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Ein dunkelgrauer Tag

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26.11.2008
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Ein dunkelgrauer Tag

„Verdammt“ grummelte Herr Tristan Grau mürrisch unter seiner verstopften Nase als er eines Montag Morgens vom schrillen Dauerlärm seines Funkweckers aus dem Schlaff gerissen wurde und aus dem Fenster schaute, welches ihm den Anblick eines abgasgrauen Himmels darbot. Sein Kaffee schmeckte ausgesprochen scheußlich, sogar noch viel schlimmer als sonst. Den Versuch, sich die Zähne zu putzen, musste er resigniert aufgeben, nachdem er sich beim Schrubben der hinteren Backenzähne wiederholt mit einem überwältigenden Brechreiz konfrontiert sah, also zog er einen dicken Wollpullover über, wickelte sich in den wärmsten Mantel, den er im Schrank finden konnte, um dem augenscheinlich nasskalten Wetter so würdig es ging entgegentreten zu können, und machte sich auf den Weg.
Kaum in der Empfangshalle angekommen, wurde er sogleich von einem tollpatschigen Mitarbeiter beinahe über den Haufen gerannt. Herr Grau kannte ihn nicht, doch er wusste sofort, dass es sich um ein unfähiges Muttersöhnchen handelte.
„Passen sie doch auf!“ fuhr er den sich kleinlaut entschuldigenden Sachbearbeiter an und drohte ihm sogleich mit einer Abmahnung. Mit knallrotem Kopf stapfte Grau in sein Büro ohne seiner Sekretärin guten Morgen zu sagen, und schmetterte die Tür hinter sich zu. Es war ihm zu viel, den Anblick dieser erfolglos auf jung gemachten Ziege mittleren Alters auch nur aus dem Augenwinkel ertragen zu müssen, besonders an Tagen wie diesem. Wäre er gefragt worden, säße eine gut aussehende junge Frau im Vorraum seines Büros und nicht dieses Schrapnell. Aber was hatte er schon mitzureden. Immerhin war er Chef der Marketingabteilung, und seine eigenen Mitarbeiter hörten nicht auf ihn, warum also sollten seine Bosse in Personalfragen Wert auf seine Meinung legen?
Der Kaffee im Büro erreichte einen neuen Zenith der Scheußlichkeit. Graus Nacken war verspannt, seine Schläfen pochten und er verlor sich allmählich in Hoffnungslosigkeit bei dem Bemühen, seiner Situation etwas Würdevolles abzugewinnen. Eigentlich gehörte er ins Bett und nicht in diesen schlecht beleuchteten Raum, dessen bedrückende Atmosphäre ihn sogar im Schlaf verfolgte. Gequält schielte er auf sein Posteingangsfach, das unter dem enormen Stapel Papiere, von denen Herr Grau bisher nicht ein einziges zur Kenntnis genommen hatte, kaum noch sichtbar war. Bei dem Gedanken an die Umsatzplanung, die er der kaufmännischen Leitung bis zum Abend vorzulegen hatte, wurde ihm schwarz vor Augen, denn er hatte es bislang versäumt, sich auch nur ansatzweise Gedanken darüber zu machen und befand sich, so diagnostizierte er, nicht in der körperlichen Verfassung, dies jetzt zu tun.

