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Die unersättliche Hexe

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03.08.2003
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Die unersättliche Hexe

„Lirum, Larum, Löffelstiel ...“, sabberte die kleine Hexe vor sich hin. Dabei rann ihr gieriger Speichel aus dem zahnlosen Mund. Das Objekt ihrer Begierde schwamm in einem riesigen kupfernen Kessel voll siedender Flüssigkeit, der auf dem Herd stand. Ein menschlicher Kopf, schon halb verwest, trieb auf dem Sud, ab und an die Wand des Kessels berührend und dabei jedesmal einen glockenartigen Ton erzeugend.
Die Hexe nahm einige Gewürzbeutel zur Hand und streute etwas daraus in die Flüssigkeit. Dann zückte sie ihren Zauberstab. „Eins...zwei, drei – Leben schnell herbei“, zischte sie. Der Kopf öffnete die Augen. Weißliche gallertartige Klumpen starrten die Hexe an.
„Oje, Oje“, machte der Kopf, während er sich in dem Gebräu drehte. „Mir wird so schwindlig.“
„Ha ha ha“, kreischte die Hexe schrill und vollführte kleine Hopser vor Freude, wobei ihre lange Nase in bedenkliche Schwingungen geriet und sie fast ihren großen Hut verloren hätte.
Der Zauber wirkte. Dann gab sie rasch noch einige wichtige Zutaten in den Kessel: Ein Krötenherz, ihren noch vom letzten Vollmond stammenden Urin, ein paar abgebrochene Zehennägel, in Stücke geschnittenes Fleisch einer Fledermaus, kleingehackte Spinnenbeine, eine Prise getrockneten Schneckenschleim, Rattenaugen und etwas frischen Nasenrotz. Mit ihrem großen Holzlöffel rührte sie alles kräftig um. Dampf stieg zischend in die Höhe als die Flüssigkeit aufschäumte und der Kopf stieß – klong – an die Wand des Kessels.
Gespannt wartete die Hexe vor dem Kessel, über dem sich undurchdringlicher Nebel bildete. Dieses Kribbeln im Bauch! Dieses herrliche Gefühl der Vorfreude! Ob das Rezept "Iwanuschka" auch ihren Geschmack traf? Dann schlug sie die Hände zusammen und ihr runzliges Gesicht erhellte sich, als würde der Weihnachtsmann seinen Sack präsentieren. In dem Dampf wurde eine menschliche Gestalt sichtbar. Der Nebel zerteilte sich und ein Jüngling entstieg dem Kessel, so schön, wie ihn sich die Alte in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Das Haar hing in blonden Locken um sein klares Gesicht mit der geraden Nase und den blauen Augen und der Mund wurde auf’s Anmutigste von einem Grübchen verziert.
Das Hexlein konnte sich gar nicht satt sehen an diesem Grübchen. Doch es war noch so viel mehr zu entdecken. Genießerisch, wie ein Feinschmecker, der jeden Bissen auskostet, ließ sie den Blick langsam, ganz langsam, immer tiefer wandern. Die muskulösen Arme und die breite unbehaarte Brust entlockten der Hexe einen spitzen Aufschrei des Entzückens. Aber auch der flache Waschbrettbauch war nicht übel. Und erst der pralle herabhängende Schwengel, der so einiges versprach. Die Hexe leckte sich die Lippen und verweilte mit ihrem Blick an dieser Stelle, bevor sie als Nachtisch auch noch die strammen Beine des Jünglings in Augenschein nahm. Der Bursche ließ die Musterung ohne Regung über sich ergehen. Sein Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass er gerade im Land hinter dem Regenbogen Gänseblümchen pflückte.
Das alte Weib strich dem Jüngling zärtlich über das Gesicht.
„Zur Liebe bist du gemacht, und lieben wirst du mich, mein schöner Junge“, hauchte sie ihm ins Ohr. Dann packte sie ihn am Arm und zerrte ihn zu dem an der Wand stehenden Bett. In Blitzesschnelle entledigte sie sich ihrer Kleidung, klatschte dreimal in die Hände und beschwor murmelnd den Zauber der Schönheit. Es machte „Plopp“ und eine nackte junge Frau rekelte sich an Stelle der Hexe auf dem Bett, rothaarig, gertenschlank, mit pfirsichgleicher Haut und straffen Brüsten. Ihre vollen Lippen lächelten verführerisch und grüne Augen strahlten den Jüngling an.
„Komm“, lockte sie ihn mit honigsüßer Stimme und winkte einladend mit der Hand. Der junge Mann, offenen Mundes und mit kugelrunden Augen, näherte sich, von dieser fleischgewordenen Venus angezogen wie eine Motte vom magischen Schimmer einer Kerze. Von Liebesglut entflammt legte er sich neben sie, stammelte unzusammenhängende Worte und bedeckte ihre Haut mit heißen Küssen. Er streichelte Hals und Brüste der Schönen und während seine Hand langsam nach unten wanderte, schnurrte das Hexlein wie eine Katze und ihr Blut geriet in Wallung. Die Katze wurde zum wilden Puma und warf den Jüngling auf den Rücken, bereit ihre Beute mit Haut und Haar zu verspeisen. Sie grapschte nach dem dicken Lümmel und führte ihn hinein in das Gelobte Land und es begann ein verwegener, teuflischer Ritt, bei dem das Hexlein vor Vergnügen quiekte wie eine gekitzelte Sau. Ach, könnte es ewig so weiter gehen. Nur Besenreiten war schöner. Immer wilder, immer schneller wurde der Ritt und dann kam er, der Sprung über den Abgrund, bei dem für einen endlos langen Augenblick die Zeit stillzustehen schien...
Der Zauber, gebrochen durch die Kraft jenes einzigartigen Moments der Liebe, verblasste. Sie konnte es am Gesicht des Burschen ablesen. Im gleichen Maße, wie die Maske der Schönheit von ihr abzubröckeln begann, wie ihr Haar wieder grau und ihre Haut runzlig wurden, sich tiefe Falten in ihr Gesicht gruben und schlaff herabhängende Schläuche ihre drallen Brüste ersetzten, weiteten sich die Augen ihres Liebhabers immer mehr vor Entsetzen, seine Miene spiegelte Ekel und Abscheu wider und der Mund öffnete sich zu einem gellenden Schrei. Verzweifelt zappelte der Undankbare unter ihr und versuchte sogar, sie, die er noch vor Sekunden mit glühender Leidenschaft geliebt hatte, von sich wegzustoßen!
So war es jedesmal. Männer! Seelenlose Tiere, nur auf Äußerlichkeiten fixiert! Mit einem Seufzer schnipste die Alte den Jüngling zu den anderen in ihr unterirdisches Verlies. Vielleicht würde sie ihn später wieder benutzen. Der Typ war im Bett teuflisch gut. Wobei, wenn sie es sich recht überlegte, dem Italiener von gestern, sehnig und braun gebrannt, mit feurigen schwarzen Augen, konnte er doch nicht das Wasser reichen. Und erst der mit den dicken Augenbrauen, die ihm einen irgendwie satanischen Zug verliehen. Sehr attraktiv. Oder der...
Die Alte schwelgte in ihren Erinnerungen.

