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Copywrite Ein Geruch nach Mandeln

Seniors
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22.10.2011
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Ein Geruch nach Mandeln

Auf dem Marktplatz verbrannten sie den Winter. Funken stoben in den Himmel, die mannshohe Strohpuppe wand sich in den Flammen. Eine Frau rempelte mich an und johlte: „Da brennt er. Endlich! Der Winter muss brennen.“ Ich blickte in ihr gerötetes Gesicht und sagte: „Ich steh nicht auf Hinrichtungen.“
Ich war dem Strom aus Festbesuchern gefolgt, hatte mich mitziehen lassen bis zum Marktplatz. Um mich herum drängten sich als Frühlingsblumen verkleidete Menschen und applaudierten. Von irgendwoher wirbelte ein Kranz mit bräunlichen Blüten in die Luft. Ich sah ihm hinterher, wie er einen Bogen beschrieb, wie er vor dem Himmel stand, für einen Moment im Blau gefroren, bis er wieder nach unten segelte. Und als habe der Kranz sie geboren, stand dort, wo er niederging, Marina. Schlank, aufrecht, lachend. Gar nicht weit von mir. Ein jäher Geruch nach gebrannten Mandeln stach mir in die Nase. Der Mann neben ihr reichte ihr eine Tüte Pommes Frites, sie griff hinein und stopfte sich mehrere auf einmal in den Mund. Die Gesichter der Menschen um mich herum verschwammen, nur Marinas Gesicht blieb klar, der kauende Mund, die Finger vor ihren Lippen. Als hätte ich sie mit meinem Blick gebannt, sah sie auf, schrak zusammen und hob die Hand. Erkannte sie mich? Grüßte sie mich etwa? Ich deutete auf meine Brust, nein, jemand anders war gemeint, ein Mann in der Reihe vor mir. Marinas Begleiter griff nach ihrer Hand, sie lächelte, beide drehten sich um und gingen davon, hin und wieder blickte sie zurück, als wollte sie, dass man ihr folgte.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menschenmenge, wich einer Gruppe von Kindern in Osterglockenkostümen aus, zwängte mich an überdimensionalen Schmetterlingen vorbei, verlor Marina aus den Augen, drängte weiter, ignorierte die wütenden Rufe der Menschen, die ich zur Seite schob, und endlich, dort, wo Markt und Schmelzerstraße sich kreuzten, lief sie. Keine zehn Meter vor mir, ihre Hüften tickten im Takt ihrer Schritte von einer Seite auf die andere. Irgendwann hielt sie an. Wieder schob sie ein paar Pommes in den Mund und sah zu dem Mann hoch. So klein war sie, ich hatte vergessen, wie klein sie war. Er fragte sie etwas, sie antwortete, er wischte einen roten Klecks aus ihrem Mundwinkel. Zärtlich sah das aus.
Einträchtig liefen sie weiter.
Ich betrachtete ihren Nacken, den Kopf, den schmalen Rücken, und stellte mir vor, wie sich aus der Fassade des Hauses, an dem sie gerade vorbeilief, ein Stein löste, ein zweiter, dritter, immer mehr, eine herabstürzende Lawine aus Mauerbrocken, bis die Wand endgültig brach und Marina unter sich begrub.

***​

Eine andere Zeit, ein anderes Leben. Wie lange war das her?
Ich stand hinter der Theke meines Wagens, rührte in der Karamellmasse, fügte Mandeln hinzu, rührte weiter. Die Hitze unter dem Kupferkessel trieb mir den Schweiß auf die Stirn. „Eine Tüte? Oder auch zwei? Bitte sehr!“ Die Leute drängten sich um den Stand, sie liebten den MandelMeik, den Kessel, die Handschuhe mit den aufgedruckten Elchen, den Duft nach Vanille, Butter und Mandeln. Vor dem Stand wartete eine Schlange, manche kamen von weither, nur um meine Mandeln zu kaufen. Mit einem Male stand sie da. Marina. Sie strahlte mich an, als meinte sie mich und nur mich. Damals kannte ich ihren Namen noch nicht, damals war sie für mich nur die Mandelfrau. „Dich kenne ich doch“, sagte ich. Sie lachte. Ich rührte in den Mandeln, der Holzlöffel tanzte, die Tüten befüllten sich wie von allein. Es war dieses Lachen, das sich um nichts scherte. Marina lachte, weil sie es so wollte. Ich strich über meine Schürze, zog den Bauch ein, legte die Handschuhe weg, wischte meine Hände an einem Handtuch ab und zupfte an meinem Bart. „Neulich in Grombach hast du auch schon bei mir Mandeln gekauft. Stehst du vielleicht auf mich?“
Die Leute ringsum kicherten. Marina beugte sich vor, ließ mich einen Blick in ihren Ausschnitt werfen, blickte mich von unten her frech an und sagte: „Ahhh, erwischt. Schreib mir doch eine Liste mit den nächsten Einsatzorten. Ich liebe deine … Mandeln.“
Wieder kicherten die Leute, einige klatschten, sie mochten diesen kleinen Flirt. Genauso wie ich. Ich reichte Marina die Tüte. „Du kriegst alles, was du willst. Die Tüte geht aufs Haus. Bis später.“ Sie nickte und zwinkerte mir zu.

Später am Abend suchte ich sie. In der Hand knitterte einer meiner Flyer, die Mobilnummer darauf hatte ich mit der Hand geschrieben. Groß und gut lesbar. Was wollten solche Frauen beim ersten Date? Kino? Oder Picknick? Oder lieber doch Pizza? Sie hatte mir so nett zugelacht.
Im Bierzelt war sie nicht, auch nicht bei den Leuten, die aus dem Theaterzelt kamen. Irgendwann sah ich sie vor dem Wirtshaus, ich winkte ihr zu, sie bemerkte mich nicht und ging hinein in die „Goldene Feder“.
Drinnen war es leer. Mitten im Gastraum stand ein junger Mann und wischte die Tische. Vor ihm meine Mandelfrau. Sie konnte mich nicht bemerkt haben, so wie sie ihn anstarrte. „Na, ein Bier?“, fragte er und ging zum Tresen. Während er zapfte, schob er die Ärmel seines Hemdes zurück, Marina verfolgte seine Bewegungen mit den Augen, dann trat sie zu ihm. Ganz dicht. Er blickte auf.
Ich schlich hinaus. Durch das Fenster drang warmes Licht, auf dem Glas befand sich eine Schliere wie der Fingerabdruck eines Riesen. Ich wandte mich ab.
Elf Uhr war es. Ich musste Elli abholen, meine Tochter. In Gedanken hörte ich sie sagen: „Komm, probier es, Mama ist schon so lange tot. Du wirst nicht jünger. Außerdem trinkst du zuviel, wenn du allein bist.“ Ellis Litanei. Ich lächelte und schüttelte meine Unruhe ab. Elli, mein Augenstern. Sie würde sich für mich freuen, wenn ich mal wieder einen Flirt probierte. Noch einen Moment konnte ich mir geben, was hatte das schon zu bedeuten, dass die Mandelfrau im Wirtshaus war. Bestimmt nichts. Eine Viertelstunde verging. Die Ziffern der Uhr leuchteten grün zu mir hoch. Elli würde nicht böse sein, wenn ich ein paar Minuten später kam. Hin und wieder liefen Festbesucher vorbei, sonst war es still. Sollte ich gehen? Meine Gedanken drehten sich, der Junge im Gastraum, der Flyer in meiner Hand, die Armbanduhr, eine Nachricht an Elli, das Display leuchtete hell, doch ich brach ab, denn ich sah, wie sie aus dem Gasthaus schlich. Meine Mandelfrau. Sie war zerzaust, die Lippen aufgeworfen, zu rot im Licht des Fensters, verschwollen, als hätte sie zu lange geküsst. Die Bewegungen langsam und satt. Eine dralle, frisch gefickte Katze. Als sie mich sah, verzog sie das Gesicht. Mit einer wegwerfenden Geste stieg sie in ein Auto.

***​

Immer noch strömten mir Besucher entgegen, die zum Marktplatz wollten. Marina und ihr Begleiter gingen schnell, sie schlängelten sich durch das Menschengewühl. Obwohl sie nebeneinander und Hand in Hand liefen. Einmal stolperte ich über ein Bein, stürzte und fiel auf das Knie. Der Schmerz stach, mir wurde übel, ein Mann half mir hoch, fragte mich etwas, doch ich winkte ab und hinkte weiter. Das Paar stand vor einem großen Fachwerkhaus. Ein Restaurant. Eine junge Frau lief mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Eine sehr junge Frau, vielleicht achtzehn, ungefähr so alt wie … Ich stockte, für einen Moment hatte ich das Gefühl zu ersticken, mir wurde schwindlig. Eine Tochter. Marina hatte eine Tochter. Und ein Geruch von Mandeln in der Luft. Mittlerweile war es düster geworden, die untergehende Sonne tauchte den Himmel in dunkles Rot. Als hätte er Nasenbluten, dachte ich. Lichter flammten auf.
„Ob die schon Spargel haben? Ach ich freu mich, ist so ein schöner Tag.“ Die Stimme der jüngeren Frau war weich. So klang eine Stimme, die noch alles vor sich hatte. Das gekräuselte Haar, der Gesichtsschnitt, die kleine, spitze Nase. Unter dem hellen Kleid mit den blauen Punkten zeichneten sich die Konturen ihres Körpers ab.

***​

Vor dem Haus, das Elli mir genannt hatte, stand niemand mehr. Ich klingelte, eine Frau schaute aus dem Fenster und rief: „Bist du Ellis Vater?“
„Ja.“
„Sie ist schon weg.“
„Wie lange?“ Angestrengt starrte ich zu ihr hoch, schirmte meine Augen gegen die Helligkeit der Hausbeleuchtung ab.
„Vor einer Viertelstunde vielleicht?“
Ich stieg in mein Auto, rief Elli auf dem Handy an. Abgeschaltet. Ich hinterließ eine Nachricht und fuhr los. Welchen Weg hatte sie genommen? Ich bog in die Hermannstraße ein, das war länger, aber ruhig und voller Grüngestrüpp, wie Elli es liebte. Das sind Forsythien, sagte sie. Langsam fuhr ich den Weg ab, hielt an, beobachtete den Bürgersteig, spähte in die Nebenstraßen, hielt an, spähte, immer wieder. Elli war nirgendwo.

Die Luft in der Wohnung roch abgestanden. Auf ihrem Bett lag der alte Stoffhase, den ich ihr zu ihrem fünften Geburtstag geschenkt hatte. Alter Gauner hatte Elli ihn getauft. Als ich sie fragte, warum sie einen Stoffhasen so nannte, antwortete sie, du sagst doch auch immer alter Gauner zu mir. Und dabei kiekste ihre Stimme in dem kindlich-kehligen Tonfall, dem ich nichts abschlagen konnte. Ich hob den Hasen hoch, ein Ohr war angenäht, das Fell verschlissen. Er hatte viel erlebt mit uns, der alte Gauner.
Ich zündete mir eine Marlboro an, griff zum Handy, rief Elli an.
Später fuhr ich erneut den Weg ab, zweimal, dreimal, immer wieder.
Zuhause füllte ich ein großes Glas mit Wodka, stürzte es in einem Zug runter. Ihr Handy blieb abgeschaltet. Ich hinterließ eine Nachricht nach der anderen, rief ihre Freunde an. Ist Elli bei dir? Weißt du, wo Elli ist? Elli, Elli, Elli?
Elli war noch nie von zu Hause weggeblieben, ohne Bescheid zu sagen, sie war so zuverlässig, sie war mein Augenstern.

Ich erwachte vom Schrillen des Telefons. Das Licht war an, ich lag mit dem Kopf auf dem Tisch, die Hand in einer Schnapspfütze. Speichel war mir aus dem Mund gelaufen, ich rieb die Kruste mit dem Finger ab, fuhr mir über die Augen. Das Klingeln. Elli! Ich torkelte los, stolperte über eine Flasche, prallte gegen die Kommode. Im Fallen wischte ich eine Vase herunter, die Fotos, die Tischuhr mit der dämlich guckenden Elchfigur, alles krachte zu Boden, der Elch rollte in eine Ecke, ein Stück des Geweihs brach, das Gehäuse der Uhr zerbarst. Nur das Display blieb heil, fünf Uhr war es. Endlich, mit zitternder Hand nahm ich das Telefon ab. „Elli?“ Ich keuchte.
„Herr Meik? Endlich erreichen wir Sie. Ihre Tochter, wir müssen Ihnen sagen, dass … leider … Herr Meik? Herr Meik? Herr Meik?“

Es gab keinen Herrn Meik mehr, keinen MandelMeik, keinen Mann, der Liebe suchte, keinen Vater. Er war fort. Genauso wie Elli.
Sie war im Dunkeln eine andere Straße als sonst entlanggelaufen, ein Auto hatte sie erfasst.

