Hallo weltenläufer!
Leider hat mir Deine Geschichte nicht so gut gefallen; obwohl ich aufgrund des Titels recht guter Dinge ans Lesen ging. Dein Protagonist erweckt bei mir zum Beispiel trotz dick aufgetragenem Selbstmitleid kein Mitgefühl – beim ersten Absatz mußte ich mich ständig fragen, ob Du das ernst meinst oder ob es doch eher ironisch sein soll.
Auch im weiteren Text finde ich kaum etwas, was das Leid zeigt, aus dem der Haß des Protagonisten erwächst, der ja ganz offensichtlich da ist. Du sprichst zwar – mehr beiläufig – von Schlägen, Tyrannei usw., aber da ist sofort wieder nur der Haß. Haß entsteht überhaupt erst durch Kränkung und Schmerz, was hier aber völlig fehlt. Stattdessen beansprucht der Protagonist auch noch für sich, die Rache für Schwester und Mutter gleich mitzuübernehmen – eine Bevormundung, die er wohl vom Vater gelernt hat?
Auch als Leser kann ich den Haß erst nachempfinden, wenn Du mir den Schmerz zeigst, der ihn rechtfertigt und mich mit dem Protagonsiten mitfühlen läßt.
Zum Beispiel hier:
In meiner schwächsten Minute hat sich dein Erbe entfesselt. Ich habe Dania geschlagen. Geschlagen, wie du einst auf uns eingeprügelt hast. Ich wollte es nicht, bei Gott, ich wollte es nicht! Aber du hast auch immer gesagt, dass du es nicht wolltest.
Statt etwas über seine Gefühle in dieser schwächste Minute zu erfahren, bekomme ich sofort die Schuldzuweisung zu lesen, die ja ohnehin schon auf dem Text klebt.
Hier bekommen wir sogar etwas als Vorwurf an den Vater serviert, was wohl gar nicht von ihm ausgegangen ist:
Wir haben nie darüber gesprochen, alles was mit dir zu schaffen hat, wurde vom Mantel des Schweigens verschluckt. Es herrschte ein unausgesprochenes Gebot, dich mit keinem Wort zu erwähnen.
Würdest Du die Geschichte so schreiben, daß sie das Leid des Protagonisten erzählt statt Schuldzuweisungen, würde sich diese Stelle sicher auch anders lesen – so, daß sie mich als Leser mitnimmt.
Ich unterließ es nicht nur mich zu verteidigen, nein, ich lachte auch noch dabei. Es war ein unbändiges und dämonisches Lachen. Denn jeden Hieb, den du mir beifügtest, sah ich bereits mit dreifacher Gewalt auf dich niedergehen.
Da kommt nicht nur kein Leid durch, sondern der Protagonist wirkt schon fast unsympathischer als der Vater. Wie der Autofahrer, der hinten gern eine neue Stoßstange möchte und deshalb kurz bremst, wenn einer mal ein bisschen knapper hinter ihm fährt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß das Deine Absicht war. – Es würde sich ganz anders lesen, wenn ich zuvor das Bild eines Protagonisten habe, der dem Vater ausgeliefert ist, vor ihm, seinen Schlägen und Demütigungen Angst hat, sich nicht wehren traut, und sich dann mit dem Gedanken tröstet, es ihm irgendwann heimzuzahlen; aber dieses Bild lieferst Du nicht, weil Du alles so extrem überzeichnest, bloß Umschreibungen wie ein Zurückziehen in einen Kokon verwendest, und damit Kilometer von den Gefühlen, die dahinter stecken, entfernt bist.
Unglaubwürdig finde ich auf jeden Fall den Selbstmord des Protagonisten. So ein kämpferischer Typ, wie Du ihn hier zeigst, gibt sich nicht so schnell einfach selbst auf, nur weil er bemerkt, daß er gewisse Dinge von seinem Vater übernommen hat. Genau da sollte vielmehr der Kampf ums Selbst beginnen – sollte der Protagonist eigentlich den Vater aus seinem Inneren herausmorden, über sich selbst bestimmen. So weit ist er offensichtlich noch nicht, aber immerhin hat er ja schon erkannt, daß nicht er selbst, also nicht sein Inneres es ist, das ihn schlagen läßt, sondern seine Erziehung, die ihm wie eine Maske übergestülpt worden ist und in deren Sinn er handelt. Schließlich wollte er es ja nicht, also muß er versuchen, nach seinem eigenen Willen zu handeln, statt nach dem der Maske bzw. des Vaters; das ganze Denken wie eine Wohnung ausmisten, in der fremde Sachen über die eigenen gelegt worden sind – deshalb muß man ja nicht gleich die Wohnung aufgeben … bloß aufräumen, dann kommt der innere Frieden ganz von selbst. Und Dein Protagonist weiß das auch schon, wenn er es auch nicht so ausgedrückt hat, aber das Wissen ist in ihm, und deshalb wird er sich auch befreien und nicht umbringen, was obendrein das abgelutschteste Ende ist, das Du Dir überhaupt einfallen lassen konntest. Hast Du vielleicht nicht gewußt, wie Du sonst zu einem Ende der Geschichte kommst? Wie wär’s damit, daß er spürt, wie sich etwas in ihm regt, etwas aufbricht, wie er bemerkt, daß für ihn ein neues Leben beginnt?
