Ein Fund in den Feldern
I.
Die Geschehnisse, über die ich berichten möchte, ereigneten sich vor einigen Jahren. Sie begannen eher unspektakulär an einem Sonntagmorgen im September. Es war ein sonniger Tag, zwar nicht mehr so warm wie im Sommer, aber auch noch nicht so trüb wie im Herbst.
Ich war gerade zu Besuch bei meinen Eltern, die auf dem Land im Badischen wohnten. Die Klausuren des vergangenen Uni-Semesters waren mit leidlichem Erfolg zu Ende gebracht, und das neue hatte noch nicht richtig begonnen. Ich nutzte die freie Zeit, um mich einige Tage bei meinen Eltern zu erholen.
Als ich am Sonntag Morgen meine Turnschuhe schnappte, um vor dem Mittagessen ein wenig durch die Hügel der Umgebung zu laufen, bemerkte ich schon nach wenigen Minuten, daß es mit meiner Form nicht zum Besten stand. Sowieso schon nicht gut im Training, hatte ich diese Nacht auch alles andere als gut geschlafen. Irgendetwas hatte mich aprupt aus tiefen Träumen gerissen, ohne daß ich eine Ursache dafür hatte entdecken können. Die restliche Nacht hatte es dann nur noch zu unruhigem Dösen gereicht.
Ich schleppte mich gerade eine Anhöhe hinauf und bog um den Rand eines kleinen Waldstücks, als ich plötzlich über einen harten Gegenstand stolperte und der Länge nach hinfiel. Schwerfällig hievte ich mich wieder nach oben, sah mich nach der Ursache meines Sturzes um und wich verdutzt zurück.
Vor mir steckte ein rundlicher Gegenstand von etwa einem Meter Durchmesser mitten im feuchten Boden des Feldwegs, den ich gerade entlanggelaufen war. Er schimmerte an einigen Stellen leicht metallisch, war aber sonst überwiegend von braun-schwarzer Farbe, die wie verkohlt aussah. Ich bemerkte eine starke Hitze von ihm aufsteigen, und bei genauem Hinsehen dampfte er noch ein wenig.
Etwas ratlos betrachtete ich das seltsame Objekt. Seine Form ließ mich sofort an Geschichten von abgestürzten fliegenden Untertassen denken. Aber das war hier doch keine Geschichte aus irgendeinem Hollywood-Film, sondern mein Leben! Und in dem kamen Begegnungen der dritten Art einfach nicht vor, schon gar nicht zwei Kilometer von meinem Elternhaus entfernt.
Ich sah mich um. Weit und breit niemand zu sehen, der irgendwas hiermit zu tun haben könnte: kein außerirdisches Mutterschiff, keine irdische Filmcrew und auch keine feixenden Einheimischen. Auf einer Wiese nebenan standen Kühe und sahen mich gelangweilt und wiederkäuend an. Sie fühlten sich nicht gerade bedroht von einer fliegenden Miniatur-Untertasse und einem Langzeitstudenten. Das Alltägliche dieses Anblicks gab mir den nötigen Ruck, mich dem Objekt wieder zu nähern.
Die Oberfläche war unter der verkohlten Schicht vollkommen glatt und ebenmäßig. Es waren keine Kanten oder Nähte zu sehen. Wenn das ganze ein Jux sein sollte, dann hatte sich hier jemand wirklich einige Mühe gegeben. Das Objekt hatte die Form einer leicht bauchigen Scheibe, auf der in der Mitte eine Halbkugel saß. Es entsprach so sehr dem klassischen Bild eines UFOs, daß es mich schon stutzig machte.
Vorsichtig streckte ich die Finger nach dem Metall aus. Es war zwar recht warm, als ich meine Hand aber mit ein paar großen Blättern vom Wegrand umwickelt hatte, konnte ich es tatsächlich berühren. Es fühlte sich glatt und metallisch an. Ich drückte ein wenig daran herum und bemerkte, daß es locker im Erdboden saß und nicht so schwer war wie erwartet. Mit einiger Mühe konnte ich es soweit anheben, daß auch die andere Seite zu sehen war. Sie war stark verschmutzt, schien sich ansonsten aber nicht wesentlich von ihrem Gegenstück zu unterscheiden. Ich rieb und kratzte die Dreckklumpen weg, bis sich schließlich in der Mitte des kugelförmigen Aufsatzes eine quadratische Ausbuchtung zeigte. Sie entpuppte sich nach weiterem Untersuchen als eine lose sitzende Klappe, die ich mit Hilfe eines stabilen Stocks schnell aufhebeln konnte.
