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Durch die Wüste

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27.01.2019
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Durch die Wüste

Der Himmel färbte sich im Osten langsam rot, als Frank den Rand des Tals erreichte. Hier endete der fruchtbare Boden und ging in den staubigen der Wüste über. Mit Bedauern musste Frank jedoch feststellen, dass selbst er mit seinem genauen Blick kaum noch einen Unterschied zwischen den beiden Böden feststellen konnte. Nur die abgestorbenen Bäume, die wie Leichenhände in den Himmel empor ragten, zeigten den Übergang jetzt noch an. Vor langer Zeit, in der der Fluss noch freudig durch das Tal rauschte, hatten dieser Bäume Früchte getragen und der Boden war in tiefe Schwärze gehüllt. Damals hatte Frank mit seinen Freunde hier gespielt. Jeden Morgen liefen sie über diese Schwelle hinweg in die staubtrockenen Hügel der Wüste hinein. Das Ziel war es, sich weiter hinauszutrauen als alle anderen, denn dann durfte man für den Rest des Tages die Spiele bestimmen. Nicht wenige Male hatten sich die anderen dabei die nackten Füße aufgeschlitzt. In dem Moment, wo Frank den Jungen sah, der sich verletzt hatte, war er immer wütend geworden. Warum konnten diese Idioten nicht aufpassen. Jahrelang hatten sie an dieser Stelle gespielt und nicht ein einziges Mal war es Frank gewesen, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden hatte sinken lassen. Aber immer musste er die anderen hinunter zum Fluss tragen, damit sie ihre Wunden auswaschen konnten. Damals hatte er es gehasst der stärkste zu sein, doch als die Zeit kam, wo die Ressourcen knapper wurden, merkte er die Vorteile. Alle hatten sich bekriegt, nur Frank hatte niemals um seine Stellung kämpfen müssen. Am Ende, als der Fluss sogar zu schmal geworden war, damit zwei Familien davon leben konnten, war die andere Familie sogar freiwillig gegangen.

Heute musste aber auch Frank mit seiner Familie das Tal verlassen. Der Fluss war irgendwann vollends ausgetrocknet und da hatte er schweren Herzens alle verbliebenen Vorräte zusammengepackt. Obwohl sie zwei Packesel hatten, trugen jeder seiner beiden Söhne und Frank selbst einen großen Weidenkorb auf dem Rücken. Seine Frau hatte sich aus getrockneten Blättern eine Binde gemacht, womit sie sich ihre einjährige Tochter um den Hals gehängt hatte. Während Frank die kleine Karawane beobachtete, wie sie das letzte Stückchen des Hanges hinauf zu ihm hinter sich brachten, viel ihm ein, dass er etwas Wichtiges vergessen hatte. Er ließ den Weidenkorb von seinem Rücken und machte sich daran den Abhang wieder hinunterzueilen. Als er an seiner Frau vorbeikam sagte er: „Schatz, steigt bis nach oben und wartet da auf mich, ich werde noch schnell etwas aus der Hütte holen.“ Danach setzte er seinen Weg Richtung Boden fort.

Die Sonne war schon halb aufgegangen als Frank endlich an den Rand des Tals zurückkehrte. Das blonde Haar seiner beiden Söhne glänzte in der Sonne. Sie hatten die beiden Packesel an einen toten Baum gebunden und sich selbst auf einigen Steinen in der Nähe niedergelassen. Maria, seine Frau, saß etwas abseits und stillte gerade seine kleine Tochter Sina. Schnell verbarg Frank den Lederbeutel in seiner Tasche. Dies war das Heiligtum der Familie, seit Generationen bewahrt und es war vermutlich die friedliche Eintrittskarte in ein anderes noch bewässertes Tal. Der Legende nach, hatten bereits die Uranen Franks diesen Beutel mitgebracht. Die Sage berichtet, dass die Welt immer heißer und die Lebensräume immer kleiner wurden. Das wenige Wasser sammelte sich in kleinen Flüssen. Mensch und Tier zogen sich an diese wenigen Flusstäler zurück, welche als die letzten grünen Flecken in einer Wüste aus Staub überblieben. So auch Franks Familie. Sie taten sich mit befreundeten Familien zusammen und bauten sich die ersten Hütten an diesem Fluss. Zu diesem Zeitpunkt soll ein Mann namens Paul das Geheimnis des braunen Beutels besessen haben. Wenige Tage nach der Ankunft am Fluss starb Paul jedoch an ein paar giftigen Beeren. Das Geheimnis vermachte er Franks Uranen, der laut der Legende Alex hieß. Da der Fluss noch keinen Namen hatte und Paul der erste Tote war, benannte man den Fluss nach ihm. Jetzt war der „Paulstropfen“ ausgetrocknet, aber sein Geheimnis wurde noch immer aufbewahrt.

