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Ein Geschenk

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19.10.2007
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Ein Geschenk

Ich erinnere mich an eine Begebenheit in einer Jugendherberge in B., in die wir spät abends noch eingecheckt hatten.
Vor uns war ein junger Mann mit Rucksack angekommen. Vielmehr als die Erscheinung dieses Jungen, der ohne Zweifel sehr gut aussah und dessen zurückhaltende Freundlichkeit mich neugierig machte zog mich aber etwas anderes sofort in seinen Bann.
Es war die Art wie der Kerl hinter der Rezeption auf ihn reagierte. Ich fragte mich was es war, das eine so unmittelbare Wirkung bei seinem Gegenüber verursachte. Ich beobachtete etwas, das ich sonst nur bei frisch verliebten Paaren gesehen hatte:
Einen Moment, in dem sich der Glanz der Seele im Ausdruck eines Menschen zu spiegeln scheint, so rasch wie sich eine Welle als Randbewegung eines ganzen Ozeans für einen Bruchteil der Zeit über den Strand ergießt, um sich dann durch den Sog seiner Bestimmung wieder in sich selbst zurückzuziehen.
Ich hörte dich einmal sagen, man könne gar nicht genug verschenken.
Hier war ich Zeuge eines Geschenkes geworden:
Ein Blick. Mit dem er ihm, wie mir schien, ohne zu zögern all die Liebenswürdigkeiten zusprach denen er selbst je gewahr geworden war. Ich hätte gerne gewusst ob der Ankömmling gesehen hatte was ich gesehen hatte, aber ich sah nur diesen Rucksack vor mir und deutlich die Lässigkeit mit der er getragen wurde und fragte mich wie er das bloß tat.
Dann wandte sich der Kerl an der Rezeption uns zu.
In mir stieg Hitze auf, in so einem rasenden Schub, dass ich fast mein Vorhaben vergaß:
Ich versuchte ein wunderbares Lächeln. Ich strahlte…und glühte von innen.
Und dann: Der Zeitlupenmoment.
Ein kleines klägliches Scheitern.
Denn er zog nur die Augenbraun hoch als deutete er mein Lächeln als versuchten Auftakt eines Satzes, der mir wohl aus Unschlüssigkeit nicht einfallen wollte.
Und sofort kam ich mir vor wie ein Taschendieb, der sich durch scheinbar zufälligen Körperkontakt an die Börse eines Fremden heran stiehlt.
Vielleicht war es der für diesen Abend endgültige und leise Rückzug des Jungen, der ihn nüchtern gestimmt hatte, ich fühlte mich blass.
Er erklärte uns dann das auszufüllende Formular und kehrte mit seinen nunmehr routinemäßig lächelnden Worten die nun noch verbliebene Restfreundlichkeit des Tages zusammen und wir verabschiedeten uns, in diesem leeren Aufenthaltsraum, mit seinen zu dieser Stunde schon hochgestellten Stühlen, ausgeleerten Aschenbechern und zur Durchlüftung offenen gelassenen Fenstern, in die Nacht.

Ich hörte dich einmal sagen man könne gar nicht genug verschenken, das Problem sei nur das mit Würde zu schaffen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lupo,

willkommen in diesem bunten Forum. Du versuchst, mit deinem Text einen besonderen Augenblick in Worte zu fassen. In besondere Worte selbstverständlich. Ein Augenblicksgefühl einzufangen und für den Leser nachvollziehbar zu machen. Das ist ja ein wesentlicher Aspekt der Schriftstellerei. In der Banalität eines Momentes, der an den meisten unbemerkt vorüberzieht, lässt du deinen Prot Großes und Einmaliges entdecken. Und mit dieser Erkenntnis versucht dein Prot nun, ein auch für sich selbst unvergleichlichen Moment zu schaffen - und scheitert. Kläglich.

Das ist nicht uninteressant, weder der grundsätzliche Ansatz, noch einige deiner Formulierungen.

Dennoch wirkt das ganze auf mich insgesamt nicht rund. Mich stört tatsächlich besonders der Aspekt, sich die frisch erlebte Entdeckung zu eigen machen zu wollen, das Erlebnis persönlich gleich wiederholen, es mit dem eigenen Erleben (in diesem Fall eine Nachahmung) füllen zu wollen.

Dadurch verliert die Sache für mich ihren Reiz, bekommt irgendwie so eine plumpe philosophische Wendung. Ich kann letztendlich nicht nachvollziehen, warum du diesen Schwenk einbaust, der ja offensichtlich die eigentliche Bedeutung dieser Geschichte ausmachen soll. Da schieben sich zwei Teile ineinander, die nicht wirklich passen. So bleibt man am Ende ein wenig ratlos zurück mit der Frage, worauf du mit deinem Text nun eigentlich hinaus wolltest.

Der "Kerl" an der Rezeption hat mich übrigens auch ein wenig gestört. Der Begriff an sich. Finde ich nicht so glücklich gewählt.

Und die Formulierung: Dann wandte sich der Kerl an der Rezeption uns zu. wirkt etwas holprig. Vorschlag: ... an uns.

Ebenso störend: und fragte mich wie er das bloß tat. Vorschlag: machte.

Weiterhin viel Spaß hier im Forum.

Grüße von Rick

 

HalloRick,
danke für Deine offene Kritik.
Mein Protagonist verabschiedet sich mit einem Taschendieb-Gefühl und etwas ratlos in die Nacht. Womit ich den schmalen Grad zwischen etwas verschenken wollen (das Gegenteil also von sich etwas zu eigen machen) und eben genau der Gefahr, dass das paradoxerweise ins Gegenteil umschlagen kann, zeichnen wollte.
Dass irgendwo etwas hackt, sehe ich nun auch. Ich denke weiter darüber nach..
Lieben Gruß,
lupo

 

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