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Die Verbeugung

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13.07.2017
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Die Verbeugung

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor im Leben. Bis die Nase die Knie berührt. Mit glühenden Wangen sitzt Yun in der U-Bahn. Sein Brustkorb füllt sich mit Wärme, ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife über Errungenschaften und Republikfeinde ihn aus dem Tagtraum reißt. Yun hetzt zur Tür. Auf dem Weg vom U-Bahnhof zum Eisstadion schmerzt der rechte Fuß wieder. Niemals würde er gegenüber dem Trainer oder den anderen ein Wort darüber verlieren. Sie sollen nicht befürchten, dass er an ihrem wichtigsten Tag scheitert.
Als er die Tür zur Eishalle aufstößt, sind alle Deckenlichter aus. Normalerweise ist der Strom in dem Stadtteil um diese Zeit schon wieder angestellt. Ihm genügt das einfallende Tageslicht. Die Halle ist leer. Einen Moment lang steht Yun an der Bande und spurt mit seinem Blick die Furchen vom gestrigen Training nach. Er wärmt sich auf, läuft ein paar Runden auf dem Eis, setzt sich auf eine der altersschwachen Bänke und schaut zur Uhr über dem Eingang. Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen. Die Füße liegen schwer auf der Gummimatte, kleine Pfützen bilden sich unter ihnen.
In den Umkleideräumen hört er die Stimmen der anderen Sportler. Auf seine Fragen hin blinzeln sie verlegen und kramen in ihren Sachen. Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun den Trainer nicht wiedersehen werde, weil dieser in die Berge geschickt worden sei. Die anderen strafen ihren Freund mit scharfen Blicken ab.

Yun verlässt mit der Sporttasche in der Hand die Eishalle, sich der Bedeutung der Aussage bewusst, die man nur leise, hinter vorgehaltener Hand ausspricht. Dennoch ergibt es für ihn keinen Sinn. Die U-Bahn ist so früh vor dem regulären Schichtende seltsam leer, die weiten Plätze vor den großen Statuen vereinsamt. Den restlichen Tag weiß Yun nichts mit sich anzufangen. Er könnte seine Eltern besuchen. Sie haben sich schon lang nicht mehr gesehen. Besser nicht. Die beiden würden sich bloß Gedanken über sein versäumtes Training machen.
In der Nacht steht Yun ganz oben. Der Stolz nimmt ihm fast den Atem. Doch niemand sonst ist da, bei dem Dreistufenpodest inmitten der tiefgrün leuchtenden Reisfelder. Yun sieht einen Reiher durch die Luft gleiten, in manchen Nächten ist er selbst der Reiher, und hört die Zikaden. Dann wird das Zirpen dumpfer und lauter. Schlaftrunken öffnet er die Tür. Zwei Uniformierte fordern Yun auf, ihnen zu folgen. Er widerspricht nicht.

Die trockenen Lippen reißen auf, als Yun sie aufeinanderpresst. Sechs Tage fristet er bereits in dieser Zelle mit einer Liege und einem schmalen Fenster. Der breit gefächerte Riss an der Wand erinnert ihn an den Straucheibisch vor dem Haus seiner Eltern. Das Einkommen vom Vater reichte aus für einen Kühlschrank, einen Fernseher und die ersten Schlittschuhe. Der kostbarste Besitz der Familie war die Parteimitgliedskarte des Vaters. Yun springt auf, als ein Staatsbeamter die Zelle betritt. Er teilt Yun mit, dass sein Prozess am gestrigen Tag stattgefunden habe.
Ihm werde gemeinschaftliche Planung zur Republikflucht vorgeworfen. Die heruntergeratterten Worte überschlagen sich auf dem Weg von Yuns Ohren in seinen Kopf. Der Tatbestand gelte durch Zeugenaussagen und das Geständnis des Trainers als erwiesen. Yun schmeckt Blut. Noch am selben Tag werde er die Strafe von sieben Jahren Arbeitslager antreten.
Yun steht kerzengerade und sagt nichts. Sein Atem verlässt stoßweise die Nase. Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs.

 
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Hallo hell,
dein Nick gefällt mir. :)

Ohje, wieso ist mir diese immense Anzahl der Präposition sein nicht aufgefallen? Danke fürs durchforsten des Textes und anschließende sichtbar machen der Schwachstellen. Ich konnte tatsächlich fast alle Pp einfach ersetzen oder die Textstellen umschreiben. Da hatte ich wohl ein Brett vor dem Kopf.

Du verwendest im ersten Abschnitt zu viele Würde-Konstruktionen und Pp für meinen Geschmack -
könntest das sicher eleganter lösen.
Das Krächzen in der Tonbandschleife konnte ich nicht richtig einordnen, die Station in Folge auch nicht, erst der darauf folgende, zweite Satz gibt Aufschluss. Ich würde Yun klarer verorten, ich sehe keinen Mehrwert darin, so kryptisch vorzugehen. Vllt. Durchsage und Haltestelle?
Ja, kann ich alles nachvollziehen. Die Würde-Konstruktionen sind reduziert, wie auch die Pps.(im gesamten Text)
Das Krächzen in der Tonbandschleife ist nicht die Haltestellendurchsage, sondern die Propagandadauerbeschallung. Da das auch andere Kommentatoren nicht verstanden hatten, habe ich das ausgebaut. Außerdem wird jetzt früher Yuns Sitzen in der U-Bahn erwähnt.


