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Ein einfacher Plan
Die folgende Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Auf Wunsch der Überlebenden wurden die Namen geändert.
Paul Seehofer war ein Hobby-Historiker. Beruflich war er im Recycling-Gewerbe tätig, genauer gesagt arbeitete er bei der Müllabfuhr. Sein Arbeitgeber war die Walter Jensen Recycling GmbH, ein regionales Recycling-Unternehmen mit zwölf Angestellten.
Paul war einer dieser Männer, die sich hinten am Müllwagen festhielten und bei jedem Stop die Abfallsäcke in die Müllpresse warfen. Er war es Leid, sich Tag für Tag nur mit dem stinkenden Abfall anderer Leute zu beschäftigen. Was niemand wusste: Bald schon würde sich ihm eine einmalige Gelegenheit eröffnen...
Eines kalten Wintermorgens war er wieder mal auf Tour, zusammen mit Manfred und Heini. Manfred lenkte das Fahrzeug, während Heini und Paul den Müll einsammelten. Paul kannte die Stadt inzwischen wie seinen Hodensack, da er seit Jahren immer die gleiche Strecke mitfuhr. Der Müllwagen hielt wie jeden Montag um 8:25 Uhr am Brennesselweg 24, um den Container vor dem Einfamilienhaus zu leeren, in dem die wohlhabende Familie Vogelsang lebte. Beim Leeren des Containers fiel Paul jedoch etwas Glänzendes auf, das sich von innen durch einen der Müllsäcke gebohrt hatte. Sein geschultes Historiker-Auge erkannte sofort, dass er gerade einen unglaublichen Fund gemacht hatte. Er liess sich jedoch nichts anmerken und versenkte den Sack geschickt im kniehohen Neuschnee, um ihn sich nach der Arbeit zu holen.
Nachdem am späteren Nachmittag die Müllsäcke in der Deponie abgeladen wurden, musste Paul seine beiden Arbeitskollegen kurz ablenken:
"Hey Jungs, ich war gerade in der Cafeteria, dort sitzt Pamela Anderson!"
"Was jetzt, im Ernst?", meinte Heini und grabschte bereits am Hosensack - seine Augen war so gross wie selten.
"Ach Blödsinn Heini, du glaubst auch jeden Bären, den man dir aufbindet!", erwiderte Manfred besserwisserisch. "Weisst du nicht, dass die in Amerika wohnen tut?"
Paul wusste, dass seinen beiden Kollegen nicht die hellsten Sterne waren, deshalb fuhr er fort: "Natürlich wohnt sie dort, aber sie ist für die Fotsetzung von Baywatch hierher geflogen! Der neue Teil spielt unter anderem am Rhein, direkt hinter unserer Müllbude! David Hasselhoff ist auch da!"
Nun wurde auch Manfred hellhörig. "Du meinst DER David Hasselhoff? Der, wo den Chef der Rettungsschwimmer spielen tut, mit KITT, dem sprechenden Auto?"
"Ganz Recht, den meine ich!"
"Nichts wie los!", riefen Manfred und Heini synchron, als hätten sie es einstudiert. Hastig eilten sie in Richtung Treppenhaus. Da sich die Cafeteria im obersten Stockwerk befand und seine beiden Arbeitskollegen zusammen 215 kg auf die Waage brachten, hatte Paul genügend Zeit, um mit seinem Mofa nochmals zum Brennesselweg 24 zu düsen und sich den versteckten Müllsack zu schnappen.
Alles lief wie am Schnürchen. Er konnte das glänzende Objekt in seine Tasche legen. Seine Vermutung hatte sich bestätigt: Es handelte sich um eine arabische Wunderlampe! Aber zuerst musste er nochmals in die Mülldeponie brausen, um seine Arbeitskleidung abzulegen und sich auszustempeln, ansonsten würde sein Chef Verdacht schöpfen. Vor der Garderobe wurde er jedoch von Heini und Manfred abgepasst.
"Du dachtest also wirklich, dass du uns verarschen kannst? Meinst du etwa, dass du was Besseres sein tust, nur weil du mal ein Buch gelesen hast?", fragte Manfred erbost, während er mit seinem Ellbogen den Zugang zur Garderobe versperrte.
"Deine Fresse muss einfach wieder mal poliert werden!", jetzt stieg Heini aggressiv in die Diskussion ein. "Oben in der Cafeteria sassen nur Robert und Carmen Geiss! Und dafür sind wir sechs Stockwerke hoch gelaufen!"
