Was ist neu

Drive-in

Mitglied
Beitritt
03.07.2007
Beiträge
5
Zuletzt bearbeitet:

Drive-in

Detroit – Motor City. Seit Henry Ford ab 1909 hier mit der Produktion seines T-Modells begann, schwang sich die Stadt, an der Meerenge, zur Hauptstadt der US-amerikanischen Automobilindustrie auf.

Jeder in dieser Stadt arbeitete entweder selbst in einer der zahlreichen Fabriken oder hatte zumindest einen Verwandten oder Bekannten, der seinen Lebensunterhalt in der Automobilbranche bestritt.

Auch Dave Bigelow hatte sein Geld in dieser Branche gemacht.
In einer Stadt, die einfach nicht für Fußgänger geschaffen war, hatte Dave seine Marktlücke entdeckt. Dabei war seine Geschäftsidee doch so simpel und naheliegend!

Dave war nie mehr als durchschnittlich. Während seiner Highschoolzeit tat er sich nicht aus der Masse hervor, weder im akademischen noch im sportlichen Bereich. Auch zu einer der vielen Cliquen hatte er nie gehört. Er war der typische Mitläufer.
Zwar schaffte er es auf ein staatliches College, doch schon bald sah er ein, dass er dort nichts erreichen konnte. So kehrte er dem Campus den Rücken und hielt sich jahrelang mit verschiedenen Jobs über Wasser.

So war er eines Tages als Zusteller für einen Paketdienst unterwegs, als er zum Lunch seinen bevorzugten Drive-in ansteuerte.
Seit er den neuen Job hatte, war er fast täglich hier zu Gast, denn er liebte dieses chinesische Essen. Er saß in seinem Lieferwagen auf dem Parkplatz des Schnellrestaurants und verschlang gerade seine zweite Portion Nudeln mit Hühnerfleisch. Wie immer beobachtete er dabei die Fahrzeuge, die über die Auffahrt des Drive-ins zur Sprechanlage vor fuhren, um dort ihre Bestellung aufzugeben. Plötzlich fiel ihm ein schwarzer Leichenwagen auf, der in der Schlange stand.
Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

Bigelow gründete seine „Drive-in Funerals Company“ inmitten eines der Schwarzenviertel im Zentrum der Stadt. Hier lebte und starb seine Hauptkundschaft. Einfache Menschen, die meist nicht viel hatten, größtenteils von der Wohlfahrt lebten und die kostengünstige Alternative zur konventionellen Erdbestattung auf einem der städtischen Friedhöfe zu schätzen wussten. Die zahlreichen Konflikte der Gangs sowie die täglichen Opfer von Gewaltverbrechen bescherten ihm einen stetigen Strom neuer Aufträge.

Nach anfänglicher Skepsis und Protesten erzürnter Bürgerinitiativen konnte er seine kleine Firma aber am Markt etablieren und mittlererweile hatte er sein Bestattungsinstitut auf insgesamt vier Ports erweitert.

Dave hatte es geschafft. Vor einem halben Jahr hatte er sich sogar ein Haus gekauft, draußen in Grosse Point am Lake St. Clair, nördlich von Detroit.
An den Wochenenden lebte er dort, mit seiner Frau Debbie und seinen Töchtern Ashley und Alissa, die heile Familienidylle.

Unter der Woche aber scheute er den weiten Weg in den Norden und so hatte er sich ein Appartement in der Nähe des alten Fisher Buildings zugelegt.
Für die nötige Kurzweil sorgten eine gut gefüllte Hausbar, eine Saisonkarte für die Redwings und seine Sekretärin Brenda.

Ob Debbie wohl etwas von Brenda ahnte?
Nun, sie wusste von seinen Affären, aber beide hatten sie sich damit arrangiert und Debbie ging ihren eigenen kleinen Seitensprüngen nach.
Nur an den Wochenenden präsentierten Sie sich ihrer reichen Nachbarschaft als die perfekte Familie.

Es war ein heißer Nachmittag und im Gegensatz zur steigenden Quecksilbersäule sank Bigelows Laune dem Tiefpunkt entgegen. Mit einem „ddzzzz“ und einer stinkenden Rauchwolke hatte sich gegen Mittag die Klimaanlage verabschiedet.
Sein Hemd, welches weit aufgeknöpft war und den Blick auf zahlreiche goldenen Ketten und Anhänger freigab, war durchgeschwitzt und zeigte an den Achseln und am Rücken die charakteristischen Flecken.
Dave zerknüllte wütend die leere Zigarrettenschachtel und warf diese, nach einer neuen Schachtel suchend, achtlos hinter sich auf den Fußboden.
Er hatte sein dünnes Haar zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden und auf seiner Stirn sammelten sich kleine Schweißperlen.
Endlich fündig geworden riss er die Schachtel auf und fingerte nach einer neuen Kippe, während er das Telefon zwischen die Schulter geklemmt hatte und in die Muschel brüllte.