Beim Öffnen entwich aus dem Inneren eine starke Hitzewelle, die sich nach wenigen Sekunden erschöpft hatte. Die Neugier hatte mich jetzt endgültig gepackt, und ich stocherte mit dem Stock ein wenig in der Öffnung herum. Das Objekt war innen komplett hohl und scheinbar leer. Nach weiterem Hantieren stieß ich aber auf einen festen Gegenstand an der Innenseite, der scheppernd herunterfiel. Schließlich konnte ich ihn in Richtung Klappe bugsieren.
Seit meiner Entdeckung waren gerade einmal fünf Minuten vergangen. Rund um mich herum war alles so normal wie schon so oft beim Joggen hinter unserem Dorf: grüne Hügel, Morgentau auf den Wiesen und grasende Kühe. Die Tatsache eines mysteriösen Fundes hatte mich geistig noch nicht wirklich erreicht gehabt. Kaum hatte ich aber den Gegenstand mit der Hand herausgezogen und einen Blick darauf geworfen, lief es mir kalt den Rücken herunter, und eine Welle von Furcht nahm mir beinahe den Atem.
Bei dem Gegenstand handelte es sich um einen flachen Metallquader von der Größe eines Handtellers. Er war einfach in der Ausarbeitung, fast schon unscheinbar. Was mich an ihm so so erschreckte wie schon lange nichts mehr, war ein Bild, das reliefartig in die Vorderseite eingelassen war. Es zeigte einen jungen Mann von Mitte bis Ende zwanzig, den ich noch heute morgen im Spiegel gesehen hatte. Das Bild zeigte mich.
II.
Ich brauchte einige Sekunden, um wieder die Fassung zu gewinnen. Der Gegenstand war mir vor Schreck aus der Hand auf den Boden gefallen. Das Dröhnen eines in der Nähe vorbeifliegenden Flugzeugs riß mich wieder aus der Starre, die mich überfallen hatte.
Mir wurde bewußt, in welchem Zustand ich hier eigentlich vor einer dampfenden Metallscheibe herumstand: Ich war nur mit alten und verschlissenen Sportsachen bekleidet, völlig durchgeschwitzt und verdreckt von meinem Sturz. Langsam begann ich zu frösteln. Es fiel mir zwar schwer, die Scheibe einfach so zurückzulassen, aber für größere Untersuchungen war ich denkbar schlecht gerüstet. Ich würde mich zu Hause duschen und umziehen und anschließend mit Fotoapparat und Notizblock wiederkommen, um meinen Fund in allen Einzelheiten festzuhalten. Vielleicht konnte ich die Scheibe sogar insgesamt abtransportieren.
Einer Eingebung folgend hob ich zumindest die seltsame Fotografie auf, steckte sie ein und lief nach Hause zurück. Nach einer hastigen halben Stunde war ich wieder halbwegs vorzeigbar und versuchte, meinem Vater seinen Wagen zu entlocken. Auf die Frage, warum ich denn pünktlich zum Mittagessen unbedingt nochmal wegmüßte, improvisierte ich eine halbwegs plausible Geschichte mit einem Freund und irgendwelchen zu transportierenden Gegenständen. Ich hatte meinen Vater zwar nicht überzeugt, aber zumindest an den Rand einer Schlüsselübergabe gebracht, als ich durchs Küchenfenster sah, wie zwei Polizeifahrzeuge an unserem Haus vorbei in Richtung Felder fuhren. Zu spät! Dem Vortrag meines Vaters über zu vermeidende Kratzer an seinem Wagen und einzuhaltende Geschwindigkeits*vorschriften hörte ich nur noch mit einem Ohr zu. Als er endlich fertig war, schnappte ich mir den Schlüssel und fuhr zur Fundstelle.
Die Stelle war bereits provisorisch abgesperrt, und die anwesenden Polizisten ließen mich nicht näher als zwanzig Meter herankommen. Außer mir war noch eine junge Familie mit einem Hund anwesend, vermutlich hatten sie auch die Polizei gerufen. Keiner der Beamten schien so recht zu wissen, was in einem solchen Fall zu tun war. Einige standen um die Scheibe herum, redeten aufgeregt miteinander und sprachen in ihre Funkgeräte. Andere waren dabei, die noch symbolischen Markierungen zu richtigen Absperrungen zu erweitern. Auf meine Fragen, was denn hier los wäre, bekam ich wenig erhellende Antworten. Es handelte sich wohl bloß um Streifenpolizisten, die zur Erstaufnahme an einen möglichen Unfallort gerufen worden waren und jetzt auf das Eintreffen irgendwelcher Spezialisten warteten.