 

Hehe. Witzig. Sehr unterhaltend. Hat mir gut gefallen!

seine Mine spiegelte Ekel und Abscheu wieder
Nimm mal das eine "e" aus "wi(e)der" und steckt es in die "Mi(e)ne", dann sind beide Worte korrekt.
So war es jedesmal.
Das würde sich in einer neuen Zeile besser lesen.

Ginny

 

Hallo Ginny!

Freut mich, dass dir meine Story gefallen hat.
Danke auch für das Korrekturlesen. Mit den Velern und der neuen Zeile hast du recht. Ich habe beides schon verbessert.

Viele Grüße von Sturek

 

Hi sturek,

nette geschichte - erotik der anderen art - ich muss häufiger in dieser rubrik stöbern..:D

wirklich schön - wobei ich mich bei ihren eigenen verwandlungskünsten frage, warum sie sich ihre "lover" denn noch selbst zaubert - das dürfte doch auch ohne gehen..;)

nein, nein, wirklich sehr schön - den allerletten satz würde ich streicher - da du sie in erinnerungen schwelgen lässt - braucht es den erklärenden satz nicht mehr - das "handeln" als erklärung ist ja immer um einiges besser, als das "erklären"..

schön, schön..

viele grüße, streicher

PS: hast du was von dem trank?:cool:

 

Hallo Streicher!

Erotik der anderen Art, du sagst es. Einen winzigen Moment lang hatte ich überlegt, die Story in "Romantik/Erotik" zu posten :D
Warum sie sich den Lover selber zaubert? Stimmt, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht! Sagen wir einfach, die Hexe kocht gerne, und ist jedesmal gespannt, was dabei rauskommt. Ich werde mir noch einen Satz dazu ausdenken.
Das mit dem letzten Satz, das muss ich mir noch übrlegen. Wenn die Passage in der Mitte wäre, würde ich ihn sofort streicher. Aber am Ende...mmmh.

Und, den Trank bekommt keiner. Viel zu gefährlich. Man benötigt ja auch noch Köpfe... :rolleyes:
Danke für deinen Kommentar.

Viele Grüße von Sturek

 

Hehe, die Geschichte hat was. Mir gefällt vorallem die bildhafte Sprche, die du verwendest.

Hm, der letzte Satz. Ich bin der Meinung er stört nicht. Allerdings würde seine Abwesenheit auch nicht stören. Da kann ich dir leider nicht helfen.

 

*lacht sich kaputt*
geile Geschichte, ich persönlich wäre versucht gewesen eine neue Rubrik für sie zu schaffen Fantasy-Erotik-Humor.

Ich finde die Idee, dass sich eine Hexe einen Liebhaber für jeden Finger (haben die überhaupt (nur) zehn finger?) kocht...

