Was ist neu

Durch den Eulenwald nach Hause

Wortkrieger-Team
Monster-WG
Seniors
Beitritt
19.05.2015
Beiträge
2.573
Zuletzt bearbeitet:

Durch den Eulenwald nach Hause

Ich nähere mich dem Kindheitsglück auf der Landstraße. Der Riegel schiebt sich zurück, das Schloss öffnet sich, die Erinnerungen erwachen, explodieren wie Blitze in mir, richten die Härchen auf, spannen die Sinne bis zum Äußersten. Ich fahre durch Wälder, Getreidefelder rauschen, säuseln Lieder, die mir bekannt vorkommen, erreiche die ersten Dörfer, deren Namen ich kenne: Adelsheim, Schefflenz. Bilder von Picknickausflügen an die Jagst erscheinen: Wasserspritzer, spielen, rennen, Grillwürste. Sommerwiesengeruch breitet sich aus. Ich lechze nach dem Geschmack von Zitronenwassereis. Auf einem Feld am Straßenrand steht ein Schild: Blumen zum Selbstpflücken. Ich halte an, atme durch, schneide zwanzig Rosen ab, stecke einen Fünfer in die Blechdose, freue mich über den günstigen Preis. Durchsichtiges Pflanzenblut klebt an meinen Fingern. Das Auto füllt sich mit Rosenduft, verdrängt den Zigarettenmief. Auf dem Weg am Fluss entlang suche ich nach Großvaters Baumgrundstück. Er hieß wie ich: Karl. Dort standen Apfel-, Birnen- und vor allem die Kirschbäume, auf die ich geklettert bin, deren Äste ich geschüttelt habe, von deren Früchten ich aß, bis mich Bauchweh plagte, weil ich mir zu viel in den Mund gestopft hatte. Dann erreiche ich den Eulenwald, wo das Baumhaus stand, Golo verschwand, das Unglück seinen Lauf nahm. Ich zittere, lausche auf die Stimmen der Vögel, Wölfe und ächzenden Bäume, finde die Dämonendunkelheit der Vergangenheit und beschleunige, um den Wald schneller zu durchqueren, das Dorf zu erreichen, das in einer Talsenke liegt, von Bäumen umzingelt.

Ich bin nach zwanzig Jahren zurück, weil Georg zu früh starb, seine Zwillingstöchter mich darum baten. Hier war ein Laden, dort wohnte die Grundschullehrerin, hier war der Metzger, dort die Kneipe, aus der ich meinen Vater abholen musste, wenn er zu lange wegblieb, zu viel soff. Nichts hat sich verändert, nur Fassaden blättern ab, die Farben verbleichen.

Tanja und Josefine umarmen mich, lächeln und schützen sich mit Maskentrauergesichtern. Ich bin froh, bei ihnen zu sein. Im Wohnzimmer beugen sie sich über den Tisch, schweigen, reißen die rosa, weißen, roten Blütenblätter ab. Sie fallen in den Behälter. Seidenweich streicheln sie dabei ihre Finger, während ich dasitze, von meiner Arbeitswoche erzähle, ihre Blumengesichter betrachte, als käme ich zufällig vorbei. Ihre Mutter kommt im letzten Moment die Treppe herunter, trägt ein buntes Sommerkleid.

Wir versammeln uns mit den anderen vor meinem Geburtshaus, um gemeinsam zum Friedhof zu gehen. Rahels Beine gleichen Baumstämmen, ihre Haare schmiegen sich wie Moos an den Schädel, die Kopfhaut schimmert durch. Ihr Trauerkleid liegt eng an. Sie hat einen grellroten Gürtel umgeschnallt. Ich erkenne sie an den Wasseraugen, dem Mondgesicht, dem zerknitterten Kinn. Sie nickt mir zu, gibt mir die Hand, starrt mich an, sucht den Blick, als wolle sie mich erforschen, ganz so wie damals. Ich schüttle Hände, versinke in Nebelgedanken, weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Rahel schob den Kinderwagen, in dem ich lag, half mir auf, wenn ich fiel, passte auf, dass dem Goldlockenjungen nichts passierte.

