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Ein Erlebnis kommt selten allein

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21.11.2008
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Ein Erlebnis kommt selten allein

Das Telefon klingelt. Aufgeregt trällert meine Kollegin am anderen Ende der Leitung: "Mein Tobias ist da! Vor drei Tagen! Er wiegt 3560 g und ist 53 cm groß!"
Im Namen unserer gesamten Büromanschaft übermittele ich ihr Glückwünsche. Dann lausche ich andächtig ihren ausführlichen Schilderungen der Geburt, die sehr langwierig und anstrengend war. Ich schiebe mein noch in Alufolie eingewickeltes Frühstücksbrot an den hinteren Rand meines Schreibtisches. Wir müssen ein Willkommens-Geschenk für Tobias besorgen, schweifen meine Gedanken ab, während die frischgebackene Mami entzückt die Vorzüge ihres Babies preist. Eine kurze Atempause gibt mir die Chance, auch einmal zu Wort zu kommen, und ich formuliere hastig meine Frage, womit man Mutter und Kind eine Freude machen könnte. „Eigentlich habe ich alles – vom Kinderwagen bis zum Strampelanzug, allerdings hat mein Sohn noch kein Spielzeug“.

Ich denke an meine inzwischen 17jährige Tochter, die im zarten Alter von 4 Monaten ganz verliebt in einen kleinen weißen Teddy war, der quietschte, wenn man die richtige Stelle auf seinem Bauch traf. Womit „spielen“ Neugeborene heutzutage? In der Zwischenzeit hat sich auf dem Säuglingsspielesektor sicherlich eine ganze Menge getan.

Eine ebenfalls schwangere Kollegin (meine Teamkollegen tun momentan ihr Bestes, damit die Pyramide der Generationen nicht kippt) händigt mir einen Babykatalog aus, in dem ich interessiert blättere. Holzmäuse, Quietschtiere, Rasseln – das alles gab es auch schon vor 17 Jahren. Hier, das schaut doch interessant aus. Erlebnisdecke Mondbärchen, lese ich erstaunt. Hört sich aufregend an! Auf dem Foto liegt ein Säugling auf einer bunten Decke, über ihm baumelt ein flauschiges Gestell mit sonderbaren haarigen Figuren. Das erlebnishungrige Baby kann danach greifen oder - wenn es ordentlich strampelt und mit den Armen rudert - die Decke zum Knistern, Rascheln, Scheppern, Klingeln oder Brummen bringen. Wahnsinn! Das muss es sein!

Das Baby-Versandhaus hat Filialen in vielen Städten, so auch in unserer, gleich in der Nähe unseres Büros. In der Mittagspause mache ich mich mit einer Kollegin (zur Zeit nicht trächtig) auf den Weg. Unterwegs kommen wir an einem Spielzeugladen vorbei. Hier werden nur Marken-Baby- und Kinderartikel der obersten Preisklasse verkauft. Ehrfurchtsvoll presse ich meine Nase an die Schaufensterscheibe. Vorsichtshalber hat der Ladenbetreiber die ausgestellten Sachen gar nicht erst ausgepreist. Trotzdem will ich wissen, wie Designer-Erlebnisse ausschauen. Unerschrocken treten wir ein und fragen nach einer Erlebnisdecke. Die Verkäuferin ist in ihrem Element. "Wir haben eine große Auswahl an Decken. Schauen Sie, hier zum Beispiel Motto "Blumenwiese oder wie wäre es mit "Weltmeere?" Wir sind sprachlos. Als uns die Decke "Unser All" präsentiert wird, kennt unsere Begeisterung kennt keine Grenzen. Von den vielen Ahs und Ohs angefeuert, stapelt die kundige Verkäuferin Decke um Decke auf die Ladentheke. Langsam wird mir mulmig, bald wird uns der ganze Stapel scheppernd, rasselnd und knisternd unter sich begraben. "Was kostet die Decke "Ferne Galaxien"?" frage ich schüchtern, um das Verkaufsgespräch möglichst schnell zu beenden. Die Antwort der Verkäuferin treibt mir den Schweiß aus den Poren. Bloß raus aus dem Laden!