Ich gab es schließlich auf, wartete, bis ich wieder von allen ignoriert wurde und zog verstohlen meinen mitgebrachten Fotoapparat hervor. Die Scheibe war noch nicht verhüllt worden, und ich wollte die letzte Chance zu einem Foto nutzen, die sich mir vielleicht bot. Bevor ich aber abdrücken konnte, wurde mir meine Kamara unsanft aus der Hand gerissen. „Fotoaufnahmen sind wegen der laufenden Ermittlungen bis auf weiteres untersagt. Die hier ist beschlagnahmt”, wurde ich von einem Neuankömmling belehrt, den ich bisher nicht bemerkt hatte. Er gehörte zu einer Gruppe von drei Männern, die zwar zivile Kleidung trugen, aber stark den Anschein erweckten, keine Zivilisten zu sein. All meine Proteste halfen nichts, ich bekam nichts außer dem Hinweis, Film und Fotoapparat müßten erst genau untersucht werden, bevor ich zumindest den Apparat bei der zuständigen Dienststelle wiederbekommen könnte.
Schnell hatten die Neuankömmlinge die Leitung über den Einsatz an sich gerissen. Sie ließen die Scheibe abdecken, die Absperrungen ausweiten und weitere Verstärkung anfordern. Inzwischen hatte sich einige Schaulustige versammelt, die wild durcheinander redeten und darüber spekulierten, was denn bloß passiert sein könnte. Für mich gab es hier aber nichts mehr zu sehen, und ich trat enttäuscht den Rückzug an.
III.
Wieder zu Hause angekommen, setzte ich mich hin, um zum ersten mal in Ruhe über die letzten anderthalb Stunden nachzudenken. Ich war wütend auf mich selbst und auf meinen Leichtsinn, die Scheibe einfach so zurückzulassen. Wäre ich nur schnell heimgelaufen, um meinen Fotoapparat zu holen, wäre ich wieder vor der Polizei zurückgewesen und hätte ungestört Fotos machen können. So hatte ich praktisch nichts in der Hand. Daß von meinem Fund nach den Bergungsarbeiten noch etwas zu finden sein würde, konnte ich mir kaum vorstellen. Wenn anschließend überhaupt etwas in die Öffentlichkeit gelangte, dann sicher nur vage Berichte über etwas wie einen abgestürzten Wetterballon.
So und ähnlich drehten sich eine Zeit lang meine Gedanken im Kreis, bis ich mich allmählich wieder beruhigte. Mit kühlerem Kopf fiel mir plötzlich ein, was mir unbewußt wohl schon die ganze Zeit seltsam vorgekommen war. Und es hatte nichts damit zu tun, daß ich über eine abgestürzte Metallscheibe gestolpert war. Vielmehr machte mich stutzig, woher denn die „Spezialisten” eigentlich so schnell kommen konnten. Es hatte einen großen Unterschied gegeben zwischen dem leicht ratlosen Verhalten der ersten Streifenpolizisten vor Ort und dem sehr professionellen Auftreten der später eingetroffenen Männer. Letztere hatten keine besonderen Anzeichen der Aufgeregtheit oder auch nur Neugierde an den Tag gelegt angesichts eines derart ungewöhnlichen Fundes.
Sie waren nicht so kalt und geheimnisvoll aufgetreten wie Geheimdienstagenten in einem Alien-Film. Sie benahmen sich eher routiniert, als würden sie einmal pro Monat mysteriöse Artefakte vor umstehenden Passanten in Sicherheit bringen. Wie konnten solche Männer so kurz nach der Benachrichtigung der Behörden schon vor Ort sein? Sie hatten ihren Dienststandort doch wohl nicht hier bei uns in der Provinz. Wo waren sie also hergekommen?
Während ich nachdachte, hielt ich den Metallquader mit meinem Bild in der Hand und spielte abwesend damit herum. Etwas an seiner Oberfläche fiel mir auf, und ich schaltete die Schreibtischlampe ein, um ihn genauer zu betrachten. Wenn man ihn im Licht hin- und herdrehte, waren Reflexionen in allen Regenbogenfarben zu sehen. Von so etwas hatte ich bei Metallen noch nie gehört. Es konnte natürlich an einer bestimmten Lackierung liegen, aber vielleicht handelte es sich auch um etwas einzigartiges, das eine nähere Untersuchung wert war.