Das Pp finde ich wieder vermeidbar, zudem hätte ich eher eine glatte Eisfläche erwartet - es ist ja sonst niemand in der Halle.
Ich habe jetzt noch vom gestrigen Training ergänzt. Ich sag einfach mal, die Fläche wird dort nicht jeden Abend geglättet.


Dass die Augen zur Uhr gehen ... Mja, kannst du besser, denke ich.
Stimmt schon, ist nicht sehr elegant. Habe es umgebaut.


Die anderen stoppen ihn mit scharfen Blicken.
Das suggeriert, er hätte sonst noch mehr erzählt - ich denke aber, er hat bereits erzählt, was es zu erzählen gab, nicht? Vielleicht strafen ihn die anderen einfach mit Blicken ab. Oder du schreibst das ganz um, um nicht wieder was mit "Blick" zu schreiben.
Hast Recht. Ich würde jetzt auch direkt deinen 1a Vorschlag übernehmen.


Den restlichen Tag weiß Yun nichts, mit sich anzufangen.
Komma kann (muss?) weg.
Hm, ich bin eine totale Komma-Niete. Der Friedel(@Friedrichard) schlug das vor:
…um evtl. hier eine Heimat zu finden
Den restlichen Tag weiß Yun[,] nichts mit sich anzufangen.
(die Infinitivgruppe ist von "Yun" abhängig, der ja im Reflexivpronomen widerscheint)

Er könnte seine Eltern besuchen. Sie hatten sich lange nicht mehr gesehen.
Der Bezug ist unsauber.
Sie würden sich bloß sorgen und sich Gedanken über sein versäumtes Training machen.
Ich würde mich entscheiden, wirkt irgendwie doppelt gemoppelt.
Gesäubert und entmoppelt.

In der Nacht kommt wieder der Traum.
Unschön.

Yun steht ganz oben, um die verdiente Medaille entgegenzunehmen. Der Stolz nimmt ihm fast den Atem. Doch niemand sonst ist da. Das Dreistufenpodest steht inmitten von tiefgrün leuchtenden Reisfeldern.
Gerade bei so kurzen Texten würde ich WW vermeiden.
O.k., sehe ich ein. Der Traumteil ist komplett umgebaut.


Yun sieht einen Reiher durch die Luft gleiten, in manchen Nächten ist er selbst der Reiher, und hört die Zikaden. Dann wird das Zirpen dumpfer und lauter. Mit schlaftrunkenem Blick öffnet er die Tür und sieht sich zwei Uniformierten gegenüber, die ihn mit kühlem Blick auffordern, ihnen zu folgen. Yun kann sich die Anweisung nicht erklären, widerspricht den beiden aber nicht.
Konnte ich auch ganz gut, glaube ich, abändern. Der Wahnsinn, was für einen verklärten Tunnelblick man selber manchmal hat. :schiel:


Die trockenen Lippen reißen auf, als Yun sie aufeinanderpresst. Sechs Tage ist er bereits in dieser Zelle mit einer Liege und einem schmalen Fenster und wartet.
Unschön. Also verwende doch lieber ein starkes Verb bzw. lasse ihn doch gleich warten.
Stimmt. Jetzt fristet Yun in dieser Zelle.


Der breit gefächerte Riss an der Wand erinnert ihn an den Straucheibisch vor dem Haus
Da stimmt was nicht.
Was meinst du? Ich hätte auch Mugunghwa schreiben können. Aber ich dachte, das lenkt zu sehr ab.


Er starrt durch die Gitter seiner Zellentür auf die großen Porträts am Ende des Flurs und verfällt in tiefe Traurigkeit.
Ich würde den letzten Satz nochmals überdenken. Ohne diese Traurigkeit gewänne der Schluss noch eine schöne Portion Kühle und Distanz. Er könnte sich auch überlegen, ob er selbst doch etwas falsch gemacht hatte, oder ob jemand etwas vom verletzten Fuß mitbekommen hatte . Das wäre fies, würde vllt. noch mehr Unverständnis bewirken und das Brainwashing andeuten ... Nur mal so als spontaner Einfall.
Der Teil mit der Traurigkeit wurde mehrfach als streichbar kommentiert. Ich schmeiße es raus. Das mit der Schuldfrage gefällt mir. Oder er empfindet sich jetzt als nicht mehr würdig vor ihn zu treten. So was in der Art. Vielleicht fällt mir dazu noch was ein. Danke für die Idee.

Fazit (en gros): Hab ich sehr gerne gelesen.
:D Juchu! Vielen Dank fürs Lesen und für deinen hilfreichen Kommentar!
Viele Grüße
wegen

 

Verstehst du, was ich meine?

Klar, liebe wegen!

Oder wolltest du mir sagen, dass du die Worte Verbeugung und spuren im Text falsch verwendet findest und hast ihre Bedeutung deshalb ausführlich beschrieben?
Klingt das, pardon, liest es sich so?

Nee, sieh's als Anregung an.

