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Ein Experiment
Zwei Leute betreten das Psychologielabor.
Sie sollen an einer Untersuchung an „Erinnerungsvermögen und Lernfähigkeit“ teilnehmen. Der eine von ihnen, dürr und mit grauen unruhigen Augen, die hin und her huschen, wird zum "Schüler", der andere, ein großer kräftiger mit buschigen Brauen, zum "Lehrer". Der Versuchsleiter, Herr März, ein kleiner kahlköpfiger mit Brille, erklärt ihnen, dass es sich bei dem Experiment um eine Untersuchung zu den Auswirkungen von Strafe auf das Lernen handelt. Der kleine nervöse, mit den grauen, unruhigen Augen wird auf einen Stuhl gesetzt, seine Arme werden gefesselt, er solle sich nicht zu viel bewegen, und an seinem Arm wird eine Elektrode befestigt. Herr Doktor März erklärt ihm, er habe ein paar Wortpaare zu lernen, die er später wiederzugeben habe. Bei jedem Fehler werde er einen Elektroschock durch die kleine Elektrode erhalten, der bei jedem weiteren Fehler stärker werde. Der „Lehrer“ und Herr Doktor März verlassen den Raum, in dem der „Schüler“ sitzt. Sie gehen in den Hauptexperimentierraum. Auf dem Schockgenerator, der auf einem Tisch steht, sind in horizontaler Anordnung kleine Schalter anzufinden. Schalter von 15 bis 450 Volt unter denen Beschriftungen von <<leichter Schock>> bis <<bedrohlicher Schock>> stehen. Herr März sagt: „Wir werden jetzt dem „Schüler“ einen Lerntest unterziehen. Wenn er eine richtige Antwort gibt, gehe ich zum nächsten Fragepunkt über. Wenn er jedoch eine falsche Antwort gibt, versetzen Sie ihm einen elektrischen Schock. Sie beginnen mit der niedrigsten Schockstärke und erhöhen graduell bei jedem Fehler. Also auf 30 Volt, 45 Volt und entsprechend weiter.“
Der Raum, in dem ich mich befinde ist leer und kalt. Da drüben stehen nur ein Stuhl und ein Tisch, auf dem der Schockgenerator platziert wurde. Durch den Lautsprecher, der an der Wand angebracht ist, kann ich ihn hören. Er atmet, räuspert sich. Wie ein Kratzen dringt es zu mir. Ein wenig nervös, aber auch freudig erregt gehe ich zum Tisch. Ich will es ausprobieren, will wissen wie es ist. Das Experiment. Kann es kaum erwarten, dass er einen Fehler macht. Herr März hat soeben die erste Aufgabe gestellt. Ich sitze auf dem kalten, glatten Stuhl, mein Finger liegt bereit auf dem Knopf. Gespannt höre ich zu, als die unsichere Stimme aus dem Lautsprecher dringt. Herr März kündigt es an: „Das war ein Fehler!“ Seine Stimme hallt durch den nackten Raum. Und sofort drücke ich: 15 Volt. Strafe muss schließlich sein. Die Antwort war falsch. Der Knopf leuchtet jetzt. Durch die Lautsprecher kommt ein Zischen. Er hat scharf die Luft eingezogen. Ich muss lächeln. Da spürt er, wer der Mächtigere ist!
Herr März stellt auch schon die nächste Frage. Diesmal ist die Antwort korrekt. Schade. Fast bin ich ein wenig enttäuscht.
Aber die nächsten drei Fragen beantwortet er fehlerhaft. Ich werde ärgerlich, man könnte meinen, er mache das mit Absicht. Beim letzten Stromstoß schreit er sogar vor Schmerz.
Nächste Frage, mein Finger liegt auf dem Knopf „bedrohlicher Schock“. Ich zögere. Was tue ich hier? Ist dieses Experiment wirklich sicher? Harmlos? Die Antwort ist falsch. Ich schaue zu Herrn Doktor März herüber, der mich durch seine Brillengläser mustert. Er sieht mir direkt in die Augen, mit hochgezogenen Brauen, wartend. Er wiederholt noch einmal, was ich vorher überhört hatte, wie eine schreckliche Urteilsverkündung, mit teilnahmsloser Stimme: „Das war ein Fehler, Herr „Lehrer“!“ Ich wende mich wieder dem Schockgenerator zu.
Warum musste er auch die Frage falsch beantworten?!