An diesem Tag war es das erste Mal, dass ich die Mandeln roch, obwohl ich gar nicht am Stand arbeitete. Der Geruch war würzig, voller Röststoffe, vanillig und buttrig, aber er legte sich auf die Brust und wenn man Luft holte, biss es.
Ich roch sie auf der Straße, in der leeren Wohnung, auf dem Weg zum Arzt oder zur Polizei, ich roch sie, wenn ich Marina ausspähte wie ein krankes Wild, das den Wald verseuchte, ich roch Mandeln, wenn ich ihre Freunde suchte, das Auto, in das sie eingestiegen war.
Irgendwann ließ ich es. Der Mandelgeruch wurde schwächer. Ich verkaufte den Stand, zog weg, flirtete nie wieder mit einer Frau. Jeden Morgen um fünf Uhr klingelte mein Wecker.
In der Therapie sagten sie mir, keiner habe Schuld. Ich sagte: „Oder alle.“

***​

Die andere Straßenseite mit ihren Umrissen aus Schornsteinen, Antennen, Mauervorsprüngen und Lichtern hätte einem Ozeanriesen gehören können. Hoch und abweisend. Vor mir auf dem Boden Marlborokippen, eine neben der anderen aufgereiht. Zwanzig Stück. Als die drei aus dem Restaurant traten, wischte ich hastig mit der Fußspitze über die Reihe, ging langsam zu einem parkenden Auto, tat, als wollte ich einsteigen.
Vor der Tür des Restaurants umarmten sie sich. Marina sah abgespannt aus, müde. Um ihre Augen, ihren Mund waren Falten eingegraben, ich hatte sie vorher nur nicht bemerkt. Das Leben war wohl nicht immer gut mit ihr umgegangen. Unruhig zuckten ihre Augen hin und her, als ahnten sie meine Anwesenheit. Als Marina und der Mann gingen, starrte ich ihnen nach, zögerte, schluckte, zögerte immer noch, bis ihre Umrisse vor meinen Augen verschwammen.
Die junge Frau ging schnell. Ich musste laufen, um sie einzuholen. Ihr zierlicher Rücken tanzte vor meinen Augen, verlor die Konturen, verwandelte sich in den meiner Tochter und zurück. Was würde Marina sagen, wenn sie ihre Tochter nie wiedersah? Wie würde es ihr damit gehen? Ich spuckte auf den Boden. Ja, so war das mit dem Leben, dachte ich, es versetzt dir einen Schlag und alles ist anders. Du kommst nie wieder hoch. Du brennst. Dein Leben lang.
An der nächsten Straßenecke blieb sie stehen, zog eine Packung Zigaretten heraus. Ich wartete ein paar Meter entfernt, tat, als wollte ich die Klingelschilder eines Hauses lesen. Es war dunkel hier, nur eine einsame Straßenlaterne, in deren Lichtschein die ersten Mücken tanzten. Sie zündete sich eine Zigarette an, der Schein des Streichholzes tauchte ihre Augen für einen Moment in dunkle Schatten, ein zu Lebzeiten skelettierter Kopf. Zischend sog ich den Atem ein. Sie blickte auf, sah suchend in meine Richtung, wandte sich ab und lief weiter. Aus ihrem lässigen Gang wurden schnelle, unruhige Schritte. Manchmal hielt sie an, warf den Kopf nach hinten, ich stoppte und stellte mir vor, wie sie auf meine Geräusche lauschte. Dann rannte sie los. Unter einer Brücke holte ich sie ein. „Rennen Sie doch nicht, ich möchte Sie sprechen. Sie sind doch Marinas Tochter? Oder?“
Sie blieb stehen, schwankend, als ob ihr Körper die Flucht fortsetzen wollte. Sie wandte sich zu mir um. „Ja?“ Ihr Mund war verzogen, als würde sie weinen.
„Bitte, ich wollte Sie nicht erschrecken, Ihre Mutter … “
Im Geiste sah ich Marinas Gesicht vor mir. Wie es errötete und verblasste, wie die Augen sich zusammenzogen und starben, wenn sie begriff, es gab keine Tochter mehr, kein Kind. Es gab nichts Schlimmeres als das. Nein, nichts Schlimmeres. Ein Kreis schloss sich. Marina wiederzusehen, ihre Tochter, der Mandelgeruch. Mir war übel. Was wollte ich hier, was dachte ich da, meine Gedanken wirbelten, alles erträgt sich leichter, wenn du nicht allein bist in deinem Schmerz, was wollte ich hier, es wird leichter, wenn du den Schmerz teilst, ja, wenn du ihn teilst, teil ihn, teil ihn mit jemandem, teil ihn mit der, die so schuldig ist wie du. Was tu ich, was tu ich nur. Alles schmerzte, ich hielt mir den Kopf und den Bauch, krümmte mich. „Ich will Sie nach Hause bringen, Ihre Mutter, sie ist, nicht gut … nein, nicht gut.“
„Was hat Sie denn, ich habe sie doch eben noch … Wer sind sie überhaupt? Ich kenne Sie nicht.“
„Ein Freund, nur ein alter Freund.“ Mein Magen brannte, schmerzte so unendlich, wand sich wie die Strohpuppe in den Flammen, was tue ich, was tu ich nur.
„Welcher Freund bitte?“ Ihre Stimme klang kühl, geschäftsmäßig. Sie nahm ihr Handy heraus.
Ich schlug es ihr aus der Hand.
Mit einem Satz wich sie zurück, öffnete ihre Handtasche. Ich packte sie am Arm, riss ihr die Tasche aus der Hand und schüttete den Inhalt auf den Boden. Eine Spraydose kollerte auf die Straße. Tränengas. Ich lachte. Das passte, Marinas Tochter wollte mir die Augen ausglühen. Ein Stoß vor die Brust, ich stürzte, sie rannte los, ich rappelte mich auf, setzte ihr nach, warf mich von hinten auf sie, unsere Körper krachten auf die Straße. Sie wand sich. Ich drückte sie zu Boden, mit aller Kraft, presste ihren Kopf in den Dreck, sie sollte ruhig sein, verdammt, sie sollte einfach ruhig sein, wieso wollte sie mir nicht zuhören, umklammerte weiter ihren Kopf, quetschte ihn in den Dreck, als müsste ich eine Ratte bändigen. Endlich wurde sie ruhig. Ich drehte sie zu mir um, damit sie mich ansah. Ihre Augen waren geweitet. Aus einem Mundwinkel tropfte Blut, die Haut ihrer Wangen war abgeschürft. Ich legte meine Hand um ihren Hals. Sie war still jetzt, ganz still, nur da, unter meinem Finger, wo er fast ihr Ohr berührte, pochte eine Ader. Vorsichtig fuhr ich darüber, tupfte darauf, als wollte ich Zuckerkörnchen aufstippen. Ihre Augen starrten mich an. Ganz dunkel und voller Angst wie die eines kleinen Mädchens. In dem fahlen Licht sah die Ader aus wie eine winzige Nuss. Oder wie eine Mandel.
Von weither wehte Musik herüber, hatte ich das Lied früher schon einmal gehört? Wie hieß es? Ich wusste es nicht mehr. Vom Himmel sah man nur einen winzigen Ausschnitt, nach oben hin schnitt die Brücke ihn ab, doch genau in diesem Brückenbogen hing der Mond. Hing da wie eine riesige gelbliche Tablette, von der ein Stück abgebrochen war, schief, matt, beschädigt. Noch einmal strich ich über die Ader, ganz vorsichtig. Dann erhob ich mich und ging davon.

 

Ich habe eine Geschichte von Chutney kopieren dürfen. Es hat mächtig Spaß gemacht, weil ich Chutneys Geschichten sehr liebe. Die sind mir irgendwie sehr nahe. Das hat mich aber auch ganz schön ins Schwitzen gebracht. Chutneys Geschichten sind einfach in sich sehr rund. Sehr gut geschrieben und sehr schön zu lesen, aber auch schwierig, da irgendwie reinzugehen. Ich hab das für mich so gelöst, dass ich eine der Figuren gewählt und ihre Geschichte erzählt habe. Natürlich hat das alles noch immer mit Marina und einem Fest zu tun, aber ist auch ganz schön anders geworden. Oder steckte das vielleicht schon immer in Chutneys Geschichte? Wer weiß das schon: Das Feuerwehrfest

 

Liebe Novak,
was für eine Überraschung, meine allererste Geschichte hast du genommen, da war ich echt von den Socken! Und du hast dem, was @lakita damals in ihrem ersten Kommentar als gelungene U-Literatur bezeichnet hat, eine E-Variante an die Seite gestellt, die ich, zunehmend atemlos gelesen habe. Allein die Idee, den Mandelverkäufer zur Hauptperson zu machen, der so intensiv an Marinas Leben teilnimmt, ohne, dass sie es bemerkt. Und faszinierend, wieviele Themen du aus dem Feuerwehrfest aufgegriffen hast, bis hin zu dem Entschluss am Ende. Das fügt sich alles so nahtlos zusammen und wirkt wie ein düsterer Zwilling auf mich. Die Marina erkenne ich wieder, mutwillig und unbekümmert, was die Gefühle anderer betrifft. In meiner Geschichte geht das gut, der Wirtsjunge kommt über sie hinweg, nachdem er ihr eine Weile heimlich gefolgt ist. In deiner Geschichte trifft sie auf jemanden, der schon angezählt ist, voller Sehnsucht, bei dem sie Hoffnungen weckt und der dafür so böse bezahlen muss. Und vorbei ist die Leichtigkeit. Spätestens da habe ich vorne auf der Stuhlkante gesessen. Das Tochterthema hast du so aufgegriffen, dass es für die Geschichte wirklich Sinn macht, während es im Feuerwehrfest doch eher etwas aufgeblähtes Beiwerk ist. (Ich mag die Geschichte immer noch, kann aber heute nachvollziehen, warum manche sie etwas langatmig fanden.)
Ja, das Copywrite ist schon ein Phänomen. Man lässt jemanden ganz dicht heran und deine Geschichte hat mich schockiert, begeistert, traurig gemacht, am Ende auch etwas erleichtert. Ich musste sie wieder und wieder lesen und habe immer noch etwas Neues entdeckt.

„Da brennt er. Endlich! Der Winter muss brennen.“ Ich blickte in ihr gerötetes Gesicht und sagte: „Ich steh nicht auf Hinrichtungen.“
Er ist sympathisch und es wird sofort deutlich, dass dieser Mann keinen Raum hat für Oberflächlichkeiten.

Ich sah ihm hinterher, wie er einen Bogen beschrieb, wie er vor dem Himmel stand, für einen Moment im Blau gefroren, bis er wieder nach unten segelte. Und als habe der Kranz sie geboren, stand dort, wo er niederging, Marina. Schlank, aufrecht, lachend.
Oh, deine Sprache, was für eine wundervolle Bewegung, was für ein Rythmus. Schaumgeborene Venus musste ich denken. Noch ahnt man nichts.

Als hätte ich ich sie mit meinem Blick gebannt, blickte sie auf, schrak zusammen und hob die Hand. Erkannte sie mich? Grüßte sie mich etwa? Ich deutete auf meine Brust, nein, jemand anders war gemeint, ein Mann in der Reihe vor mir.
Raffiniert, wie da an einer Stelle noch einmal der Matthias aufblitzt. Wie eine Szene plötzlich Raum bekommt, einen neuen Platz, hier am Anfang.


Ich betrachtete ihren Nacken, den Kopf, den schmalen Rücken, und stellte mir vor, wie sich aus der Fassade des Hauses, an dem sie gerade vorbeilief, ein Stein löste, ein zweiter, dritter, immer mehr, eine herabstürzende Lawine aus Mauerbrocken, bis die Wand endgültig brach und Marina unter sich begrub.
Und hier wird klar, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt. Da bist du wirklich Meisterin, ein Bild zu brechen, es kippen zu lassen.

Ich rührte in den Mandeln, der Holzlöffel tanzte, die Tüten befüllten sich wie von allein.
Schönes Bild, der tanzende Löffel

Ich strich über meine Schürze, zog den Bauch ein, legte die Handschuhe weg, wischte meine Hände an einem Handtuch ab und zupfte an meinem Bart.
Süß. Das ist überhaupt sehr schön, wie du diesen ganzen Dialog da eingeflochten hast.

Drinnen war es leer. Mitten im Gastraum stand ein junger Mann und wischte die Tische. Vor ihm meine Mandelfrau. Sie hatte nicht bemerkt, dass ich ihr gefolgt war, so sehr starrte sie den Jungen an. „Na, ein Bier“, fragte der. Während er zapfte, schob er die Ärmel seines Hemdes zurück, Marina verfolgte seine Bewegungen, dann trat sie zu ihm. Ganz dicht. Er blickte auf.
Ich schlich hinaus. Durch das Fenster drang warmes Licht, auf dem Glas befand sich eine Schliere wie der Fingerabdruck eines Riesen.
Es ist eine irre Erfahrung, die selbe Szene aus einer anderen Perspektive zu sehen. So als ob der Film auf einmal dreidimensional ist. Die Schliere ist großartig. Hat wieder was von den alten Göttern, die in das Leben der Menschen eingreifen.

Als sie mich sah, verzog sie das Gesicht. Mit einer wegwerfenden Geste stieg sie in ein Auto.
Ich glaube, da hänge ich zu sehr an meiner Marina. So gemein ist sie für mich nicht. Das macht seine Wut auf sie später natürlich noch nachvollziehbarer, aber für mich würde es reichen, wenn sie ihn anguckt, ohne ihn recht zu erkennen und dann einsteigt.

Mittlerweile war es düster geworden, die untergehende Sonne tauchte den Himmel in dunkles Rot. Als hätte er Nasenbluten, dachte ich. Lichter flammten auf.
Großartig


Alter Gauner hatte Elli ihn getauft. Als ich sie fragte, warum sie einen Stoffhasen so nannte, antwortete sie, du sagst doch auch immer alter Gauner zu mir. Und dabei kiekste ihre Stimme in dem kindlich-kehligen Tonfall, dem ich nichts abschlagen konnte. Ich hob den Hasen hoch, ein Ohr war angenäht, das Fell verschlissen. Er hatte viel erlebt mit uns, der alte Gauner.
Das ist schon fast ein bisschen kitschig, aber es funktioniert, die Fallhöhe ist da.


Es gab keinen Herrn Meik mehr, keinen MandelMeik, keinen Mann, der Liebe suchte, es gab keinen Vater mehr. Er war fort. Genauso wie Elli.
Oh, wie furchtbar bitter.


Der Geruch war würzig, voller Röststoffe, vanillig und buttrig, aber er legte sich dir auf die Brust und wenn man Luft holte, biss es.
Der Mandelgeruch wird zur Qual.

ch roch die Mandeln auf der Straße, in der Elli gestorben war, in der leeren Wohnung, auf dem Weg zum Arzt oder zur Polizei, ich roch sie, wenn ich Marina ausspähte wie ein krankes Wild, das den Wald verseuchte, ich roch Mandeln, wenn ich ihre Freunde suchte, das Auto, in das sie eingestiegen war.
"wie ein krankes Wild, das den Wald verseuchte", das ist stark. Er tut mir so leid. Bei dem Fettgedruckten habe ich eine kleine Irritation, ob es um Elli oder um Marina geht.


In der Therapie sagten sie mir, keiner habe Schuld. Ich sagte: „Oder alle.“
In einem Satz deutlich gemacht, was in ihm vorgeht. Toll.

Marina sah abgespannt aus, müde. Um ihre Augen, ihren Mund waren Falten eingegraben, ich hatte sie vorher nur nicht bemerkt. Das Leben war wohl nicht immer gut mit ihr umgegangen.
Hier gibt es eine leise Hoffnung, weil er den Menschen in ihr sieht und nicht nur ein Feindbild. Weil er sie eigentlich immer noch mit einem liebenden Blick anschaut. Hier wirkt er einen Moment normal.

Sie zündete sich eine Zigarette an, der Schein des Streichholzes tauchte ihre Augen für einen Moment in dunkle Schatten, ein zu Lebzeiten skelettierter Kopf.
Oje.

Was wollte ich hier, was dachte ich da, meine Gedanken wirbelten, alles erträgt sich leichter, wenn du nicht allein bist in deinem Schmerz, was wollte ich hier, es wird leichter, wenn du den Schmerz teilst, ja, wenn du ihn teilst, teil ihn, teil ihn mit jemandem, teil ihn mit der, die so schuldig ist wie du.
Möglicherweise ist das entbehrlich. Es ist zuviel Erklärung, die man nicht mehr braucht. Da brennt was bei ihm durch. Die Gründe kennt man ja schon.

umklammerte weiter ihren Kopf, quetschte ihn in den Dreck, als müsste ich eine Ratte bändigen.
Starkes Bild

Endlich wurde sie ruhig. Ich drehte sie zu mir um, damit sie mich ansah. Ihre Augen waren geweitet. Aus einem Mundwinkel tropfte Blut, die Haut ihrer Wangen war abgeschürft.
"Okay, das wars", habe ich gedacht.