Tschüss,

Friedel

 

Moin@wegen.
Much better ! Jetzt liest es sich flüssig, die Atmosphäre stimmt nun für mich und hab es gerne nochmal gelesen. Mein Vertrauen in Deine schreiberischen Fähigkeiten war aus meiner Sicht gerechtfertigt.
Freundlichst: Der LORD

 

Hallo Wegen,

... das Verhalten Deines Prots erinnert mich an das Zitat von J.G. Ballard:

Zivilisiertes Leben basiert auf einer großen Zahl von Illusionen, zu denen wir bereitwillig beitragen.
Das Problem ist, nach einer Weile vergessen wir, dass es Illusionen sind, und sind dann zutiefst schockiert, wenn um uns herum die Wirklichkeit durchbricht.

Was Du schreibst und wie Du es schreibst, zeigt nur, wie wir mit unserer (illusorischen) Sichtweise das Leben eines Menschen betrachten, der als Ursache seiner Lebensbetrachtung andere Illusionen besitzt. Was ist die Wirklichkeit - sein Leben, oder das unsere? In einem Filmbeitrag, den ich sah, erzählte ein Nordkoreaner, wie er das Leben eines westlich orientierten Menschen sieht (er hatte noch nie Kontakt). Hattest Du schon Kontakt mit einem Nordkoreaner?
Sicher, diese Art von Willkür ist nicht zu verstehen und auch zu verurteilen.
Aber - wir sind hier im (freien) Westen schnell bei der Hand, aus unserer (illusorischen) Sichtweise das Andere, Fremde aufzuzeigen - dass unsere Art zu Leben aber einen Großteil anderer Zivilisationen gekillt hat, die Alternativen aufzeigten, wie man auf diesem Planeten mit der Natur, also der Wirklichkeit, umgehen kann, sehen wir nicht als Wirklichkeit an.
So gesehen sind wir als Zivilisation weit weg von der Weisheit.
Nichtdestotrotz hat mir Deine Geschichte gefallen - allein der Stimmung wegen, die Deine Worte ausgelöst haben.

LG Detlev

 
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maria.meerhaba
Hallo Meryem,

schön, dass du mir deine Gedanken zum Text schreibst.

Dann wird das Zirpen dumpfer und lauter. Mit schlaftrunkenem Blick öffnet er die Tür und sieht sich zwei Uniformierten gegenüber, die ihn mit kühlem Blick auffordern, ihnen zu folgen.
Hier würde ein Zeilenumbruch helfen. Denn irgendwie dachte ich immer noch, er würde noch träumen und im Traum mit schlaftrunkenem Blick die Tür öffnen. Passiert mir manchmal in einem Traum, wo ich glaube, aufzuwachen und aufzustehen, obwohl ich eigentlich weiterschlafe.
:) Ach was. Hattest du verstanden, dass das lauter und dumpfer werdende Zirpen das Hämmern an seiner Tür ist? Dieser Satz ist der Übergang zwischen Traum und Wachsein. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich es trennen sollte.


Er teilt Yun mit, dass sein Prozess am gestrigen Tag stattfand. Ihm werde gemeinschaftliche Planung zur Republikflucht vorgeworfen.
WTF? Natürlich habe ich mich da gewundert, dass da ein Prozess ohne ihn stattfand, andererseits ist das sicherlich in einer Diktatur ganz normal.
Immerhin wurde ihm das Urteil vor Strafantritt mitgeteilt.


ich war mir sicher, dass das irgendwas von mit den langweiligen olympischen Wintersport zu tun hatte.
An welcher Stelle, schon beim Titel?


Die Idee gefällt mir schon, fand ich interessant, aber die Umsetzung ist viel zu kalt formuliert. Das ist fast schon so, als würde man einen etwas breiter gefächerten Zeitungsartikel lesen. Yun bleibt absolut blass, nur eine Figur der Handlung, die darin untergeht und alles rasch vorbei ist. Er bekommt nicht das, was deine Figuren in anderen Geschichten bekommen: Farbe, Seele, ein Herz.
Ich verstehe was du in der Geschichte vermisst. Dir sind gezeigte Emotionen und Gedanken wichtig. Die Nordkoreaner sind (in meiner Vorstellung) eher reservierter Natur. Einen italienischen Sportler hätte ich gewiss gefühlsbetonter und leidenschaftlicher agieren lassen. Aber wie ein Zeitungsartikel? Kommt echt gar nichts von der großen Bürde, der tiefen Ehrfurcht und der unerschütterlichen Systemloyalität bei dir an? Schade.


Andererseits wolltest du vielleicht in wenigen Worten ein schlimmes Schicksal zeigen.
Die erste Version der Geschichte war gut ein Drittel kürzer, sollte durch pragmatische Details und Szenen viel zwischen den Zeilen vermitteln und enthielt eine sehr reduzierte Figurendarstellung. Manche Bilder und Abläufe funktionierten so aber nicht. Weshalb ich die Geschichte mit Hilfe der Kommentare ausgebaut habe.


Vielleicht, ach was wahrscheinlich, gibt’s in meiner nächsten Geschichte mehr Emotionen. Bis dann, lieben Dank für deinen Kommentar.

Wärmende Grüße
wegen

Moinsen Lord Arion,

Much better ! Jetzt liest es sich flüssig, die Atmosphäre stimmt nun für mich und hab es gerne nochmal gelesen. Mein Vertrauen in Deine schreiberischen Fähigkeiten war aus meiner Sicht gerechtfertigt.
tks a lot! Ich freu mich. :D Danke für die Rückmeldung!

