Edmund Stoiber und das Liebesleben im Aufzug
Sarah
Endlich Feierabend, heute hätte ich es wirklich keine Minute länger ausgehalten. Dabei ist erst Dienstag, im Klartext also noch drei Tage bis zum Wochenende. Vielleicht bin ich morgen auch mal wieder krank? Ich war schon lange nicht mehr und die Grippewelle soll ja eh bald nach Deutschland kommen. Habe ich sie eben als Erste. Ich werde das mal Georg vorschlagen, wenn er gleichzeitig krank wird... dann könnten wir zusammen krank sein und vielleicht sogar einen Kurzurlaub machen, das wollten wir ja sowieso schon so lange. Am besten Venedig oder Paris, irgendwo wo es wirklich romantisch ist.
Warum kommt der bescheuerte Aufzug denn nun schon wieder nicht? Wahrscheinlich ist irgendein Fettsack von der Rechnungsabteilung eingestiegen, der allein das Höchstgewicht überschreitet, das aber gar nicht selber wissen kann, weil seine Waage zuhause schon vor Monaten aus Überlastung den Geist aufgegeben hat. Na endlich, da ist er. Wenn da jetzt wirklich so ein dicker Typ drin steht, dann schreie ich.
Nein, es steht zwar jemand drin, aber dick ist er nicht. Ich glaube, der ist ein ziemlich hohes Tier, in der Chefetage auf jeden Fall. Hat der nicht bei der letzten Angestelltenversammlung so eine flammende Rede gehalten? Wofür denn noch? Naja, so flammend wird sie also doch nicht gewesen sein, wenn ich mich nicht daran erinnern kann. Grüßen tut er jedenfalls freundlich. Irgendwie fühle ich mich dadurch angestrengt. Grüßt man sich normalerweise im Aufzug? Starrt man da, wenn man eintritt nicht viel eher schweigend und mürrisch auf den Boden? So mache ich das normalerweise immer. Naja, Freundlichkeit hat ja noch keinem geschadet.
Roman
Das kann doch nicht, ich dachte, jetzt kann ich endlich ein einziges Mal in Ruhe und alleine fahren, da blinkt die Aufzuganzeige schon wieder auf. Müßten die Leute nicht alle schon im Feierabend sein? Ich dachte, der Chef zwingt immer nur mich, Überstunden zu machen. Vielleicht er selber, der hochkommen möchte um mir zu sagen, dass er grade noch was Wichtiges gefunden hat, das leider nicht bis morgen warten kann, aber das ich ja vielleicht...? Dann werde ich aber diesmal wenigstens Nein sagen. Irgendwann ist Schluß. Claudia wartet im Kino auf mich. Wir haben uns noch nicht einmal geküsst, da kann ich sie doch nicht direkt am Anfang versetzen. Außerdem habe ich ungefähr 50 SMS gebraucht um sie zu diesem Date überreden zu können. Außerdem, mein Shirt ist durchgeschwitzt, ich muss dringend ein neues anziehen, wenn ich sie nicht mit einem Geruch, der schlimmer ist als ein fitnessverrücktes Stinktier, sofort in die Flucht schlagen will. Ich mag sie eigentlich schon ziemlich gerne, aber ich muss ruhig bleiben, darf mich da nicht reinsteigern, sonst geht es sowieso von vorneherein schief.
Hey, doch nicht mein Chef, der da einsteigt, sondern nur irgendso ein Mädel, vielleicht Mitte 20, die ich hier noch nie gesehen habe. Wird wahrscheinlich irgendwo als Assisstentin arbeiten. Wieso schaut sie mich denn so überrascht an, weil ich sie grüße? Scheint ja nicht das größte Konversationsgenie zu sein, sieht aber eigentlich ganz nett aus.
Sarah
O Gott, was war das für ein Ruck? Warum bewegt sich der Aufzug nicht weiter? Der Typ neben mir wird auch unruhig, wir starren beide schweigend auf die Anzeigentafel mit den Stockwerken, die sich nicht entschließen kann, weiter als zum dritten Stockwerk runterzugehen. Das darf nicht wahr sein, wir stecken fest. Das passiert doch immer nur in schlechten C – Klasse – Filmen in Hollywood. Ich drücke wirr alle Tasten des Aufzugs, aber nichts passiert. Das bringe auch nichts, murmelt der Typ. Na super, wenn er alles so gut weiss, dann soll er doch weitermachen. Er drückt den roten Alarmknopf. Na Schlaumeier, den habe ich schon vor ner halben Stunde gedrückt, das hilft auch nichts. Was sollen wir denn jetzt machen? Ich werde verhungern. Wir werden sterben, im Aufzug.
Roman
Super, es scheint niemand mehr da zu sein, der unseren Hilferuf hören kann. Aber die Frau ist wirklich übertrieben, schaut verzweifelt um sich und guckt, als müsse sie gleich sterben. Warum muss ich, wenn überhaupt schon, mit ihr eingeschlossen sein? Heidi Klum wäre doch auch eine Alternative gewesen. Ich lache leise vor mich hin, aber das macht sie nur noch wütender und wirrer. Was es da zu lachen gäbe? Nichts, nichts. Ich setze mich auf den Boden, das Ganze hat ja eh keinen großen Zweck mehr, wir können nur noch in regelmäßigen Zeitabständen auf den Alarmknopf drücken und hoffen, dass dann mal bald jemand kommt. Wird schon. Aber das Date mit Claudia kann ich vergessen. Schreibe ich ihr eben schnell eine SMS, dass ich im Fahrstuhl feststecke, das klingt zwar, als sei ich eigentlich reif für die Anstalt, aber vielleicht versteht sie es ja.
Sarah
Na super, der Typ hat ja die Ruhe weg, sitzt da auf dem Boden und tippt SMS. Na ja, was solls, setz ich mich eben dazu. Das Stehen ist nur anstrengend und wenn wir hier noch bis zu unserem Tod eingeschlossen sein werden, dann kann es ja nicht schaden, seine Kraft ein wenig aufzusparen.
Roman
Ich fasse es nicht, jetzt hat sich Madame Panikmache doch noch hingesetzt. Naja, da wir jetzt ja eben sowieso mindestens die nächsten paar Minuten drin sein werden, sollten wir vielleicht dieses doch recht unangenehme Schweigen, das sich hier ausbreitet, irgendwie verschwinden lassen. Aha, sie heisst Sarah. Bei ihrem Verhalten hätte Chantal oder sowas Affiges eigentlich besser zu ihr gepasst.
Sarah
Naja, vielleicht ist er doch ganz nett. Roman steht ja auf genau dieselben Filme wie ich. Und dass er das Zitat aus dem „Herrn der Ringe“ erkannt hat? Gar nicht schlecht.
Roman
Sie ist doch ganz nett, ich muss alle meine ersten Vorurteile wiederrufen. Eine Frau, die den „Paten“ kennt? Gibt’s nicht oft. Aber Claudia wartet und wenn jetzt nicht bald mal jemand kommt, dann seh ich schwarz für Kino heute abend. Sie fragt, warum ich so nervös auf mein Handy starre. Ich warte auf eine AntwortSMS von Claudia. Meine Freundin? Ich grinse etwas verlegen. Jetzt hat sie mich. Ich hätte es gerne, aber noch nicht, nein, leider nicht. Sie lacht. Verständnisvoll, nicht irgendwie schäbig.
Sarah
Das finde ich ja süß, er ist gerade allen Ernstes rot geworden. Naja, rosa passt wohl eher, da ist wohl jemand total verliebt. Ob ich einen Freund habe? Ja. Ich glaube, ich werde nicht rot. Warum eigentlich nicht? Besitzerstolz müsste doch bei mir auch noch da sein und verliebt bin ich auch. Und wie. Jetzt werde ich doch rot, denn er fragt grinsend, ob ich mir nicht lieber ihn herbeiwünschen würde, statt da jemanden Wildfremden sitzen zu haben. Hmm, wahrscheinlich schon. Er aber sicher auch, oder? Er lächelt. Er wäre sich da nicht so sicher, er fände mich mittlerweile eigentlich auch ganz sympathisch. Mein Grinsen friert ein. WAS hat er da gerade gesagt?
Roman
WAS um Himmels willen habe ich da gerade gesagt? Ich kann die Frau doch hier nicht im Fahrstuhl anbaggern. Das ist doch schon fast widerlich, hallo, der Schleimer von nebenan lässt grüßen und fragt, ob sie Lust auf eine kleine Nummer hat. Wie ekelhaft. Außerdem, was ist denn mit Claudia? Die steht im Kino. Und wartet. Aber Sarah haut mir keine runter, was ich eigentlich erwartet hätte. Ich fühle mich, als stehe ich neben uns und beobachte mich wie eine andere Person. Ich beobachte Roman, den prolligen, notgeilen Macho, der es nicht einmal lassen kann, wildfremde Frauen im Aufzug anzubaggern. Und genau der beugt sich gerade zu Sarah vor, um sie zu küssen.
Sarah
Ich habe den Verstand verloren. Anders gesagt; ich küsse gerade einen Mann, den ich seit einer halben Stunde kenne und von dem ich nicht mehr weiß, als dass er Roman heisst und in derselben Firma arbeitet.
Er küsst aber ziemlich gut. Wenn Georg das auch mal so machen würde wie er.... Stop, was denke ich den gerade? Ich .... will eigentlich gar nicht mehr denken.
Roman
Irgendwie habe ich mein Hemd schneller ausgezogen, als ich es gemerkt habe. Ich bin mittlerweile wieder in meinen eigenen Körper hinein, aber auch der normale Roman küsst immer weiter und macht sich gerade an den Knöpfen von Sarahs Bluse zu schaffen. Sie hat so weiche Haut. Ich knabbere an ihrem Ohrläppchen. Ich will mehr.
Sarah
Mein Ohrläppchen hat sich wohl selten so wohl gefühlt. Und ich mich eigentlich auch. Wenn ich eh bald hier im Aufzug sterben muss, dann kann ich vorher ja trotzdem noch einmal mit einem Mann schlafen. Und Georg ist schließlich nicht hier. Er würde das sicher verstehen, er liebt mich. Diese Küsse... überall.
Roman
Oh Gott, was war das? Es ruckelt. Der Aufzug fährt wieder. Benommen schauen wir uns beide um. Das Ding bewegt sich wirklich. Ich ziehe schnell mein Hemd wieder über, und versuche an Edmund Stoiber zu denken, der dürfte meiner Erektion eigentlich gleich wieder den Garaus machen.
Sarah
Der Aufzug fährt wieder. Er hat sein Hemd schon wieder an, ich bin noch panisch dabei, meine Blusenknöpfe wieder zu schließen, da öffnet sich schon die Tür und ein dicker Mensch steht davor, neben ihm ein alter Mann im Blaumann.
Der Dicke scheint der direkt Vorgesetzte von Roman zu sein, er grunzt Roman an, dass er wieder mit hochkommen solle, er habe noch einen Auftrag für ihn, den er leider niemandem anders geben aber auch nicht selber erledigen könne. Er vertraue da aber voll auf Roman. Als er bemerkt habe, dass der Aufzug kaputt sei, habe er den Hausmeister geholt.
Roman lacht, nimmt seine Tasche und erklärt, er könne nicht, er habe noch eine wichtige Verabredung im Kino.
Roman
Als ob ichs geahnt hätte. Naja, diesmal ist Claudia echt wichtiger. Ich nehme meine Sachen, die in der Ecke des Aufzugs liegen und nicke den beiden Männern zu.
Sarah
Er nimmt mich in den Arm und flüstert mir ins Ohr, dass es ihm gefallen hat. Was denn, es ist doch eigentlich gar nichts passiert. Er winkt. Und geht.
Ich auch, so schnell wie möglich nach Hause zu Georg. Der wird mir nicht glauben, dass ich im Aufzug stecken geblieben bin. Allein übrigens.