hatte offensichtlich gemerkt, dass Wierendorf sich unwohl fühlte. "Petermännchen ist Psychologin, aber für unser Gespräch brauchen wir sie nicht. Ich möchte von Ihnen alle relevanten Informationen zu diesem Carrollschen Aufguss. Ich will keine dicken Akten studieren, wir sind verstaubt genug."
Wierendorf wurde bewusst, dass er Levenberg immer nur als Soldat angesehen hatte. Aber auch wenn Levenberg immer seine Uniform trug, vermutlich war er ja auch Wissenschaftler, aber welche Fachrichtung? 'Erst einmal anfangen', sagte er sich:
"Vor drei Wochen habe ich im Sektor C 2 begonnen und empfange regelmäßig Signale, die unsere Computer nicht ausgefiltert haben. Es sind also vermutlich keine zufälligen Geräusche, sondern Botschaften - vom wem und an wen auch immer."
"Sie meinen, ein intelligentes Wesen gibt einen solchen Blödsinn von sich?"
"Nein, selbstverständlich nicht. Wir haben hier ja die besten Enschlüsselungsprogramme, die es gibt, aber diese Sendungen haben wir bisher nicht analysieren können. Ich meine, das spricht für eine Intelligenz hinter diesen Botschaften."
"Meinen Sie, je weniger Sie verstehen, was jemand sagt, desto intelligenter ist er?", fragte Levenberg ungläubig.
"Natürlich nicht, die Unverständlichkeit könnte bedeuten, dass jemand einen Code erfunden hat, den wir nicht entschlüsseln können, aber sie kann eben auch darauf beruhen, dass wir die Sprache nicht kennen. Und da die Computer angeblich alle irdischen Sprachen kennen, könnte es eine außerirdische Sprache sein." Wierendorf begann langsam an der wissenschaftlichen Kompetenz des Majors zu zweifeln.
"Es könnte also sein, dass die Chinesen oder die Inder oder sonst jemand da oben einen Spionagesatelliten hat, der seine Meldungen so verschlüsselt absetzt, dass wir sie nicht verstehen. Einiges scheint ja verständlich zu sein, wenn ich mir diesen Text anschaue aber gerade das verstehe ich nicht. Warum sind einige Worte verständlich und andere nicht?"
"Einen Augenblick bitte, ich glaube, Sie wissen nicht, wie dieses Computerprogramm arbeitet. Ich habe hier auf meinem Rekorder eine Aufzeichnung der Botschaft. Hören Sie sich die doch bitte an."
Levenberg hielt sich den Rekorder ans Ohr und lauschte der dreiminütigen Aufzeichnung.
"Eine recht sonore Rundfunksprecherstimme, aber verstanden habe ich kein einziges Wort."
"Ja, und das Entschlüsselungsprogramm hat eben die Worte, die es einer fremden Sprache zuordnen konnte, übersetzt; alle anderen aber hat es so stehen gelassen. Der Text ist sozusagen ein Gemisch aus unserer Sprache und fremden Sprachen."
Levenberg nickte. "Das habe ich jetzt verstanden. Als erstes Ergebnis stelle ich also fest, dass wir gar nicht wissen, was der Sprecher sagt und welche Sprache er spricht. Aber da er eine menschliche Stimme hat, wird er doch wohl ein Mensch sein."
"Er spricht ja gar nicht so", Wierendorf begann zu verzweifeln. Das Gespräch lief nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.
"Wieso, ist die Aufzeichnung auch eine Übersetzung?", wunderte sich Levenberg.
"Die Originalsendung ist knapp eine Minute lang. Wir lassen sie aber so langsam ablaufen, dass die Stimme gut hörbar wird."
"Ihre Feststellung ist möglicherweise nicht ganz unwichtig. Unsere Außerirdischen reden also in einer solchen Geschwindigkeit und Tonhöhe, dass wir sie auf der Strasse sofort erkennen würden?"
Jetzt wurde Levenberg auch noch ironisch. Wierendorf fühlte sich zunehmend an seine Gymnasialzeit erinnert. Er begann zu schwitzen und lockerte mit zitternden Fingern seinen Kragen, der ihm langsam zu eng wurde. Er musste dem Gespräch eine andere Wendung geben.
"Jedenfalls handelt es sich nicht um Sendungen einer irdischen Raumstation. Die Signalquelle ist sehr weit entfernt."
"Sie sind kein Astrophysiker, aber vielleicht können sie sehr weit dennoch etwas präziser ausdrücken", lächelte Levenberg.
"Die Signale waren wenigstens zwanzigtausend Lichtjahre unterwegs. Deswegen finde ich es so wichtig, dass wir alles daran setzen, sie zu entschlüsseln. Immerhin befindet sich die Signalquelle nach Meinung der Astronomen in unserer Galaxie."
"Dieser Text war eine Minute lang. Wie oft empfangen wir denn Botschaften und wie lang sind die?", fragte Levenberg.
Wierendorf holte einen zerknitterten Zettel aus seiner Hosentasche und strich ihn glatt: "Ich habe hier die genauen Zahlen: Wir empfangen alle sechzehn Stunden und drei Minuten eine Botschaft mit einer Länge zwischen fünfzig und sechzig Sekunden. Und keine Botschaft gleicht der anderen."
"Kommen die Signale denn näher?"
"Die Quelle scheint sich nach unseren bisherigen Erkenntnissen nicht zu bewegen. Es gibt aber auch kein auffälliges Objekt in dem Bereich, das die Signale erzeugen könnte, also ein Quasar oder so etwas."
"Eine Invasion wird es wohl nicht sein. Wenn sie mit Lichtgeschwindigkeit oder noch schneller fliegen könnten, würden sich der Standort der Quelle verschieben. Ein Besuch in der nächsten Zeit ist nicht zu erwarten, oder?"