Als meine Tochter ein Baby war, gab es solch abenteuerliche Decken noch nicht. Hat mein Kind Defizite zu verzeichnen, weil es keine frühkindlichen Deckenerlebnisse hatte? Wäre es musisch begabt und würde diverse Instrumente beherrschen, hätte es vielleicht schon erste Literaturauszeichnungen bekommen. Oder es würde es sich fließend in 10 Sprachen verständigen können oder sportliche Höchstleistungen erzielen! Im Geiste sehe ich mich als stolze Mutter neben meiner Tochter stehen, die mit Preisen überschüttet wird. Wenn schon nicht die Mutter, dann die Tochter. Da ich mein erstes Lebensjahr auf einem Topf in der Mitte eines winzigen Laufställchens verbringen musste, wie zahlreiche Kinderfotos von mir beweisen, konnte aus mir auch nichts werden. And the Oscar goes to ...

Die Stimme meiner Kollegin reisst mich aus meiner Gedankenwelt, denn wir stehen vor dem Baby-Ausstattungsgeschäft unserer Wahl. Das Warenhaus hat 7 Etagen! Beherzt gehen wir hinein. Gleich links neben dem Eingang lese ich auf einem großen Schild: Beruhigungssauger. Früher sagte man schlicht Nuckel. Heute benötige ich für's Kind Beruhigungssauger in diversen Ausführungen und noch mehr Farben. Wie sollen gestresste Eltern hier den passenden finden? Gnädige Frau, leidet ihr Kind unter Blähungen? Dann empfehle ich unseren rot-grün gestreiften Dreiecksauger. Oder schreit das Kind aufgrund einer Erlebnisüberforderung? Versuchen Sie es doch mit dem grüngepunkteten Quadratsauger...

Auf unserer Suche nach der ultimativen Erlebnisdecke passieren wir ein ganzes Bataillon von Kinderwagen und –buggies. Teilweise könnten diese Dinger einem Science fiction-Film entsprungen sein oder erinnern mich an Spirit, den amerikanischen Roboter, der durch Marskrater fuhr. Ein Werbeschild informiert mich, dass sich die fahrbaren Untersätze der Marke XY in Gestelle umbauen lassen, die es den erlebnishungrigen Eltern erlauben, weiterhin ihren Aktivitäten nachzugehen. Mit dem Baby paragliden, tauchen, kitesurfen oder bungee jumpen ist mit der richtigen Ausstattung gar kein Problem. Mit dem entsprechenden Zubehör lässt sich locker ein Achttausender mit einem Neugeborenen besteigen.

Nachdem wir auch die Babysachen hinter uns gelassen haben (och nein, wie süß..... Ist das nicht niedlich.... Guck mal...) gelangen wir endlich in die Abteilung für Erlebnisdecken. Jawohl, es gibt eine eigene Abteilung dafür. Existiert eigentlich die Berufsbezeichnung ‚Abteilungsleiter für Erlebnisdecken’ oder gar ‚stellvertretende Abteilungsleiterin für Beruhigungssauger’? Wir wühlen uns durch viele Decken in unterschiedlichen Farben mit noch unterschiedlichereren Preisen und Geräuschen, sprich Erlebnissen. Da unser Budget begrenzt ist, konzentrieren wir uns auf die preiswerten Ausgaben. Natürlich dauert es Stunden, bis wir uns für eine Decke entscheiden können. Aber so ganz sicher sind wir zum Schluss immer noch nicht. Schließlich hängt viel davon ab, auf welcher Decke das Wahrnehmungsvermögen von Baby Tobias die kommenden Monate geschult wird. Eventuell wird sich hier entscheiden, ob aus Tobias später ein gerissener Finanzhai, ein mit allen Wassern gewaschener Topmanager oder nur ein Dauerstudent wird.

Auf dem Weg zurück ins Büro hänge ich wieder meinen Gedanken nach. Warum gibt es eigentlich keine Erlebnisdecken für Erwachsene? Das Alltagsleben ist anstrengend und hektisch genug, da wäre ein kuscheliges Deckchen am Abend vor dem Kamin doch genau das Richtige zum Entspannen.