Als Maria fertig gestillt hatte, brachen sie endlich auf. Bald lag das Tal weit hinter ihnen und die Sonne kletterte immer weiter den Himmel herauf. Mit dem Mittag heizte sich der Sand so sehr auf, dass man sich die nackten Füße verbrannt hätte. Aber Franks Sohn Hendrik hatte vorgesorgt. Einige Tage vor der Abreise hatte er für jeden ein Paar Holzschuhe angefertigt. Diese dämpften die Wärme ein bisschen, doch Franks Füße kochten dennoch. Am frühen Nachmittag entschied Frank, dass sie alle eine Pause gebrauchen könnten und sie ließen sich im Schatten eines hoch aufragenden Felsens nieder. Gierig tranken alle aus dem Kanister, den einer der Packesel getragen hatte, auch wenn das Wasser so warm war wie die flimmernde Luft. Nachdem alle getrunken hatten, verteilte Klaus, Franks anderer Sohn, einige Stücke Fladenbrot mit einem Tomatenaufstrich. Mit jedem Bissen des leckeren Brotes den Frank nahm, hoffte er inständig, dass sie möglichst bald einen anderen Fluss finden würden und er es nicht erleben müsste, wie ihre Vorräte ausgingen. Vor langer Zeit hatte er schon mal Hunger leiden müssen. Damals hatte es eine Missernte im Tal gegeben und sie hatten drei Monate lang kaum etwas zu essen. Diese Missernte hatte seinen Großvater umgebracht. Aber auch viele andere der Greise hatte es das Leben gekostet. Schlimm war es gewesen. Am liebsten wäre Frank in der letzten Phase der Hungersnot auf die Felder gegangen und hätte das unreife Gemüse von den Pflanzen gegessen. Als er diesen Plan seinem Vater erzählt hatte, durfte er nicht mehr raus, bis die Zeit zum Ernten reif war. Und dann war es endlich soweit. Eines Abends trug sein Vater einen großen Korb vom Feld zu ihrer Hütte herüber und sie schmausten die Kartoffeln und die Paprikas. Bei dem Essen hatte die Sonne durch das Küchenfenster geschienen. Sie sah damals genauso aus wie jetzt. Groß aufgedunsen. Frank starte einige Augenblicke die Abendsonne an, sie schien seine Netzhaut zu verbrennen, bis Marias Umrisse sich vor sie schoben.

„Ich gehe mich mal ein wenig umschauen“, sagte sie.

„Bleib aber nicht zu lange weg. Wir werden bald wieder aufbrechen“, antwortete Frank und schaute ihr noch ein wenig hinterher, während sie einen kleinen Hügel erklomm. Es dauerte nicht lange bis sie zurückkehrte. Aufgeregt sprang sie von dem einen Fels zum anderen, die den Hügel säumten, direkt auf den Stein zu, in dessen Schatten sich Frank und seine Kinder ausruhten. Als Frank Maria sah, stand er auf und rief seine beiden Söhne zu sich. Klaus trug Sina in der Schlinge um den Hals und Hendrik trug noch einen Wasserkanister, mit dem er die Esel getränkt hatte.