Vom Himmel sah man nur einen winzigen Ausschnitt, nach oben hin schnitt die Brücke ihn ab, doch genau in diesem Brückenbogen hing der Mond. Hing da wie eine riesige gelbliche Tablette, von der ein Stück abgebrochen war, schief, matt, unfertig.
Du hast es echt drauf, mit den Bildern.

Noch einmal strich ich über die Ader. Dann erhob ich mich und ging davon.
Und es ist wirklich verdammt nett von dir, dass du sie leben lässt. Im Feuerwehrfest läuft es am Ende auf die Möglichkeit einer zweiten erotischen Begegnung hinaus, hier auf die eines zweiten Todes. Der hat Wucht, der Text und ich bin dir sehr dankbar dafür, liebe Novak. Und ich bin ein bisschen stolz, dass mein Feuerwehrfest so eine Geschichte aus dir herausgelockt hat.

Herzliche Grüße von Chutney

 
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Hallo Novak,

die Geschichte hat mich gepackt. Ich habe sie ohne Unterbrechung gelesen und mittendrin sogar vergessen, was für Zitatstellen ich herausstellen wollte. Nach dem ersten Lesen bin ich emotional ergriffen, habe Mitleid und bin traurig. Unglaublich, wie du die Charaktere gebaut hast, auf der einen Seite erscheinen sie mir komplex und zusätzlich erkenne ich einen unbewussten, dunklen Wunsch.

Ich lese den Text ein weiteres Mal und versuche ihn zu analysieren, um auf der einen Seite deine gelungene Kreation herauszustellen und auf der anderen Seite davon zu lernen. Ich fokussiere mich dabei auf den Protagonisten MandelMeik:

Was ist sein Motiv? Was will er?

„Ich steh nicht auf Hinrichtungen.“
Der Protagonist scheint nichts von Gewalt zu halten und die wörtliche Rede dient als ein erster Berührungspunkt zwischen dem Leser und Protagonisten. Ich bekomme ein erstes Bild von ihm.

bis die Wand endgültig brach und Marina unter sich begrub.
Das hat mich als Leser überrascht, der Protagonist wird komplexer und ich frage mich, was in ihm vorgeht. Mir kommt es vor, als würde ein innerer Konflikt in ihm herrschen. Was treibt ihn an, was will er?

Elli, mein Augenstern. Sie würde sich für mich freuen, wenn ich mal wieder einen Flirt probierte.
sie war mein Augenstern.
Seine Tochter Elli ist das entscheidende Motiv ("mein Augenstern") in seinem Leben und sie ist das Wichtigste, was es auf der Welt gibt. Zudem verknüpft der Protagonist den Flirt mit Marina in Gedanken mit seiner Tochter, die sich um ihn sorgt und die alles für ihn ist.

Er hatte viel erlebt mit uns, der alte Gauner.
Dieser Satz verdeutlicht die tiefe Beziehung zwischen Vater und Tochter und dient zugleich als Startpunkt für den folgenden Verlust.

Es gab keinen Herrn Meik mehr, keinen MandelMeik, keinen Mann, der Liebe suchte, es gab keinen Vater mehr. Er war fort. Genauso wie Elli.
Der Protagonist verliert seine Identität, alles erscheint ihm als unwichtig, was vorher bedeutend war. Hieran kann die tiefe Liebe zu seiner Tochter verdeutlicht werden. Ich war hier voller Mitleid für den Protagonisten, eine sehr gelungene Stelle, ergreifend.

In der Therapie sagten sie mir, keiner habe Schuld. Ich sagte: „Oder alle.“
Er ist voller Schmerz und Verzweiflung, sonst wäre er nicht in Therapie. Zudem scheint er keinen Weg gefunden zu haben, wie er damit umgehen soll. Sein Motiv verändert sich hier, jetzt will er mit dem Schmerz und der Ungerechtigkeit fertig werden.

Mein Magen brannte, schmerzte so unendlich, wand sich wie die Strohpuppe in den Flammen, was tue ich, was tu ich nur.
Von Natur aus ist er kein gewalttätiger Mensch, wie bereits ganz zu Anfang gezeigt worden ist. Jedoch hat er einen inneren Konflikt, will unbedingt mit seinem Schmerz zurechtkommen und verliert sich doch nur weiter darin. Brilliant.

Noch einmal strich ich über die Ader. Dann erhob ich mich und ging davon.
Der Höhepunkt des inneren Konflikts, wobei er sich dafür entscheidet, sie nicht zu töten. Das zeigt, wie komplex der Protagonist ist, wie es in ihm rumort.


Ein wahrlich gelungener Text, besonders beeindruckend finde ich die Entwicklung des Protagonisten. Er kommt mir so lebendig vor, dass ich mit ihm mitfühle. Ich hoffe, dass er mit seinem Schmerz zurechtkommt und habe ihn klar vor meinem inneren Auge. Beeindruckend!

 
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Liebe Chutney, du bist die erste, und dann so ein schöner Kommentar. ich muss mal sagen, ich nehme das Schreiben eigentlich gar nicht mehr richtig ernst, also schon so, dass es mir wichtig ist, ordentlich zu schreiben. Aber ich MUSS nicht mehr schreiben. Früher war das anders. Und trotzdem fühlt man sich irgendwie gut, wenn man das Geschichtenbaby gepostet hat. Und der erste Kommentar ist was Besonderes.
Ja, ich hab deine allererste Geschichte genommen, ich sah mich echt nicht in der Lage, bei vielen deiner Geschichten überhaupt reinzukommen, sie sind nämlich sehr rund und alles passt. Hier in dieser Geschichte wollte ich erst den jungen Kerl aufs Korn nehmen, aus seiner Perspektive schreiben. Dann hatte ich einen Serienkiller vor, der Marina stalkt, und dann sonstwas macht, aber das war mir zu fies für deine arme lebenslustige Marina, obwohl, das hätte schon was ... aber dann hat sich MandelMeik in mein Herz geschlichen. Und das hat dann Spaß gemacht, ihn auszugestalten.

wirkt wie ein düsterer Zwilling auf mich.
dDs ist ein tolles Kompliment. Und ist auch das, was ich ein wneig probieren wollte. Man weiß ja nie, was der Mensch, der einem gegenübersteht für eine Geschichte, wie er mit einem verknüpft sein kann, ohne dass man selbst das merkt.

In deiner Geschichte trifft sie auf jemanden, der schon angezählt ist, voller Sehnsucht, bei dem sie Hoffnungen weckt und der dafür so böse bezahlen muss. Und vorbei ist die Leichtigkeit.
ja, dein "verlebt" in der Beschreibung seines Aussehens hat mir den Weg gewiesen.

Spätestens da habe ich vorne auf der Stuhlkante gesessen.
Super

Ja, das Copywrite ist schon ein Phänomen. Man lässt jemanden ganz dicht heran
Ich bin ja erst das zweite Mal dabei, aber ich muss sagen, das hat was. Nun hatte ich es, wenn auch irgendwie schwer mit deinen Geschichten, aber auch andererseits sehr sehr leicht, denn ich mag deine Geschichten halt sehr, die Art wie du schreibst. Das ist mir halt sehr nah. Ich wäre mal gespannt, wenn man jemanden kopieren muss, dessen Geschichten einem eher fremd sind.

„Da brennt er. Endlich! Der Winter muss brennen.“ Ich blickte in ihr gerötetes Gesicht und sagte: „Ich steh nicht auf Hinrichtungen.“
Er ist sympathisch und es wird sofort deutlich, dass dieser Mann keinen Raum hat für Oberflächlichkeiten.
ich muss mal sagen, ich liebe diesen Satz. Ich bin total froh, dass er mir in den Kopf gekommen ist. Liegt vielleicht daran, dass ich solche Winterverbrennungen selbst schon immer etwas morbide fand. Und ja, so eine Aussage ist eine gute Möglichkeit, jemanden zu charakterisieren.


Oh, deine Sprache, was für eine wundervolle Bewegung, was für ein Rythmus. Schaumgeborene Venus musste ich denken.
:D Hehe, zu viel des Lobes. Ich gucke viel Filme. Vielleicht gewöhnt man sich dadurch an, in solchen Bildsymbolen zu sehen. Hat manchmal auch Nachteile, weil einem zu gewissen Zeiten immer dasselbe einfällt. In dieser Zeit war mein bildliches denken sehr von dem fetten Vollmond, den es vor einiger zeit gab, geprägt.

Und hier wird klar, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt. Da bist du wirklich Meisterin, ein Bild zu brechen, es kippen zu lassen.
Ja, die Stelle mag ich auch sehr.

Es ist eine irre Erfahrung, die selbe Szene aus einer anderen Perspektive zu sehen. So als ob der Film auf einmal dreidimensional ist. Die Schliere ist großartig. Hat wieder was von den alten Göttern, die in das Leben der Menschen eingreifen.
Ich muss sagen, das hat mir auch sehr gefallen, hinter dem Meik mit reinzuschleichen. Das ist ja eine sehr schöne Szene in deiner Geschichte, wie die Marina den Jungen anmacht und dem im Prinzip das Essen aus dem Mund fällt. Und das dann nochmal so zu beschreiben, dass der Leser merkt, was sich da anbahnt, nur eben aus der Sicht eines, der das gar nicht so genau mitkriegt, der das nur interpretieren kann, das hat schon ziemlichen Spaß gemacht.

Als sie mich sah, verzog sie das Gesicht. Mit einer wegwerfenden Geste stieg sie in ein Auto.
Ich glaube, da hänge ich zu sehr an meiner Marina. So gemein ist sie für mich nicht. Das macht seine Wut auf sie später natürlich noch nachvollziehbarer, aber für mich würde es reichen, wenn sie ihn anguckt, ohne ihn recht zu erkennen und dann einsteigt.
Da hast du recht, ich hab auch lange hin- und herüberlegt. Du willst die Marina nicht so sehen, aber im Prinzip könnte sie schon mal sowas machen, ohne dass sie es wirklich böse meint. Und wie der Meik sie wahrnimmt ist ja nochmal was anderes. Was mich immer wieder hat stocken lassen, das ist, dass sie in der Originalgeschichte ja nichts weiter macht als ins Auto zu steigen. Ich muss das mal ventilieren, kann schon gut sein, dass ich die Stelle etwas abschwäche. So nach dem Motte, sie sieht durch ihn durch und er steht da mit dem zerknitterte Flyer in der Hand.

Die Stelle mit dem alten Gauner, also der Stoffhase, ja, da habe ich auch überlegt, ob ich das irgendwie versachlichen soll oder wenigstens ein ganz ein anderes Viecherl wähle, aber dann ist mir die Zeit davongelaufen. Und ich ließ es so. Im Moment denke ich auch, es geht, und sollte bleiben, weil da ja, wie du sagst, eine Fallhöhe hinmuss.

"wie ein krankes Wild, das den Wald verseuchte", das ist stark. Er tut mir so leid. Bei dem Fettgedruckten habe ich eine kleine Irritation, ob es um Elli oder um Marina geht.
Beim Fettgedruckten kann ich ja noch mal ein Wort einfügen, dann gibt es keine Irritation mehr.

Möglicherweise ist das entbehrlich. Es ist zuviel Erklärung, die man nicht mehr braucht. Da brennt was bei ihm durch. Die Gründe kennt man ja schon.
Dieses Durchbrennen wollte ich in seiner erlebten Rede zeigen. Ich schaue mal, und denke nach, was entbehrlich ist.

Der hat Wucht, der Text und ich bin dir sehr dankbar dafür, liebe Novak. Und ich bin ein bisschen stolz, dass mein Feuerwehrfest so eine Geschichte aus dir herausgelockt hat.
Ja, stolz kannst du sein auf deinen Text. Auf deine Texte. Und ich auch ein bisschen, weil, wenn ein Text Wucht hat, das ist schon was.
Danke für das Lesen und deinen aufbauenden Kommentar nach einer so langen Schreibpause.

Liebe Grüße zurück von Novak


Hallo @AMG,

ich glaube, wir kennen uns noch gar nicht, du bist auch noch gar nicht so lange da, umso mehr freut mich, dass du da schon so viel auch fremde Texte kommentierst.
Über deinen Kommentar hab ich mich sehr gefreut. Ich hab ja schon oben und ich glaube, überall sonst auch, hingeschrieben, dass ich eine lange Schreibpause hatte, da geht das Schreiben irgendwie nicht mehr so recht von der Hand, umso froher bin ich, dass sich die Mühe, was dich betrifft, gelohnt hat.

Unglaublich, wie du die Charaktere gebaut hast, auf der einen Seite erscheinen sie mir komplex und zusätzlich erkenne ich einen unbewussten, dunklen Wunsch.
Ja, ich fürchte, ich hab es generell ganz gerne mit dunklen Wünschen. Irgendwie driften viele meiner Geschichten in diese Richtung ab.

Der Protagonist scheint nichts von Gewalt zu halten und die wörtliche Rede dient als ein erster Berührungspunkt zwischen dem Leser und Protagonisten. Ich bekomme ein erstes Bild von ihm.
Es ist manchmal ganz gut, wenn so ein erstes Bild einer Person nicht direkt aufgeschrieben wird, sondern indirekt gezeigt wird. Das Bild von der Hinrichtung geht ja auch in die Richtung seines Motivs: Schuld, Bestrafung, Sühne. Er bestraft sich ja selbst am meisten. Für was eigentlich? Und eigentlich will er dieses Brennen, die Strafe, die selbstauferlegte, nicht. Nicht für sich, aber auch nicht für andere. Oder wenn schon für alle. :D

Das hat mich als Leser überrascht, der Protagonist wird komplexer und ich frage mich, was in ihm vorgeht. Mir kommt es vor, als würde ein innerer Konflikt in ihm herrschen. Was treibt ihn an, was will er?
Ja, ich muss sagen, das hat mir auch ziemlichen Spaß gemacht. Ist überraschend ... und bei einigen Lesern mag das auch schief gehen, zu schnell sein oder sogar zu plump oder sonstwas, aber bis hier zu dieser Stelle ist (außer der brennenden Puppe und der Assoziation mit der Hinrichtung) eigentlich nichts besonders Schlimmes passiert. Im Gegenteil. Aber ab jetzt , ab diesem Bild in Schräglage, diesem gedanklichen Einbrechen in die Normalität, hat man die Türen geöffnet. Das mag ich einfach, das ist ein Art Foreshadowing, das das Gewaltpotential in ihm zeigt. Ab da rechnet man halt mit allem Möglichen.