Natürlich darf hier nichts klappern, scheppern oder quietschen. Wo denken Sie hin? Mir schwebt eine Decke vor, die mittels harmonischen Klängen aus dem Alltag entführt und auf entsprechenden Knopfdruck aromatische Düfte entströmen lässt, die einen wahren Sinnestaumel entfachen. Oder wie wäre es mit der Decke für Sportbegeisterte? Ein Druck auf den Knopf, schon läuft das Trainingsprogramm Ihrer Wahl ab. Eine limitierte Deckenausgabe könnte man zum Beispiel für die Karrierefrau mit wenig Freizeit herausbringen - Programm: "In wenigen Minuten zum straffen body". Die Karrierelady kann die Decke im Büro ausbreiten und ihre Übungen während der Mittagspause absolvieren, so kann sie abends viel länger arbeiten. Fernwehgeplagte entspannen auf einer Decke mit den neuesten Reiseberichten aus aller Welt, Meeresrauschen inklusive – natürlich mit Internetzugang zum sofortigen Buchen des Urlaubs. Eine weitere Decke könnte Hobbyköchen die neuesten Kochrezepte suggerieren, mit eingebauten Küchendüften, die das Kocherlebnis umwabern.

Erlebnisdecken für Erwachsene! Das ist die Geschäftsidee. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Der Preis für eine Decke sollte ungefähr dem einer Luxuslimousine entsprechen. Vor meinen Augen erscheinen grüngepunktete und rot-grün-gestreifte Dollar- und Euro-Zeichen. Gleich heute abend werde ich bei einem schönen Glas Rotwein meinen ersten Prototypen entwerfen. Wie wäre es mit: Sex on the beach?

 

Hallo goldblond,

ich mag die Idee hinter Deiner Geschichte und ich denke, dass man daraus durchaus einen humorvolle Text rausholen kann.
Für mich scheitert es hier leider an der Umsetzung.
Nun bin ich hier nicht gerade der Profi in Sachen Humor, aber vielleicht kann ich Dir ja, über meine Leseweise ein paar Anregungen liefern.

Zum ersten erscheint mir Dein Text zu lang. Er ist gespickt mit Informationen, die das Tempo rausnehmen und dadurch verliert er an Wirkung.

Das Telefon klingelt. Ich greife zum Hörer, nenne meinen Namen. Schon erklingt die aufgeregte Stimme meiner Kollegin, die sich seit kurzem im Mutterschutz befindet: „Unser Tobias ist da. Er kam vor drei Tagen auf die Welt, wiegt 3560 g und ist 53 cm groß“.

Solche Sätze oder Satzeinschübe meine ich. Ich würde sie zusammenfügen und dann sähe es in etwa so aus:

Das Telefon klingelt. Fröhlich aufgeregt, trällert meine Kollegin am anderen Ende: „Mein Tobias ist da! Vor drei Tagen, 3560 g und 53 cm“.


Glückwünsche.(Leerzeichen)Dann höre ich

Womit „spielen“ Neugeborene heutzutage? Die Geburt meiner Tochter liegt schon 17 Jahre zurück. In der Zwischenzeit hat sich auf dem Säuglingsspielesektor sicherlich eine ganze Menge getan. Ich kann mich noch daran erinnern, dass sie mit 4 Monaten ganz verliebt in einen kleinen weißen Teddy war, der quietschte, wenn man die richtige Stelle auf seinem Bauch traf. Immer wenn sie dem Teddy Töne entlocken konnte, zeigte sie ein breites, zahnloses Babylachen.

Oder hier, auch ein schönes Beispiel für "zu viel". Du beschreibst alles ganz genau, da bleibt mir als Leser kaum Raum, mir eigene Gedanken zu machen.

Ich denke, an meine inzwischen 17jährige Tochter, die mit vier Monaten ganz verliebt in einen kleinen weißen Teddy war, der quietschte, wenn man seinem Bauch traf.
Die Bedenken, ob ein Teddy noch zeitgemäß ist, würde ich im nächsten Abschnitt einarbeiten.

Auf solche Erklärungen würde es sich sicher lohnen, den Text noch mal zu filtern.

Erlebnisdecke Mondbärchen MUSS es sein!

Ich fände "muss" kursiv eleganter als in Großbuchstaben.