„Verdammt, Darnell, ich hab dir gesagt, das ich Nachschub brauche. Draußen stehen die Autokolonnen und mir laufen die Lager leer!
Nein...nein, hör zu, Darnell, es ist mir scheißegal, ob sich zwei deiner Leute krank gemeldet haben! Was?... Ja, dann hol dir doch ein paar Penner von der Straße und leim die beschissenen Kisten zusammen, die werden eh verbrannt!“.
Wutschnaubend und mit einem hochroten Kopf knallte er das Telefon auf den Schreibtisch.

„Brenda, Brenda!“, schrie er. „Verdammt, wo steckst du denn?“.
„Ich komme schon, Boss“, rief seine Sekretärin aus dem Vorzimmer.
Auf dem Parkett erklang das Klacken ihrer hochhackigen Pumps und kurz darauf stand die zierliche rothaarige Brenda, Kaugummi kauend, vor seinem Schreibtisch.
Wie immer war sie viel zu grell geschminkt und mit ihrem knappen Minirock erfüllte sie so ziemlich jedes einschlägige Klischee.
Aber so war sie, genauso wie er es mochte – schön ordinär.
Eigentlich fehlte nur noch der obligatorische Sprachfehler, aber darauf würde er beim Vorstellungsgespräch mit der nächsten Tippse besonders achten.

„Hast du die Zahlen vom Vormittag?“, fragte er sie barsch.
„Ähm, die arbeite ich dir gerade auf, Boss“, erwiderte sie eingeschüchtert.
„Mäuschen, beweg deinen Arsch, ich brauche die Umsätze. Und ruf Brian an, wenn er bis morgen nicht die Filteranlage von Nummer drei justiert hat, werde ich ihm den entgangenen Umsatz vom Lohn abziehen!“.
„Ja, Dave, ich kümmere mich sofort darum. Was soll ich denn deiner Frau sagen, wirst du zur Schulaufführung von...“
„Brenda Baby“, unterbrach er sie „Tu mir den Gefallen und halt dein Maul. Ich habe keine Zeit für den Mist. Ich werde jetzt zu Darnell runter fahren, um ihm in den Arsch zu treten. Verdammt, wenn ich mich nicht um alles selber kümmere, dann bin ich morgen pleite! Und bis ich wieder zurück komme, wirst du, mein Schatz, die Umsätze auf meinen Schreibtisch packen und mir einen gescheiten Kaffee kochen. Wer soll denn die Plörre saufen?“.
„Ja, Boss“, erwiderte Brenda mit gesenktem Blick, als Bigelow hastig das Büro verließ. Während er sich eine weitere Zigarrette ansteckte, steuerte er auf seinen 1964er Pontiac GTO zu. Im Einsteigen begriffen fiel sein Blick auf die von Vogeldreck verschmutzte Frontscheibe.
„Fuck, euch Mistviechern drehe ich den Hals um“, fluchte er lautstark. Jetzt musste er auch noch zur Waschstraße fahren. Hatte sich denn alles gegen ihn verschworen?

Mit quietschenden Reifen fuhr er vom Parkplatz und bog rechts ab, in Richtung Downtown. Dann kramte er sein Telefon hervor, um Debbie wegen der verblödeten Schulaufführung zusammenzustauchen.

Ein lauter Knall, das kreischende Geräusch von sich verbiegendem Blech, die Schreie entsetzter Passanten. Die Menschen liefen zusammen und blickten entsetzt auf die Straßenkreuzung, auf der ein Bus stand, der sich mit seiner Schnauze weit in den Fonds eines Sportwagens gebohrt hatte.

Mühsam öffnete Dave seine Augen und versuchte desorientiert, seine schlagartig veränderte Umwelt zu begreifen. Der Innenraum des Pontiacs war eine Hölle aus verbogenem Blech und Chrom. Tausende kleine Glassplitter waren überall verteilt.
Bigelow stöhnte, als er versuchte, sich aus seiner verdrehten Haltung zu befreien und ein stechender Schmerz zog durch seine eingeklemmten Beine. Aus einer klaffenden Wunde an der Stirn sickerte ihm Blut in das rechte Auge und nahm ihm teilweise die Sicht.