Zu einem gewissen Teil liest sich die Geschichte ja trotz allem recht authentisch, ich kenne sehr viel von dem, worüber Du hier schreibst, aber die Gefühle Deines Protagonisten kommen nicht aus dem Text, stehen nicht in der Geschichte, weil er nur den Haß und den Tod zu kennen scheint.
Ein bisschen habe ich ja das Gefühl, Du hast Dich nicht so recht getraut, über die Gefühle zu schreiben, und deshalb insbesondere den ersten Absatz so theatralisch überwürzt, um dann über das Folgende oberflächlich und anklagend hinwegzufliegen. Aber Gefühle erzeugst Du nicht durch eine »einsame Gestalt«, brennend den Dienst verweigernde Stimmbänder, einen wimmernd zusammensackenden, erschöpften Körper, einen frierenden Leib oder einen höhnischen, unbarmherzig Schatten werfenden Stein. – Das sind alles leere Phrasen, die nichts aussagen und kein Mitgefühl wecken, weil nichts vom Gefühl des Protagonisten drinsteckt, Du schreibst nur über Dinge, die etwas tun. Haben Stimmbänder einen eigenen Willen, daß sie etwas »verweigern« können, oder hat das irgendwie mit dem Protagonisten zu tun, dem vielleicht der Hals schon so weh tut, vom Schreien und vom Heulen?
Auch das mit dem Stein: Erst wird anscheinend der Vater durch ihn symbolisiert, am Ende ist der Stein dann ein Grabstein. Das sollte wohl am Ende so wirken, als sei bereits am Anfang der Grabstein gemeint gewesen, aber das funktioniert auch nicht, da z. B. bei »Der Stein schwieg, badete unbeeindruckt im Sturm« wohl eher nur der Vater gemeint sein kann, ein Grabstein trotzt immer unbeeindruckt Regen, Sturm und sogar Schnee, und er hat auch nichts anderes zu tun als zu schweigen. Und wen hat der Grabstein erdrückt? – Wenn schon Doppeldeutigkeit, dann muß die auch auf beide Seiten funktionieren. Aber Menschen – selbst solche, wie den Vater des Protagonisten – mit Steinen gleichzusetzen finde ich auch nicht so gelungen, und ein mehr als ausgelutschter Vergleich ist es obendrein, das geht doch sicher kreativer. 
Noch ein paar Details und weitere Anmerkungen … und Ausschweifungen
:
»Gott schien die Welt in Tränen ertränken zu wollen. Sie stürzten aus dem bleiernen Himmel und verwandelten die Erde in einen schlammigen Sud, der alle Unschuld verschlang.«
– Gott verwüstet also die Erde und der Schlamm verschlingt die Unschuld. Ist das die Rache Gottes? Und wieso verschlingt der Schlamm wessen Unschuld? Selbst nach dem Lesen der Geschichte kann ich damit nicht viel anfangen.
»Eine einsame Gestalt krallte ihre Hände in den Matsch und schrie der Sintflut ihren geballten Schmerz entgegen.«
– Der »Schmerz« ist hier nur ein Wort, aber nicht als Schmerz vorhanden.
Und einen Protagonisten als »Gestalt« zu bezeichnen, ist so ziemlich das Unglücklichste, was Du machen kannst – mit einer Gestalt identifiziert man sich nicht.
»Doch der Schmerz war zu gewaltig, als dass er durch einen Schrei hätte gelöst werden können.«
– gewaltiger Schmerz, der nur leider keiner ist, weil Du ihn nicht zeigst.