Der Klang seines Telefons ließ ihn urplötzlich aufschrecken und weckte böse Vorahnungen in ihm. Unentschlossen würfelte er den Gedanken hin und her, den Hörer in der Halterung ruhen zu lassen, doch verwarf ihn sogleich als ihm klar wurde, dass er sich dadurch nur noch mehr Ärger einhandeln würde. Die ohrenbetäubenden Kastratengesänge der Höllenchöre fanden ihre Inkarnation in der krakeelenden Stimme des Personalchefs, die in Herrn Graus Gehörgang wütete, noch bevor er den Hörer an sein Ohr klemmen konnte. Die Jahreskalkulation habe schon seit gestern auf seinem Tisch zu liegen, Graus Mitarbeiter beschweren sich über seine ignorante und abkapselnde Art und seine permanente Abwesenheit bei den Wochengesprächen bringe allmählich das Fass zum Überlaufen. Kommentarlos ließ Herr Grau das donnernde Inferno auf seinen immer stärker schmerzenden Kopf niederstürzen, während er heimlich sein komplettes Repertoire an Verwünschungen durchrattern ließ, bis sein Verstand sich in wilden Beleidigungen verlor. Der Personalchef schien sofort bemerkt zu haben, dass Herr Grau nicht ganz bei der Sache war, denn er kündigte wutentbrannt an, ihm einen Besuch abzustatten und legte auf ohne sich zu verabschieden. Herr Grau dachte über den Personalchef nach. Peter Duster. Eine niedere Kreatur aus den Vorhöfen der Hölle, eine Ausgeburt des Bösen, die ihre Existenzberechtigung einzig und allein durch ihre menschenverachtende Tyrannei und die Demütigung unschuldiger Seelen erworben hatte. Er war ein grobschlächtiger Mann Anfang 40 und zwängte seinen fleischigen Leib grundsätzlich in viel zu knappe Nadelstreifenanzüge. Seine emotionale Verfassung pendelte stets zwischen diabolischer Schadenfreude und unbändiger Wut, die seiner glänzenden Glatze den Farbton eines gekochten Hummers verlieh. An den Seiten seines Kopfes ragten lichte Haarbüschel hervor und manchmal glaubte Herr Grau, kleine schwarze Hörner in ihnen erkennen zu können. Während Herr Grau wartete, wurde seine Laune zunehmend schlechter. Er stand auf und begann, in seinem Büro auf- und abzulaufen, weniger um seine Gedanken anzukurbeln als um vor sich selbst den Anschein zu erwecken, dies zu tun. Nach einer Weile wurde es ihm zu bunt und er stellte sich ans Fenster. Unglaublich, wie grau der Himmel war. Er glich einer riesenhaften Auspuff-anlage, die an ihren eigenen Emissionen zu ersticken drohte. Die Wolken schienen direkt über der Straße zu hängen und ein permanenter, unangenehmer Nieselregen leistete seinen traurigen Beitrag zu dem frustrierenden Anblick. Als Herr Grau dumpfe, lauter werdende Schritte vernahm, seufzte er tief und warf sich in seinen Bürosessel um den bevorstehenden Lärm möglichst gelassen entgegen zu nehmen. Da flog auch schon die Tür auf und ein kochender, glatzköpfiger Primat im engen Nadelstreifengewand stampfte hinein, wobei er Probleme hatte, den Türrahmen an Ort und Stelle zu lassen. Mit einem gewaltigen Hieb schmetterte er seine mächtige Pranke auf Herrn Graus Tisch, klappte seine gigantische Kinnlade auf und entließ einen Lärm, der wohl die gesamte Bewohnerschaft eines Friedhofs dazu gebracht hätte, ihren Gräbern zu entsteigen. Herr Grau hörte nicht einmal zu, viel zu niederschmetternd war diese Erschei-nung eines audiovisuellen Dampfhammers. Scham und Wut stauten sich in ihm, vermischten sich und ließen ihn unter dem Tisch die Fäuste ballen während er unter Anstrengung und Krämpfen damit kämpfte, einen gefassten Gesichtsausdruck zu wahren.

Nachdem Dusters Darbietung eine knappe halbe Stunde später zu Ende war und er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, war seine Wut auf Herrn Grau übergegangen als hätte er sich durch Tröpfchenübertragung damit infiziert. Er musste aufstehen, aufstehen und ein paar Schritte laufen, um seine Aggressionen in Bewegung zu transformieren. All seine Depressionen und Schwarzmalereien hatten sich mit einem Mal in einen brodelnden Vulkan der Wut verwandelt, der es kaum noch erwarten konnte, eine gewaltige Fontäne aus seinem Schlund emporschießen zu lassen und alles in seinem näheren Umkreis mit einer glühenden Schicht aus flüssigem Gestein zu bedecken. Unkoordiniert stapfte er durch sein Büro während sein Zorn unaufhaltsam weiterwuchs. Jedes Mal, als er in Richtung Fenster lief, schien sich der Himmel erneut verdunkelt zu haben. Auch in seinem Büro war es kälter geworden. Vor Wut und Kälte zitternd griff Herr Grau nach seinem Mantel und wickelte sich darin ein, als wäre es seine letzte Möglichkeit der Zuflucht vor einer grauen Welt, eine Welt, die allmählich drohte, ihn zu verschlingen. Grässliche Gedanken legten einen tiefgrauen Schleier auf seinen Verstand und verteilten sich als dichter Nebel in seinen Gedankengängen. War es etwa seine Schuld, dass die Welt keinen Spielraum für Hoffnung bot? Wie sollte er bitte motiviert arbeiten und guter Dinge sein, wenn selbst die Sonne es mied, sich der Erde zu zeigen?