„Da eure Mutter gerade zurückkommt, können wir aufbrechen. Klaus du holst die Esel, Hendrik du packst schon mal das Gepäck für die Tiere zusammen. Danach beladet ihr die beiden. Ich werde der Weil unsere Reisekörbe wieder vollpacken. Ich möchte startklar sein, wenn eure Mutter hier ist“, sagte Frank zu seinen Söhnen im Befehlston. So war es üblich bei ihm in der Familie. In seiner Kindheit hatte es dafür gesorgt, dass er zu einem starken Mann geworden war, weil sein Vater so mit ihm geredet hatte und heute sorgte es dafür, dass seine Söhne zu Männern wurden. Er würde nie den Moment vergessen, wo sie einmal in der Wüste von einem Mann erwischt wurden. Es stellte sich heraus, es war der Vater eines seiner Freunde. Als dieser sie anschrie, hatten alle angefangen zu weinen bis auf Frank. Frank hatte da gestanden und nicht verstanden, warum dieser Mann so wütend war. Sein eigener Vater hatte Frank auch einmal in der Wüste spielen sehen und ihm am Abend gesagt, dass er beim nächsten Mal weiter raus laufen sollte, denn wo bliebe denn der Spaß, wenn man das grün der Bäume noch sehen könnte. Deshalb war für ihn klar gewesen, seine Kinder werden genauso erzogen, wie sein Vater ihn erzogen hatte. Und man sah den Erfolg. Hendrik und Klaus waren seines Wissen nach die letzten noch lebenden Kinder des Paulstropfens. Stellte sich nur die Frage wie lange noch. Mit dieser Frage stieg Trauer in ihm hoch. Nie war jemals jemand, der in die Wüste aufbrach, wieder zurückgekehrt und seit der Ankunft seiner Ahnen war nur eine Familie aus der Wüste ins Tal dazu gekommen.

Als Maria zurückkehrte, zeigte sich mal wieder, dass Frank zwar gut Befehle geben, aber den nötigen Zeitaufwand nur sehr schlecht einschätzen konnte. Weder die Esel noch die Weidenkörbe waren bepackt. Doch das war auch nicht nötig.

„Schatz, ihr müsst mitkommen, du wirst nie glauben was sich hinter dem Hügel befindet. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das nochmal erleben darf“, sprudelte es aus Maria heraus, als sie das kleine Lager erreichte.

„Was ist denn so wichtig, wir wollen doch los“, antwortete Frank.

„Ihr müsste es mit eigenen Augen sehen. Hendrik, Klaus, bindet die Esel an und kommt.“ Die beiden Jungen taten wie ihnen geheißen und kamen verwirrt zu ihren Eltern zurück. Hendrik wollte gerade fragen, was denn so wichtig sei, da rannte Maria schon den Weg zurück den sie gekommen waren. Während die drei Männer ihr folgten, formte sich in Franks Kopf eine Idee, was sich hinter dem Berg befinden könnte. Je näher die Kuppe des Hügels rückte, wurde Frank sicherer. Aber nein, das konnte doch nicht. Wie wahrscheinlich war das? Maria hatte bereits die Spitze erreicht und blickte nun auf die andere Seite hinunter. In dem Moment, wo auch Frank auf die andere Seite hinunterschauen konnte, bestätigte sich seine Vermutung. Nur Hendrik und Klaus verstanden noch nicht.

„Was ist so wichtig an einem ausgetrockneten Fluss“, fragte Hendrik.

„Sind wir jetzt den ganzen Weg hier rauf gelaufen um uns … Nein, Mama das ist doch nicht …“