"Hey hey Jungs, jetzt mal ganz sachte. Ich muss euch was zeigen! Ich fuhr eben nochmals zurück, weil ich heute etwas Unglaubliches auf unserer Route gesehen habe!", sagte Paul und versuchte, die Beiden zu beruhigen. "Es handelt sich um eine Wunderlampe! Schaut mal her!"
Paul nahm die Lampe aus seiner Tasche und zeigte sie seinen Arbeitskollegen. Augenscheinlich waren die Beiden sehr angetan von der glänzenden Wunderlampe, insbesondere Heini: "Ist die echt? Ey, dann tut eine schöne Frau in diesem Ding wohnen?"
"Du Dummkopf!", schimpfte Manfred. "Wie soll in so einer kleinen Lampe eine Frau wohnen, du Hirni?"
"Nun, du hast nicht ganz Unrecht, Manfred, der Platz ist tatsächlich sehr beschränkt", bestätigte Paul. "Allerdings vergisst du bei deinem voreiligen Schluss, dass diese Lampe um die 2000 Jahre alt ist. Es ist erwiesen, dass die Menschen früher einiges kleiner waren!"
"Du... du meinst da ist echt eine Fee oder so drin, wo man was wünschen kann und so?", fragte Manfred nun ebenfalls mit leuchtenden Augen.
"Nun ja, ich sags mal so: Wir können es nicht ausschliessen. Hört zu, wir machen jetzt folgendes: Da ich euch als Arbeitskollegen sehr schätze und respektiere, möchte ich euch die einmalige Chance geben, mir je einen Wunsch zu nennen, den ich dann zuhause, sofern die Lampe tatsächlich von einem Djini bewohnt wird, weitergebe. Im Gegenzug verlange ich von euch lediglich einen kleinen Gefallen. Manfred, du würdest mir bestimmt deine 1969er Corvette überlassen, die du letzte Woche von deinem geliebten Onkel geerbt hast, oder? Immerhin könntest du dir anschliessend alle Autos dieser Welt wünschen!"
"Was? Du meinst... sogar KITT? Den Wagen von Michael Knight?"
"Natürlich!"
"OK, ist gebongt! Hier, ich habe die Schlüssel bei mir, die Corvette steht draussen!" Manfred reichte Paul die Schlüssel.
"Danke, ich wusste auf dich ist Verlass! Nun zu dir, Heini: Du schickst mir den Film, von dem du mir erzählt hast. Der, den du heimlich nach Feierabend aufgenommen hast, von der Sekretärin und dem Chef beim... du weisst schon, in seinem Büro..."
"Hihi", kicherte Heini wie ein Schulkind. "Du meinst beim Pimpern?" Bei diesem Wort begann auch Manfred zu gröhlen, und die beiden kriegten sich fast nicht mehr ein. Als sie sich nach zwei Minuten beruhigt hatten, fuhr Paul fort: "Genau, beim Pimpern" Wieder brachen die beiden in lautes Gelächter aus. Nach weiteren fünf Minuten schrie Paul: "Genug jetzt! Männer, wir stecken in einer ernsten Situation! Wir werden vielleicht bald Geschichte schreiben! Also: Heini, schickst du mir den Film?"
Heini dachte kurz nach. "Aber Paul, wie soll das gehen? Der Film ist auf meinem Handy, wenn ich dir das schicke hab ich ja keins mehr!"
"Nein du Idiot!", rief Paul. "Du kannst doch einfach... Ich meine... du hast natürlich Recht, Heini! Sehr gut bemerkt von dir! Aber denk doch mal nach: Du kannst dir dann direkt ein neues Handy wünschen, oder eine ganze Handy-Fabrik!"
"Na wenn das so ist, klare Sache! Dann wünsche ich mir das beste Handy das es gibt, und zwar mit Radar, Laser, Kompass... und SMS!", sagte Heini grinsend. "Ich bring meins gleich nach der Arbeit zur Post, hab's nämlich hier bei mir!"
"Aber Heini, überleg doch mal: Bis das Paket dann bei mir ist, ist doch längstens der Akku leer! Gib mir das Handy doch gleich so", meinte Paul.
"Na logo, du hast Recht! Geht viel schneller!", sagte Heini und händigte Paul sein brandneues iPhone aus.
"OK Leute, jetzt muss ich aber nach Hause. Morgen früh erzähl ich euch dann, ob es geklappt hat mit den Wünschen, ok?"
"Geht klar Paul! Und danke für deine Grosszügigkeit! Immerhin musst du auf ganze zwei Wünsche verzichten tun!" rief Manfred.
"Ja, so bin ich eben, haha! Macht's gut Leute!"
