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Ein Klassentreffen - Von Frauen

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18.04.2004
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Ein Klassentreffen - Von Frauen

Der Tisch blubbert. Wie ein kleiner Motor aus Kröten, in einem Waldsee versenkt, die gutmütig wackelnde Luftblasen aufdehnen und sie mit gekräuseltem Blick zur Oberfläche treiben lassen. Ein ständiges Glucksen. In roten und weißen Wein verschnürte, tiefste Zufriedenheit. Sorgsame Sorglosigkeit, ein Summen, ein Wiegen, wie für einen Säugling. Aus vielen Mündern umworbene, warme Einigkeit. Ein Treffen, ein Wiedersehen ist es, ein solches, das alte, kindesschelmische Erinnerungen verbindet mit dem Erreichten, dem was man heute ist: 30, zu sechst, Frau.
Ein kleines Grüppchen aus gediehenen Bäumen, die stolz ihre Früchte vergleichen, während unter einer Decke aus gesetztem Anstand und Erfahrung die Wurzeln züngeln, stupsen, kitzeln, lachen und necken. Doch wer sind sie, wenn man sie vereinzelt und sagen wir einmal, auf einen Topf stellt, um sie genauer betrachten zu können? Kuriositäten, denen ich gerne den Hof mache!
Die erste Dame, sie mutet an wie ein Hammerhai. Ihre Stirn ist sehr gut zu sehen und der Rest ihres Gesichtes fällt zum Kinn hin ab, verschmälert sich gleichzeitig auch in der Horizontalen, so dass es aussieht, als könne sie von oben herab den eigenen Mund betrachten. Oder ihre Sommersprossen, denn diese sind zahlreich auf ihrer gesunden Haut und schmiegen sich wohltuend an das dunkelblonde, zum einfach gebundenen Zopf geformte Haar. Wäre es schwarz und würden die Sommersprossen zu einer Fläche aus südeuropäischer Halbbräune aufblühen, so wäre ihr keilförmiger Kopf sehr griechisch anzuschaun. Nur die Äuglein, die wohl ein wenig in die Umwelt hineingewachsen sind, nach außen gekehrt sind, würden sie dann noch zum Frosch machen. Ein liebliches Ding zwischen alt-antiker Erhabenheit und einem lustigen Sumpfwesen ist die erste Dame und ich gestehe, ich habe mich gleich in sie verliebt. Denn ihre so niedlich-glubschige und zugleich tief-entrückt Art sendet einen schnurstracks vom Amusement in die Ehrfurcht und zurück. Man kreist wie eine wirre Fliege um sie und kommt nicht umhin, sich früher oder später sehr darüber zu freuen. Und was ist schließlich mehr zu wünschen, als Humor und Tiefe, in einem Antlitz vereint? Die erste Dame, sie lässt etwas fallen, wie: "...promoviere ich jetzt in einem Fach, das ich gar nicht studiert habe." und saugt triumphprall an ihrer Zigarette. Da wende ich mich ab.
Suche, spähe, schiele, aber wo ist die zweite Dame? Ich kann sie nicht sehen, nur vermuten, dass sie, dort wo die Auslassung zwischen Sumpfwesen und dritter Dame einen Stuhl anzeigt, irgendwo verborgen sein muss. Ich zergehe in Hoffnungslosigkeit! Die zweite Dame ist unauffindbar, doch wohl anwesend, es kommen nämlich Rauchschwaden von ihrem Stuhl! Ob sie gar ein unsichtbarer, schmauchender Sumpfgeist ist, der mit meiner Liebe gemeinsam im Tümpel haust? Ich muss mich damit zufriedengeben, aber was heisst zufriedengeben, ich habe die Ehre mich daran zu erfreuen und stelle diesen goldenen Gedanken in die Besenkammer. Dann rücke ich meine Augen zur dritten Dame hin.
Ein Feuerwerk aus Kosmetika! Die dritte Dame hat ihre schwarzen, glatten Haare mit zementhafter Stricktheit und dem entsprechenden Sprühwerk zu einem Oval geformt, das ihr hübsches, aber belangloses Gesicht schützend einrahmt. Dieses Schutzes scheint sie in der Tat bedürftig zu sein, denn sie blickt zwar lächelnd, doch unendlich gequält, unter der Last ihrer hautschönenden Creme-Produkte, in die Runde. Die dritte Dame, sie ist ohne Zweifel ein Opfer der verlockenden Sexualität, der Putzsucht, die ihr gutes Wesen, denn dieses gute, harmlose erkennt man sogleich aus ihren Augen, verzerrt und bestimmt, anbindet, so dass sich ein scheußlich unnatürliches Bild, gemalt von Wimperntusche, Mascara und Lippenstift entwickelt. Die dritte Dame, sie ist zerrissen zwischen Fürsorge, Mütterlichkeit und ihrer individuellen Funktion als Frau. Dem gebührt mein tiefstes Mitleid. Ich schlage die Augen nieder und wende mich ab.