„Meine alte Heimat.“ Genau das hatte Frank vermutet. Seine Frau war nämlich nicht am Paulstropfen geboren worden. Sie war im Alter von sechzehn in das Tal gekommen, da ihr Fluss, so wie der Paulstropfen jetzt, ausgetrocknet war. Frank verliebte sich in der ersten Sekunde in sie und heiratete sie so schnell wie möglich. Naja, das war zumindest die Version, die er seinen Söhnen erzählte. In Wahrheit war er nur auf das Hochzeitsritual seiner Familie aus. Da das allerdings jeder im Tal wusste, glaubte kein Mädchen daran, dass er sie wirklich liebte. Deshalb kam ihm Maria wie gelegen. Er machte sich an sie ran und ihr Vater sah darin auch eine Chance. Zu der Zeit hatten sie den Neuankömmling-Status. Da sie weder eigene Felder noch eigenes Vieh besaßen, musste Marias Vater für andere arbeiten und bekam nur sehr wenig dafür. Er glaubte, wenn er Maria an Frank verheiraten würde, bekäme er von Franks Familie ein Stück Ackerland oder ein paar Ziegen und Schafe. Und so verlobten sich die beiden und das Hochzeitsritual nahm seinen Lauf. Bei der Verlobungsfeier trug Franks Vater den braunen Beutel bei sich, der sich jetzt gut versteckt in Franks Tasche befand. Spät in der Nacht nahm er Frank mit raus auf eines der Felder. Dort holte er den Beutel hervor und öffnete ihn. In dem Beutel lagen dicke Körner. Frank nahm einen heraus und pflanzte ihn in die Erde. Von jetzt an hieß es warten. Jeden Tag ging Frank aufs Feld, goss die Pflanze, die von Tag zu Tag größer wurde. Als die Pflanze ihre Blätter ausbildete, wurde das erste Mal bemerkbar, dass diese Pflanze nicht wie die anderen war. Sein Vater erklärte ihm, diese Blätterform könne man nur bei einer derartigen Hanfpflanze erkennen. Trotzdem dauerte es noch eine gefühlte Ewigkeit für Frank bis endlich die Blüten an der Pflanze auftauchten. Sein Vater erntete und trocknete sie, während alle anderen die Hochzeit vorbereiteten. Und dann war es endlich so weit, der Abend der Hochzeit war gekommen. Als sein Vater ihm die schön verzierte Friedenspfeife übereichte, in die die getrockneten Blüten gestopft waren, wurde Frank plötzlich nervös. Dennoch zog er drei tiefe Züge in seine Lunge, bevor er sie an Maria weiterreichte. Von da an schien ihn nichts mehr aus der Ruhe bringen zu können. Nachdem alle verheirateten Gäste einige Züge genommen hatten, versammelten sie sich am Lagerfeuer und erzählten Geschichten. Zu diesem Zeitpunkt war Franks Welt nur auf den kleinen Kreis aus Menschen an dem Lagerfeuer zusammengeschrumpft. Dieser Abend würde für immer der zweit schönste in seinem Leben bleiben, der schönste war der, an dem sich Frank wirklich in seine Frau verliebte. Und diese Liebe hielt bis heute an. Er liebte alles an ihr, ihr Haar, ihren Körper, auch die kleine Träne die jetzt ihre Wange herunterlief. Mit einem Kuss ließ Frank sie verschwinden.

„Leute seht ihr das auch“, fragte Hendrik jetzt.

„Du meinst diesen kleinen grünen Streifen in der Mitte des Tals“, fragte Klaus.

Und tatsächlich, am tiefsten Punkt, dort wo früher der Fluss her geflossen war, zog sich nun ein dünner Streifen aus grünen Bäumen und Gestrüpp.

„Nein, das kann nicht sein. Der Fluss ist doch ausgetrocknet“, sagte Maria verwirrt.

„Ich glaube es gibt nur eine Möglichkeit, um das zu überprüfen“, erwiderte Frank liebevoll, „wenn wir uns beeilen sind wir vor Sonnenuntergang da.“ Und das machten sie auch. Geschwind packten sie ihre letzten Sachen zusammen und machten sie an den Abstieg ins Tal. Frank fand es jedoch ungewöhnlich, dass von den meisten Bäumen die hier vor langer Zeit mal gestanden hatten nur noch Stümpfe geblieben waren. Darüber dachte er eine ein wenig nach, bis die Dunkelheit sie einholte und die Stümpfe verbarg.

„Wie war das mit dem vor Sonnenuntergang da sein“, fragte Hendrik.

„Du bist ein Idiot, wenn du immer noch auf Papas Schätzungen vertraust“, antwortete Klaus.

„Was willst du denn jetzt, du Kameltreiber?“

„Das sind Esel keine Kamele und ich glaub…“

„Schluss jetzt, aufhören, ihr beide“, unterbrach sie Frank.

„Ich denke wir sollten eine Pause machen und auf den Morgen warten. Man kann ja kaum die Hand vor Augen sehen“, schaltete sich Maria ein. Frank stimmte zu. Sie fanden einen Baum der noch die Hälfte seines Stammes hatte, woran sie die Esel festmachten.

„Ich halte Wache. Dieser Ort ist mir nicht geheuer“, sagte Frank entschieden.

„Lass mich eine Hälfte der Wache übernehmen, du brauchst auch Schlaf“, bot Maria an.

