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Ein Geburtstagsgeschenk und welche Schwierigkeiten mir dadurch entstanden
Die Vase
Um ehrlich zu sein: Nicht immer lief es bei uns so gut, wie in den vergangenen Wochen. Unsere Ehe stand dem Ende nahe, und hätte meine Frau uns nicht bei der Beratungsstelle angemeldet, wer weiß?
Mühselige Stunden der Therapie haben wir hinter uns gebracht, haben unserem Leben neue Regeln gegeben und siehe da, es läuft prächtig.
Das heißt, es lief prächtig, wäre da nicht dieser Vorfall gewesen, heute Nachmittag.
Es stand der fünfundvierzigste Geburtstag meiner Frau ins Haus. Und weil dieser Geburtstag kein gewöhnlicher Geburtstag war, machte ich mich auf den Weg, ein besonderes Geschenk zu besorgen.
Damit meine Frau nichts merkte, schlich ich mich, als im Fernsehen gerade ihre Lieblingsserie lief, aus dem Haus. Viel Zeit hatte ich nicht. Ich wußte genau: Eine Stunde werde ich Zeit haben, denn für die nächste Stunde wird sich nicht aufstehen, hypnotisiert vor dem Fernseher sitzen und nach nichts verlangen. Weder nach mir, noch nach irgend etwas anderem. Es lag nun an mir, diese wertvolle Zeit, für meinen noblen Zweck auszunutzen.
Ich fuhr also ins Zentrum, freilich nicht ziellos. Alles war perfekt durchgeplant, doch dann das: Eine Menschenschlange vor der Kasse, die mich, ich rechnete es kurz durch, fast zwanzig Minuten gekostet hätte. Das waren fünfzehn zu viel, fünfzehn Minuten außerhalb des geplanten.
Ich versuchte mich nach vorn zu drängeln, wollte Verständnis für meine Lage einfordern, startete Erklärungsversuche, doch ergebnislos. Ich erntete nichts als böse Blicke. Einer, obwohl gar nicht größer als ich, drohte mir sogar mit Prügel.
Ich gab auf, reihte mich resigniert wieder hinten ein und hatte durch meinen erfolglosen Versuch weitere fünf Minuten verloren. Endlich vorne angekommen, half es auch nichts der Kassiererin meinen Ärger offenzulegen, sie, unter Verwendung einiger Schimpfwörter, über meinen Unmut zu informieren. Sie schüttelte nur ihren Kopf, ich zahlte hastig und eilte davon.
Wie sollte ich die verlorene Zeit wieder einholen? Wie dem Minuten verschlingendem Zeiger auf der Uhr Einhalt gebieten? Die Antwort war einfach: Überhaupt nicht!
Zuhause angekommen, trat das Befürchtete ein. Die Serie meine Frau war längst zu ende, der Fernseher bereits ausgeschaltet und ihr prüfender Blick lastete auf mir wie Millionen Steine. So musste sich Atlas fühlen, armer Held, halte durch! Ich kenne dein Leid. Nun kenne ich es.
Auch was die Ruhe vor dem Sturm zu bedeuten hatte, wurde mir nunmehr deutlich. Vor mir baute sich ein Orkan auf, was sage ich ein Tornado und raste auf mich zu.
Wo ich gewesen wäre, was mir einfiele? Ob das jetzt schon wieder anfange? Wo das noch hinführen solle?
So viele Fragen und ich wußte keine Antwort. Was sollte ich sagen, ich wußte keine Antwort, mir wurde warm, ich schlug zu. Ich schlug zu, dreimal schlug ich zu. Mit der Vase, mit meinem Geschenk für sie schlug ich zu. Mit der Vase, die ich hinter dem Rücken versteckt hielt. Dort versteckt hielt, um sie so unbemerkt weiter zu verstecken. Genau mit dieser Vase, mit dem Geburtstagsgeschenk, der Geschenkvase schlug ich zu. Dreimal.
Ich war mir ziemlich sicher, dass sie schon beim ersten Schlag tot war und sicherlich war ihr Adrenalinspiegel hoch genug, um keinen Schmerz zu spüren. Sie hat bestimmt nicht leiden müssen.
So beruhigte ich mein Gewissen, denn ich hatte jetzt keine Zeit. Schließlich stand der alles verzehrende, vor allem Minuten verzehrende Zeiger ja nicht still. Unermüdlich war er weiter gerannt, dem Ladenschluss entgegen und wollte ich rechtzeitig das Geschäft erreichen, musste ich mich jetzt sputen. Mußte ich doch die Vase wieder umtauschen, denn was sollte ich alleine mit einer Vase wohl anfangen?