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Ein Buch mit sieben Siegeln

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12.03.2005
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Ein Buch mit sieben Siegeln

Taris wischte sorgfältig die letzten Blutflecken von seiner magischen Klinge, mit der er den Drachen erledigt hatte. Um die tiefe Wunde an seinem Bein, die immer noch nicht ganz zu bluten aufgehört hatte, hatte er provisorisch ein einstmals weißes Taschentuch geschlungen, was aber trotzdem nicht verhinderte, dass die Verletzung bei jeder Bewegung höllisch schmerzte.
Vor ihm am Höhleneingang lag der erschlagene Drache, ein massiger riesenhafter Körper, bei dessen Anblick Taris erst jetzt bewusst wurde, welch großes Glück er gehabt hatte. Wäre das Scheusal nicht offensichtlich von einer Auseinandersetzung mit anderen Abenteurern vor ihm (deren Überreste ringsum verstreut lagen) noch geschwächt gewesen, hätte er gegen das gewaltige Monster wohl keine Chance gehabt - zauberkräftiges Schwert hin oder her.

Taris riss sich vom Anblick der Bestie los und betrat die Höhle, in der er den größten Schatz der Welt vermutete, dessentwillen er ja seit Jahren durch die Welt streifte und tausende Gefahren auf sich genommen hatte.
Er eilte durch lange, gewundene Gänge, vorbei an den Reichtümern, die der Drache im Laufe der Jahrhunderte angehäuft hatte: Prächtige Rüstungen, kunstvoll gearbeitete Gefäße, Berge von Goldmünzen und Edelsteinen sowie mit magischen Formeln verzierte Waffen. Alldem schenkte Taris jedoch nicht die geringste Aufmerksamkeit, ihn trieb schließlich die Suche nach etwas vollkommen anderem, weitaus Wertvollerem voran. Schließlich, nach schier endlos erscheinedem Umherstreifens durch das gewaltige Labyrinth, stieß er auf eine hell erleuchtete Höhle, die bis auf ein kleines Podest in ihrer Mitte vollkommen leer war. Darauf lag: DAS BUCH.
Taris grinste. Er hatte es endlich gefunden. Das Buch der sieben Siegel. Der Quell ewigen Lebens, unermesslichen Reichtums, absoluter Macht, vollkommenen Glücks.

Er näherte sich dem riesenhaften, in dunklem Leder eingebundenen Folianten, der mit sieben kunstvoll verzierten metallenen Buchschließen gesichert war.
Mit vor Anspannung zitternden Fingern öffnete er das erste Siegel: Es klappte geräuschlos zur Seite. Taris sprang zurück, das Schwert im Anschlag, um sich gegen einen plötzlich auftauchenden Dämonen, oder womit auch immer das Buch gesichert war, zu verteidigen. Doch der Dämon (oder was auch immer der Held erwartet hatte) erschien nicht.
Das ist irgendwie zu leicht, überlegte Taris fast schon enttäuscht. Er dachte an seine vielen Abenteuer, die er bisher bestehen musste, um bis hierher zu gelangen: Die sieben magischen Edelsteine , die er in aller Welt hatte finden müssen, bis der Alte vom Berge ihm schließlich die Lage der Höhle verraten hatte, die gefahrvolle Reise bis hierher (inklusive der Gefangennahme durch den dunklen Fürsten Varwari und die anschließende spektakuläre Flucht aus dem Kerker). Und jetzt nicht mal ein kleiner Bannzauber am Buch der Bücher?