„Nein Mama, schlaf du lieber. Du wirst noch genug mit Sina heute Nacht zu tun haben. Klaus und ich übernehmen die zweite Wache“

„Gut dann legt euch alle erstmal schlafen“, sagte Frank mit Nachdruck und alle gehorchten. Eigentlich wollte Frank die beiden nicht wecken und einfach die ganze Nacht durch Wache halten. Aber als der Mond am höchsten stand, übermannte ihn die Müdigkeit und er bat Hendrik und Klaus doch, die Wache zu übernehmen.

Der nächste Morgen war hart. Die Morgenröte verwandelte den Osten in ein einziges Glühen und mit den ersten lodernden Sonnenstrahlen kam auch die Hitze des Vortages zurück. Das Lager in dem Frank erwachte, bestand aus einer schlichten Wolldecke, die Maria aus der letzten Wolle der danach geschlachteten Schafe gemacht hatte. Da allerdings keine Farbstoffe zur Verfügung standen, hatte sie mit dem Blut der Schafe kleine Kreise in die Decke gemalt. Eigentlich sollte es die aufgehende Sonne symbolisieren, aber das Blut war beim Trocknen so dunkel geworden, dass die Farbe keine Ähnlichkeit mehr mit dem Glühen eines neuen Tages hatte. Um die Decke mit den Schwarzen Kreisen waren die Körbe hingelegt worden. Innerhalb des Korbwalls war gerade genug Platz für drei Personen. Dieser Platz wurde gerade ausgefüllt von Maria, Sina und Frank. Da Sina aber noch sehr klein war, wäre neben Frank noch genug Platz für einen seiner Söhne gewesen. Diese saßen jedoch abseits auf den Steinen, woran sie gestern in der Dunkelheit noch schnell die Esel festgemacht hatten. Abgerundet wurde die ganze Szenerie von dem Hoffnungsschimmer der sich im Tal ausbreitete. Das orangene Licht das die saftigen grünen Blätter beleuchtete erschuf ein Kunstwerk. Die Blätter verliefen ineinander und hier und da schaute eine vor Saft tropfende Frucht hervor. Frank schätzte den Abstand zu den Bäumen als nicht so groß ein, dennoch ging er auf Nummer sicher und aß noch einmal einige getrocknete Früchte. Jetzt mussten nur noch die Körbe wieder gepackt werden und dann konnte es losgehen. Doch beim Einsammeln der Körbe viel Klaus auf, dass Mäuse sich in der Nacht durch die Zeige gefressen hatten, um an das Innere zu kommen. Jeder einzelne Korb war dadurch beschädigt worden und hielt keine Last mehr aus.

„Was sollen wir machen Vater“, fragte Hendrik verzweifelt.

„Wir können doch die Sachen einfach hier lassen“, schlug Maria vor.

„Dies sind unsere letzten Vorräte. Wir können sie nicht hier zurücklassen. Gebt den Biestern eine weitere Nacht und sie fressen uns auch noch den Inhalt der Körbe weg.“ Bisher waren die Vorräte zum Glück unberührt geblieben, doch das musste nicht lange so bleiben.

„Nehmt was ihr tragen könnt und beladet die Packesel so gut es geht. Dann sollte eh nicht mehr viel übrig bleiben“, entschied Frank und alle machten sich ans Werk. Hendrik zeigte großes Geschick darin, aus leeren Beuteln neue Tragevorrichtungen zu basteln. Sie waren zwar praktisch, doch es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis sie fertig waren. Letztendlich mussten sie deshalb keinen Gegenstand zurück lassen. Aus dem roten Glühen am Horizont war ein goldener Feuerball aufgestiegen, der unermüdlich Hitze auf Franks Familie hinunterstrahlte. Eine der wenigen Windböen wehte eine schwüle Front von dem grünen Streifen herüber. Feuchte Luft stieg Frank in die Nase.

„Diese Luftfeuchtigkeit. Das kann nur eins bedeuten“, sagte Frank unvermittelt.

„Aber ich bin mir sicher, dass der Fluss ausgetrocknet ist“, antwortete seine Frau.

„Vielleicht hat er einfach wieder angefangen zu fließen“, mutmaßte Hendrik.