Seine Tochter Elli ist das entscheidende Motiv ("mein Augenstern") in seinem Leben und sie ist das Wichtigste, was es auf der Welt gibt. Zudem verknüpft der Protagonist den Flirt mit Marina in Gedanken mit seiner Tochter, die sich um ihn sorgt und die alles für ihn ist.
Ja, das siehst du richtig, also diesen letzten Teil, das war gar nicht so geplant. Aber ich habe es dann so gelassen, empfinde es auch so, dass seine gedankliche Verknüpfung seinem Motiv noch mehr Gewicht gibt. Und ja klar, MandelMeik hatte es mit Sicherheit nicht leicht, der Tod seiner Frau, er lebt mit der Tochter, und Mandeln braten ist mit Sicherheit kein sehr lukrativer Job, er muss für sie sorgen, sowas verbindet natürlich auch.

Dieser Satz verdeutlicht die tiefe Beziehung zwischen Vater und Tochter und dient zugleich als Startpunkt für den folgenden Verlust.
Oh toll, ich hatte schon überlegt, den Satz rauszuschmeißen, weil er ja wiederholt, aber ich hab ihn gelassen ,denn eigentlich sehe ich das wie du. Der Satz zeigt tatsächlich die Beziehung der beiden und auch, dass sie harte Zeiten hatten.

Der Protagonist verliert seine Identität, alles erscheint ihm als unwichtig, was vorher bedeutend war. Hieran kann die tiefe Liebe zu seiner Tochter verdeutlicht werden. Ich war hier voller Mitleid für den Protagonisten, eine sehr gelungene Stelle, ergreifend.
Das freut mich sehr.

Sein Motiv verändert sich hier, jetzt will er mit dem Schmerz und der Ungerechtigkeit fertig werden.
Genau.

AMG, das hat mich total gefreut, dass du mir deine Zeit, dein Lesen, aber eben auch deine Gedanken geschenkt hast. Das hat mich darin bestärkt, dass es doch manchmal ganz cool ist, den Hintern zum Schreiben hochzuhieven.
ich wünsche dir viel Spaß und viel Erfolg für dein eigenes Schreiben. hab gelesen in deinem Profil, dass du dich gerne verbessern möchtest.
Vielen Dank noch einmal jedenfalls und man liest sich sicherlich wieder. Werde ganz bestimmt, wenn ich die Copytexte kommentarmäßig etwas mehr im Griff habe, bei einer deiner Geschichten vorbeischauen. Gar nicht als direkten Dank oder so, sondern einfach so. Und vielleicht bist du beim nächsten Copy dann ja auch dabei.
Bis demnächst
Novak

 

Hallo @Novak

Super Text!
Dein Stil verknüpft Anspruch und Unterhaltung und erzeugt einen richtig guten Flow.
Der Protagonist ist glaubwürdig: Ich akzeptiere seine irrationale Schuldverschiebung aufgrund der emotionalen Ausnahmesituation. Andernfalls wäre mir der Typ etwas zu irre gemalt.

Mir fallen keine Schwächen auf. Ausgezeichnetes Stück!

Grüße
Kellerkind

 

Sehr starke Geschichte, liebe @Novak !
Eigentlich will ich gar keine Stelle haurausheben, weil der Text insgesamt bestens funktioniert und mitreißt. Und ich mache es doch. Um deine Flughöhe in sicheren Grenzen zu halten, gibts aber auch Mecker. :D

Auf dem Marktplatz verbrannten sie den Winter.
Grandioser Einstieg. Da konnte ich gar nicht anders und musste dranbleiben.

Keine zehn Meter vor mir, ihre Hüften schwankten im Takt ihrer Schritte von einer Seite auf die andere.
Schwankende Hüften assoziiere ich eher mit einem in der Krone. Ist das gewollt?

Eine andere Zeit, ein anderes Leben. Wie lange ist das her?
Ich weiß, das ist schwer, in der Zeit zu springen und die Lesenden nicht abzuhängen. Aber (Vorschlag!) "Wie lange war das her?" ohne den Satz davor, wäre doch hinreichend, oder?

Ich stand hinter der Theke meines Wagens, rührte in der Karamellmasse, fügte Mandeln hinzu, rührte weiter. Die Hitze unter dem Kupferkessel trieb mir den Schweiß auf die Stirn. „Eine Tüte? Oder auch zwei? Bitte sehr!“ Die Leute drängten sich um den Stand, sie liebten den MandelMeik, den Kessel, die Handschuhe mit den aufgedruckten Elchen, den Duft nach Vanille, Butter und Mandeln.
Zack! Aus dem Leben mitten rein in deine Welt. Perfekt.

Später am Abend suchte ich sie. In der Hand knitterte einer meiner Flyer, die Mobilnummer darauf hatte ich mit der Hand geschrieben.
"knitterte" muss einem ja auch erst mal einfallen :herz:

Sehr gerne gelesen und keine Sekunde ablenken lassen. Das ist mein erster Text in dieser Kreativwerkstatt (die ich bislang erfolgreich verpennt habe), aber sicher ein guter Einstieg. Da muss ich mir glatt mal das "Original" vornehmen.

Fein gemacht!

Grüße
Joyce

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

ich kommentiere jetzt erst deine Geschichte, ohne die von @Chutney vorher gelesen zu haben, lese dann Chutneys und kommentiere dann, was mir da zum Zusammenspiel der beiden einfällt. So hast du zumindest auch einen unverfälschten Eindruck zu deiner Geschichte.
Die Story habe ich sehr gern gelesen. Du hast eine sehr detailreiche und fantasievolle Art zu schreiben und die hat auch Eingang in diese Story gefunden. Also mir gefällt es. Am besten finde ich, wie du Meik beschrieben hast. Ich habe ihn dir mit all den Illusionen, die er sich so macht, und der Traurigkeit abgekauft. Das ist ein Text, den ich wieder und wieder lesen könnte und immer wieder hätte ich etwas Neues zu entdecken.

Auf dem Marktplatz verbrannten sie den Winter.

Ein sehr schöner Einstieg!

„Ich steh nicht auf Hinrichtungen.“

das fand ich bemerkenswert. Nur ein Satz, aber er macht eine Haltung klar, deine Figur stark, gibt dem Ganzen sogar was Politisches.

wirbelte ein Kranz mit bräunlichen Blüten in die Luft

woran hast du da gedacht? bräunliche Blüten?

Ein jäher Geruch nach gebrannten Mandeln stach mir in die Nase.

ist mir ein bisschen zu dolle die Formulierung. Stechen ist so negativ. Es ist schwer zu beschreiben, was das in der Nase macht. Es ist ja in erster Linie, dass man das riecht, einatmet, dass das förmlich in der Nase schmeckt, man vielleicht sogar Hunger bekommt.

Die Gesichter der Menschen um mich herum verschwammen, nur Marinas Gesicht blieb klar

hattest einige Stellen mit Dopplungen

Als hätte ich ich sie mit meinem Blick gebannt, blickte sie auf

drängte mich an zwei überdimensionalen Schmetterlingen vorbei, verlor Marina aus den Augen, drängte weiter

wo Markt und Schmelzerstraße sich kreuzten

ist das ein fiktiver Ort, den du beschreibst? Die Straßen um den Markt einer Stadt herum haben eigentlich immer sehr charakteristische Namen, die mit der Entstehung der Städte um den Markt als Zentrum zusammenhängen. Die trugen oft den Namen des Gewerbes, was dort angesiedelt war: Fleischergasse, Kutscherstraße usw., wenn sie nicht im Nachhinein umbenannt wurden. Da habe ich mich gewundert, ob in der Nähe eines Marktes wirklich je 'Schmelzer' also Eisen-, Glasschmelzer usw. angesiedelt waren.

Ich betrachtete ihren Nacken, den Kopf, den schmalen Rücken, und stellte mir vor, wie sich aus der Fassade des Hauses, an dem sie gerade vorbeilief, ein Stein löste, ein zweiter, dritter, immer mehr, eine herabstürzende Lawine aus Mauerbrocken, bis die Wand endgültig brach und Marina unter sich begrub.

hat mir sehr gut gefallen diese plötzliche, destruktive Fantasie. Das ist emotional.


warum setzt du die linksbündig und nicht zentriert?

Wieder kicherten die Leute, einige klatschten, sie mochten diesen kleinen Flirt. Genauso wie ich. Ich reichte Marina die Tüte. „Du kriegst alles, was du willst. Die Tüte geht aufs Haus. Bis später.“ Sie nickte und zwinkerte mir zu.
Später am Abend suchte ich sie. In der Hand knitterte einer meiner Flyer, die Mobilnummer darauf hatte ich mit der Hand geschrieben. Groß und gut lesbar. Was wollten solche Frauen beim ersten Date? Kino? Oder Picknick? Oder lieber doch Pizza?

Habe ich dir abgekauft. Sehr gute Charakterzeichnung, finde ich.

Sie hatte nicht bemerkt, dass ich ihr gefolgt war, so sehr starrte sie den Jungen an

das fand ich etwas schief.
würde schreiben: Sie konnte mich nicht bemerkt haben, so wie sie den Jungen anstarrte.

Drinnen war es leer. Mitten im Gastraum stand ein junger Mann und wischte die Tische. Vor ihm meine Mandelfrau. Sie hatte nicht bemerkt, dass ich ihr gefolgt war, so sehr starrte sie den Jungen an. „Na, ein Bier“, fragte der.

das fand ich etwas umständlich formuliert. Hier gibt es drei Bezeichnungen für eine Person und ich denke beim Lesen: ist das jetzt dieselbe?

Marina verfolgte seine Bewegungen, dann trat sie zu ihm.

Das würde ich mir etwas genauer wünschen. Was heißt das, den Bewegungen folgen? Mit den Augen? Mit dem ganzen Körper sogar? Und wie sieht das aus?

Als sie mich sah, verzog sie das Gesicht. Mit einer wegwerfenden Geste stieg sie in ein Auto.

das fand ich interessant. Ich habe wie automatisch selbst eine wegwerfende Geste gemacht (mach ich öfters beim Lesen, um das nachzuvollziehen). Im Nachhinein wusste ich aber nicht genau, was sie damit jetzt eigentlich meinte. Meinte sie das freundlich, so von wegen: Vergiss diesen Typen, den ich da gerade abgeknutscht habe, bedeutet mir nichts. Oder meint sie: Mach, dass du wegkommst. Ich verziehe das Gesicht, wenn ich dich sehe, so scheußlich bist du.

Ich bog in die Hermannstraße ein, das war länger, aber ruhig und voller Grüngestrüpp, wie Elli es liebte

dachte zuerst Grüngestrüpp wär eine Musikrichtung :lol: mit dem Grunge verwandt, der Grüngestrüpp

Alter Gauner hatte Elli ihn getauft.

ein süßer Kuscheltiername

Sie war im Dunkeln eines andere Straße entlanggelaufen, ein Auto hatte sie erfasst.

eine andere? Was heißt das, sie war eine andere Straße entlanggelaufen? Eine, die sie normalerweise nicht geht?

Das mit dem "ein Auto hatte sie erfasst" ist vielleicht schon ein bisschen oft verwendet worden.

An der nächsten Straßenecke blieb sie stehen, zog eine Packung Zigaretten heraus. Ich blieb ein paar Meter entfernt stehen,

Wdh.

Sie blickte auf, schnell wandte ich mich ab. Sie lief wieder

auch etwas wiederholend

tupfte darauf, als wollte ich Zuckerkörnchen aufstippen

wunderbarer Vergleich!

Dann erhob ich mich und ging davon.

In diesem 'sich erheben' wird sie nicht sichtbar. Obwohl er sie doch gerade noch festhält, oder? Da würde ich gerne sehen, ob er sie loslässt oder einfach, was mit ihr ist, sie nochmal mit im Bild haben.

So, bis hierhin mein Leseeindruck, ohne den Text von Chutney gelesen zu haben.

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Oha, die Feuerwehrfest-Geschichte ist auch echt gut. Kompliment @Chutney. Ich lese überhaupt keine Erotik, aber hier hast du mich. Kurz wars mir etwas viel Brustgeknete, aber ich bin an das Genre auch einfach nicht gewöhnt. Die Story ist echt sauber geschrieben und hat einen schönen Dreh zum Schluss.

Zum Thema "U-Geschichte" wie Lakita das getauft hat :lol:

Sie zuckte mit den Schultern. „Schließ mich ein.“
Er starrte sie fassungslos an.
„Oder nein, ich weiß noch was Besseres.“ Damit zog sie sich ihr Kleid über den Kopf und drückte es ihm in die Hand. „Hier, nimm´ es mit.“
„Gefall' ich dir?“
„Hey,“ fragte sie „Willst du mich haben?“

da klang für mich auch sehr viel Verzweiflung an. Vielleicht habe ich das auch nur so wahrgenommen. Aber ich habe da durchaus von psychologischen Konflikten auf hohem Niveau gelesen.

Jetzt wieder zu deinem Text, Novak. Wirklich schön, was du aus Chutneys Vorlage gemacht hast. Wirklich eine tolle Idee für ein CW. Es hat viel Spaß gemacht, eure Geschichten im Wechsel zu lesen. Besonders natürlich die Szene am Mandelstand. Als das in Chutneys Story kam, dachte ich sofort: Ich weiß, was du nicht weißt, Mädchen.
Was ich sagen will: Die Stories ergänzen sich wunderbar. Ist fast wie so ein Hyperlink innerhalb einer Geschichte ("Klicke auf den Mandelverkäufer, um sein Version der Geschichte zu hören").
Nochmal: Hat mir gefallen.

LG
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kellerkind, dein Besuch hat mich sehr gefreut. Vielleicht hast du es in einer anderen Antwort lesen können, ich hab schon lange nichts mehr geschrieben, um so mehr hat mich gefreut, dass du von einem guten Flow sprichst. Du bist ein ehrlicher, kritischer Mensch, da freut mich das einfach.

Andernfalls wäre mir der Typ etwas zu irre gemalt.
Hihi, da hast du Recht. Ich hab wohl einen Hang zu etwas irren Typen in vielen meiner Geschichten. Und wenn sie es nicht schon sind, dann werden sie es zumindest.

Ich akzeptiere seine irrationale Schuldverschiebung aufgrund der emotionalen Ausnahmesituation.
Ja, so sehe ich das auch. Er hat den Verlust der Tochter nie wirklich überwunden. Und da kommt so viel zusammen in dieser Nacht. Ja, das kann man als Ausnahmesituation sehen.