„Karl, da bist du ja endlich“, sagt sie, verschränkt die Arme erst hinter dem Rücken, nimmt dann die Hand ihres Lebensgefährten, einem drahtigen Kerl mit Kurzhaarschnitt, und weist mit ausgestreckter Hand den Weg hinauf zum Friedhof.

Obwohl ich den Buckel auf ihrem Rücken entdecke, spüre ich keine Bedrohung. Mein Bruder warnte mich vor ihr, nannte sie eine Hexe und bleibt der Beerdigung fern, vielleicht weil Rahel ihn nicht ins Haus lässt. Ich fragte nicht nach dem Grund, als ich sie anrief. Ihre Stimme vibrierte am Telefon, wir wärmten uns aneinander und vergaßen, wie lange wir nichts voneinander gehört hatten.

Wir gehen an der Kirche vorbei bergan. Dahinter liegt der Friedhof. Am Rand der Mauer befindet sich das Grab der Großeltern. Die Glocken bleiben stumm, eine Messe wird nicht gelesen. Kein Pfarrer, kein Rabbi begleitet uns. Vor einem Loch im Boden steht die Urne auf einem Podest, daneben ein Mann im Anzug, der Zeremonienmeister, der die Rede hält, die sich Rahel, die Mädchen und ihre Mutter ausgedacht haben. Seine Stimme hallt über die Gräber, Schluchzen mischt sich darunter wie Wolfsgeheul. Ich sehe Tränen auf den Gesichtern. Dort drüben gibt es einen Stein, der an Golo erinnert, obwohl man ihn nie gefunden hat. Lieder erklingen. Georg hat sie selbst ausgesucht.

Rahel steht am Grab ihres Sohnes. Wortfetzen dringen zu mir: „Unter Schmerzen geboren, unter Schmerzen verloren“, verstehe ich, und: „Du bist mit einem Lächeln gegangen.“ Sie weint nicht, blickt zum Himmel, tritt ein paar Schritte zurück. Die Mädchen stecken Abschiedsbriefe in die Urne. Blumen, Steine flattern in die Grube. Einer nach dem anderen stellt sich ans Grab. Ich zögere.

„Geh ruhig hin, Karl“, sagt Rahel. Die Rosenblätter fühlen sich zart und lebendig an. Ich flüstere ein paar Worte und versuche herauszufinden, wie tief die Urne vergraben wird, gehe zu Rahel, streiche mit dem Finger über ihr Gesicht. Wie wächsern sie sich anfühlt.

Später sitzen wir im Zimmer gleich neben dem Eingang, unter uns der Keller, in dem ich manchmal eingesperrt wurde. Kaffee steht bereit, Stückchen werden herbeigeschafft. Selbst die Wände haben sie getäfelt, dunkles Holz, die Räume viel kleiner als die meiner Erinnerung.

„Hier wurden wir gebadet“, sage ich.
„Jeden Samstag“, antwortet Rahel.
„Vater hat die Zinkbadewanne geholt und sie mit heißem Wasser gefüllt, wir Kinder haben uns darüber gestritten, wer zuerst reindarf.“
„Es gab zwei, eine fürs Schlachten, eine zum Baden.“
„Ich habe mir immer vorgestellt, in der Blutwurstbrühe zu sitzen.“
„Heutzutage macht das keiner mehr. Viel zu teuer.“
„Kostet 500 €, nur fürs Schlachten“, ergänzt Rahels Lebensgefährte aus dem Hintergrund.
„Übrigens gibt’s im Neukauf Bratwürste im Angebot“, sagt Rahel. „Müsst ihr unbedingt kaufen, die sind wirklich klasse.“
„Hat sich einiges verändert hier“, sage ich und stehe auf.
„Ist eine Menge Zeit vergangen, seit du ins Internat gegangen bist.“
„Ich musste weg, die Eltern wollten es so.“
„Vielleicht.“
„Wegen Golo.“
„Vielleicht.“
„Wie geht’s den Eltern?“
„Ich besuche sie ab und zu im Heim.“

Kein Zimmer lasse ich aus, durchwandere das Haus, kann nicht mehr sitzenbleiben. Rahel zeigt mir die Räume. Meine Augen suchen nach den Ritzen, den Gesprächen, den Gefühlen, dem Lachen, dem Weinen, nach allem, was sich dort versteckt hält. Danach verabschiede ich mich, verspreche wieder zu kommen.

