Die Waffen einer Frau
Ein Nilpferd, dachte sie. Nein: ein Elefant? Sie versuchte ihn sich mit einem Rüssel im Gesicht vorzustellen, und ihr Spiegelbild verzog amüsiert die Mundwinkel. Dann zuckte es zusammen und starrte sie erschreckt an, als es im Flur krachte und klirrte. Ein Dinosaurier, schoss es ihr durch den Kopf. Eine überdimensionierte Fressmaschine, die achtlos durch den Wald bricht.
Die Schlafzimmertür sprang unter einem Fusstritt auf, und er schob sich herein. Nervös griff sie nach der Haarbürste, ließ ihren Blick rasch über die in allen Farben des Regenbogens schillernden Kosmetika auf dem Schminktisch schweifen. Das Töpfchen mit der speziellen Salbe sah aus wie jedes andere, fiel sicher nur ihr so ins Auge. Sie blickte in den Spiegel, um zu sehen, was er tat.
Sein Kopf beugte sich über ein Faltblatt mit Werbung für Sportgeräte. Die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen, bewegte er die Lippen beim Lesen. Die rechte Hand hielt den Prospekt dicht vor sein Gesicht, die Linke pumpte automatisch ein Gewicht auf und ab, auf und ab. Sein Bizeps wölbte sich, Adern traten dick hervor. Sein überentwickelter Körper war von einem Schweißfilm bedeckt. Dann sah er auf, und ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
Sein Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen. Jetzt wittert er die Beute, schoss es ihr durch den Kopf. Die Hantel landete auf dem Wasserbett, hüpfte ein paar Mal auf und ab wie ein Gummiball. Der Prospekt flatterte zu Boden, und mit ausgestreckten Armen trat er hinter sie. Ihr Rücken versteifte sich unwillkürlich. Mit einer bewußten Anstrengung entspannte sie sich, zwang sich zu einem Lächeln und schob ihre Brüste vor. Mein Geschenk, dachte sie, und ließ in Gedanken ein verächtliches Schnauben folgen. Meine "Bewaffnung" ...
Es war sein Lieblingswitz, seit er sie zu ihrem Geburtstag mit der Operation überrascht hatte. Alles vorbereitet, hatte er ihr eröffnet. Nur zwei Tage in der Klinik ... die haben da ein Computerprogramm, wo sie dir zeigen, wie du dann aussiehst ... ich hab' denen 'nen Foto von dir gegeben, und dann konnte ich mir alles aussuchen ... welche Größe und so, verstehste ? Sie wollte ihn am liebsten anschreien, wie er da saß und selbstgefällig über sie verfügte. Aber als er sie anblickte und sich seine Augenbrauen drohend zusammenzogen, er die Augen zusammenkniff, bekam sie Angst. Statt ihn zum Teufel zu schicken, setzte sie sich auf seinen Schoß und stammelte etwas von Kommt so überraschend ... ich hab' ein bisschen Angst ... und sogar: Danke, mein Schatz.
Sein Misstrauen verflog, und er begann wieder drauflos zu plappern. Heh, Süße: wir bewaffnen Dich mal anständig. Sind doch die Waffen einer Frau, verstehste ? Kriegst ein größeres Kaliber ... Sein Gesicht verzog sich vor Vergnügen an seinem geistvollen Witz. Auf der Fahrt in die Klinik stierte ihn der Taxifahrer nur verständnislos an, als er vom Waffenlager sprach. Immerhin rang er sich ein Haha ab, nachdem ihm der Scherz erklärt worden war. Und dort angekommen, wurde aus der Schönheitsoperation die Aufrüstung. Die aufgedonnerte Krankenschwester lächelte verbindlich und reckte ihm ihre Werbeargumente entgegen. Dann kam der widerliche Arzt, vor dem sie sich ausziehen musste und der ihre Brüste befingerte und drückte ...
"Machst die Waffen scharf ?" Da war er wieder. Er umfasste sie von hinten, legte seine Hände auf seine Lieblinge und begann zu pressen. Sie hasste das Gefühl, wenn sich die Kissen unter ihrer Haut hin und her schoben. Rasch unterdrückte sie den Gedanken daran, wie die Beutel platzen, sich die Salzlösung in ihren Körper ergießen würde, wenn er zu fest zupackte. Sie stemmte sich in seiner Umklammerung hoch, drehte sich ihm zu. Die Häkeldecke glitt von ihren Schultern, streute ausgebürstete Haare auf das Sitzkissen des Hockers. Sie legte ihre Arme um ihn. Er presste sie an sich, seine Hand begann, den Saum ihres Minikleids hochzuschieben. Er zog sie mit sich zum Bett, und als er sich rücklings darauf fallen ließ, krümmte sie den Ringfinger und krallte ihm stöhnend ihre Nägel in den Rücken.
Sie hielt den Atem an, verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. Hatte er es gespürt ? Er wälzte sich herum, und sie sah in dem über dem Bett hängenden Spiegel, wie sein aufgepumpter Körper ihr Abbild verdeckte. Eine Sonnenfinsternis, dachte sie, und löste langsam ihre noch immer in seinem Rücken verkrampften Finger. Die Hantel rollte in die von ihrem Gewicht gebildete Senke. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich auf das Gefühl von kaltem Metall an ihrer Seite, während er sich an ihr zu schaffen machte. Sie stellte sich vor, wie das Gewicht unter seinen Stössen wieder zu springen begann, höher und höher, bis es schließlich den Spiegel zerschlug und einen Schauer von Splittern über sie herabregnete.
Er begann zu grunzen, und sie öffnete die Augen. Sein Gesicht war rot angelaufen, dicke Adern pulsten auf seiner Stirn. Der Schweiß, der ihm vom kahlrasierten Schädel lief, vermischte sich in seinem Backenbart mit dem Speichelfaden aus seinem Mundwinkel. Jetzt wurde aus dem Grunzen ein Röcheln. Er riss die Augen auf, blickte auf sie herab ... dann knickten seine Arme ein, und er begrub sie unter sich.
Sie wartete. Dann stieß sie ihn an, erst mit dem Knie, dann mit der Faust. Keine Reaktion. Mühsam befreite sie sich von seinem Gewicht, stand auf und blickte auf ihn hinab. Sein Kopf war noch immer rot angelaufen, die Arme lagen seltsam verdreht neben ihm. Auf seinem Rücken zeichneten sich noch die Spuren ihrer Nägel ab. Ein albernes Grinsen zog an ihren Mundwinkeln, und sie musste kichern. Du bist ja hysterisch, schalt sie sich in Gedanken. Sie streckte die Hand aus, berührte den Körper. Plötzlich wurde ihr schwindelig, ihre Knie wurden weich, und sie musste sich auf die Bettkante setzen. Sie tastete nach dem Sektglas auf dem Nachttisch, nahm einen Schluck und spürte ihn durch ihre Kehle rinnen. Dann straffte sie sich, stand auf und trat an den Schminktisch.
Vorsichtig zog sie die Nähnadel aus der Fassung ihres protzigen Eherings und wischte sorgfältig die Reste des Gifts von der Spitze. Wieder stieg ein Glucksen in ihrer Kehle auf : Die Waffe einer Frau ...