Du hast mehr als nur Spuren in mir hinterlassen
Severin ich liebe dich. Wie könnte es auch anders sein. Wer liebt hat Recht. Was nutzt uns unser Recht, wenn wir alleine sind. Warum hast du mich alleine gelassen? Wir haben uns gegenseitig vertraut gemacht, wir sind füreinander verantwortlich, denn "man ist dafür verantwortlich, was man zähmt" und sich vertraut gemacht hat, wir haben nicht mehr ohne einander zu können.
Das Foto auf meinem Schreibtisch verstaubt durch die Zeit, doch das Bild in mir von dir verliert nie an Farbe. Will ich es greifen und festhalten, entgleitet es meinen Händen. Es quält mich, dich nicht finden zu können, wenn ich dich suche. Doch grade wenn ich den Schmerz anscheinend im Griff habe, glaube frei atmen zu können, endlich Luft holen zu können, rast plötzlich ungebremst dein Bild auf mich zu. Alle Gedanken, Gefühle schwappen über mir zusammen. Bekomme keine Luft mehr...
Ich wollte nie eine Beziehung, wollte mich nie binden. Glaubte das ich mich auch nie fest binden könnte. Ich hatte einen viel zu großen Freiheitsdrang, Freiheitsegoismus, das ich gar nicht daran glaubte, mir vorstellen konnte, das mich jemand binden, halten könnte. Ich posaunte, demonstrierte regelrecht in die Welt hinaus, wie gut ich mich als wahrer eingefleischter Einzelgänger fühlte. Ich freute mich für andere, wie “gut” ihre Beziehungen gingen, trauerte mit Freunden über gescheiterte Lieben, flickte Herzen, hörte zu, war da. Auch ich verliebte mich, hatte Schmetterlinge im Bauch, aber zu mehr, wie schön das Gefühl auch war, fühlte ich mich nicht. Hatte eine regelregelrechten Greul vor Herzensnähe. War eingefahren, festgemauert in meiner Lebens- und Liebesmeinung. Ich war überzeugt davon, niemanden finden zu wollen, der zu mir passen könnte.
Du kamst nicht nur, um zu bleiben. Du kamst um zu gehen. Und ich wollte, das du bleibst. Ich wollte dich an mich binden. Ich wollte das du es auch wolltest. Und du wolltest.
Wir wollten eine Beziehung, ohne zu wissen, was eine Beziehung eigentlich ist.
Wir zogen zusammen. Richteten unsere Wohnung, unser Leben gemeinsam ein. Machten uns bereit auf ein Leben zusammen. Was sollte uns jetzt noch daran hindern?
Als wir unser gemeinsames Wohnzimmer tapeziert hatten, erschöpft auf dem Boden saßen und unser verdientes Bier tranken, fragtest du mich.
“Und jetzt?”
“Und was, und jetzt?”
Du saßt mir gegenüber an der Wand, nahmst deine Brille mit den Farbspritzern ab und stelltest das Bier neben dich.
“Ich meine, was machen wir jetzt zusammen?”
Ich wusste keine Antwort auf diese eigentlich so banale Frage. Was macht man denn zusammen in einer Beziehung?
Alles ist so anders seitdem du weg bist...
Ich hatte mich schon daran gewöhnt, mich nicht binden zu können. Ich weiß nicht, wie man sich an das Alleinesein gewöhnen kann. Doch dann konnte ich mich auch an diese Zweisamkeit mit dir gewöhnen. Du warst plötzlich da, bist gekommen, um doch zu bleiben.
Wir hatten zusammen einen Lebensrhythmus für uns erfunden. Du bliebst du und ich war ich und zusammen bildeten wir ein WIR.
Doch dann bist du gegangen. Ich war wieder alleine. Fühltest du dich dann auch wieder alleine und hat dir das etwas ausgemacht?
Alleine sein kannte ich schon, aber nicht das Alleinesein nach uns.
Stunden der fragenden Einsamkeit folgten nicht auf Wut, denn ich war nicht wütend auf dich. Auch nicht auf mich. Hätte ich denn wütend auf mich sein sollen? Ich habe dich zu sehr gedrängt.
Schlaflose Nächte. Ich suche nachts dein Gesicht an meiner Seite, deinen Herzschlag in meinem Leben. Spüre deinen Atem auf meinem Gesicht. Höre dich nachts in der Küche mit Geschirr hantieren und weiß, es war nur der Wind. Ich beiße in mein tränennasses Kissen, um nicht immer und immer wieder laut zu schreien. Ich kann auch nicht mehr schreien vor Heiserkeit.
Wenn ich nachts dann doch Schlaf finde, träume ich von dir, träume ich von uns. Weißt du was das heißt UNS? Ich wusste auch nicht vorher, was UNS heißt. Doch du hast es mich nicht nur gelehrt es zu verstehen, sondern es zu leben.
Morgende der Verzweiflung. Nichts lässt mich Kraft genug finden auf zu stehen. Dein Geruch in unseren Kissen, seitdem du weg bist, habe ich unser Bett nicht mehr frisch bezogen. Dein Geruch überall. Jeder Atemzug ein Erinnerungsstück an dich, jeder Atemzug ein Pfeilschuss direkt in mein Herz.
Wer glaubt ich gehe, um dich zu suchen, liegt falsch. Ich gehe auf die Suche nach uns. Ich ziehe meinen Mantel an, nehme meine Schal. Ich bekomme Gänsehaut bei dem Gedanken, das ich endlich etwas unternehme, dich wieder zu finden, aus meiner Lethargie mich befreie, Ich stecke meine Geldbörse ein. Drehe mich noch einmal um, wiege den Haustürschlüssel in der Hand. Dann gehe ich aus der Wohnung und lehne die Tür hinter mir an... .