Viele Grüße
wegen

Hi Detlev,
danke dir für deine Ausführungen. Sehr interessante Gedanken. Ich muss erst mal in mich gehen, bevor ich dir morgen zurück schreibe.

Viele Grüße und schönen Abend.
wegen

 

Hallo wegen,

ich finde, dein Text ist inzwischen noch besser geworden. Die Reisfelder und der Reiher gefallen mir gut. Sehr schön, dass der Schlusssatz mit der Traurigkeit weg ist! Ein paar Kleinigkeiten hab ich noch:

Den restlichen Tag weiß Yun, nichts mit sich anzufangen. Er könnte seine Eltern besuchen. Sie hatten sich schon lang nicht mehr gesehen.

Die Geschichte ist im Präsens geschrieben. Insofern verstehe ich nicht, warum du bei der Vorzeitigkeit ins Plusquamperfekt rutschst. Perfekt würde doch reichen, also: „Sie haben sich schon lang nicht mehr gesehen.“

und erblickt zwei Uniformierte, die ihn kühl auffordern, ihnen zu folgen. [...] Der Beamte rattert den Text kalt runter.

Ist jetzt ein bisschen spitzfindig, aber das „kühl“ und „kalt“ ist mir in dem kurzen Text too much. Eines davon könnte weg.

Jetzt wird es noch viel spitzfindiger:

In den Umkleideräumen hört er die Stimmen der anderen Sportler.

Ganz minimalistisch betrachtet, könnte „Sportler“ noch weg. Ergibt sich ja von alleine. Der Yun denkt wahrscheinlich nur „die anderen“.

Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde

Ich hab gerade die Obsession, Possessivpronomen einzusparen. Das vergeht wahrscheinlich wieder. :shy: Die Frage ist aber auch, ob das nicht ihrer aller Trainer war. „Dass Yun den Trainer nicht wiedersehen werde“ - so fänd ich es vielleicht stimmiger.

Ich find es gut, wie du dieses Thema behandelst. Fein beobachtet und unsentimental beschrieben. Ein junger Mensch, Sportler - also nicht der systemkritische Intellektuelle, sondern einer, der das alles nicht so verbalisieren kann, insofern passt der Tonfall, passt die Schreibe.

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Detlev,

Was Du schreibst und wie Du es schreibst, zeigt nur, wie wir mit unserer (illusorischen) Sichtweise das Leben eines Menschen betrachten, der als Ursache seiner Lebensbetrachtung andere Illusionen besitzt. Was ist die Wirklichkeit - sein Leben, oder das unsere? In einem Filmbeitrag, den ich sah, erzählte ein Nordkoreaner, wie er das Leben eines westlich orientierten Menschen sieht (er hatte noch nie Kontakt). Hattest Du schon Kontakt mit einem Nordkoreaner?
Sicher, diese Art von Willkür ist nicht zu verstehen und auch zu verurteilen.
Aber - wir sind hier im (freien) Westen schnell bei der Hand, aus unserer (illusorischen) Sichtweise das Andere, Fremde aufzuzeigen
Ich weiß ehrlich gesagt nicht so richtig, wie ich deinen Kommentar verstehen soll. Deine Gedanken um die verschiedenen Sichtweisen finde ich interessant.
Seit 10 Jahren habe ich täglich Kontakt mit Geschäftspartnern in China, manchmal Taiwan (Nein, nicht in Nordkorea) und bin auch von Zeit zu Zeit dort. Aber auch der Stempel unter meiner Teilnahmebestätigung „Interkulturelles Training – China“ macht mich gewiss nicht zum Far East Experten! Klar, die Asiaten (mir ist bewusst, dass ich nicht alle asiatischen Kulturen über einen Kamm scheren kann) die ich treffe, sind westlich geprägt, weil sie höchstwahrscheinlich auch ein Interkulturelles Training absolviert haben. ;)
Aber, ist es jetzt vermessen und ungehörig von mir eine Geschichte mit Schauplatz Nordkorea zu schreiben, ohne eine Studienreise dorthin gemacht zu haben? Nee, ich glaube nicht. Das ist eine fiktive Geschichte über zwei aktuelle Themen, die mich berührt und beschäftigt haben. Falls der Text von mir falsch recherchierte Nordkorea-Fakten enthält, lass ich mich gern belehren.
Und ich behaupte jetzt mal, dass ich mir, im Gegensatz zu deinem erwähnten Nordkoreaner, durch die Bandweite an frei zugänglichen Informationen selbst ein Bild machen und meine Ansichten frei äußern kann, ohne Maßregelungen befürchten zu müssen. Dieser Umstand, lieber Detlev, füllt meinen Brustkorb mit Wärme. :shy:

So gesehen sind wir als Zivilisation weit weg von der Weisheit.
Da bin ich bei dir.


Nichtdestotrotz hat mir Deine Geschichte gefallen - allein der Stimmung wegen, die Deine Worte ausgelöst haben.
Na, das ist doch schon mal was. :)

Danke für deine Gedanken zu Text und Hintergründen.
Viele Grüße
wegen

Hi Anne49,

ich finde, dein Text ist inzwischen noch besser geworden.
Das geht runter wie warmer grüner Tee. :)


Zitat von wegen
Den restlichen Tag weiß Yun, nichts mit sich anzufangen. Er könnte seine Eltern besuchen. Sie hatten sich schon lang nicht mehr gesehen.
Die Geschichte ist im Präsens geschrieben. Insofern verstehe ich nicht, warum du bei der Vorzeitigkeit ins Plusquamperfekt rutschst. Perfekt würde doch reichen, also: „Sie haben sich schon lang nicht mehr gesehen.“
Stimmt. Danke, auch für die Erläuterung.