Noch einmal, Kellerkind, dein liebenswürdiger Kommentar hat mir den Tag versüßt. Vielen lieben Dank für den Besuch.
Ich wünsch dir alles Gute und hoffe, es geht dir besser.
Liebe Grüße von Novak


Und hallo, liebe Joyce,
ich hoffe, es geht dir gut, hab ja gesehen, du hast einen neuen Text veröffentlicht, mal einen ganz anderen. Hatte leider noch keine Zeit, ihn richtig zu genießen.
Dein Lob, dass der Text funktioniert hat mich natürlich sehr gefreut.
Über meine Flughöhe musst du dir keine Sorgen machen, ich weiß, das ist ja nur als nette Rede gemeint. Trotzdem musste ich grinsen, weil ich bin ein so überaus selbstkritischer Mensch, ich dachte wirklich, der Text ist nichts. Das ist kein fishing for compliments oder wie das heißt, sondern ich kann vieles, was ich tue nicht gut einschätzen. Bin eher zweiflerisch, von daher rüssele ich generell eher am Boden lang. Den Mecker nehme ich trotzdem sehr gerne.

Ja, der erste Satz gefiel auch mir. Beweist mal wieder, wie wahnsinnig wichtig es ist, einen guten Einstieg zu finden. Wenn man den Leser erst mal drin hat in seiner Geschichtenkneipe, geht er so schnell nicht wieder raus und verzeiht auch mal was.

Zu den schwankenden Hüften sag ich mal, dass ich das Wort bewusst gewählt hatte. Aber nicht um anzuzeigen, dass Marina betrunken ist, sondern ich wollte kein so positiv besetztes Wort wählen wie "wiegten". Da sollte eine klitzekleine negative oder zumindest keine deutlich positive Note in der Wahrnehmung enthalten sein, für den Leser muss ja das Bild danach, die Gesteinsbrocken auf sie draufdonnern zu lassen, zwar überraschend kommen, aber er muss es auch mitmachen. Und meine Überlegung war, dass ich das steuern kann durch das bewusste Verwenden von Wörtern mit entsprechender inhaltlicher Bedeutung bzw. durch eine Entwicklung. Ist trotzdem auf meiner inneren Liste, noch mal draufzuschauen.

Ich weiß, das ist schwer, in der Zeit zu springen und die Lesenden nicht abzuhängen. Aber (Vorschlag!) "Wie lange war das her?" ohne den Satz davor, wäre doch hinreichend, oder?
Bisher finde ich meines besser. Ich verstehe aber ohnehin nicht den Drang, Zeitsprünge gar nicht mehr be"schreiben" oder in ein Bild fassen zu wollen. Es ist immer getellt, das ist klar, aber ich kenne so viel wunderbare Weisen, wie Autoren das machen. Meine mag nicht so dolle sein, aber "wie lange war das her" wäre mir zu wenig. Da sehe ich noch keinen Grund das kürzen zu müssen. Trotzdem, auch das ist auf meiner inneren Liste. Manchmal sieht man das ja einen Tag oder auch nur eine Stunde später anders.

"knitterte" muss einem ja auch erst mal einfallen :herz:
Da bin ich richtig froh, dass du es positiv heraushebst. Ich mochte den Eoinfall zwar ganz arg, weil das so schön zeigt, wie er den Flyer vor lauter Nervosität in den Händen zerkrumpelt. Aber es ist ja streng genommen eine eher ungewöhnliche Verwendung des Verbs. Ich hatte schon mit Schelte gerechnet. Also danke dafür.

Das ist mein erster Text in dieser Kreativwerkstatt (die ich bislang erfolgreich verpennt habe), aber sicher ein guter Einstieg.
Das Original solltest du dir unbedingt vornehmen. Ich nehme an, dass es dir gefällt. Und ansonsten gehe ich schwer davon aus, dass du beim nächsten Copy dabei bist. Ich freu mich schon darauf. Für mich ist das einfach eine gute Gelegenheit mal wieder zum Schreiben zu kommen, hätte ich keinen Termin würde ich nichts schreiben und schon gar nichts abgeben, sondern lieber auf meinem Cajon rumdreschen. Bisher war das eine wirklich gute Entscheidung, beim Copy mitzumachen.
Bis demnächst.Viele Grüße von Novak
Lieber @Carlo Zwei ,

lieben Dank schon gleich mal vorweg für das Lesen, die Aufmunterung, aber auch für die intensive Auseinandersetzung mit dem Text.
Ich mache das eigentlich ähnlich wie du, ich lese zuerst den Copytext, erst dann, wenn ich ihn nicht schon gelesen habe, den Originaltext. Es ist oft ganz erstaunlich, an welch schöne Texte man da rankommt. Sie sind vielleicht entstanden, bevor man sich hier angemeldet hat, oder wurden in einer Zeit gepostet, in der man grad mal nicht da war. Jedenfalls ist es eine wunderbare Gelegenheit, in alten Texten zu kramen. Schade generell, dass die so oft in der Vergessenheit verschwinden. Aber ich verliere mich. Jedenfalls muss das Copy für mich als eigenständige Geschichte funktionieren, sollte aber schon irgendwas mit dem Original zu tun haben.
Von daher hast du mit diesem Urteil:

Es hat viel Spaß gemacht, eure Geschichten im Wechsel zu lesen. Besonders natürlich die Szene am Mandelstand. Als das in Chutneys Story kam, dachte ich sofort: Ich weiß, was du nicht weißt, Mädchen.
Was ich sagen will: Die Stories ergänzen sich wunderbar. Ist fast wie so ein Hyperlink innerhalb einer Geschichte ("Klicke auf den Mandelverkäufer, um sein Version der Geschichte zu hören").
mir eine ganz große Freude gemacht. Chutney schrieb schon von einem düsteren Zwilling. Und du hast den Zusammenhang nochmal erklärt. Hyperlink, interessantes Wort dafür.
Mir macht das Copy nur Spaß, wenn ich nicht allzu nahe am Copy bleibe, also ich will schon quasi etwas ganz Neues machen, aber man soll den Zusammenhang sehen. Das ist meine Weise. Ich bin aber auch total überrascht, wie kreativ die anderen das Kopieren ausloten, wie nah oder auch wie weit sie da gehen. Ist schon sehr spannend alles. Von daher liebe ich es auch ein wenig, die Copys alle zu kommentieren. Jedenfalls, wenn man das schafft.

Die Story habe ich sehr gern gelesen. Du hast eine sehr detailreiche und fantasievolle Art zu schreiben und die hat auch Eingang in diese Story gefunden. Also mir gefällt es. Am besten finde ich, wie du Meik beschrieben hast. Ich habe ihn dir mit all den Illusionen, die er sich so macht, und der Traurigkeit abgekauft. Das ist ein Text, den ich wieder und wieder lesen könnte und immer wieder hätte ich etwas Neues zu entdecken.
Das lass ich einfach mal für sich stehen und berge es in meinem kleinen Schreiberherz. Das braucht nämlich Lob zum Laufen und Mecker für die Geschwindigkeit.
„Ich steh nicht auf Hinrichtungen.“
das fand ich bemerkenswert. Nur ein Satz, aber er macht eine Haltung klar, deine Figur stark, gibt dem Ganzen sogar was Politisches.
Ja, ich bin auch echt froh, dass mir das eingefallen war. Das charaktersiert den Mann mit einer Anwort. In einer anderen Antwort schrieb ich, dass mir selbst, also mir ganz persönlich diese Verbrennungen nicht so gefallen. Wahrscheinlich fällt einem dann leichter sowas ein.

woran hast du da gedacht? bräunliche Blüten?
Wenn ich Texte schreibe, das war schon immer so, lese ich viel drumrum, assoziiere und recherchiere zu allem Möglichen. Hier war es so, dass ich auf ein Eisenacher Fest stieß, da gibt es in der Zeit vor Ostern eine Streitrede zwischen Winter und Sommer. und dann wird der Winter verbrannt. Man kann sich im Internet die Verkleidungen der Menschen anschauen, den Straßenplan, die Rede, und alle möglichen Accessoires, die bei diesem Fest üblich sind. da fiel mir ein Kranz auf, der nicht aus echten Blüten gewunden war, sondern bräunliche Stoffblüten hatte. Der war mein Vorbild. Das Bild finde ich aber nicht mehr, habe es gerade gesucht, sonst hätte ich dir den Link geschickt. Wenn Frauen so einen Kranz sehen, sagen die, ein Kranz aus Pfingstrosen, Blüten aus altrosa oder rostfarbenem Satin oder das Rosa habe einen grünlichen oder rostigen Hauch, was weiß ich, wenn ich Männer aus meinem Bekanntenkreis frage, aus welchem Material etwas ist oder welche Farbe etwas hat, sagen die Stoff und sie sagen rot oder braun oder bräunlich. Wenn der Kranz hochwirbelt, würde man auch nicht unbedingt sagen können, welche Blüte da nachempfunden sein soll. Es ist mehr das Gesamtbild des Kranzes vor dem Himmel.

"Ein jäher Geruch nach gebrannten Mandeln stach mir in die Nase."

ist mir ein bisschen zu dolle die Formulierung. Stechen ist so negativ. Es ist schwer zu beschreiben, was das in der Nase macht. Es ist ja in erster Linie, dass man das riecht, einatmet, dass das förmlich in der Nase schmeckt, man vielleicht sogar Hunger bekommt.

Es soll ja negativ sein. Der Geruch ist abschreckend, beißend, ausgesprochen negativ. Stechen finde ich da richtig.

Die Gesichter der Menschen um mich herum verschwammen, nur Marinas Gesicht blieb klar
Ich schaue nach. Aber eigentlich ist es so, dass ich tatsächlich viel mit Dopplungen arbeite. Die haben oft etwas Suggestives. Von daher stimmt das:
hattest einige Stellen mit Dopplungen
ganz unbedingt, ist aber eben auch gewollt.

"Als hätte ich ich sie mit meinem Blick gebannt, blickte sie auf"
Hier allerdings nicht :D
drängte mich an zwei überdimensionalen Schmetterlingen vorbei, verlor Marina aus den Augen, drängte weiter
Hier wiederum schon. Also langer Rede kurzer Sinn, ich prüfe auf jeden Fall nochmal alles nach. Ich war beim Posten dann auch so unter Zeitdruck geraten, dass mir sicherlich auch macnhe Vertipper passiert sind, die ich normalerweise (hoffentlich) entdecke.

"wo Markt und Schmelzerstraße sich kreuzten"
ist das ein fiktiver Ort, den du beschreibst? Die Straßen um den Markt einer Stadt herum haben eigentlich immer sehr charakteristische Namen, die mit der Entstehung der Städte um den Markt als Zentrum zusammenhängen. Die trugen oft den Namen des Gewerbes, was dort angesiedelt war: Fleischergasse, Kutscherstraße usw., wenn sie nicht im Nachhinein umbenannt wurden. Da habe ich mich gewundert, ob in der Nähe eines Marktes wirklich je 'Schmelzer' also Eisen-, Glasschmelzer usw. angesiedelt waren.
Ein fiktiver Ort? Jein. Das Ganze fußt sehr auf Eisenach. Das Fest ist auf diesem Marktplatz, eine Straße direkt an diesem Marktplatz heißt Markt, die Schmelzerstraße ist in unmittelbarer Nähe, sie ist eine Parallelstraße zur Goldschmiedenstraße, die sich wirklich mit "Markt" kreuzt. Goldschmiedenstraße war mir aber zu lang. Also die Schmelzerstraße ist in der Realität sehr nah am Markt. Also in Eisenach ist das jedenfalls so. Kannst du gucken. Vielleicht hängt in Eisenach die Entstehung mit anderen Gewerben zusammen siehe Goldschmiedenstraße? Keine Ahnung. Fiktiv ist der Ort deshalb, weil ich keine Ahnung habe, ob es in Eisenach eine Hermannstraße gibt oder ein Restaurant, das sich in einem Fachwerkhaus befindet.

***

warum setzt du die linksbündig und nicht zentriert?
Hehe, dass mich das tatsächlich jemand fragt. Ich könnte ja jetzt mit einem Bruch der Schreibkonventionen argumentieren oder mit einer Angleichung an europäische linksorientierte Lesegewohnheiten, ich lass es mal lieber, das kauft mir eh keiner ab. Ich bin schlicht zu faul, mir die Mühe zu machen. :shy: Und wenn ich den Text überarbeite und neu einstelle, dann müsste ich es schon wieder machen. Dann mache ich es doch erst ganz zum Schluss, wenn ich denke, jetzt überarbeite ich echt nichts mehr. Oder vielleicht auch nicht. Du siehst, es ist mir einfach nicht so wichtig. Und die Funktion, dass die Sternchen einen inhaltlichen Einschnitt anzeigen bringt es ja trotzdem


" Sie hatte nicht bemerkt, dass ich ihr gefolgt war, so sehr starrte sie den Jungen an"

das fand ich etwas schief.
würde schreiben: Sie konnte mich nicht bemerkt haben, so wie sie den Jungen anstarrte.

Ist auf meiner inneren Liste. Deins klingt flüssiger.

"Mitten im Gastraum stand ein junger Mann und wischte die Tische. Vor ihm meine Mandelfrau. Sie hatte nicht bemerkt, dass ich ihr gefolgt war, so sehr starrte sie den Jungen an. „Na, ein Bier“, fragte der.

das fand ich etwas umständlich formuliert. Hier gibt es drei Bezeichnungen für eine Person und ich denke beim Lesen: ist das jetzt dieselbe?

Hehe, und das mir! Ich bin doch die, die überall rummeckert, wenn für Nomen zuviele Synonyme verwendet werden. Also ich hätte jetzt nicht gedacht, dass es Verwirrung gibt, zumal "der" sich ja sehr eindeutig bezieht. Aber dein Anliegen ist angekommen. Ich schraube.

Marina verfolgte seine Bewegungen, dann trat sie zu ihm.

Das würde ich mir etwas genauer wünschen. Was heißt das, den Bewegungen folgen? Mit den Augen? Mit dem ganzen Körper sogar? Und wie sieht das aus?
Mit den Augen ist gemeint, mit dem Körper kann nicht sein, im selben Satz steht ja, sie tritt nah heran. Ich gucke.

"Als sie mich sah, verzog sie das Gesicht. Mit einer wegwerfenden Geste stieg sie in ein Auto. "

das fand ich interessant. Ich habe wie automatisch selbst eine wegwerfende Geste gemacht (mach ich öfters beim Lesen, um das nachzuvollziehen). Im Nachhinein wusste ich aber nicht genau, was sie damit jetzt eigentlich meinte. Meinte sie das freundlich, so von wegen: Vergiss diesen Typen, den ich da gerade abgeknutscht habe, bedeutet mir nichts. Oder meint sie: Mach, dass du wegkommst. Ich verziehe das Gesicht, wenn ich dich sehe, so scheußlich bist du.

