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Diese Sprache lerne ich nie

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22.01.2005
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Diese Sprache lerne ich nie

„Mit welchem Auto fahrt Ihr?“, fragen meine Eltern.
„Mit gar keinem. Wir gehen zu Fuß.“, antworte ich.
Wir sind einen langen Weg zusammen gegangen.
Einen Weg, den ich mir nicht hatte vorstellen können.
Da können wir auch den letzten Kilometer zu Fuß gehen.
Diese lange Strasse, den Herzogsfreudenweg, entlang, da wo früher der Spar-Markt war. Mein damaliger Schulweg. An den Häusern meiner Kameraden aus Grundschulzeiten Petra, Anke, Michaela, Josef und Johann vorbei. Zu Fuß, Schritt für Schritt. -

Ich durfte zum ersten Mal fliegen. In einem richtigen Flugzeug. Mit Mama und Thomas. Wir kamen in diesem Land an, in dem niemand unsere Sprache sprach. Am Flughafen liefen ganz komisch gekleidete Menschen herum. Mama und Papa sahen natürlich ganz anders aus. Papa war mit Andreas vorgefahren und hatte schon von unserer Ferienwohnung Beschlag genommen. Ich musste im selben Zimmer mit Andreas und Thomas schlafen, was natürlich blöd war. Aber ich war müde und schlief bald ein.

Morgens hupte immer der Mann mit seinem Auto vor unserem Haus. Sein Kleinlaster hat nur drei Räder, hatte der kein Geld für einen vierten Reifen? Aber sein Brot und die Teilchen waren toll. Warum gab es so was nicht in Bonn zuhause? Er verkaufte sie von der Ladeklappe nach hinten heraus. Mama kaufte immer frische Brioches ein. Die Brioches rochen noch ganz frisch und waren wie die Croissants noch ganz warm. Mama kaufte auch noch Baguettes.
Ich setzte mich an den Frühstückstisch und schnüffelte an den Brioches wie ein Hund, und Mama sagte, ich sollte essen und nicht riechen. Aber die Brioches rochen wirklich toll. Es gab dazu warmen Kakao. Nach dem Brioche, dem Croissant, den zwei Marmelade-Baguette-Stücken, der zweiten Tasse Kakao ... wurde Papa ungeduldig, denn er wollte an den Strand. Ich musste meinen Plastikeimer, die Schaufel, mein Handtuch, die Badehose, den Ball und das neue Asterix-Comic selbst tragen. Mama war ganz schwer beladen. Papa auch. Andreas durfte unseren Hund Joko nehmen und zerrte ihn hinter sich her wie eine leblose Tasche, die er über den Boden schleifte. Da konnten Thomas oder ich sagen, dass Joko pinkeln wollte. Andreas interessierte das nicht und zerrte weiter.
Am Strand bauten Thomas und ich ein riesiges Sandschloss. Wie Maulwürfe gruben wir im Sand und häuften immer mehr Sand auf. Als wir fertig waren, war unsere Burg so groß, dass wir darin sitzen konnten. Thomas zerstörte natürlich wieder einiges, als er sich reinsetzte. Ich musste ihm erklären, dass er aufpassen musste. Das war normal, er war ja der kleine Bruder. Mein großer Bruder war allerdings so doof wie immer. Er saß die ganze Zeit herum, und als wir fertig waren, kam er vorbei, um sich die Burg anzuschauen. Er wusste alles besser und sagte uns, dass die Burg nicht lange halten würde. Der Blödmann! Die Flut kam und stieg langsam den Strand hoch. Thomas und ich waren natürlich aufgeregt, ob unser Schloss das aushalten würden. Dann schwappte die erste große Welle über die Burg. Wir begannen, wie die Verrückten die Mauern zu erhöhen. Mit dem Sandschlamm war das schwierig. Er rutschte an den Mauern herunter. Dann wurde die Burg ein zweites Mal überspült; beim dritten Mal verloren wir die Lust und gaben unsere Burg auf. Eine Viertelstunde später erinnerte nur noch eine unförmiger Sandhaufen in der Brandung an unsere einstige Burg.

Fernsehen. Diese Franzosen sprachen so schnell, dass man sie gar nicht verstehen konnte. Ich beobachtete sie genau, sie holten noch nicht einmal Luft.
Und das Programm! Die Sendungen waren natürlich nicht so gut wie in Deutschland, und dann kam wieder der aufgeregte Ansager. Der sprach irre schnell und das stundenlang. Noch schneller als im Lebensmittelgeschäft, wo wir immer einkauften.

Dann mussten wir im Restaurant essen. Das war die Idee von Papa. Es gab Fischsuppe, das roch schon schlecht, aber Papa sagte, wir sollen das probieren. Danach gab es Scholle, das ist ein ganz platter Fisch, man musste aufpassen, dass man die Gräten nicht mitaß. Bei unseren Fischstäbchen zuhause waren keine Gräten drin. Gottseidank gab es Orangina in den runden Flaschen. Schließlich wurde ein Eis Vanille – Fraise, wie hier das Vanille-Erdbeer-Eis heißt, serviert, und wenigstens das war wie Zuhause.