Zitat von wegen
und erblickt zwei Uniformierte, die ihn kühl auffordern, ihnen zu folgen. [...] Der Beamte rattert den Text kalt runter.
Ist jetzt ein bisschen spitzfindig, aber das „kühl“ und „kalt“ ist mir in dem kurzen Text too much. Eines davon könnte weg.
:Pfeif: Haha, bis gestern stand an beiden Stellen „kühl“. Ich streiche das erste „kühl“ ersatzlos.


Zitat von wegen
In den Umkleideräumen hört er die Stimmen der anderen Sportler.
Ganz minimalistisch betrachtet, könnte „Sportler“ noch weg. Ergibt sich ja von alleine. Der Yun denkt wahrscheinlich nur „die anderen“.
Hast Recht. Aber weiter oben, bei der Fuß-Stelle, habe ich bereits auf „die anderen“ reduziert.


Zitat von wegen
Einer von ihnen poltert heraus, dass Yun seinen Trainer nicht wiedersehen werde
Ich hab gerade die Obsession, Possessivpronomen einzusparen. Das vergeht wahrscheinlich wieder. Die Frage ist aber auch, ob das nicht ihrer aller Trainer war. „Dass Yun den Trainer nicht wiedersehen werde“ - so fänd ich es vielleicht stimmiger.
Absolut. Das übernehme ich gern.


Ich find es gut, wie du dieses Thema behandelst. Fein beobachtet und unsentimental beschrieben. Ein junger Mensch, Sportler - also nicht der systemkritische Intellektuelle, sondern einer, der das alles nicht so verbalisieren kann, insofern passt der Tonfall, passt die Schreibe.
So schön, das zu lesen. Ich bin froh, dass es in dem kurzen Text zu funktionieren scheint, das glaubhaft zu transportieren.


Lieben Dank für deinen erneuten Besuch.
Viele Grüße
wegen

 
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Liebe wegen,
wie interessant, das ist jetzt wirklich ein völlig neuer Text. Weckt auf jeden Fall toll Stimmungen, man sieht die Leute vor sich, auch von den Sinneseindrücken schön, man riecht und schmeckt da vieles förmlich (das bezieht sich jetzt v.a. auf die Teile mit den Eltern, da sollte auf jeden Fall was von drinbleiben). Allerdings – und das ist für mich jetzt im Vergleich ein großes Manko – ist das alles viel gewöhnlicher. Es gibt kaum (vllt keine) Gewichtungen mehr, alles findet einfach so nacheinander statt: Die Verehrung, Verschleppung des Trainers, Turnhalle, familiärer Hintergrund, Verhaftung, Gefängnis. Ich finde es zwar immer toll, wenn Sachen so wie nebenbei passieren, aber das kann nur Wirkung haben, wenn die scheinbar unbeteiligte Erzählstimme im Widerspruch zum Geschehen steht, nicht, wenn der Text mit mehr Nebensächlichem gefüllt wird. *) In dieser neuen Version aber wirkt sowohl das Geschehen wie auch der vermittelte Eindruck seitens des Erzählers unaufgeregt. Das schadet imA dem Text.

*) Vergleich, nur in einem anderen Genre: Satire entsteht durch die Diskrepanz zwischen Erzählten / Inhalt und der Erzählhaltung / Sprache.

Ohne Frage kannst du echt wunderbare Szenen erzählen, das ist äußerst angenehem zu lesen, macht Spaß, zieht einen in den Text. Was aber was dabei nicht rauskommt, ist deine spezielle Sicht der Dinge. Es gibt viele Autoren, die hübsche Geschichten erzählen, aber wenige, die eine interessante, streng individuelle Perspektive auf das Erzählte (oder die Realität) haben, und rein für meine Lesevorlieben finde ich es schade, wenn du das nicht nutzen würdest. Ich denke nämlich, diese Sicht ist etwas, das sich im Laufe der Zeit durch gute Beobachtung und Reflexion entwickelt, das lässt sich nicht lernen, wie die Techniken des Erzählens. Und gute Literatur zumindest für mich ist eben nicht nur das Handwerk, sondern auch die Perspektive und individuelle Erzählhaltung.

Was mir hier übrigens auch verloren geht, ist das rein implizierte thematische / emotionale Engagement des Autors, das mir die erste Version sehr stark vermittelt hat. Daher kann ich diesen Text gerne lesen, aber es tut sich nicht mehr so viel bei mir.

Dazu: Man hört ja oft, dass Leser sagen, Zeitungsartikel würden bei ihnen keine Emotionen auslösen, und das sei mit 'kühl-reduzierten' Texten auch so. Ich glaube eher, dass wir uns zum Selbstschutz emotional bereits distanzieren, wenn wir beginnen, Nachrichten zu lesen, und uns das deswegen weniger berührt. Fiktion kann aber diese emotionale Barriere aushebeln, und dennoch die gleichen Fakten behandeln. Und - wenn mich nicht alles täuscht - lag dieses Prinzip hinter der Konstruktion dieser Geschichte, wie sie anfangs war.