Sie meint damit gar nichts, vielleicht wedelt sie nur mit der Hand durch die Luft, ich will hier schon ganz bewusst seine Wahrnehmung in dieser Situation. Er interpretiert bereits eine Handbewegung, einen Blick. Das hat nichts mehr zu tun mit dem, wie Marina das wirklich meint. Da hat er sich aufgerafft, der Frau nachzugehen, ist die ganze Zeit dageblieben, obwohl er sich das auch schönreden musste, und dann geht das so gnadenlos schief. Es ist die Enttäuschung, die aus ihm spricht. Der Ärger. Deswegen möchte ich hier keine nur kameragezeigte Handbewegung, sondern explizit seine Interpretation. Ich könnte mir vorstellen, das alles im Sinne Chutneys zu verändern, dass sie durch ihn durchsieht, aber das weiß ich noch nicht. Jedenfalls würde ich das aber auch so beschreiben, dass er ihr Verhalten eben negativ wahrnimmt.

dachte zuerst Grüngestrüpp wär eine Musikrichtung :lol: mit dem Grunge verwandt, der Grüngestrüpp
:D Guter Bandname: Grüngestrüpp. Am Cajon Novak, der alte Kaktus

Sie war im Dunkeln eines andere Straße entlanggelaufen, ein Auto hatte sie erfasst.
eine andere? Was heißt das, sie war eine andere Straße entlanggelaufen? Eine, die sie normalerweise nicht geht?
Ja, so war das gemeint. Wird das nicht deutlich? Sollte ich besser "als sonst" dazufügen?

Das mit dem "ein Auto hatte sie erfasst" ist vielleicht schon ein bisschen oft verwendet worden.
Ja ich weiß. Ich hab da lange überlegt. Ich will eigentlich immer mal wieder im Text ein Bild unterbringen, aber dann soll das eine besondere Stelle sein, eine, die mit Emotion aufgeladen ist, sie soll atmosphärisch sein. Das hier ist natürlich eine solche Stelle. Er sagt ja, was passiert ist. Aber: Hier jetzt wollte ich das ganz bewusst versachlichen. Der Meik kann sich nicht innerlich in diese Vorstellung, was seiner Tochter passiert ist, reingeben, das wäre zu quälend. Er muss das versachlichen.
Ich mach mal nachher weiter, lieber Carlo, das Essen ruft.
Bis gleich

Und jetzt weiter:

An der nächsten Straßenecke blieb sie stehen, zog eine Packung Zigaretten heraus. Ich blieb ein paar Meter entfernt stehen,
Wdh.
Oh weh, du hast Recht, das ist scheiße. Gekauft.



Dann erhob ich mich und ging davon.
In diesem 'sich erheben' wird sie nicht sichtbar. Obwohl er sie doch gerade noch festhält, oder? Da würde ich gerne sehen, ob er sie loslässt oder einfach, was mit ihr ist, sie nochmal mit im Bild haben.
Auch das schau ich mir noch mal an.

Lieber Carlo, danke noch einmal für das Lesen, für dein genaues Feedback. Das hilft immer, wennjemand anderes noch mal genau draufschaut. Ich war ganz schön im Zeitdruck, normal hätte ich das in vier Wochen nocht nicht fertig gehabt und schon gar nicht gepostet. Vielleicht findet man da noch einiges, vielleicht auch nicht. Denn irgendwie hat man immer ein paar Scheuklappen auf.
Es ist irgendwie auch ein sehr sehr schönes Gefühl, dass es Leute gibt, die mit viel Interesse und Sorgfalt an die geschichte rangehen und einem weiterhelfen.
Bis die Tage
Novak

 

Hallo Novak, ich kenne die Vorlage der Geschichte nicht.

Ich fand den Anfang der Geschichte exzellent. Ich hatte das Gefühl: Es geht um einen Mann, der denkt, er findet über diese Frau wieder in sein Leben zurück. Diese Hoffnung basiert nur auf wenigen Augenblicken, in denen er eine tiefe, unausgesprochene Verbindung zu Marina sieht. Das ist auch schön geschildert, dass die zwei da in einem Fokus stehen, der anderen Kunden, fast wie ein kleines Stück aufführen.

Und dann gibt's diesen Hintergrund: Er ist eine tragische Figur, Witwer, die Tochter will, dass er wieder ins Leben zurückfindet. Da gibt's Exposition. Das ist Richtung gut gemacht.

Diese Hoffnung wird dann zerstört, als er ihr nachgeht, und erkent: Die Frau existiert auch außerhalb von ihm, hat andere Bedürfnisse und ein eigenes Leben.

Das fand ich ganz toll, als es dann heißt: Sie kommt aus der Gaststätte wie eine frisch gefickte Katze - und er hat nichts dazu beigetragen. Ihr Leben ist schon komplett, auch völlig ohne ihn.

Das fand ich stark beobachtet und geschildert. Da konnte ich mitfühlen. Also bis zu der Stelle fand ich die Geschichte ausgezeichnet.

Wie das von da weiterging mit tragischem Tod der Tochter und Marina hat noch eine Tochter und das spiegelt sich und es kommt zur Gewalt: Ich finde das überfordert mich als Leser. Da ist die Handlungsdichte enorm hoch für eine Kurzgeschichte. Um diese ganzen Wendungen mitzugehen, brauch ich als Leser mehr Platz. Da bin ich rasch aus der Geschichte rausgeworfen worden.

Mir hätte es gereicht, du machst nach der Szene, wo sie aus dem Gasthaus rauskommt einen Schnitt. Keine zweite Zeitebene - kein Mord und keine Wendung.

Aber ich weiß auch, wie nervig das ist, wenn Leser eine ganz andere Geschichte lesen wollen, als die, die man geschrieben hat.

Ich geb aber zu Bedenken: Mehrere Zeitebenen, krasse Brüche in der Handlung - der Leser braucht dann Zeit, um Figuren kennenzulernen und sich neu einzufinden. Das ist bei einer geringen Textmenge schwierig.

 

Mann, jetzt muss ich aber erst mal was ganz anderes loswerden. QUINN!!!! Du bist wieder da!!!!
:bounce:
:bounce:
:rotfl:
:kuss:
:herz:
Ich glaube mehr smileys gehen leider nicht, sonst hätte ich noch einen ganzen Sack über dir ausgeschüttet. Ich weiß ja, du schaust dir diesen Gefühlsausbruch etwas augenbrauenrunzelnd an, aber scheißegal, geht mir halt nun mal grad so. Ich hab dich so vermisst. Nein, nicht nur deine Kommentare, sondern deine Person, so, wie man sie halt hinter den Kommentaren, den Hinweisen durchschimmern sieht. Also ich freu mich enorm.
Und von mir aus hättest du die Geschichte in Bröckchen zerteilen, in Fetzchen reißen und sie dann aus dem Fenster schmeißen dürfen, ich bin einfach nur froh, von dir zu lesen.

So ... und jetzt bin ich wieder einigermaßen normal. Ich hab jetzt mal Beginn und weitere Entwicklung der Geschichte nach der Stelle, wenn Marina aus dem Gasthaus kommt, mit deinen Augen gelesen. Da passiert ziemlich viel. Von daher, da muss der Leser schon mitgehen wegen der Zeitsprünge und Wendungen.
Der Beginn der Geschichte, dass der so werden konnte, das liegt übrigens sehr an der großartigen Vorlage von Chutney. Ohne die Geschichte von ihr wär ich doch im Leben nie auf so einen MandelMeik gekommen. Die kleine Aufführung, die die beiden coram publico geben, auch die stammt aus dem Originaltext. Das hat ja den Anstoß gegeben, diesem Mann nachzusteigen. Und was diese Begegnung für ihn bedeuten könnte.
Und stimmt, man hätte da tatsächlich schließen können, wenn Marina aus dem Wirtshaus kommt. Das wäre vom Copy her noch näher dran und es wäre selbst schon eine in sich geschlossene Geschichte, vielleicht hätte ich noch ein paar Details eingefügt, die Aspekte, die du nennst, noch ein bisschen betont. Vielleicht ein zwei Sätze nach dem jetzigen Schluss. Aber gar nicht viel. Vielleicht noch was dazu, dass und warum er sie so negativ sieht. Aber wie gesagt, das steckt ja schon drin.
Das wäre dann eine recht kurze, in sich geschlossene Geschichte einer Hoffnung mit entsprechender Wendung. Das ist etwas, was ich einfach nicht richtig kann. Solche kleinen Geschichten, die sich auf eine Sache beschränken, bei mir kriegts oft einen eher monumentalen Aufbau.
An dieser Geschichte hier werde ich wohl nicht mehr viel ändern außer Fehlern oder Formulierungsberichtigungen. Aber ich werde mir das auf jeden Fall im Hinterkopf behalten und die Geschichte vermutlich in einer zweiten Version für mich ausloten und abspeichern.

Aber ich weiß auch, wie nervig das ist, wenn Leser eine ganz andere Geschichte lesen wollen, als die, die man geschrieben hat.
Ja na klar, aber ich weiß halt auch genau, wieviel ich von dir gelernt habe und die Idee, so eine reduziertere Fassung eines Lebensausschnittes zu schreiben, das ist ja eigentlich was, was ich gerne mal machen würde. Hab ich mir oft so vorgenommen, wenn ich überhaupt mal ans Schreiben gedacht habe. Mich eher kleinen, aber dennoch einschneidenden Alltagsbegebenheiten widmen. Jimmysalaryman kann das, einige andere auch. Mir liegt das nicht so. Von daher triffst du aber jedenfalls mit deinem Hinweis durchaus auf sehr offene Ohren.
Ja, ich kanns nur noch mal sagen, ich hab mich wahnsinnig gefreut, von dir zu lesen. Mach es gut und vielleicht schaust du ja wieder mal ins Forum.
Lass es dir gut gehen.
Novak

 

Liebe @Novak ,

ich gestehe, es fällt mir gar nicht leicht, dir einen vernünftigen Kommentar zu schreiben. Das liegt ausschließlich an mir. Ich finde es besonders gut am CW, dass da neben der eigentlichen Herausforderung auch noch längst versunkene Schätze gehoben werden und die gilt es, erst einmal zu würdigen.
So geht es mir in deinem Fall. Um deiner Geschichte gerecht zu werden, musste ich mich zuerst auf die Chutneys einlassen. Es stimmt, dass es schwer ist, dort anzudocken, ich hätte es vermutlich bei dem Jungen, bei Matthias, probiert. Du hast eine Randfigur genommen und ins Zentrum gestellt. Und einen berührenden, psychisch angeschlagenen Mann charakterisiert. Er verdient mein Mitgefühl, jedoch nicht unbedingt meine Zuneigung.

Aber der Reihe nach.

Auf dem Marktplatz verbrannten sie den Winter.
Ich blickte in ihr gerötetes Gesicht und sagte: „Ich steh nicht auf Hinrichtungen.“

Kein übler Kerl, der Ich-Erzähler denke ich.

Ich betrachtete ihren Nacken, den Kopf, den schmalen Rücken, und stellte mir vor, wie sich aus der Fassade des Hauses, an dem sie gerade vorbeilief, ein Stein löste, ein zweiter, dritter, immer mehr, eine herabstürzende Lawine aus Mauerbrocken, bis die Wand endgültig brach und Marina unter sich begrub.

Was ist das? Habe ich mich so getäuscht? Der Prota hegt finsterste Mordgedanken?

Ich hatte etwas Schwierigkeiten mit den Rückblenden und mit Elli

Elli war noch nie von zu Hause weggeblieben, ohne Bescheid zu sagen, sie war so zuverlässig, sie war mein Augenstern.

Erst beim dritten Lesen habe ich kapiert, dass Elli nicht mehr der kleine Augenstern, sondern eine junges Mädchen ist, das besorgt ist um seinen Vater.

An diesem Tag war es das erste Mal, dass ich die Mandeln roch, obwohl ich gar nicht am Stand arbeitete. Der Geruch war würzig, voller Röststoffe, vanillig und buttrig, aber er legte sich dir auf die Brust und wenn man Luft holte, biss es.

Mandeln haben eine dunkle Kehrseite, Bittermandeln können tödlich sein. Ich vermute, du hast das Mandelmotiv nicht ohne Hintergedanken verwendet.

Ein Kreis schloss sich. Marina wiederzusehen, ihre Tochter, der Mandelgeruch. Mir war übel.

Ja, das war zuletzt mein Leseeindruck. Marina, Marinas Tochte , Elli verschmelzen zu einem Bild der ohnmächtigen Wut über die Ungerechtigkeit des Lebens. Und zu einem gewalttätigen Angriff auf
Marinas Tochter.

Noch einmal strich ich über die Ader. Dann erhob ich mich und ging davon.

Er streicht über die Ader, aber drückt er zu??

In der Therapie sagten sie mir, keiner habe Schuld. Ich sagte: „Oder alle.“

Du hast den Satz ganz isoliert gesetzt. Für mich könnte er auch nochmals am Ende stehen.

Soweit mein Leseeindruck. Großartig. Sprachlich kann ich weiterhin von dir lernen, vielleicht sollte ich etwas mutiger werden im Gestalten von Sprachbildern.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Liebe @wieselmaus,

ich gestehe, es fällt mir gar nicht leicht, dir einen vernünftigen Kommentar zu schreiben.
Ich nehm auch unvernünftige. :) Ich freu mich einfach über deinen Besuch.

Es stimmt, dass es schwer ist, dort anzudocken, ich hätte es vermutlich bei dem Jungen, bei Matthias, probiert.
Das war mein erster Gedanke. Er oder der jetzige Ehemann. Aber ich brauchte die Freiheit, mich zwar an das Original anzulehnen, aber trotzdem mein eigenes Ding zu machen.

Du hast eine Randfigur genommen und ins Zentrum gestellt. Und einen berührenden, psychisch angeschlagenen Mann charakterisiert. Er verdient mein Mitgefühl, jedoch nicht unbedingt meine Zuneigung.
Muss er auch nicht, er hat schließlich über die Jahre hinweg seinen Verlust und die Bitterkeit darüber konserviert. Was bleibt da übrig? Er ist kein übler Typ, ganz und gar nicht, aber er hat halt auch nicht gelernt, sich und anderen zu verzeihen. Selbst wenn es eigentlich gar nichts zu verzeihen gibt, weil niemand etwas Verwerfliches getan hat. Und mit solchen Menschen ist schlecht Kirschen essen. das sehe ich wie du.

Erst beim dritten Lesen habe ich kapiert, dass Elli nicht mehr der kleine Augenstern, sondern eine junges Mädchen ist, das besorgt ist um seinen Vater.
Ich hätte schon gedacht, dass sie kein kleines Mädchen mehr sein kann, weil sie ja gleich am Anfang ihm geistig so zuredet, ein Date zu machen, das würde ja kein kleines Mädchen tun. Aber vielleicht ist das ja nur in meinem Kopf so. Also wenn du magst, ich würde mich freuen, wenn du mir etwas genauer zeigst, wo es in deinen Augen hakte. Dann kann ich vielleicht noch was tun. Aber bitte wirklich nur, wenn du überhaupt Lust hast.

