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Die zweite Wolke

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11.08.2008
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Die zweite Wolke

„Die zweite Wolke? Was zum Teufel meinen Sie damit?“ Baxter war ärgerlich, er mochte es gar nicht, wenn man so mit ihm umsprang. Die Helligkeit ließ seine Augen tränen. Immer noch geblendet versuchte er, sich zu orientieren. Jenseits des Asphalts konnte er Büsche und Bäume ausmachen von der Art, wie sie in dieser Gegend häufig waren. Leise wiegten sie sich im Wind.
Sein Blick blieb am Gesicht seines Gegenübers hängen. Finster versuchte er, dort Regungen zu entdecken, irgendetwas, das Licht ins Dunkel seiner Verwirrung bringen mochte. Doch es fehlte ihm noch die Schärfe: Anstelle eines Gesichts erkannte er nur einen dunkelbraunen, verschwommenen Fleck. Das ärgerte ihn maßlos.
„Was fällt ihnen ein? Warum antworten Sie nicht?“ Seine Unruhe nahm zu. Was sollte dieses Affentheater? Mit heftigem Blinzeln versuchte er, seine Augen zu besserer Arbeit anzuspornen. Mehr und mehr schälte sich die Umgebung aus dem gleißenden Glanz des Gegenlichtes.
Unter seinen Füßen erstreckte sich der Weg, den er noch vor Momenten gegangen war. Links ragte die barocke Fassade der Bibliothek in den Himmel und rechts beschien die Mittagssonne das üppige Grün des Stadtparks. Wiesen, Sträucher, Bäume, die sich in einer lauen Frühlingsbrise wiegten. Die sich wiegten …
Es herrschte absolute Windstille.
Das sichere Gefühl, daß hier etwas nicht stimmte, kitzelte Baxters Verstand wie eine Feder die Schnurrhaare einer Katze. Bildete er sich das mit dem Wind nur ein? Er feuchtete einen Finger an und reckte ihn in die Höhe. Nichts! Wild fuhr er herum zu dem Mann, der für das alles verantwortlich sein mußte.
Er sah nun wieder klar und scharf, die Helligkeit machte ihm nichts mehr aus. Dort, wohin er das Feuer seines Zorns richten wollte, die Anklage seiner berechtigten Empörung, dort, wo das Gesicht des Mannes sein mußte, befand sich immer noch der braune Fleck.
Angst. Er spürte, wie sie heraufkroch, suchend, ihre zarten Fühler ausstreckend. Wie sie sein Denken umfing und in ihn hineinsickerte. Ihm wurde übel.
„Wer sind Sie? Was geht hier vor?“ schrie er den Mann an, der ohne Regung blieb, kühl und teilnahmslos, fast als schliefe er. Aber atmete er überhaupt? Zum Teufel, er stand doch aufrecht vor ihm!
Schweiß brach aus Baxters Poren, das Grauen hatte ihn gepackt. Ein Albtraum! Er war doch eben … ganz woanders gewesen. Aber wo? Gerade hatte er das noch gewußt! Plötzlich war dieser Kerl da und alles wirkte so fremd, so falsch. Und er begriff zwar nicht, wie das möglich war, aber die ganze Situation kam ihm bekannt vor. Er erinnerte sich an sie.
Er hatte das schon einmal erlebt.
„Sieh!“ Baxter erschrak bis ins Mark, als der leblose Mann mit einemmal die Stimme erhob.
„Sieh, die zweite Wolke!“ Der Mann ohne Gesicht hatte den Arm in die Höhe gestreckt und deutete.
Da erinnerte Baxter sich. Langsam schwand die Erregung. Erkenntnis erfüllte ihn mit ihrer trägen Flut und verdrängte die Furcht, bis sie gänzlich verschwunden war und Platz machte für matte, friedliche Ruhe. Seelenruhe.
Er legte den Kopf in den Nacken und blickte empor in den blauen, wolkenlosen Himmel.

 

hm, interessant, aber ich wüsste auch gerne was los ist :)
Ist er tot oder so?
Gut geschrieben, das einzige was mich ein bisschen verwirrt ist, dass du in einem Satz meinst alles sei so "fremd" nur um dann gleich darauf zu sagen es käme ihm "bekannt" vor, aber vielleicht ist dieser Widerspruch gewollt.
Die Geschichte hinterlässt in mir das Gefühl, das die Hauptperson am Anfang hatte: „Die zweite Wolke? Was zum Teufel meinen Sie damit?“ :)

Grüße,

f.

 

ja, da blicke ich auch nicht ganz durch... ist mir zu viel Rätselraten. du versuchts hier eine Spannung aufzubauen... diese "was geht ab" spannung?, und wenn du es dann nicht auflöst... also mich irritiert das schon...
stellenweise interessant, aber da kannst du glaub mehr damit.

mfg,

JuJu

 

Danke für die Kommentare.

Ich wollte einen kurzen, schnörkellosen Text schreiben, der zunächst recht wahllos interpretierbar wirken, aber bei den meisten Lesern dann doch ähnliche Assoziationen wecken soll, trotz Mangel an Fakten und an Auflösung.
Natürlich habe ich etwas spezielles im Sinn, aber was genau los ist, verrät der Text nicht explizit, da tappt ja auch Baxter bis zum Schluß im Dunkeln.

das einzige was mich ein bisschen verwirrt ist, dass du in einem Satz meinst alles sei so "fremd" nur um dann gleich darauf zu sagen es käme ihm "bekannt" vor, aber vielleicht ist dieser Widerspruch gewollt.

Alles wirkt fremd und falsch, und genau das scheint ihm schon einmal widerfahren zu sein. Er begreift auch nicht, wie das möglich sein soll.

Die Geschichte hinterlässt in mir das Gefühl, das die Hauptperson am Anfang hatte: „Die zweite Wolke? Was zum Teufel meinen Sie damit?“ :)

Ja, diese Frage ist die Zusammenfassung des Textes.
Ich muß zugeben, etwas unangenehm war mir die aufdringliche Zurückhaltung der Geschichte von Anfang an, aber ich wollte sehen, ob und welche Interpretationen enstehen, deswegen habe ich sie hier eingestellt. Vielleicht hätte der Text jedoch besser in "Experimente" gepaßt.

ist mir zu viel Rätselraten. du versuchts hier eine Spannung aufzubauen... diese "was geht ab" spannung?, und wenn du es dann nicht auflöst... also mich irritiert das schon...

Mir fällt auch auf, daß meine Versuche, Spannung aufzubauen, oft in platten Schemata enden. Hier habe ich sicher mal wieder übertrieben. Die Konsequenzen des offenen Schlusses sind jedoch - wie oben bereits angedeutet - durchaus beabsichtigt, auch wenn das den Text natürlich nicht besser macht.

Nochmals vielen Dank euch beiden!

Grüße,
Felix

 

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