Hi, NADU.
Bevor ich auf ein paar Details eingehe: Ich habe mich im Laufe der Geschichte immer wieder gefragt, warum du sie nicht im Präsens verfasst hast. Das Präteritum schafft eine große Distanz zum Geschehen. Aber du willst den Leser ja direkt reinziehen. Noch intensiver wäre eine Erzählung aus der Ich-Perspektive, aber das sieht sicherlich jeder anders.
Nun wie versprochen ein paar Verbesserungsvorschläge:
Die Arme um ihre Knie gelegt saß abends sie in ihrem dunklen Zimmer.
Die Arme um die Kniee gelegt saß sie abends...etc..
"Zum Glück allein." fände ich besser.
Unter der Türrinne schien plötzlich Licht zu ihr hinein.
Was für eine Türrinne? "unter der Tür", oder im Zweifelsfall "Türspalte" würde besser passen. Türrinne klingt doch recht banal.
Sie drückte ihre Knie so fest sie konnte an sich und vergrub ihr tränendurchnässtes Gesicht darin.
Gesichter können nicht durchnässt sein. Tränenüberströmt, tränennass usw. gern, aber ein tränendurchnässtes Gesicht stelle ich mir wie eine nasse Trockenpflaume vor. :-)
Sie hörte wie er einen großen Schluck aus seiner Bierdose nahm, rülpste, dann die Türklinke hinunterdrückten.
Hier würde ich das "dann" weglassen (dann könntest du auch "dann" am Anfang des folgenden Satzes verwenden und das unbeholfen wirkende "darauf" streichen), oder durch ein "schliesslich" ersetzen. Ist aber Geschmacksfrage.
Darauf stand er breit grinsend an der Tür und blickte auf das zusammengeknüllte Haufen Elend hinunter.
Warum steht er nicht "in" der Tür? Und den Haufen würde ich zum Häufchen machen. Das "hinunter" könntest du auch ersatzlos streichen. Das sie nicht zusammengekauert auf einem Schrank sitzt, leuchtet dem Leser ein. Auch "zusammengeknüllt" wirkt etwas plump.
Ihr lief langsam auf sie zu.
Wie wäre es mit "Er ging langsam auf sie zu."? "Lief" weckt bei mir den Eindruck, als wäre die Distanz zwischen ihnen sehr groß.
lockerte er seine Gürtelschnalle und zog ihn Stück für Stück aus der Hose.
Achtung! Wen oder was zog er aus der Hose? Den Gürtel? Oder was ganz anderes? Hier ist die Formulierung vielleicht bewusst zweideutig, aber sie wirkt zu irritierend, als dass ich sie so drin lassen würde.
Aus ihren glasigen Augen blickte sie zu ihm hinauf,
"blickte sie zu ihm auf" erspart dir eine überflüssige Silbe. Sehr schön finde ich hier, dass ihre Augen auch glasig sind. Obwohl du es nicht sagst, hat >er< ja sicherlich auch glasige Augen. Aber das ist wieder einmal Geschmackssache.
und setzte sein breites Grinsen auf.
Dass er "breit" grinst, wissen wir schon. Wie wäre es mit etwas mehr Information? Wie genau grinst er? Andererseits...ist eine genaue Beschreibung seines Grinsens überhaupt nötig? Und warum setzt er etwas auf? >Er< scheint mir hier zu aktiv zu sein. Es geht doch primär um >sie<, nicht um >ihn<.
Selbsterklärend. Den Absatz finde ich ungeschickt gesetzt. Nur um den Text zu strukturieren, wirkt er plump und bereitet den Leser auch unbewusst darauf vor, dass die Prügel doch noch nicht alles waren - so geht das Überraschungsmoment ein wenig flöten.
der ihr so nah hätte sein sollen und doch so fremd ist.