Mitten im Wald steige ich aus, knalle die Autotür zu. Ich gehe los, tränennass, muss nur dem Eulenruf folgen, nach der Weltenesche, nach Yggdrasil suchen und den Wölfen vertrauen.

Wörter: Riegel, Wald, Moos, Gürtel, Messe

 

Lieber Isegrims,

mir geht es ähnlich wie RinaWu.

Tigerte auch schon tagelang an deiner Geschichte vorbei und wusste nicht, ob ich dir noch was Sinnvolles sagen könnte, was eben nicht nur Geschmacksache ist.

Ich versuche es mal.
(Meinen Kommentar habe ich schon vor Tagen angefangen. Kann sein, dass du eine Formulierungen schon geändert hast.)

Ich nähere mich dem Kindheitsglück auf der Landstraße. Der Riegel schiebt sich zurück, das Schloss öffnet sich, die Erinnerungen erwachen, explodieren wie Blitze in mir, richten die Härchen auf, spannen die Sinne zum Äußersten. Ich fahre durch Wälder, Getreidefelder rauschen, säuseln Lieder, die mir bekannt vorkommen, erreiche die ersten Dörfer, deren Namen ich kenne:
Der Prot fährt wohl im Auto. Aber was für ein Riegel und Schloss sind das?

Auf dem Weg am Fluss entlang suche ich nach Großvaters Baumgrundstück. Er hieß wie ich: Karl. Dort standen Apfel, Birnen- und vor allem die Kirschbäume, auf die ich geklettert bin, deren Äste ich geschüttelt habe, von deren Früchten ich aß, bis mich Bauchweh plagte, weil ich mir zu viel in den Mund gestopft hatte. Dann erreiche ich den Eulenwald,
Demnach hat er das Baumgrundstück nicht gefunden. Richtig?

finde die Dämonendunkelheit der Vergangenheit und beschleunige, um den Wald schneller zu durchqueren, das Dorf zu erreichen, das in einer Talsenke liegt, von Bäumen umzingelt.
Dämonendunkelheit als Metapher für etwas Schlimmes, was passiert ist. Finde ich gut. :thumbsup:

während ich dasitze, von meiner Arbeitswoche erzähl
Er war 20 Jahre nicht da und erzählt von seiner Arbeitswoche?
Oder hat er sonst immer Kontakt zu den Leuten gehabt?t Telefonisch oder so ...

Sie hat einen grellroten Gürtel umgeschnallt. Ich erkenne sie an den Wasseraugen, dem Mondgesicht, dem zerknitterten Kinn.
Daran erkennt er sie? Finde ich merkwürdig.
Ich würde schreiben: "Sie hat noch immer die selben Wasseraugen, das Mondgesicht, das zerknitterte Kinn (wie früher)"

Wasseraugen
Mondgesicht
zerknittertes Kinn.
Knochenhand
Blumengesichter
Maskentrauergesichtern
Beine wie Baumstämme
Goldlockenjungen
wächsernes Gesicht
Was sind das alles für komische Leute, wenn die so aussehen? :D
Ach, ich wollte das ja gar nicht mehr erwähnen mit dem Geschmack. :sealed:

Dort drüben gibt es einen Stein, der an Golo erinnert,
Ach ja, da war ja was mit Golo. Der arme Kerl ging ganz unter zwischen den vielen anderen Personen.

Und wer war jetzt Golo genau? Vielleicht hat es irgendwo gestanden und ich habe es wegen den anderen vielen Dingen und Personen, zwischen den Wortkreationen übersehen.

Ansonsten: Eine schöne Szene. Ich finde aber, mit zu viel Personal.
"Dämonendunkelheit" fand ich echt gut.

Ein Leseeindruck, eine weitere Meinung. Vielleicht kannst du mit ja etwas anfangen.

Wünsche dir ein schönes Wochenende.