Er beschloss, sich Luft zu machen. Resolut stand er auf und warf dabei seinen Mantel zu Boden. Nachdem er energischen Schrittes an seiner Sekretärin vorbeigestürmt war ohne sie eines Blickes zu würdigen, öffnete er die Tür zum Großraumbüro, in dem seine Mitarbeiter für gewöhnlich saßen und Däumchen drehten. Die Tür tat sich auf wie die riesige, zweiteilige Pforte eines mittelalterlichen Speisesaals und nachdem sie wieder zugefallen war, wurde es mucksmäuschenstill und alle Blicke ruhten von aufrichtiger Ehrfurcht erfüllt auf ihm. Zumindest hatte er es so geplant. In Wirklichkeit öffnete er die Tür, stolperte über ein Telefonkabel und rettete sich gerade noch vor einem schweren Sturz, eine Szene, über die wahrscheinlich noch das nächste halbe Jahr gelacht würde, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Doch Herr Grau ließ sich nicht beirren, geschweige denn von seinem Vorhalten abbringen, diesen Saustall ordentlich aufzuräumen. Sollten sie ihm doch alle dem Buckel herunterrutschen. Egal was er sagte, immer wurde es missachtet. Er war der Letzte, den man nach seiner Meinung fragte, unabhängig davon, was es zu entscheiden galt, selbst wenn es unter seine Kompetenzen fiel. Wahrscheinlich warteten alle nur auf seine Kündigung, doch den Gefallen wollte er ihnen unter keinen Umständen tun. Er ging zum nächstbesten Arbeitsplatz, riss den Monitor mitsamt Kabel aus dem Rechner und ließ ihn mit voller Wucht auf den Boden krachen. Jetzt ruhten alle Blicke auf ihm, wenn auch nicht unbedingt von aufrichtiger Ehrfurcht erfüllt. Herr Grau atmete tief durch und blickte in die Runde. Besorgt fragte ihn jemand: „Geht es Ihnen heute nicht gut, Herr Grau?“. Da brannten bei ihm alle Sicherungen durch. Er ging in sein Büro, holte sein 9er-Eisen aus dem Schrank, lief irrsinnig grinsend zurück zum Ort des Geschehens, hob den Golfschläger über seinen Kopf und begann zähnefletschend, einen frenetischen Akt der Zerstörung zu vollführen. Er drosch auf die Monitore ein als ginge es um sein Leben und als auf den Tischen keine funktionierenden Gerätschaften mehr zu finden war, ging er zum restlichen Inventar über. Die meisten Mitarbeiter flüchteten panisch aus dem Raum, nur ein paar hatten sich in einer Ecke verschanzt, da es für sie keine Möglichkeit gab, aus dem Büro zu ent-kommen ohne ihm in die Quere zu kommen. Herr Grau, dessen blutunterlaufene und weit aufgerissene Augen zum Aushängeschild seines verkrampften Gesichtes geworden waren, wütete weiter wie wild und schlug alles kurz und klein. Als all seine Kraftreserven ausgeschöpft waren, hielt Herr Grau inne und schnaubte schnell und tief, jeder Atemzug ließ seinen Oberkörper sich ruckartig auf- und abbäumen, während er sein Werk der Verwüstung begutachtete und ihm klar wurde, was er angerichtet hatte. Er taumelte rückwärts gegen die Wand und sank in sich zusammen, presste die Finger an seine Schläfen und verharrte. Wenig später kam die Polizei und nahm ihn mit aufs Revier.