Mandeln haben eine dunkle Kehrseite, Bittermandeln können tödlich sein. Ich vermute, du hast das Mandelmotiv nicht ohne Hintergedanken verwendet.
Ehrlich gesagt war das eher eine zufällige aber günstige Koinzidenz. Ausschlaggebend war der Mandelkauf in Chutneys Geschichte. Also Mandelverkäufer. Auch wenn es nicht die Bittermandeln gäbe, hätte ich diese merkwürdige Geruchserinnerung gewählt. So hat das natürlich günstigerweise zwei Seiten. Du bist die erste, der das aufgefallen ist. :)

Ja, das war zuletzt mein Leseeindruck. Marina, Marinas Tochte , Elli verschmelzen zu einem Bild der ohnmächtigen Wut über die Ungerechtigkeit des Lebens. Und zu einem gewalttätigen Angriff auf
Marinas Tochter.
Genau. Das sollte rüberkommen. Genau dieses Verschmelzen.

Du hast den Satz ganz isoliert gesetzt. Für mich könnte er auch nochmals am Ende stehen.
Ja, das hat was. Wobei ich das Gefühl habe, dass er durch diese merkwürdige Ausnahmesituation, das Treffen Marinas, das Sichschließen des Kreises, dass er da unter der Brücke was gelernt hat. Er trifft ja eine Entscheidung, er drückt nicht zu, er lässt etwas von außen in diese Situation kommen, den Mond, eine entfernte Melodie. Ich glaube nicht, dass er weiter so auf der Frage nach der Schuld besteht. Aber das ist natürlich offen.

Liebe wieselmaus, vielen Dank für deinen Leseeindruck. Ich hab mich sehr gefreut. Ist ein gutes Gefühl, mal wieder zu schreiben und auf Kommentare zu antworten.
Bis dann
Novak

 

Liebe @Novak ,

ich bin den Text noch einmal durchgegangen, um mir über den zeitlichen Ablauf zwischen der ersten Begegnung des Protas mit Marina ("Flirt") und der Verfolgung ihrer Tochter Klarheit zu verschaffen.
Ich kriege es einfach nicht eindeutig hin.

Der Prota verfolgt Marina an dem Tag, wo sie den kleinen Flirt am Mandelstand haben und er sieht Marina aus dem Wirtshaus kommen, wo sie wohl mit dem Jungen Sex hatte.

Elf Uhr war es. Ich musste Elli abholen, meine Tochter. In Gedanken hörte ich sie sagen: „Komm, mach hin, Mama ist schon so lange tot. Du wirst nicht jünger. Außerdem trinkst du zuviel, wenn du allein bist.“ Ellis Litanei. Ich lächelte und schüttelte meine Unruhe ab. Elli, mein Augenstern. Sie würde sich für mich freuen, wenn ich mal wieder einen Flirt probierte.

Wie alt ist Elli zu diesem Zeitpunkt? Von ihrer Rede her würde ich sie auf mindestens fünfzehn schätzen.

Vor dem Haus, das Elli mir genannt hatte, stand niemand mehr. Ich klingelte, eine Frau schaute aus dem Fenster und rief: „Bist du Ellis Vater?“
„Ja.“
„Sie ist schon weg.“

Andererseits ist sie bei einer Frau auf Besuch? Arbeitet sie dort? Oder wird sie dort beaufsichtigt und muss abgeholt werden? Oder ist der Vater überbesorgt, die Tochter aber unbekümmert? Ein Handy hat sie jedenfalls.

Die Luft in der Wohnung roch abgestanden. Auf ihrem Bett lag der alte Stoffhase, den ich ihr zu ihrem fünften Geburtstag geschenkt hatte.
Das ist derselbe Tag, an dem Elli verunglückt, weil der Vater nicht pünktlich kam? Ich glaube, der Stoffhase suggeriert mir hier, dass es sich um ein wesentlich jüngeres Mädchen handelt. Hier würde ich auf höchstens zwölf tippen. Danach verschwinden die Stofftiere eher im Kleiderschrank.

Eine andere Zeit, ein anderes Leben. Wie lange ist das her?

Ja, wie lange liegt Ellis Tod zurück?

Marinas Tochter ist im selben Alter wie Elli? Dem Inhalt ihrer Handtasche nach ist sie kein Teenanger mehr. Eine "sehr junge Frau", die aber wie eine Zwanzigjährige spricht und allein durch die Nacht geht?

In dieser Zeitspanne ist der Prota also psychisch angeschlagen, zieht weg, gibt den Mandelstand auf, macht eine Therapie, ist als Besucher auf dem Frühlingsfest. Ist das ein Versuch, mit der traurigen Vergagenheit abzuschließen?

Das sind alles keine Kritikpunkte, sondern der Versuch, meine Irritation zu beschreiben. So hast du es ja gewünscht. Bin gespannt auf deine Antwort.

Liebe Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo wieselmaus,
deine Irritation muss ich akzeptieren, aber die Gründe verstehe ich nicht immer.
Ich gehe mal durch.


Wie alt ist Elli zu diesem Zeitpunkt? Von ihrer Rede her würde ich sie auf mindestens fünfzehn schätzen.
Ja genau .

Andererseits ist sie bei einer Frau auf Besuch? Arbeitet sie dort? Oder wird sie dort beaufsichtigt und muss abgeholt werden? Oder ist der Vater überbesorgt, die Tochter aber unbekümmert? Ein Handy hat sie jedenfalls.
Warum ist das so wichtig? Sie könnte jmd besuchen, auf einem Geburtstag sein bei einer Freundin. Das hat doch mit dem Alter nichts zu tun. Und da es schon spät ist, hat er versprochen, sie abzuholen. Da ist man doch nicht überbesorgt oder die Tochter muss abgeholt werden. Das ist doch völlig normal, dass Eltern auch noch sechzehnjährige Töchter mal abholen. Oder siebzehnjährige. Ich lass mich auch manchmal abholen, wenn das irgendwie passt. Und ich bin weit über 18. :) Und wenn mans versprochen hat, jmd. abzuholen, dann will man das Versprechen auch einhalten, deswegen versucht er, sie zu erreichen.

Das ist derselbe Tag, an dem Elli verunglückt, weil der Vater nicht pünktlich kam? Ich glaube, der Stoffhase suggeriert mir hier, dass es sich um ein wesentlich jüngeres Mädchen handelt. Hier würde ich auf höchstens zwölf tippen. Danach verschwinden die Stofftiere eher im Kleiderschrank.
Ja, das ist derselbe Tag. Und nein, die Stofftiere verschwinden ab dem zwölften Lebensjahr nicht immer im Schrank. Das kann man nicht verallgemeinern. Das kommt ganz auf die Person an. Elli ist ein Mädchen, deren Mutter früh gestorben ist, sie musste möglicherweise früh selbständig werden, da kanns auch ein Bedürfnis geben nach einem Trosttier. Im Gegenteil, der Hinweis, dass sie immer noch ein Stofftier auf dem Bett hat und trotzdem so mit ihrem Vater spricht, gibt einen charakterlichen Hinweis. Und zur Zeitorientierung, da würde ich Hinweise wie "Er hatte viel erlebt mit uns, der alte Gauner" nicht ausblenden, denn das zeigt ja, dass das Stofftier älteren Datums ist.

Eine andere Zeit, ein anderes Leben. Wie lange ist das her?
Ja, wie lange liegt Ellis Tod zurück?
Ein paar Jahre mindestens. Ich hoffte, das wäre durch die Art meiner Beschreibung klar geworden, dass es sich nicht um Tage oder auch Monate handeln kann. Sein Erstaunen, alles das macht es eigentlich klar, dass es eine lange Zeitstrecke sein muss.

Marinas Tochter ist im selben Alter wie Elli? Dem Inhalt ihrer Handtasche nach ist sie kein Teenanger mehr. Eine "sehr junge Frau", die aber wie eine Zwanzigjährige spricht und allein durch die Nacht geht?
Ja, die ist ungefähr 19 oder zwanzig oder 21. Oder 22. Oder 23. Oder auch nur 18 oder 17. Welches Alter genau sie hat, steht da nicht und das fände ich auch komisch das zu schreiben, denn das kann er ja nicht wissen. Er hat bei ihrem Anblick einen Schrecken gekriegt. Und sieht nur: Das könnte Marinas Tochter sein. Und er hat seine eigene Tochter verloren.

Eine sehr junge Frau ungefähr so alt wie … ich stockte, für einen Moment hatte ich das Gefühl zu ersticken, mir wurde schwindlig.
Mit eine sehr junge Frau ist hier gemeint, so jung, dass sie eben Marinas Tochter sein kann, sein muss. Übrigens ist auch für mich eine Zwanzigjährige eine sehr junge Frau.
Ich nehme an, das Stofftier irritiert dich und, dass ich eine sehr junge Frau schreibe. Zu dem Stofftier muss ich noch mal sagen, dass man da nicht verallgemeinern sollte. Und ich hoffe auch, dass, wenn man sich auf die anderen Hinweise im Text bezieht, ihre Sprache, ihre Ratschläge an den Vater, Hinweise wie die, die ich weiter oben zitiert habe, dass man das Stofftier trotz Irritation einordnen kann. Die "sehr junge Frau" könnte ich abmildern, ich könnte das sehr weglassen, aber irgendwie klingt das komisch.

Ist das ein Versuch, mit der traurigen Vergangenheit abzuschließen?
Als direkte Bewältigungsstrategie sicherlich nicht, auch hier steht dazu was im Text: er lässt sich von den Festbesuchern mitziehen. Also kann er nicht ganz bewusst aus Vergangenheitsbewältigung auf ein Fest gegangen sein, sondern ist mehr oder weniger zufällig den Leuten gefolgt.

Viele Grüße von Novak

 

Liebe @Novak ,

danke, dass du mir nochmals erklärt hast, wie du die Sache siehst. Du hast mich überzeugt, dass es nicht so wichtig ist, das Alter der Mädchen exakt zu bestimmen. Es geht ja auch eher darum, was der Prota sieht. Im Übrigen war das gar nicht als Kritik gemeint. Eher ein Vergewissern, dass ich
deine schöne Geschichte verstanden habe. Ich verstehe auch, dass du die Bindung zwischen Vater und Tochter durch den „alten Gauner“ bildlich fixieren willst.
Danke für deine Geduld.
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Novak

Ich habe ja einen Gegenbesuch versprochen, mal sehen, wie Du heute schreibst. :lol: Deine Geschichte habe ich gerne gelesen, obwohl ich aufpassen musste wie ein Schießhund. Mit diesen etwas verwobenen Zeiten ist das nichts, was ich "mal so nebenher" lesen könnte.

Aber Nebenherlesende muss man sich als Autorin ja auch gar nicht gefallen lassen; völlig okay, wenn's mal komplexer wird, das finde ich zumindest. Tatsächlich gewinnt die Geschichte dadurch, dass sie in sich (und in das Original) verwoben ist. MandelMeik lernt also diese Frau, die Mandelfrau kennen, geht ihr nach, sieht sie mit dem Jungen im Wirtshaus, lässt seine Tochter wegen ihr warten, die Tochter stirbt, und die Obsession mit Marina beginnt. Dann Zeitsprung, Winterverbrennung, er beobachtet Marina, will nun auch ihre Tochter töten (aus Rache, weil sie Schuld ist, oder eher damit sie endlich etwas miteinander verbindet, damit sie das Gleiche fühlen können?). Lässt es aber, wenn ich das Ende richtig interpretiert habe, schlussendlich bleiben.

Was wollte ich hier, was dachte ich da, meine Gedanken wirbelten, alles erträgt sich leichter, wenn du nicht allein bist in deinem Schmerz, was wollte ich hier, es wird leichter, wenn du den Schmerz teilst, ja, wenn du ihn teilst, teil ihn, teil ihn mit jemandem, teil ihn mit der, die so schuldig ist wie du. Was tu ich, was tu ich nur.

Ich fand das packend, tragisch, wie sich der Verlust seiner Tochter mit der Obsession für Marina verwebt. Weil er sie verfolgt hat, wollte Elli nach Hause laufen, ist gestorben - es ist Marinas Schuld, die Schuld von allen, um auf eine andere Textstelle zurückzugreifen. Und wenn Marina das Gleiche fühlt wie er, dann können sie sich vielleicht näherkommen, den Schmerz teilen. Sehr ergreifend und tragisch, das hat mich wirklich mitgenommen.

Erkannte sie mich? Grüßte sie mich etwa? Ich deutete auf meine Brust, nein, jemand anders war gemeint, ein Mann in der Reihe vor mir.

Noch viel tragischer finde ich die Geschichte vor dem Hintergrund des Originals. In Marinas Leben ist Meik eine Nebenfigur, nur zur Stelle, um ihre Attraktivität und Trunkenheit hervorzuheben. Es gibt zwei Männer in ihrer Geschichte, aber Meik ist keiner davon. Also, diese Nebenfigur zentral zu machen, hinzuzudichten, dass die kleine Begegnung im Original sein Leben für immer verändert; das finde ich abgefahren gemacht. Was für eine Idee!

Von mir also nur Kleinigkeiten:

Keine zehn Meter vor mir, ihre Hüften schwankten im Takt ihrer Schritte von einer Seite auf die andere.

"schwanken", das klingt so betrunken. Oder sehr breithintrig, wie ein Schiff. Ist das gewollt? In einem Jugendbuch, das ich beschämend oft lese, ist von "tickenden" Hüften die Rede. Das ist zwar sehr viel markanter formuliert, klingt für mich aber schmaler, jugendlicher, nicht so drall wie "schwankende" Hüften. Und das würde ja besser zur Beschreibung von Marina kurz danach passen, wobei ...

Wieder schob sie ein paar Pommes in den Mund und sah zu dem Mann hoch. So klein war sie, ich hatte vergessen, wie klein sie war. Er fragte sie etwas, sie antwortete, er wischte einen roten Klecks aus ihrem Mundwinkel. Zärtlich sah das aus.

... vielleicht lachst Du darüber, aber an der Stelle habe ich mich kurz gefragt, ob Marina ein Kind ist. Wenn ich mir nur diese Stelle ansehe, könnte das gut sein, verstehst?

Damals kannte ich ihren Namen noch nicht, damals war sie für mich nur die Mandelfrau.

Was ich mich am Ende gefragt habe: Woher kennt Meik ihren Namen? Das hat mich erst überrascht, obwohl, wenn ich darüber nachdenke, wenn ihr zwanzig Jahre lang nachgestellt hat, dann kann er den Namen ruhig wissen. Gleichzeitig frage ich mich, ob die Geschichte nicht ein wenig gewinnen würde, wenn er ihr zunächst einen eigenen Namen gibt und ihn dann behält. (Als ICH als Jugendliche einen Jungen verfolgt habe, der in eine höhere Klasse ging, habe ich ihm erst einen ausgedachten Namen gegeben und den weiter benutzt, selbst als ich den richtigen Namen kannte. So viel zu meiner eigenen Erfahrung mit Stalking. ;) Ich fände das eine spannende Facette.)