Liebe Grüße, GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

„Was liestn da, Giuseppe?“
„Schneckchens neue Story.“
„Äh, du meinst aber nicht Schneckchen aka Isegrims?“
„Doch. Genau den.“
„Jessas, diesen sentimentalen Schöngeist von dieser bescheuerten Literaturseite? Der Vogel, der was nicht einen Satz rauskriegt, wo nicht mindestens dreimal Glanz drin vorkommt? Mann!“
„Schon mal was von Creative Writing gehört, du Klugscheißer?“
„Selber Klugscheißer. Verdammt, ich mein, so arschfinster kann bei dem eine Nacht gar nicht sein, dass sie nicht trotzdem glänzt. Und so was soll kreativ sein? Echt? Biste noch zu retten?“
„Darf ich dich dran erinnern, offshore, dass du es bist, der sich seit gut sechs Jahren auf dieser 'bescheuerten' Seite herumtreibt?“
„Herumtrieb, Giuseppe. Betonung auf trieb. Präteritum.“
„Biste raus oder was?“
„So gut wie. Ist doch das reinste Kasperletheater, oder?“
„Nö, find ich nicht. Also ich hab da mittlerweile schon einiges lernen können.“
„Sag bloß. Zum Beispiel?“
„Na ja, so Sachen wie: sprachliche Konventionen aufbrechen, herkömmliche Lesegewohnheiten dekonstruieren, na ja, also Sprachbildhauerei im besten Sinn quasi.“
„Sprachdekonstruktion? Geht's noch, du armer Irrer? ... Heinrich! Einen Doppelten. Schnell!“
„Mir auch. Ich muss dir was vorlesen, offshore.“
„Wird’s wehtun?“
"Hör zu: Um allen scheinbaren beziehungsweise vermeintlichen Widerständen zum Trotz und allen wahrhaftigen und imaginierten Unbilden die Stirne bietend sich ununterbrochen breitgrinsend dem so überraschend und unvorhersehbar sich gestaltenden, um nicht zu sagen, dem sich bisweilen wahrlich wild gebärdenden Leben voller Inbrunst und gleichzeitiger Gelassenheit förmlich entgegenzustemmen, ach was sag ich, sich ihm entgegenzuwerfen wie der Lachs der Stromschnelle, der blindwütige Stier dem Torero, der Sperber dem unermesslichen Himmelsblau, alldieweil dabei schelmisch grinsend wie gesagt, bedarf es eines gerüttelt Maßes an Weisheit, Empathie, seelischer Balance und diversem anderen Zeugs, und obendrein ein bisschen deppert zu sein, kann auch nicht schaden.
„Heilige Scheiße! Das steht in Schneckchens Text?“
„Nö. Ist von mir. Aus dem Kommentar zu Schneckchens Geschichte, den was ich grad schreib.“
„Mann, du bist echt krank, Giuseppe.“

 

Lieber Friedel,

Ich bewundere dein profundes Wissen, gerasde wenn es um die Sagenwelt geht. Man müsste mehr darüber schreiben, da steckt unser historisches Unterbewusstsein drin, das, was unter der Ovberfläche schlummert, in den Wäldern lauert, mit den Eulenrufen erwacht.

"Phol ende Uodan uuorun zi holza.
Du uuart demo Balderes uolon sin uuoz birenkict.
halbwegs verstehe ich den Spruch, naj ja, eigentlich nur einzelne Wörter und müsste nach dem mittelhochdeutschen Wörterbuch suchen, nach Balder und Siegfried.

ja, so was war mein
Kindheitsglück
Mythen und Sagen zu verschlingen, um nachher mich über die Weltgeschichte herzumachen.
ich stamme aus einem Walddorf, ganz wie ich es beschrieben habe und das Kindheitsglück fan dich im Wald, die Mythen waren dort in der Natur verboregn.