Auch deine bildhafte, aber gut umschleiernde Formulierung des Geschlechtsaktes beeindruckte mich.

Im Guten und ganzen eine kurze, aber gut gelungene Geschichte, mit einer ordentlichen Prise Humor.

Halbarad

 

Hallo Sturek,
kann mich den anderen nur ansschließen, nette Hexengeschichte. Hat echt Spaß gemacht, sie zu lesen. Nur über eine Stelle bin ich gestolpert:" Die Hexe, ganz gespannte Erwartung, verharrte vor dem Kessel..."
Dieses "ganz gespannte Erwartung" hört sich irgendwie komisch an. Vielleicht: In gespannter Erwartung verharrte die Hexe vor dem Kessel, oder so.

Schade, dass Du das Rezept nicht rausrückst.:D

LG
Blanca

 

Hallo!

So, ich habe jetzt noch einige kleine Bearbeitungen vorgenommen:

@Blanca:
Und ich war sooo stolz auf diese Formulierung. aber man soll ja auf seine Kritiker hören. Ich habe also daraus jetzt "Gespannt wartete die Hexe vor dem Kessel" gemacht.
Bei dem Rezept bleibe ich hart:D


@Streicher:
Die versprochene Passage zur Motivation der Hexe ist eingefügt, gleich nach "Gespannt wartete die Hexe..."
Sie kocht gerne und probiert neue Rezepte aus.

@Abaxas:
Wenn er nicht stört, bleibt der Satz drin. Es ist doch ein gewisser Abschluss.

@Halbarad:
Ja, so eine Rubrik wäre nicht schlecht. Da könnte man sich so richtig austoben.

Danke an alle fürs Kommentieren und viele Grüße von Sturek

 

Hallo Sturek,

eine unterhaltsame, humorvolle kleine Fantasy-Geschichte, die ich schmunzelnd gelesen habe. Es zeigt mir, dass ich vielleicht doch ab und zu mal in dieser Rubrik stöbern sollte... :)

Besonders gefallen hat mir Deine bildreiche Sprache, ich konnte mir alles so gut vorstellen, den traumhaften Jüngling und die Verwandlung der Hexe von der prallen Schönheit zurück zur Alten mit den schlaffen Schläuchen.

So macht Fantasie sogar mir Spaß.

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Al-dente,

erst hatte ich ein bisschen Bammel, mich an so ein Thema ranzuwagen, aber das Schreiben der Story hat mir dann großen Spaß gemacht.

Das ist wirklich toll, wenn das dann bis zum Leser durchkommt.

Danke für deinen Kommentar.
Viele Grüße von Sturek

 

Hi Sturek!

Irre witzig, obwohl eigentlich ein "veralteter" Plot der Fantasy-Erotik - zumindest habe ich dergleichen schon irgenwo mal gelesen :hmm: .
Abgesehen davon ist die Geschichte mMn eben peppig-keck geschrieben und dadurch gut.

Korrekturvorschläge:

- "Ein menschlicher Kopf, schon halb verwest, trieb auf dem Sud..." kommt der Sud nicht erst nach dem Kochen zum Vorschein? Und ist der Kopf nicht zu schwer, darauf zu treiben?

- "... zur Hand und streute etwas daraus in die Flüssigkeit."

- "... als die Flüssigkeit aufschäumte und der Kopf stieß - klong - an die Wand des Kessels." Stattdessen würde ich "erneut" schreiben.

- "... den blauen Augen und der Mund wurde aufs Anmutigste..."

Lg, kleiner Rasta-Narr

 

Bin begeistert, was hier so für alte Kgs auftauchen.
Hat mir total zugesagt. Voller magischer Erzählkraft.
Ich wüsste nichts zu verbessern! Genial gemein!

hex hex
weltenläufer

 

Hi kleiner Rasta-Narr und Weltenläufer,

@ Rasta-Narr:
Danke für deine Korrekturvorschläge. Es zeigt sich wieder, dass man mit dem Überarbeiten einer Story eigentlich nie fertig wird.
"etwas daraus" ist einfacher und kürzer. Das habe ich übernommen.
Dass der Kopf auf dem Sud treibt, könnte sicher möglich sein, schon, weil es ein Hohlkörper ist. Wer probiert es aus? :lol:
Und der Sud kann sich doch schon während des Kochens bilden.
Das "klong" möchte ich auch so lassen. Ich verwende gerne Lautmalereien, weil es den Text mM. nach lebendiger macht.
"auf's Anmutigste" ist meiner Meinung nach richtig, obwohl man das Apostroph genau wie bei "ich hab's" auch weglassen kann. Beides ist laut Duden korrekt.
Das Rezept heißt jetzt übrigens "Iwanuschka" :D

Der Plot entstand eigentlich während des Schreibens, und das war mit ein Grund, weshalb mir diese Geschichte viel Spaß gemacht hat. Ist tatsächlich noch jemand auf diese Schnapsidee gekommen? :lol:

@ weltenläufer:
Freut mich, wenns gefallen hat.

Grüße
Sturek

 

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