„Quatsch, Flüsse fangen nicht einfach wieder an zu fließen, du Idiot“, erwiderte Klaus.

„Naja, in alten Geschichten, die euer Opa mir mal erzählt hat, kam es manchmal vor, dass Flüsse durch die Änderung von Wasserläufen für einige Jahre aufhörten zu fließen. Nach einiger Zeit fingen sie aber wieder an“, erzählte Maria.

„Und woher wissen wir, dass das nicht auch mit dem Paulstropfen passiert ist“, fragte Klaus.

„Das wissen wir nicht. Aber wir hatten nicht die Vorräte, um für mehrere Jahre an einem ausgetrockneten Fluss zu leben“, antwortete ihm Frank im väterlichem Ton. Daraufhin folgte Schweigen. Alle konzentrierten sich darauf, nicht über die Baumstümpfe zu stolpern, die sich in ihrem knochigen weiß kaum vom staubigen Boden abhoben. Die Zeit verging nur langsam, jeder Schritt war beschwerlich, obwohl es immer noch leicht bergab ging. Der gestrige Marsch hatte allen zugesetzt. Durch die flimmernde Luft sah es so aus, als wären die schützenden Bäume, die ihre grünen Schilde der Sonne entgegenstreckten, ganz nahe. Aber Frank wusste es besser. Als er ein Kind war, hatte er dieses Phänomen öfter mal beobachtet und war einmal sogar darauf reingefallen. Die aufgeheizte Luft holte ferne Orte ganz nah heran. Damals war er losgelaufen, zu einem Berg, der sich seiner Einschätzung nach keine hundert Meter von dem Tal entfernt befand. Frank war dieses Monstrum nie aufgefallen. Es stemmte sich gegen den Himmel und seine lanzenförmige Spitze schien sich fast in das blaue Fleisch des Himmels zu graben. Er wollte diesen Berg besteigen und dem Himmel näher kommen als irgendein anderes Kind im Tal. Geschwind lief er los, den Berg nicht aus den Augen verlierend. Während die Sonne den Himmel hinaufkletterte, sah sie aus, wie eine Wunde, die im Körper des Himmels aufklaffte. Die Sonnenstrahlen waren goldenes Blut, das aus seinen Adern spritzte. Die Wunde wanderte den Leib hinauf, bis sie das heiße Blut genau auf Frank herabschoss. Da gab er auf. Zwei Kilometer durch die Wüste zu rennen, so etwas hätte niemand sonst im Tal gemacht. Und doch war er der Lanze nicht ein Stück näher gekommen.

„Irgendwann werde ich dich besteigen“, brüllte der frustrierte Junge damals. Und es halte heute genauso laut in Franks Kopf wieder. Jetzt war er weiter von dem Berg entfernt als je zuvor. Mit Absicht war er in die andere Richtung aufgebrochen. Die Vorräte reichten nicht, um einen Berg zu besteigen und eine neue Heimat zu finden, also mussten Prioritäten gesetzt werden.

Frank machte einen großen Schritt, um über ein Loch zu steigen. Doch zu seiner Überraschung landete sein Fuß nicht mehr im heißen Staub der Wüste, sondern in einem weichen Haufen. Gleichzeitig legte sich ein Schatten auf sein Gesicht. Dies war keine Fata Morgana. Sie hatten den Wald erreicht.

