Dieses Mädchen
Da ist dieses Mädchen, mit diesem Namen, der wie Musik klingt und das einem nie in die Augen sieht. Dieses Mädchen, das manchmal ganz zart und zerbrechlich aussieht, wie als wäre es aus Porzellan und dessen Kopf ständig so voll ist von Gedanken, dass es glaubt zerspringen zu müssen. Dieses Mädchen, das mit niemandem spricht, weil diese Gedanken dann vielleicht zu greifbar werden würden und weil sie höchstens für sie selbst bestimmt sind, und manchmal nicht mal das gut ist.
Lange Zeit hielt es sich versteckt, dieses Mädchen, an einem fremden Ort, ich weiß nicht wo, und ich habe es vermisst und ich habe mich gefragt, wohin es gegangen ist und ob es vielleicht zu weit gegangen ist, so weit dass es nie wieder zurück kommt, weil ich weiß, dass es hier nicht sein kann, in dieser Welt, in der ich lebe, dass es hier nicht existieren kann, weil ihm dieser Ort den Atem nimmt. Dieser Ort mit all den großen und vernünftigen Menschen, die einem immerzu sagen, wie man zu leben hat und wie man sich zu kleiden hat und die sich überhaupt in alles einmischen, was sie nichts angeht. An diesem Ort, an dem es nicht zählt, ob man gerade keine Luft bekommt, weil die ungeweinten Tränen einem die Kehle zuschnüren, an diesem Ort an dem es nur zählt weiterzulaufen, weiter und weiter ohne Rücksicht auf Verluste, immer schneller und immer weiter. An diesem Ort, an dem ein schwerer Kopf mit vielen Gedanken keinen Platz hat. Zwischen den roten Köpfen der anderen Menschen, die sich unentwegt über unglaublich wichtige Dinge empören. An diesem Ort, wo eine leise gesummte Melodie ungehört verschallt, dort wo noch ein kühler Wind durch die Straßen weht, auch wenn schon längst die Sonne scheint.
Ich habe mich also gefragt was aus ihm geworden ist, aus diesem Mädchen oder ob es aufgehört hat zu existieren, weil es keine Hoffnung mehr hatte und weil es keinen Weg fand, aus diesem Ort. Und irgendwann im Spätsommer, als die Köpfe der Menschen besonders rot waren und die kühlen Winde noch stärker bliesen als üblich, da traf ich es wieder dieses Mädchen, in einer dieser kleinen Seitengassen , die hinunter zum Fluss führten. Und sie lehnte an der sandfarbenen Mauer und bewegte sich nicht, nur ihr bunter Schal wehte sachte um ihren schmalen Körper. Und ich lief auf sie zu und riss sie am Arm und ich rüttelte sie und ich fragte, wo sie geblieben war und weshalb sie zurückgekehrt war, an diesen Ort. Ich redete viel und sie antwortete wenig und erst als sie sich umdrehte um zu gehen, da sah ich die Tränen in ihren Augen und wie dünn sie geworden war in den vergangenen Monaten und zum ersten Mal blickte sie mir in die Augen und sie sagte: Höre nie auf zu gehen.