Ich fingerte noch ein wenig daran herum, als es plötzlich klickte und ich zwei Hälften in der Hand hatte. Vorher war nicht erkennbar gewesen, daß es sich um zwei Teile handeln könnte, vollkommen nahtlos war die Oberfläche erschienen.Von einem Öffnungsmechanismus war auch jetzt nichts mehr zu sehen. Ich hielt einfach statt eines Quaders plötzlich zwei halb so große in der Hand. Beide waren vollkommen glatt und nahtlos, und nur einer trug das Foto von mir. Trotz einiger Überlegungen fiel mir einfach nicht ein, was für einen Sinn das alles haben könnte. Ob es eine Art Halterung darstellte? Keine Ahnung. Auch schaffte ich es nicht mehr, die beiden Hälften wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen. Sie waren getrennt, und dabei blieb es.
Doch nach der Enttäuschung mit der verlorenen Scheibe war jetzt wieder meine Neugier erwacht, und ich beschloß, dem Geheimnis dieses Funds auf die Spur zu kommen. Mir fiel ein Freund ein, ein Maschinenbau-Doktorand, der gelegentlich aus seinem Studium erzählt hatte, und dessen Doktorarbeit irgendetwas mit Metallverarbeitung zu tun hatte. Ich beschloß, ihm die Quaderhälfte ohne Bild von mir zu zeigen und ihn nach seiner fachlichen Meinung zu fragen. Vielleicht würde ja etwas dabei herauskommen.
IV.
Zwei Wochen später war ich zurück in meinem Studienort und wartete auf das Ergebnis der Untersuchung meines Kommilitonen. Ich hatte ihn über die Herkunft meines Quaders weitgehend im Dunkeln gelassen und nur geheimnisvoll angedeutet, ihn irgendwo gefunden zu haben und nicht weiter darüber sprechen zu können. Er hatte beim Anblick des Quaders äußerst interessiert gewirkt und durchblicken lassen, ihn nach Feierabend mal mit den Institutsanlagen untersuchen zu wollen. Abends klingelte dann das Telefon, und es war tatsächlich Peter, der auch sofort zur Sache kam:
„Sanders hier, ‘nabend der Herr! Na, da hast Du mich ja sauber aufs Kreuz gelegt, was? Bei uns im Institut ist die Hölle los. Drei Abende habe ich mir um die Ohren geschlagen, versucht, Proben zu entnehmen, Schmelzpunkte und Gitterstrukturen zu bestimmen, und nichts ist dabei herausgekommen!”
„Na ja, du hattest ja erwähnt, daß Metallanalysen nicht gerade dein Spezialgebiet sind. Vielleicht kann einer Deiner Kollegen mal draufschauen.”
„Na ja, du hattest ja erwähnt, daß Metallanalysen nicht gerade dein Spezialgebiet sind. Vielleicht kann einer Deiner Kollegen mal draufschauen.”
„Das ist es ja gerade, so ziemlich jeder Kollege aus dem Institut hat versucht, das Material zu untersuchen, sogar mein Prof hat sich mal wieder in unsere Labors im Keller verirrt. Ergebnis: nichts! Eigentlich weniger als nichts, wir sind nicht mal dazu gekommen, dieses Ding zu untersuchen, es läßt sich nämlich nicht untersuchen!”
„Häh?”
„Jetzt paß mal auf: Wir konnten nicht mal Proben entnehmen. Es ließ sich nicht zersägen, auch nicht mit unseren Diamantsägeblättern für fünftausend Euro das Stück. Wir konnten nichts abfeilen, wir konnten nichts abschmelzen, es hatte hinterher nicht mal einen Kratzer. Egal ob Kälte, Laser, Säuren oder Bestrahlung, nichts hat ihm etwas anhaben können. Bei uns versuchen mehrere Kollegen parallel rauszubekommen, ob irgendwo in der Welt etwas über ein vergleichbares Material publiziert worden ist. Im Moment ist noch am wahrscheinlichsten, daß dieses angebliche Metall aus einem Kohlenstoff mit einer bisher unbekannten, wahnsinnig kompakten Gitterstruktur besteht. Aber von solchen Materialeigenschaften habe ich noch nie etwas gehört. Mein Chef rennt nur noch mit einem seligen Lächeln im Gesicht herum. Er redet den ganzen Tag von neuen Forschungsgeldern, sprudelnden Drittmittelquellen und Umpriorisierungen zugunsten des neuen Wundermaterials.”