Nur wenige Sonnenstrahlen kämpften sich den Weg durch das Blätterdach. Sie bildeten Muster auf dem Waldboden, die wie magische Wesen sich immer wieder verformten, wenn ein Windstoß die Blätter aufwühlte. Schlussendlich kehrten sie jedoch immer wieder in ihre Anfangsform zurück. Genauso bewegt wie der Boden, war auch die Luft. Überall schwirrten Insekten herum. Bienen, Schmetterlinge und andere kleiner Käfer, die auf Franks Arm landeten. Dieser sog die frische Luft des Waldes ein. Er schloss die Augen und erinnerte sich, an die schönen Sommer am Paulstropfen. Danach drehte er sich zu seiner Familie um. Hendrik und Klaus kümmerten sich um die Packesel. Vorsichtig mussten die Tiere erstmal an den neuen Untergrund gewöhnt werden. Maria, mit Sina auf dem Arm, hatte bereits bei einem Baum angehalten, an dem eine Kletterpflanze hochwucherte. Sie pflückte kleine rote Beeren von dem Gestrüpp und aß sie sofort. Als Frank das sah, wollte er auch welche. Er guckte sich um und fand einen weiteren Baum, an dem eine Pflanze hochwucherte. Er lief zu dem Baum und fasste die prallste der Beeren ins Auge. Frank streckte die Hand aus, wollte die Beere gerade greifen, da platzte sie und besudelte Franks halben Arm mit süßem Saft. Grund für dieses Beerenmassaker war ein Pfeil. Er besaß eine Spitze aus Feuerstein in dem ein nicht wirklich gerader Schaft steckte. Notdürftig waren am Ende einig Federn befestigt worden. Dieser Krüppelpfeil hatte jedoch die Beere genau in der Mitte getroffen und an den Baum genagelt. Wie erstarrt betrachtete Frank den Pfeil. Wer hatte ihn geschossen. Der Schock sorgte dafür, dass sich jede Bewegung seinen Körper komplett fremd anfühlte. Langsam drehte er seinen Kopf in die Richtung, aus der der Pfeil geflogen kam. Und da stand er. James, der Mann, der mit seiner Familie als vorletzter den Paulstropfen verlassen hatte. Er war deutlich stärker geworden, oder es wirkte nur so, durch den selbstgebauten Langbogen den er in der Hand hielt. Seine Augen hatten Frank fixiert und ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Ein schwarzer Vollbart umrahmte dieses Grinsen und zog sich hoch, bis dahin, wo sonst der Haaransatz gewesen wäre, nur dass James keine mehr hatte.

„Mein alter Freund Frank. Wie lang ist es her?“

„Eine Weile schon.“

„Was treibt dich in mein liebes Tal. Nachdem du uns vertrieben hast, muss es doch schön ruhig gewesen sein.“

„Der Fluss ist vollends ausgetrocknet.“

„Das kann doch nicht wirklich James sein“, sagte Maria, die zusammen mit Hendrik und Klaus herüber gekommen war.

„Doch ich bin es. Ach und, warum führt ihr die Packesel so tief in den Wald hinein, ihr könnt gleich wieder aufbrechen.“

„James unser Fluss ist ausgetrocknet. Wir können nirgendwo mehr hin. Hier ist doch genug Platz“, erklärte Maria mit ruhiger, flehender Stimme.

„Ihr habt mich und meine Familie damals einfach in die Wüste geschickt, warum sollte ich das anders machen.“

„James, guck sie dir an. Unsere Vorräte sind fast leer und wir alle sind erschöpft. Wenn wir wieder hinaus in die Wüste gehen sterben wir. Hast du gar kein Mitleid“, fragte Frank erschüttert.

„Vater, die Kinder haben uns nichts getan. Töte den Wichser, der uns fortgeschickt hat und lass die anderen hier bleiben“, sagte jemand in Franks Rücken. Er drehte sich um und sah sich drei Jungen mit Speeren gegenüber. Der jüngste von ihnen war vielleicht acht. Dem ältesten wuchs schon ein üppiger Oberlippenbart. Sie hatten alle kahl rasierte Schädel und trugen Hosen aus Schafswolle. Gesprochen hatte der mittlere, der Frank hasserfüllt anstarrte. Aber hatte James nicht damals auch eine Tochter gehabt? Und da viel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der der gesprochen hatte, war gar kein Junge. Wie kleine Hügel hoben sich ihre Brüste so fein, dass man es kaum erkennen konnte. Auch die Gesichtszüge sahen beim näheren Hinsehen eher weiblich aus.