(wen die Götter lieben, den ...)denn "Golo" kürzt all die Namen ab, die mit "Gott" anfangen.
vielleicht habe ich den Namen unbewusst so gewählt, ich wollte einen ungewöhnlichen Namen, kurz, mit zwei Silben, einen, der mit einem G beginnt. Einer der Söhne von Thomas Mann fiel mir ein: Golo.

wenn Krimhild rechtsrheinisch einen Rosengarten unterhält, womöglich unweit der Jagst, wo Siegfried und Dietrich aufeinanderprallen, und der fränkoburgundische jüngere Held dem älteren und listenreicheren unterliegt.
vielleicht liegt der Rosengarten ja in der Burg des Götz von Berlichingen, die liegt an der Jagst

Sie hat einen grellroten Gürtel umgeschnallt
Brunichildis* trägt einen Gürtel, der ihr Kraft verleiht und plötzlich schließt sich der Kreis - denn Brunni gebirt dem Gundahar zu Worms einen Siegfried und Krimhild, die auch schon mal deutlicher Grimmhilde geschrieben wird, gebiert zu Xanten einen Gunther und der ist. Als sein fränkischer Onkel ermordet wird, ist dieser Siegfried Guntherssohn 13 Jahre alt, der Kreis wird geschlossen und beginnt von vorne.
in meiner Geschichte soll der Gürtel ein Blutzeichen sein, ein Kontrast zu der Trauer, mag sein, dass er Rahel auch eine besondere Kraft verleiht (außerdem war Gürtel eines der geforderten Wörter)

wenn Krimhild rechtsrheinisch einen Rosengarten unterhält, womöglich unweit der Jagst, wo Siegfried und Dietrich aufeinanderprallen, und der fränkoburgundische jüngere Held dem älteren und listenreicheren unterliegt.
vielleicht liegt der Rosengarten ja in der Burg des Götz von Berlichingen, die liegt an der Jagst

Unschwer zu erkennen, dass man den Siegfried im Kreislauf der Jahreszeiten
auch Baldr nennen kann ... Insofern könnte man dann Himmel und Hölle als Heimat ansehen.
in der Heimat dinden sich Himmel und Hölle gleichzeitig, ja.

Nach dem Frühstück am Folgetag nachzutragen ist folgende Meldung aus der WAZ vom Donnerstag, 5. Juli 2018, dass bis zu 90 % der Eschen (in NRW) von einem "asiatischen" Pilz befallen sind, "der die Äste der Bäume absterben und ihre Stämme morsch werden lässt." Da die Chemie (!) noch nicht so weit ist, die Bedrohung zu bekämpfen, steht das Aussterben der Art bevor.
ganz ganz schlimm. Gut, dass Yggdrasil tief tief im Wald versteckt ist.

Wie erklärt man einem Enkel, was eine Esche wäre?
von Yggdrasil erzählen?

Ich-warte-jetzt-bis-es-dunkelt- die-Gühwürmchen-die-Sterne-erscheinen-die-Eulen-die-Wölfe-rufen-und-bis-dahin-trinke-ich-Riesling-Grüße
Isegrims


Hallo felixreiner,

danke dir für deine Anmerkungen, hat mich gefreut, dass du den Weg durch den Geschichtenwald zu dem Eulendorftext gefunden hast.

denkt man da nicht an Novalis, der auf die Frage, wohin er unterwegs sei, geantwortet haben soll: nach Hause, immer nach Hause! Das ist natürlich romantische Ironie...
ich kannte das Novalis-Zitat nicht, sehr richtig, wie er das formuliert.

Der Text hält gekonnt die Balance zwischen tiefem Unbehagen (wer nähert sich schon ungestraft dem Kindheitsglück?) und leichtem Grauen.
super, diese Stimmung sollte den Text durchströmen.

Mehr davon und weniger Wölfe und Weltesche hätte dem Text nicht geschadet...
mm, was macht man zu Hause, wenn dort nicht die Wölfe hausen?

Liebe Grüße aus dem Wolfszuhause
Isegrims

P.S. Geht bald weiter, muss nur bisschen Wodka trinken…

 

Ach, Chutney, über deinen Kommentar habe ich mich sehr gefreut, mich an die Glühwurmnächte, die Zirbelrunden, die Lamas und Dromedare erinnert, die wir in Bad Schwalbach erlebt haben. Was gibt es Schöneres, als unter Freunden Sonnenstunden zu verbringen.
Danke dir sehr für deine wertvollen Hinweise. Einige deiner Anregungen habe ich übernommen-

das ist eine schöne Stimmung in deinem Text, wehmütig, nachdenklich, zärtlich fast.
so habe ich mich beim Schreiben auch gefüllt, das ist ja ein Text, den ich von innen nach außen geschrieben habe, anders als ich es gewohnt bin.