"hätte seien sollen". Sonst aber gut formuliert (zumal es eine -wenn nicht DIE- wesentliche Aussage des Textes ist).
auf ihrer Stirn verteilten sich kleine Schweißperlen,
Der ganze Satz ist insgesamt sehr gut gebaut. Aber wie verteilen sich Schweißperlen?
und immer noch kullerten ihr ein nicht anzuhaltender Tränenfluss die Wangen hinunter.
"kullerten" wirkt verspielt - und somit fehl am Platz. Wie wäre es mit "ein nicht aufzuhaltender Tränenfluss (alternativ: Fluss aus Tränen? Strom?) rann ihre Wangen herunter"? Das ist auch nicht optimal, bügelt aber die grammatischen Unkorrektheiten aus. Und grade hier, an einer so intensiven Stelle des Textes, lohnt es sich, nach der perfekten Formulierung zu suchen.
Sie stand nur ganz stumm da und lies alles über sie ergehen
Von den offensichtlichen Fehlern abgesehen, würde ich "nur ganz" streichen und den Satz auch als eigenen Satz mit Punkt stehen lassen. Es macht diesen und den Folgenden prägnanter.
Er zog seine Hand aus ihrer Hose, zog sie ihr, gefolgt von der Unterhose hinunter.
Der vielleicht wichtigste Satz des Textes ist völlig verkorkst. Hier wird klar, dass >er< wirklich auf´s Ganze geht und nicht nur "fummeln" will. Aber die Wortwiederholung "zog" und das viel zu rationale "gefolgt von" ruinieren die Stimmung gründlich. Streich den Satz komplett und formulier ihn nochmal ganz neu. Es wäre schade um die Geschichte.
Das ist alles? Hab keine Scheu, zu schreiben, was er wirklich tat. Die Zielgruppe deines Textes ist nicht das Doktor-Sommer-Team, sondern Leser, die du schon ganz tief in den Bann der Geschichte gezogen hast. Sie wollen wissen, wie es weitergeht, was dieser verdammte Dreckskerl noch mit ihr anstellt und du speist sie mit dieser distanzierten, kühlen Formulierung ab. Der Leser will mehr! Also gib ihm mehr!
sie stieß ihn von sich weg, wobei sie auf den Rücken fiel, ihr schien das Licht direkt in die Augen, weshalb sie gar nichts mehr erkennen konnte.
"wobei" und "weshalb" nehmen das Tempo raus. Halte den Leser am Ball! Wie wäre es mit "Sie stiess ihn von sich weg, fiel auf den Rücken. Das Licht fiel ihr direkt in die Augen, sie sah nichts mehr." Hier ist zweimal "fiel" drin, aber das sind ja nur ungefähre Vorschläge. Du verstehst, worum es mir geht.
Solche nichtssagenden Formulierungen ("verba dicendi" genannt) gehören verboten. Wir wissen, dass er sie anschreit. Das Ausrufezeichen hat das deutlich gemacht. Und die Situation natürlich auch. Lass verba dicendi weg sooft du kannst.
und warf sich dann mit seinem ganzen Gewicht auf sie.
Dass die staccatoartig aneinandergereihten Sätze hier aufhören, finde ich sehr gut. Sie ergibt sich in ihr Schicksal, ist nicht mehr überrascht. Das "dann" würde ich trotzdem wieder weglassen.
Sie wollte schreien, doch er hielt ihr die Hand auf den Mund, weshalb ihr nichts anderes übrig blieb, als stumm ihre Tränen zu vergießen und auf die fern liegende, erlösende Dunkelheit zu warten.
"hielt"? Warum nicht "drückte", oder "presste"? Er strengt sich doch an, oder nicht? "weshalb" würde ich wieder weglassen. Der Leser kann sich in die Situation einfühlen und bedarf der ständigen Schlussfolgerungsphrasen nicht.
Einiges habe ich übergangen; nicht jedes Kommata und überflüssige Wort habe ich aufgegriffen. Aber es müsste reichen, um klar zu machen, worauf ich es abgesehen habe.
Den Text habe ich sehr gern gelesen und hoffe, dass du dich von der langen Liste nicht entmutigen lässt.
Liebe Grüße
Loui.