»So wenig wie der Schrei gegen das Reißen des Regens ankam, ließ er sich auch aus der Seele des jungen Mannes vertreiben.«
– Da ist der Bezug falsch, richtig wäre zum Beispiel: »So wenig, wie der Schrei … ankam, konnte er auch den Schmerz aus der Seele des jungen Mannes vertreiben.« Besser fände ich noch: »So, wie der Schrei nicht gegen das Reißen des Regens ankam, konnte er auch nicht den Schmerz …
»Einem verlorenen Sünder gleich kniete der junge Mann vor dem Stein; durchgeweicht und verlassen.«
– Auch das weckt kein Mitleid in mir, nur die Frage, warum Du, statt den Protagonisten und seine Verzweiflung zu beschreiben, solche Vergleiche bemühst.
»Sein frierender Leib zitterte, Regen und Wind peitschten die letzte Wärme aus der Haut.«
– Wärme ist eigentlich nicht nur in der Haut, also könntest Du ruhig schreiben »aus ihm«. Aber davon abgesehen trägt auch dieses Bild nicht viel zur Geschichte bei.
»„Ich hasse dich! Ich hasse dich!“, krächzte er immer wieder. Der Stein schwieg, badete unbeeindruckt im Sturm.«
– Er krächzt also den Stein an, der wahlweise sein Vater oder dessen Grabstein ist. Eine der Stellen, die eben nur in einer der beiden Varianten funktioniert.
»Höhnisch schien er dem Weltuntergang zu trotzen, ragte stolz empor, als wolle er sagen, er ließe sich von keiner Macht niederdrücken.
„Ja, du hast dich von niemandem niederdrücken lassen, denn du hast alle erdrückt, die in deiner Nähe waren!“
Höhnisch warf der Stein seinen unbarmherzigen Schatten auf die verlorene Gestalt.«
– gleich zweimal als Satzanfang »Höhnisch«, wobei ich es in keinem der beiden Fälle passend finde.
»Auf allem was unter deinen Händen erwachsen ist, lastet ein bitterer Fluch. Mutter hast du bis ins Mark vergiftet,«
– Ist die Mutter seinen »Händen erwachsen«? Was ist das für ein komischer Ausdruck?
»selbst dein Abschied war nicht mehr imstande sie zu heilen. Zu tief hat sich dein Gift in sie gefressen, hat ihren Willen zersetzt und jede Freude am Leben mit dem Makel der Bitterkeit besetzt.«
– Wie hat er das denn gemacht? Ich frage nur, weil das nämlich kaum möglich ist. Wenn vorher Freude am Leben, d. h. eine glückliche Kindheit, da war, kann sie ein Mann nicht einfach so zerstören. Erstens würde ein glücklicher Mensch sich gar nicht mit jemandem, wie dem Vater hier, abgeben, und wenn doch, könnte der Vater nicht alles zerstören, was bereits fest in der Mutter verankert war. Wenn einer so offensichtliche Schuld trägt, lädt man ihm gern alles mögliche andere auch noch auf, was zwar für die anderen meistens einfach, aber selten richtig ist.
»Und jetzt hat sich dein Fluch auch auf mich erstreckt.
Ich habe geglaubt deinem Schatten entkommen zu sein.«
– geglaubt, deinem
– richtiger müßte es wohl heißen: »Und jetzt bemerke ich, dass sich dein Fluch …« Sowas geschieht ja nicht plötzlich, so von heute auf morgen, sondern von klein auf. Ich würde vielleicht schreiben: »Und jetzt bemerke ich, dass auch ich (von dir) verflucht bin.«
»glaubte deinen Klauen entkommen zu sein, doch letztlich hast du mich doch gekriegt.«
– zweimal »doch«
»Ich weiß nicht ob Mutter dir das tatsächlich geglaubt hat«
– nicht, ob
»Wir haben nie darüber gesprochen, alles was mit dir zu schaffen hat, wurde vom Mantel des Schweigens verschluckt.«
– alles, was
»Meine einzige Hoffnung galt dem Tag, an dem ich es endlich schaffen würde, uns von deiner Tyrannei zu befreien.«
– um die Wiederholung von »dem« zu vermeiden, würde ich schreiben »galt jenem Tag«
»Ich zählte sie und summierte den Schmerz, um ihn dem Kokon zuzuführen.«
– der Schmerz summierte sich in dem Kokon.
»Ich sammelte den Schmerz, den du mir zufügtest, zahlte ihn ein auf das imaginäre Konto meiner baldigen Rache.«
– ich würde aus dem vorigen und diesem Satz einen einzigen machen, da Du hier nicht viel erzählst, was Du nicht schon im vorigen gesagt hast.