"Nein, vermutlich nicht", stotterte Wierendorf.
"Da Funkwellen mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind, wurden diese Signale vor zwanzigtausend Jahren gesendet. Nehmen wir einmal an, intelligente Außerirdische haben damals wirklich die Erde beobachtet. Bei dieser Entfernung höchst unwahrscheinlich, aber was sie gesehen haben ist jetzt vierzigtausend Jahre her. Und damals gab es vermutlich die ersten intelligenten Menschen."
Levenberg lehnte sich nach diesem kleinen Vortrag in seinem Sessel zurück und schloß die Augen. Wierendorf wusste nicht, was er sagen sollte und trank stumm seinen Kaffee, der inzwischen kalt geworden war. Und dann begann Levenberg zu erzählen.
"Ich habe vor dreißig Jahren als Physiker hier im Institut begonnen. Damals waren wir alle hochrangige Militärs, Zivilisten hatten keinen Zutritt. Aber unser Institut geriet langsam in Vergessenheit. Heute haben wir zwar unseren Etat und müssen nicht knausern, aber was wir hier tun, interessiert kaum jemanden. Jedes Quartal melde ich: "Keine besonderen Vorkommnisse" und dann darf ich mich wieder mit den neuesten Ergüssen verdauungsgestörter Bürokraten herumärgern. Das ist die offizielle Seite unseres Instituts und schon die ist, wie sie wissen, streng geheim.
Tatsächlich empfangen wir die Signale, von denen Sie mir berichtet haben, seit Gründung des Instituts. Ja, diese Signale waren der Auslöser für die Gründung. Im Keller lagern hunderte von Bändern und Transkriptionen. Aber Ihre Entschlüsselung bringt wirklich eine Auflockerung in unsere Arbeit, denn bisher haben wir überhaupt nichts Sinnvolles finden können. Ich würde sagen, machen Sie weiter. Vielleicht können wir ja einmal ein Buch aus den Botschaften erstellen. Richtung Dadaismus oder so."
"Das sind für Sie keine besonderen Vorkommnisse - seit dreißig Jahren empfangen wir Signale und Sie sagen 'Keine besonderen Vorkommnisse'?". Wierendorf schaute geschockt auf den Major. Das verstand er überhaupt nicht mehr.
"Seit dreißig Jahren alle sechzehn Stunden und drei Minuten empfangen wir fünfzig bis sechzig Sekunden lang ein Pfeifen, das vielleicht von einem intelligenten Wesen hervorgebracht wird. Die Quelle steht stabil über dem Südpol, sodass wir sie von unserem Institut aus immer im Ohr haben. Sie bewegt sich nicht, sie kommt nicht näher. Nichts ändert sich. Ich habe es fünf Jahre mit einem kleinen Stab ausgehalten, das Signal zu beobachten, dann war mir so sterbenslangweilig, dass ich um zusätzliche Männer bat. Wir suchen Eigenbrötler, Menschen, die auch Einsiedler werden könnten, denen es nichts ausmacht, auf Lebenszeit hier begraben zu sein."
"Auf Lebenszeit? Was wollen Sie damit sagen?", Wierendorf hatte das Gefühl, in einer Falle zu sitzen. Sollte er hier gefangen sein? Er dachte an die wenigen Wissenschaftler, die er bisher näher kennengelernt hatte. Sie waren alle kontaktscheu, hatten seltsame Angewohnheiten, kamen ihm eben wie verschrobene Wissenschaftler vor. Das hatte ihn manchmal schon gewundert, aber er hatte diese Eigenheiten auf die einsame Lage des Institus in einer Berghöhle unter dem ewigen Eis des Südpols zurückgeführt. Man konnte das Institu nicht einfach verlassen, das war lebensgefährlich - aber sollte er hier lebenslang gefangen sein? Wierendorf schaute ungläubig auf Levenberg, der aufgehört hatte zu reden und ihn zu beobachten schien.
"Wir geben den Neuen sechs Monate Zeit, sich einzuleben und frei zu forschen, vielleicht finden sie ja wirklich mal andere interessante Signale. Wenn sie sich dann eingelebt haben und uns geeignet erscheinen, setzen wir sie an unseren ET an. Es dauert nur einige Tage, dann entdeckt unser Neuzugang die Signalquelle und berichtet mir freudestrahlend. Und dann warten mit den Neuen gemeinsam weiter, denn wir sind alle Geheimnisträger und müssen hier bleiben, solange wir leben."
"Wo bin ich hier bloß gelandet", stöhnte Wierendorf. Wahrscheinlich bestand die Besatzung des Südpol-Instituts nur aus Sonderlingen. Anders konnte man auf diesem kleinem Raum ja gar nicht überleben. Petermännchens Bild zuckte ihm durch den Sinn, aber er verbannte es gleich. Daran wollte er jetzt gar nicht denken, dazu war die Situation viel zu ernst.
"Ich vestehe das nicht. Was machen wir denn hier? Was soll das alles?"
"Vielleicht bewegt sich die Signalquelle eines Tages tatsächlich auf die Erde zu, möglicherweise ja sogar schneller als das Licht. Es könnte doch auch sein, das es uns eines Tages gelingt, die Sendungen zu entschlüsseln. JEdenfalls haben wir den Auftrag, diese Signalquelle nicht aus den Ohren zu verlieren. Nebenbei hat jeder von uns noch einen eigenen Raumsektor zum Horchen und es gibt weitere Fragestellungen, die wir hier bearbeiten können. Und doch wird die Routine manchmal langweilig. Da freue ich mich über jede Abwechslung."
Levenberg lächelte und zündete sich ein Zigarillo an.
"Willkommen an Bord und vielen Dank für unser interessantes Gespräch."