Misstrauisch öffnete der Held ein weiteres Siegel, das Schwert fest in der Rechten, immer bereit auf eine Falle zu reagieren. Die metallene Schließe klappte zur Seite, und nicht das Geringste geschah. Immer noch leicht ungläubig, schob Taris seine Waffe in die Scheide zurück. Während er eine Schließe nach der anderen öffnete, ohne dass er irgendeine Falle auslöste , stellte er sich vor, wie sein Leben in Zukunft verlaufen würde: Die Abenteuer wären endlich vorbei, kein jahrelanges rastloses Umherschweifen mehr, keine Kämpfe mit Ungeheuern, nie wieder wunderschöne Prinzessinnen aus dunklen Kerkern befreien.
Er hatte nun alle Siegel bis auf das siebte geöffnet. Seine Hand lag schon auf dem letzten Verschluss , da zog er sie plötzlich wieder zurück. Wollte er das wirklich? Keine Gefahren, kein Nervenkitzel, keine Herausforderungen mehr? Kein Spaß? Wenn er alles erreicht hätte, wie langweilig würde das Leben werden?
Er trat von dem Podest zurück, warf einen letzten Blick auf das Buch aller Bücher, drehte sich ruckartig um und eilte schnellen Schrittes aus der Höhle. Und je schneller er lief, desto breiter schien auch das Grinsen auf seinem Gesicht zu werden. Schließlich kam er aus der Drachenhöhle, und eilte, ohne sich noch einmal umzusehen, am massigen Drachenleib vorbei ins Tal - hunderten von neuen Abenteuern entgegen.

Als er außer Sichtweite war, öffnete der Drache, der in Wahrheit alles andere als tot war, vorsichtig ein Auge. Als er sicher war, dass der Held nirgendwo mehr zu sehen war, erhob er sich schwerfällig, streckte die Glieder und leckte sich das Schafsblut von der Brust, mit dem er seine augenscheinlich tödliche Verletzung simuliert hatte. Dann blickte er sich um und rief mit tiefer sonorer Stimme: „Kannst jetzt rauskommen, Lucius“.
Lucius, der „Alte vom Berge“, kam grinsend aus seinem Versteck, den Beutel mit Taris´ sieben Edelsteinen schwenkend.
„Du drei, ich vier – wie immer Lucius?“- „Wie immer, Drache“ erwiderte der Alte.

 

Hey Ghostwriter,

ich muss sagen, so ganz überzeugt hat mich die ganze Sache nicht. Der Held nimmt unendliche Mühen auf sich, um dieses Buch zu finden, und klappt es dann einfach wieder zu? Und der Alte vom Berge und der Drache machen gemeinsame Sache und knöpfen irgendwelchen Abenteurern das Geld ab? Warum hat der Held nichts vom Hort mitgenommen, wenn er schonmal da war?
Die ganze Geschichte wirkt auf mich, als hättest du sie schnell runtergeschrieben, damit die Idee nicht verloren geht. Vielleicht solltest du mehr Zeit in sie investieren. Könnte man gut einen Roman draus machen, aus der Idee, jedenfalls sollte sie dir mehr als anderthalb Seiten wert sein.

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo Ghostwriter,
mir hat die Idee eigentlich ganz gut gefallen - mal etwas anderes. Sprachlich finde ich die Geschichte auch flüssig und sauber geschrieben. Aber der Umschwung von Taris' Meinung könnte wirklich noch etwas plausibler gemacht werden. Immerhin ist das der zentrale Punkt deiner Geschichte.

Wollte er das wirklich? Keine Gefahren, kein Nervenkitzel, keine Herausforderungen mehr? Kein Spaß? Wenn er alles erreicht hätte, wie langweilig würde das Leben werden?
Für meinen Geschmack könntest du da noch irgendwie mehr machen. Obwohl die Länge der Geschichte dadurch nicht verzehnfacht werden muss.
Was mir noch unlogisch erschien: Lucius und der Drache stecken unter einer Decke - das ist ne witzige Idee, gefällt mir. Aber wenn der Alte von den Helden sowieso jedes Mal sieben Edelsteine erhält, warum hat er es dann eigentlich nötig, sie zu der echten Höhle zu schicken, wo der Drache sich mit ihnen herumärgert? Natürlich gibt es mögliche Antworten darauf:
- der Drache betrachtet die Helden als Gelegenheit zum Frühsport
- der Alte hat Angst, dass die Helden ihn, wenn sie sich betrogen sehen und die Höhle nicht finden, noch mal aufsuchen und ordentlich verprügeln,
- der Alte und der Drache sind ganz vernarrt in das Schauspiel, wenn die Helden sich von dem Buch mit den sieben Siegeln zur "Erkenntnis" bringen lassen ...
... aber keine davon taucht in der Geschichte auf. Eigentlich könnte der Alte sämtliche buchlustige Helden auch irgendwo in die Wüste schicken. Also wozu das Ganze? Mir ist klar, dass der Deal des Alten mit dem Drachen die Pointe deiner Geschichte ist und wie gesagt finde ich die auch wirklich gut. Vielleicht bin ich grade auch irgendwie kleinlich (könnte daran liegen, dass ich müde bin), aber ich finde, dass auch eine Pointe noch plausibel sein sollte, selbst wenn man eine Weile über sie nachdenkt. :)
Also insgesamt: schöne Idee, für mein Empfinden ganz passabel umgesetzt, aber ein bisschen mehr Tiefe und Schlüssigkeit täten der Geschichte gut.
Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Die Erzählung der sieben Ungereimtheiten ...