Durch die Schmerzen, in seiner Wut angestachelt, wollte er sich aus dem Autowrack befreien, um diesem verfluchten Vollidioten, der ihm in die Seite geknallt war, den Hals umzudrehen. Doch aus eigener Kraft, konnte ihm dies nicht gelingen. Dave spürte, dass ihn langsam die Kraft verließ und sich eine klamme Kälte in seinem Körper ausbreitete.

Dave bekam nicht mehr mit, wie Helfer verzweifelt versuchten, die verzogenen Türen zu öffnen, um zu ihm zu gelangen. Wie durch einen Nebel starrte er auf sein Handy, das genau vor ihm auf dem Boden lag und er hörte ihre Stimme.
„Hallo? Hallo? Dave bist du es? Hallo?“
Er wollte Debbies Namen rufen, doch stattdessen erklang nur ein schweres Röcheln.
Die Einsicht traf ihn wie ein Schock – der Aufprall auf das Lenkrad hatte ihm den Kehlkopf zerschmettert!

Dann plötzlich, ein letztes Aufbäumen, seine Glieder verkrampften sich und seine Atmung versagte. Seine Augen waren weit aufgerissen und angsterfüllt. Dave Bigelow war in diesem Moment gestorben!

Das monotone Tuten, der verkeilten Hupe legte sich wie eine Flatline über den Unfallort.

Die Trauergäste fuhren an den Port Nummer zwei.
Dort füllten Sie eine Kondolenzkarte aus und warfen diese in den Briefschlitz ein. Dann fuhren Sie weiter in die Aufbahrungshalle um einen letzten Blick auf den Verstorbenen zu werfen, der ihnen hinter einer Glasscheibe präsentiert wurde.
Über die an der Decke angebrachten Lautsprecher wurden die Trauernden mit einer Auswahl der Lieblingstracks des Verstorbenen, unterhalten.

Nach einer kurzen Andacht vom Band schlossen zwei uniformierte Mitarbeiter den Sarg und stellten diesen auf das Beförderungsband. Von hier aus wurde er dann direkt in den Verbrennungsofen transportiert. Nachdem sich die Türen der Brennkammer geschlossen hatten, verstummte die Musik und die ersten Autos fuhren in Richtung Ausfahrt.

Brenda trat an die dunkle Limousine heran und überreichte der Witwe Bigelow durch das Fenster den aus grauen Karton gefertigtem Schnellhefter.
Auf seiner Vorderseite waren ein schwarzes Kreuz und ein schwarzer Rahmen eingeprägt.
Als Debbie den Ordner aufschlug, fand sie dort den Abholschein für die Urne und die aufgehefteten Kondolenzkarten.

Mit geröteten Augen las sie die auf der Innenseite der Mappe aufgedruckten Worte:

Wir teilen Ihren tiefen Schmerz.
Vielen Dank, dass Sie unsere
Dienste in Anspruch genommen haben.
Ab sofort sind wir auch online buchbar.
Sie finden unser komplettes Angebot unter:
www.drive-in-funeral.com​

 

Hallo Quarterpounder!

Nur ein formaler Hinweis: Den Link kannst (und sollst) Du deaktivieren, indem Du auf "Bearbeiten" und "Erweitert" klickst, da findest Du unten "Zusätzliche Einstellungen" und deaktivierst das Kästchen vor "Links automatisch umwandeln".

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Quarterpounder und herzlich willkommen in der Rubrik Sonstige. :)

Dein Einstand hier ist ja schon mal gar nicht schlecht. Ich weiß zwar nicht, warum so viele Geschichten in Amiland spielen müssen, aber der hiesige Buchmarkt mit seinen zahlreichen Übersetzungen hauptsächlich der nordamerikanischen Literatur färbt wohl einfach langsam ab.

Deine Charakterisierungen sind sehr eindimensional und äußerst klischeebeladen. Anzurechnen bleibt dir aber, dass dir dieser Umstand sehr wohl bewusst ist und du über deinen Prot genau mit dieser Klischeebeladenheit spielst (bei der Charakterisierung von Brenda), sodass dem ganzen die Schärfe und Kritikwürdigkeit genommen wird.

Mit deinem Prot kann man nicht mitfühlen, Sympathie erregt er nun wirklich keine. Aber das war wohl auch nicht deine Absicht. Dafür gelingt es dir, dass der Leser zum Schluss so etwas wie Schadenfreude empfindet - somit eine feine böse, schwarze Geschichte. Diese Schadenfreude hätte aber noch wesentlich größer ausfallen können, wenn du deinen Prot etwas weitergehend und tiefer charakterisiert hättest.