„Ähm, hör mal, bevor ihr hier große Pläne schmiedet: Der Quader gehört mir, und ich hätte ihn gerne bald wieder. Daß ihr ihn bei Euch auf Herz und Nieren testen wolltet, ist ja in Ordnung, aber er soll jetzt nicht gerade in irgendeinem Universitäts-Tresor verschwinden. Ich habe ihn immerhin gefunden und möchte ihn jetzt wieder zurück.”
„Das ist doch wohl nicht dein Ernst, das Ding könnte die wissenschaftliche Sensation sein. In Fachkreisen wird heutzutage um jedes neue Material ein Riesenaufstand gemacht, das auch nur ein bißchen widerstandsfähiger istals die bekannten Sachen. Und jetzt kommst du mit so einem Wunderzeug und willst es wieder in irgendeinem Regal deiner Studentenbude verstauben lassen?”
„Tut mir leid, ich hatte dich eigentlich nur im Vertrauen gebeten, dir das mal anzusehen. Es war nie die Rede davon, es gleich jedem auf die Nase zu binden.”
Darauf konnte er nichts sinnvolles mehr erwidern, aber man konnte spüren, daß er ziemlich aufgebracht war. Er bohrte noch eine Weile herum, woher ich den Quader denn hätte, aber ich wollte einfach nicht darüber reden. Vermutlich hätte er die Wahrheit sowieso nicht geglaubt, und eine glaubwürdige Lüge fiel mir spontan nicht ein. Wir diskutierten noch eine Weile herum, bis er schließlich aufgab und versprach, mir den Quader zurückzugeben.
V.
Peter hielt Wort, und noch am nächsten Tag hatte ich die zweite Hälfte meines Quaders tatsächlich wieder in der Hand. Mein Verhältnis zu Peter blieb aber für eine ganze Weile sehr angespannt. Ich hatte noch einige Mühe, mich der Annäherungsversuche von allzu neugierigen Wissenschaftlern seines Instituts zu erwehren. Als ich aber beharrlich jede Unterstützung verweigerte, ließen auch sie mich endlich in Ruhe.
Wie ich selbst mit meiner Entdeckung weiterverfahren sollte, war mir schleierhaft. Ich hatte eine Ahnung, daß weitere wissenschaftliche Untersuchungen bloß unverständliche Berichte in Fachchinesisch ergeben, aber nichts über die Herkunft des Fundes aussagen würden. Außerdem hatte ich kein Interesse, noch mehr Aufsehen zu erregen. Vielleicht wußten inzwischen schon zu viele Leute Bescheid.
Zwei weitere Tage passierte nicht viel. Ich lebte unschlüssig in den Tag hinein, ließ mein Studium weiter schleifen und führte kleine, dilettantische Experimente mit meinen Quaderhälften durch. Natürlich ohne nennenswertes Ergebnis. Ich begann mich zu informieren, was an seriösen Quellen über vergleichbare Funde bekannt war. Aber entweder gab es keine Berichte, oder die Quellen waren zu zweifelhaft. Von der gefundenen Scheibe war selbst in den regionalen Zeitungen meiner Heimat nichts zu lesen gewesen.
Ich freundete mich langsam mit dem Gedanken an, nichts neues mehr in der Angelegenheit zu erfahren und bloß ein gutgemachtes Foto von mir auf ungewöhnlichem Metall zurückzubehalten. Etwas irritierend war lediglich, daß einige Telefonate mit Freunden oder meiner Familie stellenweise sehr verrauscht waren. Ein Anruf bei der Störungsstelle brachte mir nur die Kenntnis, daß laut Messung die Leitung einwandfrei sein müßte. Auch hatte ich an einem Tag mehrere Anrufe von Menschen, die sich verwählt hatten oder kommentarlos auflegten. Doch zunächst dachte ich mir noch nichts dabei.