»weil ich aus quälender Erfahrung wusste, dass dir selbst mein geballter Hass mit meinen Kinderfäusten nichts anhaben konnte. Wenn ich dem Knabenalter entwachsen wäre,«
– Hier wirkt es durch die »Kinderfäuste«, als hätte der Protagonist das bereits gedacht, als er noch ein eher kleines Kind war, was aber sehr unwahrscheinlich ist, da kleine Kinder die Macht der Erwachsenen noch nicht so hinterfragen, sondern als gegeben hinnehmen und die Schuld eher bei sich suchen bzw. alles versuchen, um durch ihr Verhalten nach dem auszurichten, was ihnen die Schläge vielleicht erspart, geben die Hoffnung nur sehr schwer auf, daß doch noch irgendwann Liebe aus dem betreffenden Elternteil kommt, was nur leider meistens eine vergebliche Hoffnung ist. Auch bei »Ich zählte die Jahre und nährte meinen Hass« wirkt es, als sollte der Protagonist schon so früh seinen Racheplan geschmiedet haben.
»Ich schrieb den Eid in einer jener dunklen Stunden mit meinem eigenen Blut. Blut, welches du aus mir heraus gedroschen hattest.«
– zusammen: herausgedroschen
– Bei Stellen wie dieser denke ich mir, daß Du sie vielleicht deshalb so überzeichnet hast, um sie nur ja nicht mitleidheischend wirken zu lassen – aber der Effekt ist in meinen Augen nicht der gewünschte. Ohne irgendetwas kleinreden zu wollen (ich weiß, was so eine Kindheit zu haben, heißt), aber es macht doch eher so den Eindruck, als würde jemand wegen einem Schnitt in den Finger brüllen wie am Spieß. Mit der Überzeichnung machst Du meiner Meinung nach das Leid, mit dem Du den Selbstmord des Protagonisten rechtfertigen willst, nur lächerlich.
»Ich unterließ es nicht nur mich zu verteidigen, nein, ich lachte auch noch dabei.«
– nur, mich
»Der Tag unserer Befreiung kam näher und ich sah ihm mit einem Fieber entgegen, das sich allem Beschreibbaren entzieht.
Doch dann, kurz vor dem Tag, an dem mein Schwur seine Erfüllung finden sollte, vollbrachtest du die schändlichste aller Taten und entzogst dich aus eigener Hand deinem gerechten Schicksal.
In deinem feigen Abschiedsbrief bittest du tatsächlich für all das, was du uns angetan hast um Vergebung.«
– Immerhin ist ihm klar geworden, was er gemacht hat, und damit hat er sich selbst bestraft, das ist hart genug; schlimmer, als es gewesen wäre, wenn er ohne die Einsicht ermordet worden wäre. Und: Der Protagonist wäre seinen Schmerz auch mit zehnfacher Vergeltung nicht los geworden, weil man Schmerz nicht einfach zurückgeben kann. Eine beschissene Kindheit bleibt auch dann eine beschissene Kindheit, wenn man hinterher alle seine Verwandten umbringt.
Dein Protagonist hat gelernt zu schlagen, weil er geschlagen wurde. Was er dabei nicht gelernt hat, ist zum Beispiel, Konflikte friedlich zu lösen – das lernt er auch nicht durch einen Mord am Vater, aber wenn er es lernt, kann er auf die Schläge ganz leicht verzichten; sobald man inneren Frieden findet, wird einem diese Sprache sowieso fremd. Der bessere Weg als die Rache ist nämlich, dafür zu kämpfen, daß man sich den Rest seines Lebens selbst gehört, ohne daß jemand darüber bestimmt, wie so ein Vater, und sei es nur durch das eingeimpfte Denken.
»In deiner gebrochenen Handschrift verkündest du noch einmal die einzige Weisheit, zu der du fähig warst.«
– gebrochene Handschrift = gebrochenes Ich … (finde ich gut untergebracht, aber es scheint mir doch mehr Zufall zu sein, da es nicht so ganz dem Denken des Protagonisten entspricht, dann hätte er ja erkennen müssen, daß mit dem Vater bloß genauso verfahren wurde – was ihn natürlich nicht entschuldigen soll, denn die Chance, nachzudenken über das eigene Tun hat jeder, der eine nützt sie, der andere nicht …)
»Nach Regen folgt auch wieder Sonnenschein.«
– Der Spruch ist wiederum etwas, was die Geschichte sehr authentisch macht, weil man Kinder früher (tw. vermutlich auch heute noch) tatsächlich mit solchen Sprüchen »getröstet« hat.