Den Schluss - also das, was eigentlich die actionreichste Passage sein könnte - hast du extrem kurz gehalten. Das hätte man prima etwas ausbauen können. Beispielsweise indem Bigelow nach dem Unfall noch kurz bei Bewusstsein ist. Er röchelt, ist zunächst (seinem Temperament nach) fürchterlich wütend über den blöden Fahrer des anderen Fahrzeugs, merkt dann aber, dass er sehr schnell schwächer wird, er kann sich nicht bewegen, bekommt Panikattacken und zuletzt wird ihm der Zynismus der Situation bewusst. Zum Beispiel.

denn er liebte dieses Chinese Food.
Hier spricht nichts dagegen, "dieses chinesische Essen" zu schreiben. Klar, die Story spielt in den USA, aber du schreibst den Rest der Geschichte ja auch nicht auf Englisch. Bei Eigennamen ist es was anderes, aber hier kannst du ruhig in der Sprache der restlichen Geschichte schreiben.

Mit der Kommasetzung stehst du absolut auf Kriegsfuß, hm? ;)
Die meisten setzen eher zu wenig Kommas als zu viele. Bei dir ist es genau umgekehrt. Etwa die Hälfte der Komas ist überflüssig bzw. falsch. Bitte überarbeite die Geschichte dahingehened noch einmal. Wenn du Hilfe dabei brauchst, schreib mir eine PM, ich helfe dir dann.

Aufgezählt habe ich jetzt wieder mal mehr Kritikpunkte als alles andere. Aber für ein Erstlingswerk (vermute ich mal) ist das schon ganz nett. Halt nur noch ausbaufähig. ;)

Viele Grüße
Kerstin

 

Hallo katzano,

vielen Dank für Deine Zeilen, dass chinesische Essen, habe ich auch schon korrigiert. Trotzdem werde ich mich jetzt nicht "Viertelpfünder" nennen.:lol:

Dein Einstand hier ist ja schon mal gar nicht schlecht.
Da freue ich mich, denn es ist tatsächlich meine "Erstveröffentlichung".

Ich weiß zwar nicht, warum so viele Geschichten in Amiland spielen müssen...
Ich teile Deine Meinung in diesem Punkt, aber ich denke, dass diese KG nur in Detroit spielen kann. In Stuttgart, München oder Wolfsburg funktioniert sie nicht.

Deine Charakterisierungen sind sehr eindimensional und äußerst klischeebeladen.
wenn du deinen Prot etwas weitergehend und tiefer charakterisiert hättest.
Stimmt, die Stereotypen sind gewollt. Meinst Du denn, ich sollte sie noch ein wenig mehr überziehen (ich könnte ihm ja noch ein paar Goldkettchen spendieren) oder sollte ich mehr auf die Hintergrundgeschichte des Prot eingehen?

Beispielsweise indem Bigelow nach dem Unfall noch kurz bei Bewusstsein ist. Er röchelt, ist zunächst (seinem Temperament nach) fürchterlich wütend...
Also, ein bißchen böse bist Du aber auch oder? Na gut, dann lasse ich den guten Dave noch ein wenig leiden. Er hat es ja auch verdient... :D

Mit der Kommasetzung stehst du absolut auf Kriegsfuß, hm?
Ja, aber ich habe ein Attest. Die Krankheit nennt sich "Kommataphobia", ist aber nicht ansteckend. :Pfeif:
In Ordnung, ich sehe es ein. Ich hab mir mal die Hinweise aus dem Korrekturcenter angesehen und werde die Geschichte entsprechend bearbeiten. Wenn ich dann abschließend Dein Hilfsangebot in Anspruch nehmen darf, würde ich mich sehr freuen.

Also, noch einmal vielen Dank und herzliche Grüße vom
Quarterpounder

 

Stimmt, die Stereotypen sind gewollt. Meinst Du denn, ich sollte sie noch ein wenig mehr überziehen (ich könnte ihm ja noch ein paar Goldkettchen spendieren) oder sollte ich mehr auf die Hintergrundgeschichte des Prot eingehen?
Ich meinte zwar eigentlich, dass ich mir mehr Hintergrundzeugs gewünscht hätte und etwas ambivalentere Charaktere, aber da du deine Geschichte so ausgelegt hast, ist auch die jetzige Umsetzung in Ordnung. Du spielst immerhin bewusst mit den Klischees.

Also, ein bißchen böse bist Du aber auch oder?
Wie kommst du denn da drauf? *unschuldig guck* :D

Eine (sehr umfangreiche) Korrekturliste liegt in deinem PM-Fach. :)

Viele Grüße
Kerstin

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom