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Du bist raus!

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21.06.2001
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Du bist raus!

Du bist raus!

Er beugte sich vor und begann zu weinen. Ein krampfhaftes Weinen, kein erlösendes. Der Wind flatterte durch sein T-Shirt und ihm wurde kalt, unangenehm kalt.
Ich werde mir eine Lungenentzündung holen, dachte er und lachte bitter. Haha, eine Lungenentzündung, sehr komisch. Das, was du gleich tun wirst, ist ein bisschen schlimmer als eine verschissene Lungenentzündung.
Er überlegte, ob er nicht einfach nach Hause gehen sollte. Einfach gehen und diese Scheisse hier vergessen.
Aber er hatte Angst nach Hause zu gehen. Die kalten hohen Räume würden ihn fertigmachen. Eine grausame Atmosphäre.
(Wer hatte damals diesen absolut bescheuerten Gedanken gehabt, sie weiss zu streichen? Ausgerechnet weiss!)
Ein neuer Heulkrampf schüttelte ihn.
Nein, lieber jetzt und hier.
Er stellte sich auf das Brückengeländer und sah nach unten. Es war nicht so hoch, wie er erwartet hatte. Reichte das überhaupt? Vielleicht schlug er sich nur das Schlüsselbein an einem vorüberschwimmenden Ast an und das war´s dann. Nein, es musste reichen. Ansonsten hast du noch einen Freisprung. Haha. Was war er heute wieder witzig.
Friedlich gurgelte der Fluss unter ihm entlang. "Komm schon, trau´ dich", blubberte er. "Hier unten ist es ganz nett!"
Er hielt sich an den Verstrebungen des Brückenpfeilers fest und schloss die Augen.
Bitte, dachte er, wenn es irgendeine Gerechtigkeit auf diesem Planeten gibt, dann soll sie jetzt vor mir erscheinen.
Er öffnete die Augen. Es erschien keine. Weder vor seinen Augen noch in seinem Innern tat sich etwas Erwähnenswertes.
Was habe ich denn erwartet, fragte er sich. Einen leuchtenden Engel, der mir seine Hand reicht und mich wieder ´runterführt. Mein Leben wieder in Ordnung bringt, oder was? Eine mit mir raucht (und ich sterbe an Lungenkrebs, das wäre ein Kracher!) oder mich mitnimmt zu sich nach Hause?
Scheisse, dachte er.
Das war doch wohl ein schlechter Witz, oder?
Aber ein sehr schlechter!
Er dachte an zu Hause.
Er dachte an den Morgen, den er nicht mehr erleben würde.
Und er dachte an Mark Knopfler.
Where do you think you´re going, don´t you know it´s dark outside?
Dann sprang er.
Und während er seinem nassen Grab entgegenflog, zu einem Platz, der hoffentlich sehr viel schöner war als die regennassen Stahlknochen der Brücke, drängten sich tausende von Stimmen um ihn herum und wisperten leise aber eindringlich: "Du bist ein erbärmlicher Feigling! Ein Feigling! EIN FEIGLING! Vergiss´ das nicht!"
Er vergass es nicht.
Er fiel und starb.

 

Hallo Thomas Hobbes,

Nach Deinem Knüller Leviathan mal eine kürzere Story. Ist aber auch schon ne ganze Weile her, seit Du zuletzt was veröffentlicht hast. ;)

Also, ich denke das ist so. Viele Leute setzen sich an ihren Computer oder Schreibblock, und denken sich: "Ich schreibe jetzt eine Geschichte." Kaum haben sie diesen Gedanken gefasst, haben sie ein riesiges Problem: "Was soll ich blos schreiben...?"
Was dann dabei herauskommt ist fast immer eine Suizidgeschichte. Der Inhalt von kurzgeschichten.de besteht glaube ich zu ungefähr 26% aus Suizidgeschichten. Da war ich natürlich froh, dass Du die ganze Sache etwas lockerer nimmst.

!!!Mark Knopfler!!! :mad: <IMG SRC="smilies/puke.gif" border="0">

Ich kann's dem guten Mann wahrlich nicht verdenken, dass er von der Brücke gesprungen ist.

 

Tja, die Sache war die, daß mein Verlag nach dem "Leviathan" schon wieder so ´ne Staatsgeschichte wollte, und da hatte ich nunmal keinen Bock drauf :-)
Mit den Suizidgeschichten hast Du wohl recht. Ich wußte tatsächlich nicht so recht, über was ich schreiben sollte. War auch eine meiner ersten Geschichten überhaupt. Ich hoffe, ich finde demnächst wieder ein paar andere Themen.

In diesem Sinne: Homo homini lupus

hobbes

 

hey, mir gefaellt der Schreibstil. Ist ne nette Geschichte, wenn sie auch einfach aus dem Raum gegriffen scheint.

So macht sie doch auf das Problem unserer Menschheit aufmerksam: das Wegrennen vor Problemen oder seh ich das falsch? ;)

 

Danke für die Blumen :-)
Tja, "aus dem Raum gegriffen" scheint mir eine recht zutreffende Bezeichnung, denn der Entstehungsprozeß dauerte tatsächlich nicht lang.
Sei´s drum. Was hast Du denn so geschrieben?

hobbes

 

@ 13en Also bitte, sooo mies ist Mark Knopfler doch auch wieder nicht!
Und wenn miese Sänger zu Selbstmord anstiften würden, wäre Britney Spears längst wegen Massenmordes verhaftet :D

 

Eine meiner ersten CDs war Brothers in Arms - und dazu stehe ich! :D
Seine Stimme ist scheiße, aber Songs wie Money for Nothin oder Sultans of Swing sind für mich absolute Spitze!

 

Na gut, ich hör lieber auf.
Ich hör ihn jedenfalls nicht, und das reicht mir auch schon.

 

Also, ich muß ja sagen, ich mag ihn auch sehr gerne :-)
Das er nun eine Rolle in dieser Geschichte bekam, ist mehr oder weniger Zufall.
Ich hoffe, 13en, Dein Vertrauen in mich ist nun nicht rettungslos erschüttert :-)

hobbes

 

Original erstellt von I3en:
<STRONG>Der Inhalt von kurzgeschichten.de besteht glaube ich zu ungefähr 26% aus Suizidgeschichten.</STRONG>
Da habe ich aber Schwein gehabt, dass ich das noch rechtzeitig erfahre. Ich habe nämlich auch noch so ca. 12 1/2 Selbstmord-Stories auf Lager.
Also ich finde die Geschichte gut, der Stil gefällt mir.

 

Es ist eigentlich interessant, dass bei dieser Geschichte die Pro-Knopfler und die Gegen-Knopfler Interpretationen beide funktionieren. Bei meiner Gegen-Knopfler interpretation sah ich ihn als einen dem sarkastischen Ton und dem schwarzen Humor der Geschichte zugehörigen Teil. Bei einer Pro-Knopfler Interpretation wüsste man bestimmt was mit dem Lied-Zitat anzufangen.

Ich fand die Geschichte auch nicht schlecht, falls Du das so verstanden hast. Das Thema ist halt einfach etwas alt - aber hier, immerhin, stilistisch recht interessant verarbeitet.

 

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