»Und darunter schreibst du, dass du diesen Weg uns zu Liebe gewählt hast, weil du uns nicht den Sonnenschein geben kannst, den wir verdient hätten.
Für eine lange Zeit dachte ich, der angestaute Schmerz in mir würde mich verschlingen. Durch feine Risse in meinem Kokon entwich lähmend das gestaute Gift und schien jede Faser meines Körpers zu infizieren, bis es meine Seele zu ersticken drohte.«
– Hier weichst Du wieder auf Umschreibungen aus, statt zu beschreiben, was tatsächlich in dem Protagonisten gefühlsmäßig los war.
»Nach einer langen und zermürbenden Regenphase, durchdrangen irgendwann heilende Sonnenstrahlen mein selbstzerstörerisches, von Drogen betäubtes Dasein.«
– Alleine aus diesem Satz könntest Du eine ganze Geschichte machen …
»Sicherlich spielte auch die Therapie in meinem Lebenswandel eine nicht unbeachtliche Rolle, aber ich nenne meinen Sonnenstrahl Dania. Dania lehrte mich die Kraft der Freude. Zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich den Begriff der Liebe in bedingungsloser Form. Nie hätte ich gedacht, dass eines Menschen Zuneigung mit so viel Wärme gezeichnet sein könnte. Es schien, als durchlebte ich eine zweite Geburt.«
– Auch eine der authentisch klingenden Stellen (hab jetzt nicht alle benannt) – ein beliebter Irrtum … der, wenn er nach einer Therapie stattfindet, über die Therapie nichts Gutes sagt.
»vor deinem Erbe, das irgendwo bösartig in mir schlummerte und nur auf einen unachtsamen Moment wartete,«
– schlummerte, und
»Ich wähnte mich tatsächlich in Sicherheit, glaubte durch die Kraft der Liebe allem entkommen zu sein.«
– glaubte, durch
»verkrümmt auf einem kaltem Fliesenboden liegend,«
– einem kalten Fliesenboden
»Plötzlich platzte etwas in mir auf und mit einem Mal entlud sich all die unterdrückte Wut. Es kam zur geballten Freisetzung des Schmerzes, um den du mich betrogen hattest. Ich verfiel in einen Zustand grässlicher Tollheit und zerlegte die Wohnung. Ich muss mich in einem solchen Wahn befunden haben, dass ich Dania erst gewahr wurde, als ich sie bereits zu Boden gestreckt hatte.«
– Nachdem die Wut doch dem Vater gilt, wäre es für den Leser sicher interessant, wie es dazu kommt, daß er sie an der Wohnung und der Freundin ausläßt – um die Gefühle und die Entladung dieser, sowie den Zwang unter dem er handelt, nachvollziehbar zu machen, braucht es eben mehr Tiefe.
»Und mein Gott, diese Angst in ihrem Blick, diese nackte Angst, wirkte wie ein Spiegel auf mich.
Ihre Augen waren meine Augen, ich sah durch sie, wie ich als kleiner Junge gesehen habe, als mein Vater das erste Mal auf mich eindrosch.«
– Ich glaube, das ist die Stelle, die mir am besten gefällt. Hier zeigst Du mir was aus dem Inneren des Protagonisten – fehlt nur noch, daß wir auch von der nackten Angst, die er in der Kindheit erfahren mußte, ein wenig erfahren, um sie mit diesem Blick zu verbinden.
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»Verständnislose Angst, fester Boden verwandelte sich plötzlich in reißenden Treibsand.«
– das ist wieder nur eine schön rund geformte Luftblase, die nichts aussagt.
»Ihre Augen waren meine Augen und ich sah durch sie mich - und ich erblickte dich!«
– das war eigentlich schon oben klar, wiederholt sich also hier nur – geh stattdessen näher ran.
Ich rannte wie nie zuvor in meinem Leben. Gewitter setzte ein, Blitze durchzuckten das Firmament, als würde der Schöpfer selbst meiner Taten zürnen. Ich rannte und rannte, rannte vor mir selbst hinfort, und wusste doch, dass ich mir nicht entkommen würde. Ich wusste nicht wohin ich lief, ich wollte einfach nur weg, doch schließlich hat mich mein Weg zum Kernpunkt allen Übels geführt.
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Liebe Grüße,
Susi