Ich kann im Grunde alles bestätigen, was ich dir schon per PN geschrieben hatte ohne die Überarbeitung gelesen zu haben.

Was dem Original fehlte (hier aber besteht), ist ein guter Erzählfluss und nachvollziehbare Szenen-/Blickwechsel. Allerdings kommt das v.a. daher, dass man mehr Auserzähltes hat, wo einfach mehr Info drinsteckt. Das muss nicht die beste Lösung sein, aber ich würde folgendes raten: Originaltext und diesen drucken und nebeneinanderlegen, einzelne Elemente (v.a. aus dem Familienhintergrund) kleinteilig und gut dosiert ins Original rüberziehen, den Text stärker aus einer dezidierten Perspektive / zwingenden Erzählstimme umschreiben, und dabei darauf achten, dass du nicht eine Wackelkamera bekommst (wie im Original beim Turnhallenboden, den Schlittschuhen/Eis, der Bank …). Dich da nicht beschränken, aber dann mehrere Kürzungsdurchgänge einfach Satz für Satz, Wort für Wort.
Ich glaube, dann hättest du beides: einen reduzierten, harten Text und eine emotionale Haltung / implizierte Sicht im Hintergrund.

Und ich muss nochmal ganz penetrant darauf bestehen, dass Kratzen nicht im Tonband ist. Weil man das sonst hören könnte, wenn man sich die Spule ans Ohr hielte. :D Das Kratzen kommt aus dem Lautsprecher, oder – wenn dir das Band wegen dem Ost/Retro-Ding wichtig ist – mach eine Ansage vom Band draus.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen, und würde es wirklich spannend finden, deine Entwicklung hier mitzuverfolgen. Ich finde, du bringst schon echt viel mit, das braucht noch ein bisschen Ordnung und Konsequenz, aber dieser Prozess ist sicher nie abgeschlossen, das müssen wir ja alle lernen – von daher: keine Scheu!

Liebe Grüße, Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Katla,

vielen Dank fürs erneute Lesen und Kommentieren!

Ich hatte dir geschrieben, dass ich befürchte dem Text durch zu viele Erklär-Ergänzungen ein ganzes Stück Kraft genommen zu haben. Es braucht irgendwie Lücken und Raum zwischen dem stark Gesagtem, sonst plättschert die Geschichte nur vor sich hin. Deine Rückmeldung zur letzten Version bestätigt meine Annahme.

...ich würde folgendes raten: Originaltext und diesen drucken und nebeneinanderlegen, einzelne Elemente (v.a. aus dem Familienhintergrund) kleinteilig und gut dosiert ins Original rüberziehen, den Text stärker aus einer dezidierten Perspektive / zwingenden Erzählstimme umschreiben, und dabei darauf achten, dass du nicht eine Wackelkamera bekommst (wie im Original beim Turnhallenboden, den Schlittschuhen/Eis, der Bank …). Dich da nicht beschränken, aber dann mehrere Kürzungsdurchgänge einfach Satz für Satz, Wort für Wort.
Ich glaube, dann hättest du beides: einen reduzierten, harten Text und eine emotionale Haltung / implizierte Sicht im Hintergrund.
1a Tipp. Das habe ich getan. Geholfen hat auch, dass ich die Geschichte ne Weile nicht gelesen habe und dadurch aus meinem Autorentunnelblick rauskam. Mir fiel es erstaunlich, nein erschreckend leicht, unnütze Wörter und Sätze („Jeder Satz muss die Geschichte vorantreiben,…“ ;)) raus zu schmeißen. Zeichenzahl 1. Fassung: 2.895, letzte Fassung: 4.045, jetzige Fassung: 3.481. Die Bearbeitung ist vielleicht noch nicht radikal genug. Aber die Geschichte fühlt sich für mich schon besser an.


Und ich muss nochmal ganz penetrant darauf bestehen, dass Kratzen nicht im Tonband ist. Weil man das sonst hören könnte, wenn man sich die Spule ans Ohr hielte. Das Kratzen kommt aus dem Lautsprecher, oder – wenn dir das Band wegen dem Ost/Retro-Ding wichtig ist – mach eine Ansage vom Band draus.
"Sein Brustkorb füllt sich mit Wärme, ehe ein Krächzen in der Tonbandschleife über Errungenschaften und Republikfeinde ihn aus dem Tagtraum reißt."
Meine Güte! :rolleyes: ;) Sorry, ich kapiere es echt nicht. Warum kann das Tonband, das in einer (Endlos-) Schleife abgespielt wird, keinen Fehler haben? Das Krächzen (=kratziges Geräusch) ist nicht im Tonband, sondern ist in der Schleife des Abspielens zu hören. Schleife ungleich Spule. Ich will das mit der Schleife lassen, weil es die Propagandabeschallung gut zeigt.


Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen, und würde es wirklich spannend finden, deine Entwicklung hier mitzuverfolgen. Ich finde, du bringst schon echt viel mit, das braucht noch ein bisschen Ordnung und Konsequenz, aber dieser Prozess ist sicher nie abgeschlossen, das müssen wir ja alle lernen – von daher: keine Scheu!
Großes Dankeschön für die lieben Worte und deine Hilfe am Text!