Die Sprache mag ich, da gibt es nur weniges worüber ich stolpere. Ich finde es toll, dass du im ersten Abschnitt konkrete Dörfer nennst, das verankert diese vielen romantischen Bilder.
super, dass du das erwähnst, ich war mir total unsicher, ob die Nennung konkreter Ortsnamen funktioniert, ich habe es aber als notwendige Verortung empfunden.:Pfeif:

Die Knochenhand irritiert mich, weil ich mir nach den Beinen und dem Mondgesicht eine füllige Frau vorgestellt habe. Die wäre für mich auch entbehrlich, weil du vorher schon so starke Wortschöpfungen hast. Das Wort "Moos" wunderbar untergebracht.
schade zwar, ich mag das, was man mit dem Wort Knochenhand transportieren kann, hab sie aber doch gestrichen, weil ich dir recht gebe, wäre zu viel.

Obwohl ich den Buckel auf ihrem Rücken entdecke, spüre ich keine Bedrohung. Mein Bruder warnte mich vor ihr, nannte sie eine Hexe. Andreas bleibt der Beerdigung fern. Rahel lässt ihn nicht ins Haus. Ich fragte nicht nach dem Grund, als ich sie anrief.
Die Stelle ist mir doch etwas zu nebulös. Es gibt noch einen dritten Bruder?
die Stelle habe ich überarbeitet, um Missverständnisse zu beseitigen, gibt ja nur einen Bruder.

Am Rand der Mauer befindet sich das Grab der Großeltern.
Interessant. Ich würde immer "meiner Großeltern"sagen. Später bei den Eltern hast du das auch. Da ist so eine Distanz.
mm, also süddeutsch gedacht und formuliert soll das wie ein kindlicher Reflex klingen und da würde man nicht meine Großeltern sagen.:hmm:

„Hier wurden wir gebadet“, sage ich.
„Jeden Samstag“, antwortet Rahel.
„Vater hat die Zinkbadewanne geholt und sie mit heißem Wasser gefüllt, wir Kinder haben uns darüber gestritten, wer zuerst reindarf.“
„Es gab zwei, eine fürs Schlachten, eine zum Baden.“
Das könnte evtl. noch etwas natürlicher, weniger erklärend für den Leser.
über den Dialog denke ich noch nach, im Augenblick passt er für mich, könnte man vielleicht kürzen.

Ja, mit Iggdrasil, da könnte ich drauf verzichten, der Eulenruf reicht finde ich und überhaupt alles was diesen schönen Text so ausmacht, da müßtest du nicht "noch einen draufsetzen".
ich wollte so was wie eine Spur für den Leser legen, vielleicht waren Karl und Golo auf der Suche nach der Weltenesche.

Und du hast @linktofink ja gar nichts vom dem Ei und dem Korkenzieher geschrieben. Meinst du das würde ihn verschrecken?
äh, mit Korkenziehern öffnet man Weinflaschen, na und?

Liebe Grüße und einen Glanzstart (oh, der ernst offshore meint, ich lasse es zu häufig glänzen), also: dann: eine Woche voller Freudenschimmer für dich


Liebe peregrina,

wie genau du dir die Geschichte angeschaut hast, vielen Dank dafür, sehr wertvoll, hat den Text weitergebracht.

Gleich vorneweg: Du hast in mir einen sehr kritischen Leser, der aber auch Verständnis dafür hat, dass deine Fantasie und Kreativität große Freiräume braucht, um sich entfalten zu können.
ja, ja, ich weiß genau, was du meisnt, den Moment, in dem ich mich von der Fantasie tragen lasse.

mit welcher Konsequenz, ja fast Sturheit, du deine ungewöhnlichen Substantivkreationen verteidigt und beschützt hast. Da bist du, finde ich, lange Zeit auf einem schmalen Grat balanciert. Auf der einen Seite lauerte die Gefahr, dass durch die Ungewöhnlichkeit und Üppigkeit der Begriffe ihre Aussage ins Groteske kippt.
je meh rich daran festhalte, weniger au seiner sturen Haltung heraus, mehr weil ich davon überzeugt bin, dass Stilmittel etwas bewirken können, wenn der Leser sich darauf einlässt, dazu müssen sie aber gut gemacht sein; und das lerne ich gerade, darin übe ich mich.
aber ich habe nicht eine Substantiv-Verbindung gefunden, die falsche Bilder hervorruft bzw. unfreiwillig komisch wirkt.
freut mich wirklich!