Paul stieg in die Corvette ein. Als er den Schlüssel ins Zündschloss steckte und den Motor startete, lachte sein Herz. Der Wagen war ein echtes Prachtexemplar. Nie wieder würde er auf sein rostiges Mofa aufsteigen müssen. Als er losfuhr, winkten Heini und Manfred ihm grinsend hinterher, als wüssten sie insgeheim, dass sie ihn nie wieder sehen würden, genau so wenig wie KITT oder das Laser-Handy.
Zuhause warf Paul die Wunderlampe in den Abfall, da er als Hobby-Historiker natürlich schon bei der ersten Sichtung erkannt hatte, dass es sich um eine billige Plastik-Nachbildung für den Fasching handelte. Die Lampe war also nur Mittel zum Zweck. Denn jetzt konnte Paul seinen Plan, den er von langer Hand geplant hatte, endlich in die Tat umsetzen.
Von einem Prepaid-Handy aus schickte er seinem Chef den Film von Heini, bevor er per SMS einen Deal aushandelte. Der Film war seinem Chef ganze 200'000 Euro wert.
Paul fühlte sich wie ein verdammter Gangsterboss, als er in der selben Nacht mit der roten Corvette im Rotlichviertel am vereinbarten Übergabeort vorfuhr. Er sah seinen Chef schon von weitem, wie er unter der Brücke stand und nervös um sich blickte. Paul hielt neben ihm und liess auf der Beifahrerseite das dunkel getönte Fenster ein Stück weit runter, nur gerade so, dass sein Chef die Tasche mit dem Geld hineinreichen konnte. Im Dunkeln erkannte ihn sein Chef natürlich nicht, trotzdem hatte sich Paul, um kein Risiko einzugehen, eine runde Brille mit Plastiknase und Schnurrbart aufgesetzt, für den Fall, dass sein Chef mit einer Taschenlampe ausgerüstet war. Ohne ein Wort zu wechseln, nahm Paul die Tasche entgegen und brauste davon. Im Rückspiegel sah er seinen vom Schneeregen durchnässten Chef, wie dieser ihm mit erhobenen Fäusten nachschrie: "Manfred, du Trottel, du bist geliefert! Ich kenne doch dein Auto, du verdammter Amateur! DU BIST ERLEDIGT!" Paul brach in seiner Corvette in schallendes Gelächter aus. Besser hätte sein Plan nicht aufgehen können. Er steckte sein neues iPhone ein und drückte Play. Aus den Boxen ertönte die Gangster-Hymne "The Next Episode" von Snoop Dogg.
Vier Wochen später.
Paul lag an einem weissen Sandstrand in Kalifornien und döste mit einem Lächeln im Gesicht und einem Glas Pina Collada in der Hand vor sich hin. Auf einmal bewegte sich ein Schatten zwischen ihn und die Sonne. Er öffnete die Augen. "Was soll das? Wer ist da?", fragte er empört. Als er die Gesichter erkannte, traf ihn fast der Schlag. Vor ihm standen keine anderen als David Hasselhoff und Pamela Anderson, beide in voller Rettungsschwimmer-Montur.
"Are you Paul?", fragte Hasselhoff ernst.
"Ich, äh... yes..? Why?"
"Oh, you fucked up, honey. You fucked up real bad!", sagte Pamela.
"Äh, ich nix verstehen! Nix speaken english!", versuchte Paul zu erklären und lachte nervös.
"Nobody disrespects the Hoff!", sagte Hasselhoff und zog Paul seine Rettungsboje über den Schädel. Paul wurde schwarz vor Augen.
Über den weiteren Verbleib von Paul kann bis heute nur spekuliert werden. In der Recycling-Szene wird gemunkelt, sein Chef hätte ihn in der Müllpresse einstampfen lassen. Andere Quellen behaupten, Paul sei von David Hasselhoff in einer seiner Villen lebendig einbetoniert worden. Angebliche Zeugen behaupten wiederum, sie hätten Paul unter falschem Namen bei der Müllabfuhr von Kalfornien arbeiten sehen...
Die ohnehin schon angeschlagene Jensen Recycling GmbH ging aufgrund der 200'000 Euro, die Walter Jensen der Firmenkasse entnehmen musste, bankrott. Jensen ist daraufhin mit seiner Sekretärin durchgebrannt.
Heini und Manfred gründeten nach der Insolvenz ihres Arbeitgebers eine eigene private Müllabfuhr namens "Knight Industries". Dummerweise setzten sie als Müllfahrzeuge zwei schwarze 1982er Pontiac Firebird ein, wobei sie sich mit dem Ladevolumen arg verkalkulierten und die Geschäftstätigkeit nur drei Tage nach der Gründung einstellen mussten.
Ende