Viele Grüße
wegen

 

Hallo wegen,

bestimmt taucht das ein oder andere, was mir aufgefallen ist auch in den vorigen Kommentaren auf.
Ich muss gestehen, so recht will mich deine Geschichte nicht überzeugen. Das liegt, glaube ich, daran, dass alles irgendwie grau in grau ist. Das spiegelt sich in der von dir aufgerufenen Kulisse wieder, in der alles irgendwie heruntergekommen und trist ist. Das, finde ich, passt eigentlich ganz gut zu einer Diktatur, wie du sie beschreibst.

Was mich gestört hat: Es gibt keinerlei erzählerische Auf´s und Ab´s, sondern nur eine ziemlich monotone Bahn nach unten, die dadurch sehr vorhersehbar ist. Dein Protagonist ist ebenfalls hauptsächlich äußerlich gestaltet, er handelt zwar, aber man erfährt als Leser eigentlich gar nichts darüber, was in ihm vorgeht. Außerdem bleibt er selbst vollkommen passiv. Ich nehme an, dass du Yun als einen eigentlich Systemtreuen vorstellst, dem dies zu Unrecht widerfährt und der gar nicht fassen kann, was ihm da geschieht. Aber gerade dann, sollte es in ihm doch arbeiten wie verrückt, woran du deinen Leser teilhaben lassen könntest. Hier böten sich glaube ich einige Möglichkeiten. Einer der anderen Kommentatoren hat die Geschichte kafkaesk genannt, aber gerade bei Kafka ist das Innenleben des Protagonisten wesentlich (siehe zum Beispiel die unterschiedlichen Gemütslagen des Angeklagten in Kafkas Prozess.). Ich würde dir raten einmal Denunziation von Bandi zu lesen, da bekommst du einen wunderbaren Einblick in das alltägliche Leben und Denken in Nordkorea.

Die von dir aufgerufenen Reflexionen (Die Verbeugung, der Preis, das Siegertreppchen), fallen für meinen Geschmack irgendwie aus dem Text heraus und bieten keinen wirklichen erzählerischen Mehrwert oder eine Erklärung für das Verhalten oder die Beweggründe des Protagonisten.

Auch das der verhaftete Trainer verhört wird, dein Protagonist aber offenbar überhaupt nicht, sprengt in meinen Augen ein logische Schema und wirkt auf mich nicht glaubwürdig. Solche Ereignisse zeichnen sich, wie beispielsweise bei Stalin oder der Hexenverfolgung, besonders dadurch aus, dass da immer auch neue potenzielle Verdächtige aus dem gerade Denunzierten herauszuholen sind. Diese Kette stoppt in der Regel nicht schon beim zweiten Glied, sondern zieht weite Kreise.

Ich hoffe du nimmst mir die strenge Einschätzung nicht übel.

Beste Grüße

Blumenberg

 

Hallo Blumenberg,
nicht durch die Blume, nichts hinterm Berg gehalten? :D

Ich muss gestehen, so recht will mich deine Geschichte nicht überzeugen. Das liegt, glaube ich, daran, dass alles irgendwie grau in grau ist. Das spiegelt sich in der von dir aufgerufenen Kulisse wieder, in der alles irgendwie heruntergekommen und trist ist. Das, finde ich, passt eigentlich ganz gut zu einer Diktatur, wie du sie beschreibst.
Du findest die Geschichte nicht überzeugend, weil alles grau in grau und trist ist, was aber eigentlich ganz gut zu dieser Diktatur passt. Ahja, o.k. In seinen Träumen ist es farbenfroher. Darin könnte man doch auch etwas deuten.


Was mich gestört hat: Es gibt keinerlei erzählerische Auf´s und Ab´s, sondern nur eine ziemlich monotone Bahn nach unten, die dadurch sehr vorhersehbar ist.
Liest du die Traumsequenz, in der er Gold bekommt und zum Reiher wird oder die Stelle mit der Kindheitserinnerung als "Ab"? Da sehe ich nämlich Lichtblicke, nicht für ihn, aber aus Yuns Sicht. Dennoch bleibt es ein (kurzes) Gesellschaftsdrama.


Dein Protagonist ist ebenfalls hauptsächlich äußerlich gestaltet, er handelt zwar, aber man erfährt als Leser eigentlich gar nichts darüber, was in ihm vorgeht.
Was in Yun vorgeht (chronologisch im Text): Ehrfurcht, Vorfreude, Stolz, Loyalität, Hingabe, Hilflosigkeit, Verwirrung, Resignation. Das alles reduziert. Schade, dass es dich nicht erreicht hat.


Außerdem bleibt er selbst vollkommen passiv.
Genau! Verrückt, oder? Wichtiger Punkt im Text.


Ich nehme an, dass du Yun als einen eigentlich Systemtreuen vorstellst, dem dies zu Unrecht widerfährt und der gar nicht fassen kann, was ihm da geschieht. Aber gerade dann, sollte es in ihm doch arbeiten wie verrückt, woran du deinen Leser teilhaben lassen könntest. Hier böten sich glaube ich einige Möglichkeiten.
Böten sich bestimmt. Weißt du, ich wollte eine kurze, kühle und etwas distanzierte Geschichte ohne viel offen gezeigte Emotionen schreiben, mMn passend zum Leben in Nordkorea. Durch die Reduzierung soll es im besten Fall wie verrückt im Leser arbeiten.