In der Folge habe ich deine Änderungsvorschläge weitgehend übernommen. Bis auf :

Die Mädchen stecken Abschiedsbriefe in die Urne. Blumen, Steine flattern in die Grube.
Ist die Urne nicht verschlossen?
Mit den flatternden Steinen kann ich nicht umgehen, sie fallen doch schwer im Gegensatz zu den Blütenblättern.
in den Urmenbehälter müsste man genauer sagen, klingt aber nicht besonders hübsch; ja, Steine fallen eher, das stimmt, flattern meint aber etwas ungeordnetes, richtungsloses und das Bild will ich erzeugen, zumal der Erzähler es eben so sieht.

Sicher war er ein Freund, genau so wie Georg ein Teil der Dreier-Bande war.
Da lässt du für meinen Geschmack zu viel unausgesprochen.
Wolltest du da Schuldgefühle des Protas ins Spiel bringen? Stellt die Flucht aus dem Heimatdorf eine Art Verdrängung dar? Nimmt Georg das Wissen, was mit Golo geschah, mit ins Grab? Oder ist der Fall ungeklärt. Ja, dann müssen wohl alle mit der Ungewissheit leben.
eine Menge Schuld ist im Spiel, das stimmt. Vielleicht steckt in dem kurzen Text auch Potential für viel mehr Text, darüber denke ich schin auch nach.

Die Weltenesche Yggdrasil ist in meinen Augen allerdings fehl am Platze, die wird die Leiden deines Protas nicht heilen können. Wäre auch ohne sie ein geheimnisvoller poetischer Satz.
"Mitten im Wald steige ich aus, knalle die Autotür zu. Ich gehe los, tränennass, muss nur dem Eulenruf folgen und den Wölfen vertrauen."
mm, von Yggdrasil will ich mich nicht trennen, weil ich diesen Bezug zum quasi Großenganzen wichtig finde. Außerdem siehe oben: könnte ein Anfang für mehr sein.

Ist doch ein bisschen ausladender geworden, mein kleiner Komm. Auch wenn du es kaum glauben wirst, ich habe die Geschichte gerne gelesen.
so kritisch empfand ich deinen Kommentar nicht.:Pfeif:

Viele Glühwürmchengrüße von Yggdrasil, Nidhögr und Ratatöskr. (dem Eichhörnchen, das Botschaften an die Weltenesche, aber auch an den Schlangendrachen entgegennimmt)

 

Liebe RinaWu,

ich mag es, wie du dich dem Text näherst, deine Vorbehalte formulierst, aber auch das, was dich anzieht, dir gefällt. Dankeschön! Für mich ist dein Leseeindruck deshalb wichtig, weil die Stimmung, die ich in der Kürze beschreiben wollte, die Geschichte ausdeutet, einen Beziehungsrahmen setzt, gerade mit den gerne mal kritisierten sprachlichen Mitteln.

Insgesamt finde ich deinen ersten Absatz total gelungen. Der Sommerwiesengeruch und die Dämonendunkelheit passen hier gut rein, fügen sich geschmeidig an die anderen Worte, das liest sich rund, hat einen schönen Tonfall. Kompliment dafür.
:Pfeif: ich bin sehr froh, dass die Verortung, Einstimmung funktioniert.