„Na, ein Bier“, fragte der.

Wieso hat die Frage denn kein Fragezeichen spendiert bekommen?

Auf ihrem Bett lag der alte Stoffhase, den ich ihr zu ihrem fünften Geburtstag geschenkt hatte. Alter Gauner hatte Elli ihn getauft.

Ich finde die Geschichte vom "Alten Gauner" herzerwärmend. Für mich war Elli auch von Anfang an irgendwo zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren alt, und der Hase hat dem keinen Abbruch getan. Ich liebe heute (noch) meine Kuscheltierbande, das dürfen also auch ältere Mädchen, und Du sagst ja hier schon, dass der Hase "alt" ist.

Hat mir sehr gut gefallen. Danke für diesen wunderbaren Copywrite.

Cheers,
Maria

 

Liebe wieselmaus,
da bin ich nochmal, danke dir sehr für deine erneute Rückmeldung. Es hat mich ein bisschen erleichtert, dass du meine Argumente nachvollziehen konntest. Nein, als Kritik hatte ich das sowieso nicht verstanden, im Gegenteil, du hast mir geholfen, denn ich wollte ja wissen, wie es zu der Unklarheit beim Alter kam.
Hatte mir gestern immer wieder sehr überlegt, was ich da noch drehen könnte, damit es klarer wird, auch wenn ich selbst meine Sicht,, wie ich sie dir geschildert habe, sehr einleuchtend fand. Aber die findet man ja immer einleuchtend! :D
Heute habe ich ein bisschen mehr Zeit und Muße, gestern wollte ich dir so schnell wie möglich eine Antwort geben, war gestern in großer innerer Eile und Unruhe aus verschiedenen Gründen, da habe ich dann eine mögliche Lösung völlig übersehen. Ich hab eben noch mal meine Antwort durchgelesen, so viele Tippfehler, meine Fresse, das zeigt schon sehr deutlich, wie gehetzt ich gestern war.

Die "sehr junge Frau" könnte ich ablidern, ...
hatte ich geschrieben, also echt, das hab ich eben schnell mal ausgebessert, das sieht ja übel aus. :D

Also nochmal zurück zu dem Thema. Ich glaube ja, dass dich das Stofftier so irritiert hat, und dass ich schrieb "eine sehr junge Frau". Ich glaube diese Kombination hat es für dich verwirrend gemacht.
An dem Stofftier halte ich fest, das sehe ich wie gesagt nicht so verallgemeinernd. Und es gibt wie gesagt auch den Hinweis, dass das Stofftier schon sehr alt ist.

Ich verstehe auch, dass du die Bindung zwischen Vater und Tochter durch den „alten Gauner“ bildlich fixieren willst.
Ganz genau, das war mir wichtig, das Stofftier macht (hoffe ich) die Gestalt von Elli so ein bisschen fassbarer. Und es ist ein Hinweis auf die Beziehung zwischen Vater und Tochter.
Was drehen könnte ich noch an der Formulierung "sehr junge Frau". Gestern war ich in meiner Eile so verpeilt, ich hab nur gesehen, ich könnte das "sehr" weglassen, das hatte dann aber nicht mehr die Bedeutung, die ich ihm geben wollte, dass ihm in dem Moment klar wird, ach Gott, sie hat eine Tochter. Was ich aber machen könnte, ich muss ja ihn nur laut überlegen lassen, wie alt sie ist. Nur ein ganz kurzer Satzfetzen, aber das würde ja schon genügen.
Danke für deine Geduld.
Nee, ich muss doch dir danken, das muss man noch mal festhalten. Es war mir ja sehr wichtig, dass du mir das noch mal genauer sagst. Erst dann kann ich ja sehen, woher das rührt und ggf entscheiden, wo ich ändern muss oder kann. Ich wollte ja wissen, woher die Unklarheit kam, welche Stellen dafür in Frage kommen könnten, damit ich notfalls noch was drehen kann. Du hast mir also einen großen Gefallen getan.

Machs gut und bis demnächst.
Novak

 

Liebe @Novak,

Wie schön, Dich mal wieder federführend zu erleben! Und mir ist egal, ob Du eigentlich tausend andere Dinge lieber tust, von denen habe ich ja nix :D.

Auf dem Marktplatz verbrannten sie den Winter.
Kann Dir zwar nicht sagen warum, aber der Satz hat es mir total angetan. Wahrscheinlich, weil es eben schön ist, wenn der Winter dem Frühling weicht und dieser Satz für mich dieses "Lebensgefühl" so wunderbar einfängt. Überhaupt habe ich mich auf deinem Fest atmosphärisch sehr wohl gefühlt

Und als habe der Kranz sie geboren, stand dort, wo er niederging, Marina.
Das sind so Novak-Sätze und ich liebe sie!

Als hätte ich sie mit meinem Blick gebannt, blickte sie auf, schrak zusammen und hob die Hand. Erkannte sie mich? Grüßte sie mich etwa? Ich deutete auf meine Brust, nein, jemand anders war gemeint, ein Mann in der Reihe vor mir.
Das kann man natürlich gut alleinstehend lesen, aber in Kombi mit der Vorlage, machen solche Sätze einfach super viel Spaß.

Ich betrachtete ihren Nacken, den Kopf, den schmalen Rücken, und stellte mir vor, wie sich aus der Fassade des Hauses, an dem sie gerade vorbeilief, ein Stein löste, ein zweiter, dritter, immer mehr, eine herabstürzende Lawine aus Mauerbrocken, bis die Wand endgültig brach und Marina unter sich begrub.
Böser Mensch!

Die Leute drängten sich um den Stand, sie liebten den MandelMeik,
Diesen schmierigen Gefährten! Sehr feine Idee, ihn zum Prot. zu machen. Obwohl ich schon auch einen Erotiktext genommen hätte :D. Hast Dir vorsichtshalber schnell wen an Land gezogen, wo Erotik so fern lag, wie Schnee in der Wüste, wa? Na gut. Hätte ich wahrscheinlich auch getan :D. Chutneys Feuerwehrfest war eh auserzählt.

Die Leute ringsum kicherten. Marina beugte sich vor, ließ mich einen Blick in ihren Ausschnitt werfen, blickte mich von unten her frech an und sagte: „Ahhh, erwischt. Schreib mir doch eine Liste mit den nächsten Einsatzorten. Ich liebe deine … Mandeln.“
Jaaaa - eine Situation und so subjektiv die Wahrnehmung. Eure beiden Texte nebeneinander sind wie das echte Leben!

Elf Uhr war es. Ich musste Elli abholen, meine Tochter. In Gedanken hörte ich sie sagen: „Komm, mach hin, Mama ist schon so lange tot. Du wirst nicht jünger. Außerdem trinkst du zuviel, wenn du allein bist.“ Ellis Litanei. Ich lächelte und schüttelte meine Unruhe ab. Elli, mein Augenstern.
Klar, dass er Marina die Schuld dafür gibt. Ist schon gut eingewebt hier.

Die Bewegungen langsam und satt. Eine dralle, frisch gefickte Katze. Als sie mich sah, verzog sie das Gesicht. Mit einer wegwerfenden Geste stieg sie in ein Auto.
Hammer Satz! Und für dieses Ergebnis hat er nun seine Tochter nicht abgeholt. Shit happens und Menschen gehen kaputt. Außerdem leiten wir so sanft zu Novaks Wohlfühloase ein.

Es gab keinen Herrn Meik mehr, keinen MandelMeik, keinen Mann, der Liebe suchte, es gab keinen Vater mehr. Er war fort. Genauso wie Elli.
Sie war im Dunkeln eine andere Straße entlanggelaufen, ein Auto hatte sie erfasst.
Ach herr je!

Ich roch die Mandeln auf der Straße, in der Elli gestorben war, in der leeren Wohnung, auf dem Weg zum Arzt oder zur Polizei, ich roch sie, wenn ich Marina ausspähte wie ein krankes Wild, das den Wald verseuchte, ich roch Mandeln, wenn ich ihre Freunde suchte, das Auto, in das sie eingestiegen war.
Schön!

Was würde Marina sagen, wenn sie ihre Tochter nie wiedersah? Wie würde es ihr damit gehen?
Von schmierig zu böse zu Psychopath. Armes Mädel.

Sie lief wieder los, aus ihrem lässigen Gang wurden schnelle, unruhige Schritte. Manchmal hielt sie an, warf den Kopf nach hinten, ich stoppte und stellte mir vor, wie sie auf meine Geräusche lauschte. Dann rannte sie los.
Ist auch echt ein unheimliches Gefühl, wenn wer in der dunkelheit ständig hinter Dir her geht. Auch, wenn es gar kein Mandelverbrannter Typ ist.

... es wird leichter, wenn du den Schmerz teilst, ja, wenn du ihn teilst, teil ihn, teil ihn mit jemandem, teil ihn mit der, die so schuldig ist wie du.
Ja, schön krank seine Gedanken. Für ihn haben sie natürlich eine Art Logik. Ich mag, wie Du das psychopathische hier einbringst. Das hat schon einen gewissen Gruselfaktor.

Ich legte meine Hand um ihren Hals. Sie war still jetzt, ganz still, nur da, unter meinem Finger, wo er fast ihr Ohr berührte, pochte eine Ader.
Musste wohl so kommen. Boah!

Noch einmal strich ich über die Ader. Dann erhob ich mich und ging davon.
Danke, Novak. Obwohl, ich hätte es ihm im Wahnrausch auch zugtraut. Aber er unterbricht ihn ja selbst -Was tue ich hier? - insofern hatte die Kleine wohl Glück, dass er sich da nicht zu 100% reinsteigern konnte ... ach Novak, was haste nur mit deinen bösen, bösen Personal immer? :D

Ich finde den Ansatz gut, liebte die Stellen, wo Copy und Original sich berührten und doch so ganz anders waren. und ja, Psychospielchen, die erwarte ich ja schon fast in deinen Texten und Du lieferst. Merci! Ich finde, Du hast nix verlernt. Weiß auch gar nicht, wie das gehen soll. Die Ausrede kannste mal getrost zum Biomüll bringen.

Habe ich sehr gern gelesen und falls Du Kritik willst, habe ich nicht. Sorry. Aber fällt mir bei Dir auch echt schwer, den Text nur als Text zu sehen. Da müsstest Du wahrscheinlich mit Maske tanzen.

Liebe Grüße!
Fliege

 
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Hm, ich mag Mandeln und gelegentlich auch gebrannte, und als ich Deine feine Arbeit das erste Mal gelesen habe, war ich drauf und dran – die Götter und Du,

liebe Novak,

mögen mir verzeihen, aufgrund des Frühlingsfestes um die Tag und Nachtgleiche (je nach Jahr zwischen 19. und 22. März) den Mythos hinter der Geschichte und den Sonnenwenden-Festen auszugraben. Aber es kam mit den Namen viel grausamer, ich fiel zurück in die Wirtschaftswunderzeit und ließ mich auf einer Hochzeit einer befreundeten Gastarbeiterfamilie von Rocco Granata in den Samba einüben, will sagen „foltern“:

„Bei Tag und Nacht denk' ich an dich, Marina,
Du kleine zauberhafte Ballerina.
Oh wärst du mein, du süße cara mia
Aber du gehst ganz kalt an mir vorbei.
…“ *

und selbst wenn „MandelMeik“ weder den Schlager kennt noch die Symbolik des Sambas als unterschichts-abhängigen Schrei nach Gerechtigkeit , die Frage – rauchen deshalb so viele „kleine“ Leute „Marlboro“ hierorts (bei Jimmy z. B. auch), wegen der vermeintlichen Freiheit des Cowboys, die Freiheit eines Hilfsarbeiters mit befristetem Vertrag: War das Vieh zur weiteren Bearbeitung nach Chicago getrieben, musste ein neuer Vertrag herhalten … und wenn's nicht hinhaut, wird halt vagabundiert und der "Western" zum Mythos. Insofern ist das Versprechen der Marlboro aktueller als das des HB-Männchen.

Nun, ich kann beruhigen, nur die ersten vier Zeilen Granatas passen – die weiteren Zeilen des Schlagers bleiben utopisch, wie ja auch aus einem früheren Flirt

„Neulich in Grombach …
Ansprüche abzuleiten eine gewagte Sache und zumindest vermessen ist, und daraus erwachsende Wahnvorstellungen gekränkter Seele wie
… und stellte mir vor, wie sich aus der Fassade des Hauses, an dem sie gerade vorbeilief, ein Stein löste, ein zweiter, dritter, immer mehr, eine herabstürzende Lawine aus Mauerbrocken, bis die Wand endgültig brach und Marina unter sich begrub.

Das Unheil hat eine fantastische, alptraumhafte Vorlaufzeit.

Nun, ich weiß nicht, ob Du Namen bewusst ausgewählt hast. Aber beim Mandel-Meik seh ich eine Parallele zur Weltliteratur: Der Name des 1540 aufs Rad geflochtene, historisch belegten Händlers Hans Kohlhase wurde von Kleist nicht grundlos in „Michael“ umgewandelt, den Namen des Erzengels, der auch Schlachten schlägt. Und Michael bedeutet so viel wie „er ist wie Gott“. Und das kann auch der göttliche Antipode sein.

Bissken Flusenlese

Und als habe der Kranz sie geboren, stand dort, wo er niederging, Marina.
Nix ist unwirklicher, als diese Geburt - also warum nicht Konj. irrealis "als hätte"?
Hier geht's doch
Marinas Begleiter griff nach ihrer Hand, sie lächelte, beide drehten sich um und gingen davon, hin und wieder blickte sie zurück, als wollte sie, dass man ihr folgte.
selbst wenn's Prät. Dir dabei geholfen haben sollte.


Elf Uhr war es. Ich musste Elli abholen, meine Tochter. In Gedanken hörte ich sie sagen: „Komm, mach hin, Mama ist schon so lange tot. Du wirst nicht jünger. Außerdem trinkst du zu[...]viel, wenn du allein bist.“
(soweit ich weiß nur als Substantivierung Zuviel zusammen.

Eine schöne Ellipse

Eine dralle, frisch gefickte Katze.

„Ob die schon Spargel haben? Ach ich freu mich, ist so ein schöner Tag.“ Die Stimme der jüngeren Frau war weich. So klangen eine Stimme, die noch alles vor sich hatten.

Hm, kann man Tragödien gerne lesen? Sage ich mal so

nicht ungern gelesen vom

Friedel


* "Marina" (Rocco Granata), 1959

 

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