Auf der Rückreise mussten wir ins Hotel. An der Rezeption kämpfte sich Mama mit dem Mann und ihrem Französisch ab. Der Mann wollte wohl nicht verstehen, was Mama wollte. Mama wurde ungeduldig. Papa stand daneben und hielt den hechelnden Joko an der Leine. Nach fünf Minuten hatten wir immer noch kein Hotelzimmer, und Papa fing jetzt auch an zu sprechen. Der Rezeptionist war sehr erstaunt, denn es war kein Französisch. Papa fuhr in dieser anderen Sprache fort, später sagte er mir, dass es Englisch war. Der Franzose begann, in seinem Buch zu kramen, und gab Papa zwei Zimmerschlüssel. Dann flüsterte er etwas unglaublich schnell und ganz unverständlich auf Französisch seiner Kollegin zu, die verschwand.
Mir war klar, dass ich diese Sprache niemals sprechen würde.

Wir sind die lange Strasse gemeinsam gegangen.
Agnes und ich kommen vor der Pfarrkirche an. Ein ehemaliger Schulkamerad Andreas grüßt uns und schlüpft an uns vorbei in die Kirche. Dann kommen meine Eltern und und meine Schwiegermutter Marie im Auto an.
Ich bin aufgeregt und streite mich natürlich sofort mit meinem Vater über die Frage, in welcher Schlachtordnung wir die Kirche betreten sollen.
Wir müssen noch einen Augenblick warten. Der Vikar ist ein hoch gewachsener Mann, Mitte Sechzig. Er begrüßt herzlich Agnes, mich und unsere Eltern. Meiner Mutter ist die Aufregung ins Gesicht geschrieben. Marie ist den Tränen nahe.
«Ça va? », dis-je à Agnès.
«Ça va. » Elle me répond et essaie de sourire, mais nous sommes tous les deux très tendus.
Mon père, ma mère et ma belle-mère se tiennent mutuellement.
„Das wird schon schief gehen.“, meint der Vikar. Und es läuten die Glocken zur Hochzeitsmesse.

 

hello Urach,

niedliche Pointe am Ende, wenn Du Dir dahin auch einen langen Weg gönnst. Der Mittelteil ist für mich zu ausschweifend und ich finde, er könnte ruhig Andeutungen, die dann zur Auflösung führen, vertragen - ohne zuviel zu verraten. Persönlich war mir der Stil zu bewußt kindlich gehalten - Geschmackssache. Die gesellschaftliche Relevanz der Geschichte hat sich mir nicht auf Anhieb erschließen wollen. ;-)

Dies fiel mir auf:

'von unserer Ferienwohnung Beschlag genommen' - hatte unsere Ferienwohnung in Beschlag genommen.

Hier bist Du in der Zeit gesprungen:

'...Morgens hupte immer der Mann mit seinem Auto vor unserem Haus. Sein Kleinlaster hat nur drei...'

Wer riecht denn nun - ich oder Brioches? ;-)

'...ich sollte essen und nicht riechen. Aber die Brioches rochen...'

'...Ich musste ihm erklären, dass er aufpassen musste...'

'...Er verkaufte sie von der Ladeklappe nach hinten heraus. Mama kaufte immer frische Brioches ein. Die Brioches rochen noch ganz frisch und waren wie die Croissants noch ganz warm. Mama kaufte ...'

'...Das war die Idee von Papa. Es gab Fischsuppe, das roch schon schlecht, aber Papa sagte, wir sollen das probieren. Danach gab es Scholle, das ist...' - gab und ist?

'...Ein ehemaliger Schulkamerad Andreas...' - warum der unbestimmte Artikel? Es ist doch sicher DER Andreas?

Viele Grüße vom gox

 

Hallo Urach,

auch mir erschließt sich die gesellschaftliche Relevanz nicht. Und ich habe ein bisschen das Gefühl, du kalkulierst zu sehr mit dem Niedlichkeitseffekt kindlicher Sprache, dabei ist es ja ein Erwachsener, er erzählt.
Auf mich wirkte das eher kindisch als kindlich und ich habe mich so ein bisschen gefragt, warum du die Geschichte erzählst. Für die kleine Anekdote, dass die Liebe alle guten Vorsätze über den Haufen werfen kann?
Dafür fand ich persönlich es ehrlich gesagt nicht unterhaltend genug, naive Ferienerlebnisse aufgetischt zu bekommen, die mit der Hochzeit letztlich nichts zu tun haben außer eben der Sprache.

Rubrik wäre eher Alltag.

Lieben Gruß, sim

 

Hi Urach,

ich fang erst mal mit dem positiven an. Die Pointe deiner Geschichte hat mir gefallen. Ich habe mich schon gefragt,was der erste Absatz soll.

Dann muss ich mich sim anschließen. Die Sprache im Mittetlteil wirkt viel zu kindisch. Zudem zählst du da nur auf. Das wird schnell langweilig.

Was die Geschichte in Gesellschaft soll verstehe ich auch nicht so Recht. Fände Alltag oder Sonstige eher passender.

Vielleicht könntest du den ersten und letzten Absatz kursiv setzen. Sieht besser aus und spielt ja auch in einer ganz anderen Zeit.

Fazit: Nette Pointe. Aber das wars. Der Rest hat mir aus den o.g. Gründen leider nicht gefallen.

lg neukerchemer

 

Lieber Neukerchemer, lieber gox,

ich muss die Geschichte noch mal überarbeiten und werde dann vorschlagen, sie in den Bereich "Kinder" zu stellen.

LG
WU

 

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