Danach kam für mich beim Lesen erst einmal eine Abwärtskurve. Maskentrauergesichter, Blumengesichter, Haare wie Moos am Schädel, Wasseraugen, Mondgesicht, zerknittertes Kinn, Knochenhand, Goldlockenjunge ... Ich will da gar nicht weiter drauf rumhacken, denn die Diskussionen hast du sicher dicke, aber ich muss leider gestehen, dass das einfach nichts für mich ist. Das ist mir auf kleinem Raum viel zu viel, wirkt auf mich gekünstelt, einfach irgendwie bemüht.
okay, die Knochenhand habe ich rausgenommen, dennoch will ich Bilder erzeugen, die prägnant und nachvollziehbar sind.

Inhaltlich habe ich nicht alles verstanden, bin mit den Personenkonstellation nicht so recht mitgekommen. Da sind ein paar Andeutungen, die Schlimmes suggerieren, was genau weiß ich nicht. Aber das ist tatsächlich in dieser Geschichte gar nicht so schlimm, da du eine Stimmung erzeugst, die mich schon erreicht hat, auch wenn ich nicht hinter jedes Detail gestiegen bin. Ich spüre, was du da transportieren wolltest.
Klar, auf einer Länge von 1000 Wörtern habe ich eine Menge Figuren untergebracht, um jede einzelne zu entwickeln braucht es mehr Platz. Zudem wollte ich schon Lücken setzen, die der Leser selbst ausfüllen kann, wollte Neugier auf die Geschichte dahinter erzeugen.

Liebe Grüße, zirbenherzlichwillkommen im Team!
Isegrims


Lieber GoMusic,

beim Kommentarantwortschreiben versuche ich Wiederholungen zu vermeiden, bei den Grüßen auch, ich nenn’s mal persönliche Kreativitätslustübung. Was ich eigentlich sagen wollte: danke dir für deine Textbeleuchtung, die Zeit und die hilfreichen Anmerkungen. :D

Ich nähere mich dem Kindheitsglück auf der Landstraße. Der Riegel schiebt sich zurück, das Schloss öffnet sich, die Erinnerungen erwachen, explodieren wie Blitze in mir, richten die Härchen auf, spannen die Sinne zum Äußersten. Ich fahre durch Wälder, Getreidefelder rauschen, säuseln Lieder, die mir bekannt vorkommen, erreiche die ersten Dörfer, deren Namen ich kenne:
Der Prot fährt wohl im Auto. Aber was für ein Riegel und Schloss sind das?
die Stelle hat bisher keinen gestört, als Bild meine ich die Riegel, Schlösser, mit denen man sich vor den Erinnerungen verschließt.

Demnach hat er das Baumgrundstück nicht gefunden. Richtig?
ja, hat er nicht gefunden, wahrscheinlich stand da ein Schild: Zeckenplage: Betreten auf eigene Gefahr :lol:

Dämonendunkelheit als Metapher für etwas Schlimmes, was passiert ist. Finde ich gut.
:Pfeif:

[ Er war 20 Jahre nicht da und erzählt von seiner Arbeitswoche?
Oder hat er sonst immer Kontakt zu den Leuten gehabt?t Telefonisch oder so .../QUOTE]Verlegenheit, den Moment nicht überlasten, finde ich sehr nachvollziehbar

Sie hat einen grellroten Gürtel umgeschnallt. Ich erkenne sie an den Wasseraugen, dem Mondgesicht, dem zerknitterten Kinn.
Daran erkennt er sie? Finde ich merkwürdig.
ja, manchaml ist es eine bestimmte Art zu lächeln, ein Augenaufschlag, irgendetwas, das eine untrügliche Erinnerung auslöst

Was sind das alles für komische Leute, wenn die so aussehen?
Ach, ich wollte das ja gar nicht mehr erwähnen mit dem Geschmack.
komm schon, du wärst auch gern ein Goldlockenjunge

Und wer war jetzt Golo genau? Vielleicht hat es irgendwo gestanden und ich habe es wegen den anderen vielen Dingen und Personen, zwischen den Wortkreationen übersehen.

Ansonsten: Eine schöne Szene. Ich finde aber, mit zu viel Personal.
"Dämonendunkelheit" fand ich echt gut.

ich weiß, in der Geschichte stecken einige Twists für mehr…

So und nun, Schweizer-Malt-Zirben-Bier-Erdbeerbowlen-Erinnerungsgrüße
Isegrims

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom