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Ein Abend in 16x9

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08.07.2003
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Ein Abend in 16x9

Es war einer dieser Abende, dieser fantastischen Abende, die sich für die
nächsten Monate ins Gedächnis einprägen, klar und deutlich, Erinnerungen, die dann aber vergessen und in eine unbeleuchtete Ecke des Gehirns geschleudert werden, damit Platz für einen neuen schönsten Moment geschaffen werden muss.
Diese Momente voller Leben, mit einer Prise Melancholie, genau der richtigen Dosis, und vielleicht auch mit dem speziellen Gefühl, welches Bauch und Rückenmark infiziert und infiltriert, durchsetzt, eine Liebe nicht zum Leben, sondern zu weitaus Komplexerem, ja, dieser Momente bedarf es eine genaue Definition, ein wann, ein wo, ein wie, ein warum und ein wieso ich.

Um all diese kleinen Fragewörter zu füttern, wird ein Blick ins Leben des Protagonisten, der gerade um halb fünf Uhr morgens auf dem Weg Richtung Zuhause ist, reichen.
Er kommt zwar aus einem Club, der dafür bekannt ist, dass dort jede Menge Hochprozentiges den Weg über die Thresen und danach in die Blutlaufbahnen der Besucher findet, doch läuft er erstaunlich gerade. Was außerdem gegen den Konsum von Alkohol spricht, ist das aus der Realität entrückte Lächeln auf seinem Gesicht, ein Lächeln, wie man es vielleicht von Leuten kennt, denen gerade erst aufgegangen ist, dass sie verliebt sind und- in manchen Fällen- sogar wiedergeliebt werden.
Steckt also das dahinter?
Wir müssten ihn schon fragen!

"Mh. Lieben und wiedergeliebt werden? Ja!
Aber verliebt sein? Ich denke nicht.
Geliebt ... und lieben ... im Moment liebe ich das Leben, wisst ihr,
im Moment funktioniert alles irgendwie.
Ihr lacht jetzt über meine jugendliche Unbekümmertheit, vielleicht ja, weil ihr selber vergessen habt, wie es ist, um mittlerweile vier Uhr dreißig morgens herauszufinden, wie fantastisch es sein kann, wenn man um über die total ausgestorbene Hauptstraße laufe. Ja, ich wohne in einer Stadt, die zwar so groß ist, dass man am Tag nicht mehr als 10 Sekunden auf der Straße herumrennen kann, ohne wütend angehupt zu werden, aber es ist auch eine Stadt, in der man nachts über nämliche Hauptstraße laufen kann, die wenigen erleuchteten Fenster spiegel sich auf dem nassen Asphalt, und weit und breit ist ein Auto so weit entfernt wie der Gedanke an das Schlechte am Leben.
Und wenn man dann nach Hause kommt, die Tür seines Zimmer öffnet und sein warmes, verlockendes Bett sieht, dann will man nicht schlafen.
Nicht in alter "Mami, ich will noch nicht ins Bett"- Manier, nein, vielmehr geht es ums Prinzip.
Denn dieser Augenblick zu großartig, diese Nacht zu schön um sich einfach zurückzulehnen um alles ausklingen zu lassen.
Und das ist der Grund für mein Lächeln, die Freude an der unglaublichen Schönheit der späten Stunde und der Gesamtsituation! Nur jetzt und hier kann ich mich so fühlen und das muss ich ausnutzen!"

Nun gut, der Protagonist hat uns mittlerweile einige Fragen beantwortet, doch bleibt noch Unverständliches.
Wenn wir es mit einer Rückblende einzufangen versuchen, dieses Gefühl, alles, was ihn dazu brachte, so zu fühlen, dann müssen wir jetzt spulen.
Der Tag an sich war für ihn nichts Gutes, denn er kann seine Klassenkameraden nicht leiden, er schrieb eine Mathearbeit, bei der ihm so einiges unklar war und er musste erfahren, dass seine mehr oder weniger heimliche Prinzessin wohl doch keine Zeit für ihn hatte.
Deswegen stark angefressen kam er nach Hause, jetzt noch keine Spur von dem Philosophen der Nacht!
Das Mittagessen war nicht sehr berauschend, die kleinen Streiterei mit Mutter und Bruder zwischendurch trugen auch nicht gerade zu seiner Laune bei. Also sollten wir nun vorspulen, der Nachmittag war ziemlich öde.

Halt! Der Abend.
Unser Protagonist stopft Haferflocken in Milch in sich hinein, was von einer sehr merkwürdigen Geräuschekulisse, irgendwo zwischen Genuss und animalischen Schmatzen, begleitet wird.
Aber trotzdem ist er hektisch, springt plötzlich auf und schlüpft in eine andere Hose! Wieso das?
Wir müssen wohl doch wieder zurückspulen.

Da!
Der Protagonist sitzt am PC.
Er hämmert ohne Gnade auf seine Tastatur ein, und man fragt sich, mit wem und was er dort wohl besprichen mag.
Schauen wir lieber nach:
Protagonist: "Nabend der Herr!"
Unbekannter: "Ahoi, Protagonist!"
Protagonist: "Mh, wollen wir uns gleich mal treffen und dann zusammen los?"
Unbekannter: "Jo! Warte auf dich, sagen wir in 20 Minuten?"
Protagonist: "Ist gebongt!"
So sieht es also aus. Eine kurzfristige Verabredung für einen Clubbesuch - wo ist da die Besonderheit, mag man sich fragen, wo ist der Funke, der die Melancholie zum aufflammen brachte?
Der Protagonist sieht schon ein bisschen glücklicher aus, trotz des Zeitdrucks (er scheint es zu hassen, zu spät zu kommen).
Der Gang durch die schon fast stockfinstere Nacht zum Treffpunkt der Beiden kann man sich sparen, das Treffen mit einem anderen Unbekannten auch, denn noch immer scheint der Protagonist nicht in der Laune zu sein, die uns interessiert, er scheint eher oberflächlich amüsiert und interessiert an den beiden Unbekannten zu sein.
Als die Drei ankommen, ungefähr 100 Meter von dem Club entfernt, der seine Tore zwar noch nicht geöffnet hab, bei dem aber jetzt schon Hochbetrieb herrscht, wie es scheint, trifft der Protagonist auf zwei Menschen, einer ist ihm bekannt, zwar erst seit drei Wochen, doch er ist ihm bekannt, was schon etwas heißen soll.
Den anderen kennt er flüchtig, und im Laufe des Abends werden sie wohl ihre Bekanntschaft vertiefen, was aber keinen Belang mehr hat, der Protagonist taut zwar auf, hat aber noch irdische Gefühlsregungen..
Man geht weiter bis direkt vor den Club, um dort auch einige Bekannte und Unbekannte zu treffen, mit allen verbindet der Protagonist etwas, doch nur mit wenigen ist er bekannt, er kennt sie alle noch nicht länger und ist nur mit wenigen bekannt, was sich ja noch ändern könnte - wenn ihn das meiste an den Unbekannten nicht schon im Vornerein abschrecken würde.
Nun können wir wieder vorspulen, weiterhin passiert nicht viel, er trift Bekannte, die unbekannt wurden, trifft Unbekannte, die bekannt wurden und führt Small Talk und reißt Witze, er ist jetzt im Gesamten fröhlicher, ausgelassen, aber keineswegs so emotional, wie wir es gerne hätten - und auf unsere Ungeduld reagiert er leider auch nicht.
Als dann der Club seine Pforten öffnet, strömen die ersten langsam auf den Eingang zu. Der Protagonist wird ohne ein Wort oder einen kritischen Blick eingelassen, trotz seines Alters, nunja, er ist einer der Menschen, die Humor besitzen und auch über noch so schlechte Witze lachen können, wenn sie sich bei Türstehern einschleimen wollen.
Wir sehen, er kann verdammt oberflächlich sein!

Hinter ihm erwischt es so einige Leute, die nicht eingelassen werden, aber den Protagonisten interessiert es nicht sonderlich, sie waren ihm zwar bekannt, sind ihm aber jetzt suspekt, er könnte auch auf sie verzichten. Zynisch zwar, aber als er eintritt, erhöht sich seine gute Laune schlagartig. Es ist zwar nichts los auf der Tanzfläche, es werden keine guten Lieder gespielt, an der Bar ist auch nichts los und in den Konzertraum wird er nicht eingelassen, weshalb der Protagonist wieder durch die Tür nach draußen stürzt, aber er summt trotzdem vor sich hin wie ein paarungswilliger Kolibri, was wohl gute Laune demonstrieren soll.
Hätte er jetzt noch nur eine Zigarette, die er rauchen könnte, er würde wahrscheinlich cool und sexy aussehen in der Kälte, frohgemut und den Diskussionen lauschend, ob einer der ihm Suspekten alt genug sei oder nicht. Er hält hier das Band an.

"Hey, ich muss sagen, es hat schon etws metaphorisches, oder?
Als wäre ich reif und weise genug, ins Paradies eingelassen zu werden und sie würden von einem Erzengel mit einem flammenden Schwert davon abgehalten, die Türen einer Disco zu betreten!"

Darüber ist er jetzt wohl besonders stolz, darüber, "reif und weise" genug zu sein und darüber, dass ihm die Metapher mit dem Einlass ins Paradis eingefallen ist.
Ein sanfter Druck auf Play und es geht weiter.
Vielleicht wäre vorspulen angebracht, ja, das mag am Besten sein, es passiert nichts weiter, der übliche Small- Talk und die Band aus der Umgebung, die 'Probier's mal mit Gemütlichkeit' covern, damit sie Eintritt zu bekommen bzw. sich für lau betrinken können, oder die, die wirklich ernsthafte Musik machen will, sich aber blamiert, da 'When I Come Around' nunmal nur im Orginal gut ist und diese Version arg übertrieben ist, ganz zu schweigen von dem 'Knockin' On Heaven's Door'- Cover, welches den Tiefpunkt des Abends stellt.
Dann gibt es noch die Oi- Punk- Band, die auch nicht von mehr als vom Saufen grölt, aber was soll's - schließlich sind auch alle betrunken, Ausnahme ist nur der Protagonist, der einen klaren Kopf behält, was vielleicht ein Grund dafür ist, dass er den Abend am Ende so stark genießen kann.
Er war von der ersten Band sehr amüsiert, bei der zweiten bekam er Lachanfälle und fing an, mit wildem, übertriebenen Headbanging, allen die Lächerlichkeit der Band deutlich zu machen, aber spätestens, als dann einige Leute anfangen zu pogen, diese total hrinverbrannt wirkende Mischung aus Herumspringen und Prügeln, muss er das nicht mehr tun, die Band muss es ja nun wirklich selbst merken, denn wenn jemand zur 500ten Version von 'Knockin' On Heaven's Door' pogt, kann es nicht ernst meinen, was aber die Musiker nicht so recht verstehen, was man den Grinsen in ihren Gesichtern ablesen kann.
Als die besagte Oi- Punk- Band anfängt, tobt die Menge aufgrund des hohen Mitgrölgehalts. Bzw. aufgrund des hohen Alkoholpegels.
Ja, und sie springen umher, und es sieht tatsächlich so aus, als wären sie nicht mehr die Herren ihrer Sinne und der Protagonist ist sich dessen bewusst, er hat sich schon manches Mal gefragt, warum er bei solch oberflächlich gesehen stupiden Aktionen mitmacht, aber wenn man erstmal wie ein betrunkener Derwisch durch die Gegend springt und den ersten Ellbogen in die Rippen bekommt, dann ist man sich bewußt, dass man lebt.

Halt!
Haben wir da eine Stimmung?
Ja!
"Aber nein, es ist nicht DIE Stimmung!"
Das sagt er selbst.
Es ist eine andere. Es ist schlichtweghin der Spaß am Leben, nicht das Erkennen eines tieferen Sinnes oder gar der Schönheit, es ist der rein irrationale Spaß am Leben!
Als auch diese Band fertig ist, gilt gleiches für den Protagonisten, er fühlt sich ausgelaugt und erschöpft, aber er fühlt sich keineswegs unwohl. Er dreht noch eine Abschiedsrunde, bedauert zwar, dass er mindestens zwei Bands nicht sehen wird, von denen er weiß, dass er es lieben würde, sie jetzt spielen zu sehen, doch er geht und es ist okay für ihn.
Und vielleicht geraten wir jetzt zu dem Punkt, an dem ihn seine Melancholie, seine Liebe zum Leben, ihn das erste mal richtig streift, ja, dieser Moment scheint es zu sein, er geht, als es am schönsten ist. Der Weg nach Hause, der Punkt, an dem wir einstiegen.. Er denkt an sein Bett, er denkt an die "Disintegration", die er trotz ihrer 72-ig minütigen Länge jetzt noch hören will, er denkt daran, dass die kühle Nachtluft das Beste ist, was ein Mensch je atmen könnte, er denkt daran, dass sie nicht da war und dass der Abend trotzdem perfekt lief.
Und da beginnt seine Melancholie.
Er denkt an die Klänge von 'Lullaby', ein Song, passend für seine Situation, denn er will schlafen. Doch andererseits will er sich noch nicht hinlegen, er verbringt lieber noch eine Stunde vor seinem Computer, im Ohr die Klänge der besagten "Disintegration".
An dem Moment, an dem er fast dort einschläft, wo er sitzt, entscheidet er sich dann letztendlich doch für das Bett.
Während er die CD wieder zum Rotieren bringt, um den Klängen des "Lullaby"s noch einmal zu lauschen, bevor er wieder in eine andere Welt gerissen wird, denkt er nochmal über das nach, was aus diesem Abend einen Seltsamen machte:
Es ist nichts passiert, was ihn, unseren Vorstellungen nach, wirklich hätte glücklich machen können, doch genau das ist geschehen.
Und während er mit einem versonnenen Lächeln vor sich hinmurmelt, dass es genauso für den Rest seines Lebens sein könnte, drücken wir auf Stop, nicht wirklich sicher, ob dieses Experiment unseren Wissensdurst gestillt hat, aber sich darüber bewußt, dass wir genau wissen, worum sich dieses eine Gefühl drehte, um die verrückte Liebe zum Leben in jedem Augenblick.

 

Überarbeitete Story, die hatte ich hier schonmal reingestellt, damals aber noch in absoluter ROhfassung.

 

Hi TheCuredNinthNail,

der Titel gibt deiner Geschichte irgendwie etwas lebensfernes, so als ob Glück nur im Fernseher möglich wäre (und das bei dem Programm, da frag mal Kalkofe;)).
Die Form der Dokumetation finde ich hingegen sehr gelungen, es hat wirklich etwas davon, einem Gefühl nachzuspüren, es zu erforschen und letztlich doch nicht auf die Antwort zu kommen, dass es manchmal nur der Bindung zu sich selbst bedarf, um tiefes Glück zu verspüren.
Stilistisch ist noch einiges im Argen, ein bisschen davon habe ich rausgesucht.

Erinnerungen, die dann aber vergessen und in eine unbeleuchtete Ecke des Gehirns geschleudert werden, damit Platz für einen neuen schönsten Moment geschaffen werden muss.
eher "weil" anstatt "damit", oder?
ja, dieser Momente bedarf es eine genaue Definition, ein wann, ein wo, ein wie, ein warum und ein wieso ich.
zum einen erscheint es mir grammatisch komisch, bedürfen nicht diese Momente einer Definition, zum anderen erscheint es mir inhaltlich fragwürdig, zerstört man mit diesen Fragewörtern nicht die Momente?
dass dort jede Menge Hochprozentiges den Weg über die Thresen und danach in die Blutlaufbahnen der Besucher findet
Theke mit, Tresen ohne h
vielleicht ja, weil ihr selber vergessen habt, wie es ist
selbst
wie fantastisch es sein kann, wenn man um über die total ausgestorbene Hauptstraße laufe.
häh?
um sich einfach zurückzulehnen um alles ausklingen zu lassen.
und?
und man fragt sich, mit wem und was er dort wohl besprichen mag.
da stimmen die Bezüge nicht. "Mit wem er dort wohl was besprechen mag. Sonst wärest du im Bezug bei der Satzstellung "mit wem er wohl besprechen mag" und die geht nicht.
wo ist der Funke, der die Melancholie zum aufflammen brachte?
Aufflammen groß
der seine Tore zwar noch nicht geöffnet hab, bei dem aber jetzt schon Hochbetrieb herrscht
hat
hat aber noch irdische Gefühlsregungen..
Punkt zu viel oder Punkt und Leerzeichen zu wenig.
hrinverbrannt wirkende Mischung
*g* hrin?
denn wenn jemand zur 500ten Version von 'Knockin' On Heaven's Door' pogt, kann es nicht ernst meinen
da fehlt ein Wort
an dem ihn seine Melancholie, seine Liebe zum Leben, ihn das erste mal richtig streift,
"ihn" vor "das erste Mal" ist überflüssig

Lieben Gruß, sim

 

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