Einige Stunden nachdem die verstörten Mitarbeiter das Büro verlassen hatten, klapperte die Putzfrau routinemäßig alle Räumlichkeiten der Büros ab und entfernte die Spuren der Zivilisation vom Boden. Während sie im Vorraum von Tristan Graus Büro den Staubsauger über den Boden schob, dachte sie an die überaus nette und attraktive junge Dame, die dort arbeitete und mit der sie ab und an ein paar Worte gewechselt hatte als diese für Herrn Grau Überstunden zu machen hatte. Hübsches Ding. Dieser Grau jedoch schien ein durchweg seltsamer und eigenwilliger Kauz zu sein. Als sie sein Büro betrat und den dicken, auf dem Boden liegenden Mantel bemerkte, schüttelte sie verwundert den Kopf und fragte sich, wie man an einem solch sonnigen Tag eine derart schwere Winterbekleidung mit sich herumschleppen konnte. Seufzend hob sie ihn auf und legte ihn beiseite, um Platz für ihren Staubsauger zu schaffen.

 

Hallo Herr Lesniak!

Herr Grau kannte ihn nicht, doch er wusste sofort, dass es sich um ein unfähiges Muttersöhnchen handelte.

Es ist langweilig, so etwas zu lesen. Da bekommt man etwas Vorgekautes hingestellt und das ruft im positivsten Fall einfach nur Gleichgültigkeit hervor.

Warum denkt er das? Erzähle mir nicht, dass etwas so ist, sondern zeige mir, wie es ist. So zieht sich das durch die komplette Geschichte, man ist nie dabei, hört nur gelangweilt zu. Was du verändern könntest: Baue Dialoge ein, formuliere Szenen aus, die für die Person wichtig sind, und handle sie nicht in lediglich einem Satz ab.

Die Geschichte muss beim Leser funktionieren, nicht nur in deinem Kopf.

Schöne Grüße,

yours

 

hallo,
das mit den übermäßig vielen adjektiven kann ich nur bedingt nachvollziehen, im einen oder anderen satz würde ich mit dem wissen das eine oder andere streichen, im groben ist das jedoch gewollt.
@ yours:
ich weiß was du meinst, kannst du vielleicht noch ein paar konkrete beispiele nennen? mir fallen beim durchlesen des textes nur einige sätze auf, bei denen das zutrifft.
achja, meinungen zum inhalt sind ebenfalls erwünscht ;)

 

Hallo,

na da gehts grundsätzlich um den Großteil des Textes. Immer wenn etwas über den Protagonisten erzählt wird, erlebt er es nicht, damit erlebt es der Leser auch nicht.

Einige Beispielsätze:

„Passen sie doch auf!“ fuhr er den sich kleinlaut entschuldigenden Sachbearbeiter an und drohte ihm sogleich mit einer Abmahnung.

Lass ihn hier doch drohen.

Der Personalchef schien sofort bemerkt zu haben, dass Herr Grau nicht ganz bei der Sache war, denn er kündigte wutentbrannt an, ihm einen Besuch abzustatten und legte auf ohne sich zu verabschieden.

Lass ihn drohen.

Mit einem gewaltigen Hieb schmetterte er seine mächtige Pranke auf Herrn Graus Tisch, klappte seine gigantische Kinnlade auf und entließ einen Lärm, der wohl die gesamte Bewohnerschaft eines Friedhofs dazu gebracht hätte, ihren Gräbern zu entsteigen. Herr Grau hörte nicht einmal zu, viel zu niederschmetternd war diese Erschei-nung eines audiovisuellen Dampfhammers. Scham und Wut stauten sich in ihm, vermischten sich und ließen ihn unter dem Tisch die Fäuste ballen während er unter Anstrengung und Krämpfen damit kämpfte, einen gefassten Gesichtsausdruck zu wahren.

Da schreit er. Aha.

Pass mal auf:


Herr Mayer kam herein und sah mich an, dann wurde sein Kopf hochrot und er begann zu schreien. Mir war das egal, nur manche Sachen würden mir später noch zu denken geben. Herr Mayer ging im Zimmer auf und ab und hin und her und schrie mich immer noch an.

Oder:

"Sind sie denn total wahnsinnig!", brüllte Herr Mayer, sein Kopf war eine Tomate. "Sie können doch nicht einfach während der Pausen Kaffee kochen." Er blickte mich an, ich blieb ruhig und sagte nichts. "Das wird ein Nachspiel haben!" Er tigerte im Büro auf und ab, nur manchmal traf mich einer seiner Blicke.

Einfach nur mal so als Beispiel um die zwei Erzählweisen darzustellen und den Unterschied deutlich zu machen.

Schöne Grüße,

yours

 

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