Ehrfurchtsvolll presse ich

auch ein zuviel :D

Die Verkäuferin ist in ihrem Element. Hastig stapelt sie Erlebnis auf Erlebnis und preist jeweils die Vorzüge, die sich in meinen Augen allerdings wenig voneinander unterscheiden. Der Stapel vor mir auf der Ladentheke wächst und wächst, droht schon zu kippen und alle unter sich zu begraben. Schnell erkundige ich mich nach dem Preis der zuletzt aufgestapelten Decke. Die Antwort der Verkäuferin treibt mir den Schweiß aus den Poren.

Hier wäre doch schön, wenn Du die Decken benennen würdest.
Zuerst zeigt sie uns die Blumenwiese, dann folgt das Meer, das Schwimmbad, der Spielplatz, das All. Decke um Decke bis der Stapel so hoch ist, ...
(Zeigen statt behaupten.)

Diese Decke kostet so viel, wie ich vor 17 Jahren für den Kinderwagen meiner Tochter ausgegeben habe. Das darf doch nicht wahr sein! Bloß raus aus dem Laden!

Und auf so etwas verzichten. Der Schweiß in den Poren sagt dem Leser ja bereits, dass es eine unerhörte Summe ist.

Da ich mein erstes Lebensjahr auf einem Topf in der Mitte eines winzigen Laufställchens verbringen musste, wie zahlreiche Kinderfotos von mir beweisen, konnte aus mir auch nichts werden.

Das fand ich gut.

Wie erfolgreich wäre ich heute, hätte ich nicht stundenlang stumpfsinnig auf einem Töpfchen hocken müssen, statt mein frühkindliches Wahrnehmungsvermögen auf einer Erlebnisdecke zu schärfen! And the Oscar goes to.....

Und da machst Du es gleich wieder kaputt. Das ist sozusagen gedoppelt, weil meine Phantasie bereits diesen Punkt selbst erschlossen hatte.

Auf diese Weise lässt sich auch mit Baby paragliden, tauchen, kitesurfen oder bungee jumpen. Ich bin fasziniert. Auf was habe ich alles verzichtet, als meine Tochter klein war. Heute kann ich mit einem Neugeborenen sogar einen Achttausender besteigen.

Ebenfalls eine sehr schöne Idee, aber behaupte doch einfach.

Auf den beigestellten Werbetafeln sieht man ... Damit rufst Du mir als Lesr auch automatisch ein Bild in den Kopf, da ich mir ja die Werbetafel vorstellen muss, auf der ein Baby paraglidet, surft oder sich ins Gipfelbuch einträgt.

oder ein fauler Hartz IV-Empfänger wird.

Das finde ich unglücklich gewählt. Nicht alle Hartz-Empfänger sind faul, was Du sicher auch nicht sagen wolltest, aber Deine Worte implizieren.
Wie wäre es mit einem Dauerstudenten, der es kurz vor der Rente zu einem Abschluss bringt?

Die Karrierelady kann die Decke im Büro ausbreiten und ihre Übungen während der Mittagspause absolvieren, und ist damit in der Lage, abends länger zu arbeiten.

Ich dachte immer solche Decken nennen sich Yogamatten :).

Das ist DIE Geschäftsidee

Wieder würde ich "die" kursiv setzen.

Heute abend zu Hause werde ich mich an den Entwurf eines ersten Prototypen machen....

machen(Leerzeichen) und drei Punkte.

Zeig sie: Mit einem Glas Rotwein plane ich meine erste Decke, mit klassischer Musik, Massage und Lichtspielen.

Zudem könnte ich mir vorstellen, dass Dein Text der ein oder andere Dialog vertragen könnte. Die Ausführungen einer Verkäuferin z.B., die die Vorzüge aufzählt und durch ein "oh", "ah" oder "ach" von der Protagonistin ergänzt werden.

Wie gesagt, ich bin hier nicht der Humorspezialist. Aber daran habe ich so beim Lesen Deines Textes gedacht.

Viel Freude Dir hier auch weiterhin und an Deinem Text.

Beste Grüße Fliege

 

Liebe Fliege,

herzlichen Dank für deine konstruktive Kritik. Deine Vorschläge haben mir gezeigt, wo es hängt. Sowie ich die Zeit finde, überarbeite ich den Text.

Einen schönen Tag wünscht dir
goldblond

 

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