Einer der anderen Kommentatoren hat die Geschichte kafkaesk genannt, aber gerade bei Kafka ist das Innenleben des Protagonisten wesentlich (siehe zum Beispiel die unterschiedlichen Gemütslagen des Angeklagten in Kafkas Prozess.).
Nicht mein Vergleich, nicht meine Schreibintention.


Die von dir aufgerufenen Reflexionen (Die Verbeugung, der Preis, das Siegertreppchen), fallen für meinen Geschmack irgendwie aus dem Text heraus und bieten keinen wirklichen erzählerischen Mehrwert oder eine Erklärung für das Verhalten oder die Beweggründe des Protagonisten.
Echt? Ich hätte jetzt gedacht, das wären „Auf’s“. Diese Reflexionen stellen für mich Yuns Motivationen da. Ich halte sie daher für absolut notwendig.


Auch das der verhaftete Trainer verhört wird, dein Protagonist aber offenbar überhaupt nicht, sprengt in meinen Augen ein logische Schema und wirkt auf mich nicht glaubwürdig. Solche Ereignisse zeichnen sich, wie beispielsweise bei Stalin oder der Hexenverfolgung, besonders dadurch aus, dass da immer auch neue potenzielle Verdächtige aus dem gerade Denunzierten herauszuholen sind. Diese Kette stoppt in der Regel nicht schon beim zweiten Glied, sondern zieht weite Kreise.
Und jeder Text, der eine Verhandlung und/oder eine Denunziation beinhaltet, MUSS nach diesem logischen Schema ablaufen? Hm. Ich gebe dir Recht, das könnte man ausbauen. Aber es würde dem Teil irgendwie zu viel Gewicht geben. Es ginge dann zu sehr um den Strafprozess. Weißt du, was ich meine? Deshalb passt es für mich reduziert besser.


Ich hoffe du nimmst mir die strenge Einschätzung nicht übel.
Nö. Danke für deine Leseeindrücke! :)

Viele Grüße
wegen

 

Hey Manlio,

ein interessanter, unpersönlich gestalteter Text. Ein Text, der bewusst Leerstellen enthält, in die sich Stille, Einsamkeit, Angst einnistet ...
Die Geschichte ist nicht mehr taufrisch. Was für eine schöne Überraschung, deinen Kommentar darunter zu finden. Und dann reflektierst du auch noch so feinsinnig, genau wie ich die Bilder und Zeichen zeigen wollte. Super! :)

Vor ihm würde er sich so tief verbeugen, wie nie zuvor im Leben.
Meine Vermutung: er ist nordkoreanischer Eishockeyspieler, der es in einem wichtigen Spiel vermasselt hat.
Da liegst du fast richtig. Yun ist ein Eiskunstläufer der Nordkoreanischen Nationalmannschaft, in den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Sonst wären sicherlich auch mehr Mannschaftskameraden in der Halle. Schau mal, an dieser Stelle geht er die gestrigen Figuren durch: „Einen Moment lang steht Yun an der Bande und spurt mit seinem Blick die Furchen vom gestrigen Training nach.“

Ohne die Anweisungen seines Trainers kann er nicht beginnen.
Interessant, wie du den autoritären Charakter des Systems unauffällig einflichst.
Ich freu mich, dass du es genau in meinem Sinne verstehst. Auch Yun selbst ist, als Teil des großen Ganzen, stets angepasst und regelkonform, und nicht nur sein Handeln, sondern auch seine Denkweise eingeschra[e]nkt.
Im Februar waren die Themen Olympia und Nordkorea, in seiner besonderen Beziehung zum Gastgeberland, in den Medien sehr präsent. Die Berichterstattung über das Leben im NK-Regime hatte mich total gepackt.

In den Umkleideräumen hört er die Stimmen der anderen Sportler.
Warum nicht "Spieler"?
Jetzt, wo du weißt, dass Yun Eiskunstläufer ist, erübrigt sich diese Frage, oder? :shy:

Die anderen strafen ihn mit scharfen Blicken ab.
Ich denke, den Satz braucht es nicht. Gerade eben haben die Spieler seinen Blick noch gemieden, der Umschwung ist mir zu hart montiert.
Die anderen strafen nicht Yun, sondern das Plappermaul in ihren Reihen mit scharfen Blicken ab.

Der Stolz nimmt ihm fast den Atem.
Finde ich auch bemerkenswert, dass Yun keineswegs völlig niedergedrückt ist, sondern sich auch Stolz bewahrt hat auf seine Leistung.
Hm, ja. Wenigstens in seinen Träumen ist Yun frei von auferlegter, aufgesetzter Bescheidenheit und frei von zu befürchtender Repressalien.

Die kalt herunter geratterten Worte überschlagen sich auf dem Weg von Yuns Ohren in seinen Kopf.
Manchmal könntest du der Wirkung von Verben noch mehr vertrauen, streiche "kalt", und ebenso an der ein oder anderen Stelle.
Danke für den Hinweis. Hast Recht, das „kalt“ kann weg. Ich gehe noch Mal durch den Text und schau nach Streichkandidaten.

Hab lieben Dank für deine Rückmeldung und Hilfe am Text!
Viele Grüße
wegen

 

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