Drive In
"Es tut mir leid, für Sie habe ich keine Hamburger mehr." sagte der sommersprossenbeladene Drive-In-Verkäufer.
"Ich bin ein Kunde, und ein Kunde ist immer der König." sagte der Fette. "Und Sie haben nicht das Recht, einen Menschen nach seiner Figur zu beurteilen."
Der Sommersprössling zuckte die Achseln.
"Ich behandle Sie so, wie ich es will, Mann. Wenn mir dein Fett nicht passt, dann verkaufe ich dir eben nichts, so läuft halt das Geschäft, Alterchen!"
"Nicht mit mir, kleiner Mann!" schnaubte der Dicke.
"Kleiner Mann? Jetzt kriegst du erst recht nichts."
"Na warte, das sag ich deinem Vorgesetztem!" zischte der Fettsack. Sein Doppelkinn wackelte beim Reden. Der Drive-In-Verkäufer lachte müde.
"Viel Spaß, der ist ganz zufällig mein Onkel. Der hat noch süße Kinderfotos von mir." Der Junge machte ein scheinheiliges Gesicht. "Ach, der kleine Karl, der ist doch immer nett gewesen, nein, ich glaube nicht, dass er so was sagen würde..!"
Die Autos hinter dem blauen Opel begannen schon zu hupen.
"Geht es langsam weiter, du Speckwanst!" schrie der Hintermann aus seinem schwarzen "Schlampenschlepper"-BMW. Der Fette streckte seinen Glatzkopf aus dem Fenster und schrie(was eigentlich wie ein Quieken klang):
"FICK DICH! FICK DICH DOCH, DU SCHLAPPSCHWANZ!"
Der Hintermann winkte ab.
"Oh ja, das hat gesessen," er lachte kurz auf, "mir hast du's gezeigt, Veteran..."
Der Dicke wurde rot.
"Soll ich hinterkommen, Junge?"
Das Sommersprossenkerlchen beugte sich aus der Kasse und wendete sich an den Hintermann.
"Seien Sie unbesorgt, meine Herren, ich hab' diesen Lustmolch bald hier weg."
"Na hoffentlich!" stöhnte der Hintermann und zündete sich eine Zigarette an. Der Fette zog seinen Kopf zurück ins Auto und richtete seine kleinen Augen wutentbrannt auf den Verkäufer. Sein Doppelkinn zitterte.
"Hör zu, du Pfurz. Du bist tot, wenn du nicht sofort mit dem Fraß herausrückst."
Der Junge setzte ein angsterfülltes Gesicht auf und schaute wie ein scheues Hündchen aus der Kasse.
"Oh mein Gott, das Mastschwein hat mich bedroht, ich kriege ja schon Schiss, habt ihr das gehört, er hat mich bedroht!"
"Ich hatte dich gewarnt, Junge."
Der Fette öffnete die Tür und stieg aus. Der Verkäufer reagierte und fuhr mit seinem Drehstuhl einige Fuß tiefer in die Kasse rein.
"Hey, Mann, keine Hektik, bloß keine Hektik, Mann! Hamburger sind sowieso ungesund für Sie! Sie könnten etwas abnehmen, hab ich Ihnen das schon gesagt?"
Das Gesicht des fetten Opelfahrers wurde rot vor Zorn und er griff mit seinen Armen in das Drive-In-Häuschen hinein.
"So etwas angedeutet, war nicht zu überhören!" polterte er.
Der Hintermann stöhnte laut auf.
"Leute, verzieht euch in den Wald und prügelt euch dort, bis Jesus wieder Lieder singt, ich will jetzt nur noch nach Hause!"
Der Fette ruderte mit seinen Armen abermals in das Häuschen hinein und erwischte ein Bein. Der dünne Sommersprossenkerl windete sich aber rasch hinaus. Weiter hinten aus der Autoschlange meldete sich ein Renault-Fahrer.
"Kleiner, warum gibst du ihm einfach nicht die Scheiß-Fleischbrötchen!"
Der Hintermann nickte kurz.
"Genau, weise Worte! Und warum ziehst du eigentlich nicht ab, Fetter? Hier schmeckt das Essen ja eh wie Secondhand!"
Der Dicke und der Sommersprössling, der sich gerade seinen Kopf aus einem bösen Schwitzkasten befreite(der Kleine befand sich halb hinter der Kasse, halb hing er draußen vor dem Fenster), schrieen wie aus einem Mund:
"ES GEHT DOCH UMS PRINZIP, MENSCH!"
Der Hintermann streckte sich aus dem Fenster und sprach gelassen zum Renault-Fahrer:
"Die Teile heißen Hamburger. Nicht Fleischbrötchen."
Der Fettsack zog kräftig am Hals des Verkäufers, welcher darauf aus dem Fenster flog und hart auf dem Boden aufschlug. Gott weiß, wie der das geschafft hatte, aber der Opelfahrer kletterte durch das selbe Fenster ins Drive-In-Häuschen und holte sich Hamburger, welche er letztendlich sogar kostenlos bekam. Draußen hörte man nur Entsetzensschreie und die gebieterische Stimme des korpulenten Opelfahrers aus dem Häuschen. Er kam mit drei Hamburgern und einer großen Cola wieder hinaus, setzte sich in seinen blauen Opel und fuhr weg, begleitet vom Jubelrufen und einem Huporchester. Speckie, du hast es geschafft. Du hast deine dreckigen Hamburger erhalten und möge das Cholesterin, wenn welches drin ist, deine Arterien verstopfen, bis du eines Tages einfach platzt.
Dem Hintermann war der Hunger vergangen und er fuhr wieder nach Hause.
Der Renault-Fahrer mochte auch nicht mehr essen und fuhr zurück in die Gegend, wo Hamburger noch Fleischbrötchen hießen.
Der Verkäufer hatte sich einen Arm gebrochen beim Aufprall auf den Boden und konnte zwei Wochen lang nicht arbeiten. Nun, aber da sein Onkel schon lange keine süßen Kinderfotos von ihm hatte und durchaus wusste, was dem Kleinen zuzutrauen war, musste der Sommersprössling eigentlich nie wieder in besagtem Drive In arbeiten.