Aloha!

So wie Deine Erzählung dort steht kommt sie mir eher wie eine Zusammenfassung einer Idee vor, die man nicht aus den Augen verlieren möchte. Grundsätzlich ist die Rahmenhandlung sicher einige weitere Sätze wert, die Handlungsträger könnten ein wenig 'liebevolle Zuwendung' in der Ausgestaltung vertragen und dann gilt es noch die 'Kümmelspaltung' zu überstehen:

Wenn Lucius und der Drache unter einer Decke stecken, rsikiert zumindest der Drache eine ganze Menge, denn so ganz ohne Blessuren dürfte er wohl kaum davonkommen. Mal ganz abgesehen davon, dass eines schönen Tages der Held mal nicht alleine, sondern mit einer ganzen Horde oder Armee anrückt. Nicht alle Abenteurer sind bescheu ... äh selbstsicher! Und dann besteht auch noch die Gefahr, dass einer der anrückenden Schwertschwinger, wenngleich alleine, eine wirklich mächtige magische Waffe mit sich herumschleppt.

Angesichts des offenkundig bereits angehäuften Vermögens mutet der 'Arbeitsaufwand' und das Risiko für den Drachen unverhältnismäßig an. Gut, der klassische Drache ist gierig, aber hier laufen die Relationen doch sehr auseinander.

Der Held blutet noch und jede Bewegung schmerzt und nachdem er es sich anders überlegt hat, rennt er förmlich von hinnen, als sei alle Erschöpfung und Pein von ihm abgefallen.

Er geht, ohne auch nur ansatzweise mindestens einen goldenen Kelch oder was auch immer einzutüten und lässt den gesamten Schatz da wo er ist? Keine Trophäe, die er sich aus dem 'toten' Drachen herausschneiden möchte?

:confused:

Neeee ... so wie es jetzt da steht ist das ein Dreiviertel und damit nichts Halbes und nichts Ganzes! Sorry. Einen Roman muss man da sicher nicht draus machen, aber eine längere Geschichte ist das Thema dann schon wert. Wenn Du also Zeit zu viel hast ... ich würde sie gerne in der ausführlichen Form lesen.

shade & sweet water
x

 

Hallo Ghostwriter,

Deine Geschichte war rein vom Stil her flüsig geschrieben und schön zu lesen, ich bin über keinen einzigen Satz gestolpert.

Taris riss sich vom Anblick der Bestie los und betrat die Höhle, in der er den größten Schatz der Welt vermutete, dessentwillen er ja seit Jahren durch die Welt streifte und tausende Gefahren auf sich genommen hatte.
Wenn er so viele Abenteuer bestanden hat, muss das doch irgendwelche Spuren hinterlassen haben (physische und psychische). Dein Prot ist mir einfach zu flach. Wieso baust du nicht ein paar Flashbacks von seinen früheren Abenteuern ein, um ihn besser zu charakterisieren? Oder gib ihn ein paar seltsame Verhaltensweisen, die auf seine Abenteuer zurückzuführen sind (Ticks, oder was weiß ich was).
Was ich damit sagen will: Dein Charakter macht nicht den Eindruck, dass er schon viele Jahre auf der Suche nach dem Buch ist. Ein bisschen Wahnsinn, Fanatismus und Tiefe hätte dem Prot sicher nicht geschadet.
Nachteil dabei: Die Geschichte wird länger. Damit kann ich aber leben.

