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Die Zeit rennt

Beitritt
01.11.2001
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42

Die Zeit rennt

2.Nov.2001

Die Zeit rennt

Wenn du am Morgen aus dem Bett steigst ist es noch dunkel. Deine Augenlider sind geschwollen und deine Haut zieht sich erschrocken zusammen, wenn du sie mit kaltem Wasser bespritzt. Deine Ohren fangen an zu surren, wenn das Lied, das aus dem Radio tönt sie erreicht. Dein Herz überschlägt sich fast, wenn du die Treppen herunterstürzt, weil die Zeit rennt.
Du schüttest lustlos Müsli in die Schale, die du mit klammen Fingern aus dem Schrank geholt hast - unter der Decke war es viel wärmer. Deine Kiefer sind noch ganz verschlafen und es will dir nicht recht schmecken. Dein Magen rebelliert weil du viel zu schnell isst, aber die Zeit rennt.
Als du aus dem Haus stürzt und die Tür hinter dir zuschlägst, klemmst du deine Jacke darin ein. Du mußt sie noch einmal aufschließen, um dich zu befreien und dein Kopf dröhnt, wenn du daran denkst zu spät zu kommen. Die Zeit rennt.
Du fällst hin, noch bevor du die halbe Strecke hinter dir hast, weil du in der Eile vergessen hast, deine Schuhbänder zu binden. In deinem Hosenbein ist ein Loch und du spürst einen brennenden Schmerz in deinem Knie. Aber du läufst weiter, denn du hast es sehr eilig. Die Zeit rennt wirklich, das sagt dir ein verstohlener Blick auf die Uhr.
Du spürst wie deine Lunge anfängt zu keuchen, als du beschleunigst. Die Tasche mit deinen Unterlagen hämmert dir in die Seite. Tick, tick, du hörst die Sekunden mit dir rennen.
Endlich siehst du den Bahnhof vor dir liegen und du holst das Letzte aus dir heraus.
Doch als du da Gleis erreichst, ist der Zug schon weg.

 

Mahlzeit!

Mit Sicherheit ist die 'Zeit' ein Thema, dem schon große philosophische Abhandlungen gewidmet wurden und noch gewidmet werden. Hier in diesem Fall würde ich es eher als ein gesellschaftliches Problem sehen - der extreme Zeitmangel, der sich erst durch die moderne Gesellschaft ergibt. Oder aber das alltägliche Problem, welches daraus entsteht. Mithin würde ich also die Geschichte in Gesellschaft oder Alltag verschieben. Sag Du mir wohin. Ich würde Gesellschaft vorziehen.

Ich hoffe, Du bringst dafür Verständnis auf. Eine rein philosophische Komponente kann ich darin nicht entdecken.

Heiko ;)

 

Ich denke auch, die Story ist in "Gesellschaft" oder "Alltag" besser aufgehoben. Philosophisch finde ich sie auch nicht.

Aber gut geschrieben. Führt die Hektik der Tage vor Augen.

Grizze!
stephy

 

Der Satz gefällt mir gut:

Dein Herz überschlägt sich fast, wenn du die Treppen herunterstürzt, weil die Zeit rennt.
Alles in Bewegung - und in was für einer...

Für die Kürze find ich's gut. Werde ich dran denken und beim nächsten Mal der Bahn langsamer hinterherlaufen... ;)

 

Hallo Claudia Lichtenwald,

"dies Leben kömmt mir vor als eine Rennebahn" schrieb einstens Andreas Gryphius in seinem berühmten "Abendlied". Der immer wiederkehrende Satz "Die Zeit rennt" skandiert den kurzen Text wirkungsvoll. In ihm spürt man, dass nicht das Individuum lebt, sondern dass mit ihm gelebt wird, dass die Maschinerie des Alltäglichen ihm jegliche Freiheit zur spontanen Entschlussfindung genommen hat. Schön ist der Satz: "Die Tasche mit den Unterlagen hämmert dir in die Seite." Da wird klar ausgedrückt, dass die Berufspflichten dem Menschen so sehr zusetzen, dass er den Freiraum der verbleibenden Zeit nicht mehr als solchen empfindet. "Die Seite" wird damit zur empfindlichen Stelle des Körpers, in die man einstens Lanzen stieß, um tödlich zu treffen. Wenn man dann den Zug verpasst hat, dann hat man "massig" Zeit.

Der Text gibt zu denken, ist aber eigentlich keine Geschichte, sondern eher eine Situationsbeschreibung, eine Schilderung, ein Streiflicht aus dem Alltäglichen.

Viele Grüße!

Hans Werner

 

Stressige Geschichte! :D

Gut gezeichnet, aber nicht mehr als eine kurze Reflektion. Rate zum Ausschlafen. Bin ganz erschöpft nach der Lektüre. Schön geschriebener impressionistischer jerk off. Hast Du auch was mit Handlung?

 

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