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Dieser Sonntag
Dano öffnet die Augen.
Er musste was dagegen tun. Schlaftrunken greift er nach der Milchpackung, die im unteren Teil der Kühlschranktür einsam und verlassen wartet.
Sie ist ungeöffnet. Eine Pappschachtel.
Trotzdem misstrauisch, sucht Dano die Packung ab.
Ja, hm bis zum 19. Welches Datum hatten wir gleich nochmal?
Er erinnert sich an den Termin aus seinem Terminplaner von gestern. Oder Vorgestern? Der 17.
Zitternd und nur im Besitz eines Bruchteils seiner motorischen Fähigkeiten, schüttet er in einer langen Prozedur das Glas voll.
Eine furchtbare Szene für Danos Freunde, dessen Zustand Ihn fast wie eine Satire auf jegliche Zombiefigur erscheinen lässt.
Auf Youtube wäre die Zielsicherheit, mit der Dano die Hälfte der Packung am Glas vorbei auf den Tisch gießt, bestimmt ein toller Lacher geworden.
In einem endlos kurzen Moment kippt er, fast ohne durchzuatmen, das Glas in sich hinein.
Aaaa. Zufrieden spürt er die Kälte wie Schneekristalle vom Himmel seine Kehle herunter ...er schmatzt. Er schmeckt. Erschrickt. Erbricht.
Das ging so verdammt schnell und kam so unerwartet, dass er nun auf eine weißbraune, stinkende Lache blickt. Vor sich, auf sich, seinen Händen.
Der Kotzegeruch trägt nicht gerade zur Verbesserung seiner Verfassung bei.
Für die Alkohol-Rechnung der gestrigen Nacht braucht er keinen Taschenrechner. Die Quittung hat er sich bis jetzt aufgehoben.
Was für ein Scheißtag, dieser Sonntag.
DingDong. Es klingelt.
Dano schlägt die Augen auf. Panisch. Mit Fesseln aus Scham am Boden klebend, versucht er den Besucher wegzuwünschen.
Mit starrem Blick in Richtung Tisch, als suche er etwas in der Traumwelt hinter der Milchpackung, vergehen tausend Gedanken.
Er bemerkt nicht den Schlüssel, der sich leise im Schloss herumdreht.
"Danooo?!", schrillt eine Stimme in seinem Kopf.
"Wie siehst Du denn aus? Was ist passiert?"
"Aber die war doch noch gut", stammelt er.
"Tanja?"
Tanjas Blick ist zwischen Hass und Mitleid unschlüssig.
"Tanja, das ist jetzt nicht so, wie es aussieht."
Ungläubig starrt Ihn Tanja an.
"Dano, auf die Erklärung warum Du nackt in Deiner eigenen Kotze, ..." Ihre Stimme zittert.
"Ich kann das nicht mehr."
Das Letzte was Dano wahrnimmt, ist das schallend verhallende knallen der Tür, das den letzten Hauch von Tanja mit aus seinem Leben nimmt.
Dano öffnet die Augen.
Die Augen werden groß.
Scheiße!
Er blickt an sich herunter und stellt entsetzt fest, dass er tatsächlich nackt ist.
Langsam kehrt das Gleichgewicht und die klare Sicht in seinen Körper zurück.
Aber Ha!, "Gott sei Dank", schreit er heraus, als Ihm bewusst wird, dass er in seinem Bett liegt.
Keine Spur von Vomitation mehr. Das muss alles ein böser Traum gewesen sein.
Erleichtert schließt er die Augen, um entspannt in bessere Träume zurückzugleiten.
Träume von guten Tagen, von ausgelassenen Partys. Von hemmungslosen Glücksgefühlen. Und von Tanja. All die Scheiße, durch die Sie mit Ihm schon gegangen war. Samstagseskapaden.
Er darf Sie nicht noch einmal enttäuschen. Nicht schon wieder. Nie wieder.
Etwas umfasst sanft, doch kraftvoll, seine aus der Bettdecke hervorguckende Hand.
In Tanjas Gesicht rinnt aus nassrot gebrochenen Augen eine letzte Träne.
"Weisst Du, nächsten Sonntag ist Krämermarkt. Und ich würde gern Mal wieder ins Museum gehen."