„Eine gute Idee hast du da Schatz. Irgendwann werdet ihr alle jemanden zum Heiraten brauchen, nur Frank, du und einer deiner Söhne müssten verschwinden.“

„Vergiss es. Ich werde nicht meine Familie im Stich lassen. Lieber fordere ich dich zum Kampf.“

„Hört, hört. Du willst also kämpfen? Na gut. Wenn du gewinnst dürft ihr alle bleiben, wenn nicht, stirbst du und einer deiner Söhne. Endlich bekomme ich die Chance, dich zu vernichten.“

„Du weißt, dass ich der Stärkere bin James, aber deshalb, wird es nur umso leichter für mich.“ James erwiderte nichts. Seine Mine war aus Stein. Beide Männer schauten sich in die Augen und beugten sich leicht vor. Ein Zeichen des Respekts. Dann plötzlich brüllten sie. Beide rannten los, während alle anderen nur Zuschauen konnten. Der erste Schlag kam von Frank. Er zielte auf das Gesicht. Irgendwie schaffte es James ihn zu blocken und eh er sich versah, setzte James ihm eine Faust zwischen die Augen und eine in die Leber. Frank taumelte zurück. Doch das war ein Fehler. Den Fuß der ihn zu Boden brachte, sah er nicht einmal kommen. Schmerz breitete sich in seinem gesamten Kopf aus und auch sein Rücken brannte wie Feuer. Er war über einige Steine am Boden gerutscht und hatte sich den Rücken aufgerissen. Die Sonne stach ihm ins Auge. Irgendwie hatte sie ein Loch im Blätterdach gefunden und strahlte genau in Franks Augen. Deshalb hatte er dieses kurze Glücksgefühl, als sich James vor ihm aufbaute. Sein Kopf verdunkelte die Sonne und Frank konnte endlich wieder klar sehen. Dies half ihm jedoch nicht mehr, denn James brauchte nur einen Tritt, um Frank den Schädel zu zertrümmern und sein Schicksal zu besiegeln.

 

Hallo @textonym

kann die Aussagen von Rob F nur unterstreichen.
Weiteres:
Schau mal, du hast da vor fast jeder wörtlichen Rede eine Leerzeile zu viel.

Seine Frau hatte sich aus getrockneten Blättern eine Binde gemacht, womit sie sich ihre einjährige Tochter um den Hals gehängt hatte.
Sicher? Und hat er sich aus Baumrinde und Schnüren ein dreilagiges Toilettenpapier gemacht? :lol:

Binde = besser: Tragetuch / Babytrage

Wünsche dir noch viel Spaß hier.
Gute Grüße, GoMusic

 

Die ersten drei Sätze....

Der Himmel färbte sich im Osten langsam rot, als Frank den Rand des Tals erreichte. Hier endete der fruchtbare Boden und ging in den staubigen der Wüste über. Mit Bedauern musste Frank jedoch feststellen, dass selbst er mit seinem genauen Blick kaum noch einen Unterschied zwischen den beiden Böden feststellen konnte.

... hätte ich so formuliert:

Als Frank den Rand des Tals erreichte, da färbte sich der Himmel im Osten gerade rot. Der fruchtbare Boden wechselte über zu staubiger Wüste, doch selbst mit seinem geübten Blick konnte er kaum einen Unterschied ausmachen.

Das klingt irgendwie dringlicher, finde ich.

 

Ich muss auch sagen, dass die Geschichte für eine Kurzgeschichte sehr lang und gradlinig ist. Es gibt keine wirklichen Wendungen und man hofft auf ein überraschendes Ende. Mit dem Kampf am Ende kann ich allerdings wenig anfangen.

hatten dieser Bäume Früchte getragen
diese Bäume

viel ihm ein
fiel

Uranen
Urahnen

Uranen, der laut der Legende Alex hieß
Urahne

Mit dem Mittag
Zu Mittag

das konnte doch nicht
konnte doch nicht sein

übereichte
überreichte

Schwarzen Kreisen
schwarzen

durch die Zeige
Zweige?

zurück lassen
zurücklassen

im väterlichem Ton
väterlichen

in ihrem knochigen weiß
Weiß

Doch zu seiner Überraschung landete sein Fuß nicht mehr im heißen Staub der Wüste, sondern in einem weichen Haufen. Gleichzeitig legte sich ein Schatten auf sein Gesicht. Dies war keine Fata Morgana. Sie hatten den Wald erreicht.
Das ist nicht überzeugend. Er macht einen Schritt und hat nicht gesehen, dass vor ihm ein Wald ist?
Außerdem haben sie vom Berg aus diesen Wald nicht gesehen?

andere kleiner Käfer
kleine

Wer hatte ihn geschossen.
geschossen?

 

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