Das Ende fand ich ganz gelungen, obwohl es auch mir nicht ganz logisch erschien. Ein paar erklärende Sätze wären durchaus angebracht.

Menno, wenn du schon so schön schreiben kannst, dann reiz dein Talent mit einer längeren Geschichte aus!

Liebe Grüße,
131aine

 

Hallo vita, malinche, xadhoom und 131aine,

vielen lieben Dank für die viele konstruktive Kritik! Und so viele gleich auf einmal ;-)
Ihr habt völlig recht, das Ganze könnte auch etwas länger sein. Ursprünglich hatte ich die Geschichte mal kurz vor Einsendeschluss eines Schreibwettbewerbs geschrieben, der zudem auch noch von der Länge her stark limitiert wurde - daher hatte konnte ich das auch nicht länger ausschreiben.
Die inhaltlichen Patzer fallen mir jetzt auch erst auf, nachdem ihr es erwähnt habt.
Das mit der Wunde habe ich glatt übersehen (Danke Xadhoom! Scharfes Auge...)
Ich dachte zumindest, daß die Motivation des Helden klar wäre: Wenn er keine Abenteuer mehr bestehen müßte, wäre er als Held ja arbeitslos. Stimmt aber, da könnte man noch was tiefer gehen.
Das mit der Motivation des Alten und des Drachen ist mir selbst tatsächlich auch schon aufgefallen. Ich wollte einfach mal die Frage beleuchten, woher eigentlich die ganzen Drachenhorte stammen. Wenn allerdings der Held mal später im nachhinein in der Schenke darüber plaudert, ist das natürlich schon besser, wenn ihn der Alte eben nicht in die Wüste geschickt hat (quasi eine Art Marketingkonzept - so gibt es wenigstens ständig Nachschub an buch-suchenden Helden) - aber ich lasse mir das noch mal durch den Kopf gehen.
(Da fällt mir just auch ein Teil 2 dazu ein: sämtliche gelinkte Helden tauchen eines Tages stinksauer vor der Drachenhöhle auf...)

Schönen Dank für die Tipps, werde mich also nochmal hinter die Tasten klemmen

 

Hi Ghostwriter!

Deine Geschichte hat echt gut begonnen. Man fühlte sich irgendwie gleich an das Nibelungenlied und den kleinen Hobbit erinnert. Dort tauchen ja auch Drachen auf, die auf einem Schatz sitzen. (ein gebräuchlicher Topos also)
Aber die Sache mit den sieben Edelsteinen, ... ich weiß nicht. Vielleicht assoziere ich da auch etwas falsch, aber es hat mich sehr an DragonBall erinnert. Hätte der Protagonist nicht eher sieben Splitter finden können, um sie dann zusammensetzen zu müssen, die so eine Art Kompass bilden. Also da fehlte mir etwas. Wozu braucht der "Alte vom Berg" die Edelsteine? Nur als Bezahlung? Können es dann nicht irgendwelche x-beliebigen Steine sein? Na ja, das fand ich einfach nicht gut.
Und der Schluss war zuviel. Meiner Meinung nach hättest du die Phase, während er beim Buch steht und überlegt, länger ausbauen können und dafür den letzten Teil mit den Drachen und dem Alten weglassen können. Das klingt, als hättest du nach einem Gag für den Schluss gesucht und die Ausfahrt leider verpasst.

Deine Satire "Denglisch" hat mir besser gefallen.

Vale Creusa

 

Hi Ghostwriter,

auch wenn's jetzt nix Neues ist: kann mich nur den anderen anschließen. Die Idee hat ein bisschen Ausbau verdient. Ganz besonders "unlogisch" erschien mir tatsächlich, dass der "Held" nicht mal ein kleines Souvenir mitnimmt, quasi, um seine Kosten zu decken. Oder ein ohr vom Drachen. Schließlich ist man Held und möchte angeben... Insofern wären die Mühen vom Alten vom Berge und dem Drachen umsonst....
Vielleicht könntest du ja noch in die Pointe aufnehmen, dass ich dem buch sowieso nur Humbug steht (die besten Kochrezepte vom Alten vom berg, oder so, das fände ich fast noch netter).

Liebe Grüße,

Ronja

 

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