Erst, als eine Nachbarin mir am Tag darauf entrüstet erzählte, wie sie zwei Männer beim Durchwühlen unserer Mülltonnen ertappt hatte, wurde mir etwas mulmig. War etwa jemand hinter mir her? Geschichten über Geheimdienste und Aufräumkommandos nach UFO-Abstürzen schossen mir durch den Kopf. Ich wurde zwar nicht persönlich verfolgt, und niemand bedrohte mich, aber ich begann nervös zu werden. Ich versteckte meine beiden Quaderhälften fürs erste getrennt an verschiedenen Stellen der Wohnung und hoffte, mir alles nur einzubilden. Am nächsten Tag wollte ich mich bei der Bank nach einem Schließfach erkundigen.
Erst, als eine Nachbarin mir am Tag darauf entrüstet erzählte, wie sie zwei Männer beim Durchwühlen unserer Mülltonnen ertappt hatte, wurde mir etwas mulmig. War etwa jemand hinter mir her? Geschichten über Geheimdienste und Aufräumkommandos nach UFO-Abstürzen schossen mir durch den Kopf. Ich wurde zwar nicht persönlich verfolgt, und niemand bedrohte mich, aber ich begann nervös zu werden. Ich versteckte meine beiden Quaderhälften fürs erste getrennt an verschiedenen Stellen der Wohnung und hoffte, mir alles nur einzubilden. Am nächsten Tag wollte ich mich bei der Bank nach einem Schließfach erkundigen.
Als ich nachmittags vom Essen aus der Mensa zurückkam, bemerkte ich leichte Kratzspuren an meinem Türschloß. Alarmiert öffnete ich und sah meine Befürchtungen bestätigt: Ich stand in einer vollständig durchwühlten Wohnung. Alles, was nicht an Wand oder Decke befestigt gewesen war, lag in einem heillosen Durcheinander auf dem Fußboden. Ich machte eine flüchtige Bestandsaufnahme meiner wenigen Wertgegenstände, fand alles vor und wußte, daß es kein normaler Einbruch gewesen war. Was fehlte, waren die beiden Quaderhälften.
-
Der Rest ist schnell erzählt. Ich erstattete Anzeige, die Polizei machte mir aber keine großen Hoffnungen, den Täter ermitteln zu können, vor allem, da nichts von Wert mitgenommen worden war. Mein Fundstück hatte ich lieber ganz verschwiegen. Bis heute habe ich weder erfahren, wer es mir gestohlen hat, woher es gekommen ist, noch was es genau zu bedeuten hatte. Als ich das nächste mal bei meinen Eltern war, suchte ich wieder die Absturzstelle auf. Abgesehen von einem kahlen Fleck in der Pflanzendecke war nichts mehr zu sehen.
Bis heute werde ich nicht schlau aus den Ereignissen. Hatte ich wirklich ein abgestürztes UFO gefunden? Warum war es leer gewesen bis auf einen eigenartigen Metallquader, der ein Foto von mir trug? Wer hätte sonst ein Interesse gehabt, all das zu inszenieren, und warum? Einiges an der Sache paßt nicht recht zusammen: Eine rauchende, leere Scheibe im Boden, ein Bild von mir (warum gerade von mir?), Zivilisten, die sofort die Ermittlung an sich rissen, ein merkwürdiges Metall, gestörte Telefone und ein Überfall. - Und dann einfach nichts mehr.
Genauso plötzlich, wie das Außergewöhnliche in mein Leben geraten war, hatte es mich auch wieder verlassen. Was bleibt, sind verblassende Erinnerungen an einige aufregende Herbstwochen in meiner Jugend. Ich kann bis heute nur spekulieren, was tatsächlich passiert ist. Am wenigsten kann ich erklären, warum gerade ich in die Geschehnisse geraten bin. Ich muß eine wichtige Rolle in diesem Stück gespielt haben, wie wäre sonst mein Bild im Inneren dieser Scheibe zu erklären gewesen? Wenn ich aber die Hauptrolle innehatte, dann mußte ich sie spielen, ohne das Drehbuch zu kennen und die Zuschauer zu sehen. Und noch vor dem alles aufklärenden Finale wurde ich schon wieder von der Bühne abberufen.
Doch meine Enttäuschung habe ich inzwischen überwunden. Was heute überwiegt, ist Erleichterung. Ich glaube, daß ich damals in etwas hineingeraten bin, was einige Nummern zu groß für mich war. Mit etwas weniger Glück würde ich heute vielleicht nicht mehr hier sitzen, um diese Zeilen zu schreiben. So aber bin ich mit einer durchwühlten Wohnung und einem zerkratzten Türschloß wohl noch ziemlich glimpflich davongekommen.