Da dämmert etwas... Zu meiner Schmach ist dem Leser nicht bekannt, dass ich nur die eine Hälfte der Frauenschaft erblicken kann! Mein schweifendes Auge hat sein Spektrum ausgeschöpft! Die restlichen drei Damen beschränken ihren Charme mit rückwärtigen Reizen und sind mir vollkommen unbekannt! Tränen dringen in mein Auge, das verfrühte Ende will mir nicht zusagen. Ich frage mich, was die lieben Klassenkameradinnen mir wohl antun würden, wenn ich dort, allein an einem Tische für zwei, schluchzend über meinem Wein im Weinen zerfließen würde. Die Feuchtigkeit in meinen Augen verlischt schnell. Da blitzt es und das griechische Sumpfwesen erhebt sich, um auf dem Abort Erfrischung zu erlangen! Ich bin entzückt, ich darf ihr Profil mit meinen Blicken umspülen! Rettung hat mich ereilt! Meine Liebling, die erste, sehr große Dame, ihre Hüfte ist bedrohlich nach vorne, in Laufrichtung versetzt, so dass ich zunächst dachte, sie würde die Backen schiebend zusammenkneifen. Nun, dieser erste Gedanke täuschte. Während sie läuft, scheint sich meine amphibienhafte Verehrte gewaltige Mühe zu geben, eine Art Cat-Walk Manier zu pflegen, also dieses unglaublich legere, von der baumelnden Handtasche auf die Spitze der Zumutbarkeit gekitzelte, locker aber bestimmt wackelnde in ihren Gang zu kopieren. Man muss sagen kopieren, denn es funktioniert nicht, bezieht keine Kraft aus der Natürlichkeit, wirkt aufgesetzt und das hauptsächlich wegen den vermeintlich zusammengekniffenen Po-Backen. Diese nämlich, in der Verlängerung der Beine, führen zu einer übermäßig weitläufigen und gleichzeitig steifen Gangart, die ein wenig nach breitem Humpeln aussieht. Außerdem hält sie ihre naturlederne Handtasche unter dem Oberarm eingeklemmt. Ach, wie ich sie liebe! Nichts ist so wie es sein müsste und doch ist alles so wie es sein könnte. Meine erste Dame, sie ist ein Mensch für die Meta-Ebene, für das, was danach kommt, nach dem Sehen. Sie ist ein Mensch für mich. Und dort verschwindet sie auf der Treppe zum Klo. Ich nehme mir vor, gleich bei ihrer Rückkehr um ihre Gesellschaft anzuhalten oder doch zumindest die Hypothese dieser Szene durchzudenken. Dann räuspere ich mich still.
Ein Wunder ist geschehen! Durch den Weggang der einen, ist nun endlich die andere, die Zweite, zu erkennen. Nein, sie ist kein Sumpfgeist, höchstens ein Schrumpfgeist und noch dazu sehr zart! Ein kleines Krümelchen mit einer Jungs-Frisur aus dichtem Schwarzen. Diese Jungs-Frisuren konnte ich nie unterscheiden, sie waren mir alle immer vollkommen gleich, also stelle ich bei der zweiten Dame schlicht eine Jungs-Frisur fest, die charakterisiert ist durch kurzes, schwarzes Haar. Das macht einen derben Kontrast zu ihrer butterbleichen Haut, die ganz schön ungesund daherkommt. Ein bißchen so, wie man sich die Strafe für Kettenraucher vorstellt. Aber davon kann keine Rede sein! Strafe hat sie nicht verdient, obwohl sie kraftlos an ihrer Filterzigarette nippt. Sie ist einfach ein wenig schwach und windig, die Dame Zwei, ein wenig komisch ernährt vielleicht, ein bißchen zuviel Zwieback. Ihre ganze Art verteilt etwas schüchternes und zurückzuckendes an den Betrachter, gleichwohl in den Augen immer eine reine und freche Neugier glimmt, die so stark sein muss (man sieht es sofort), dass bei ihrer Entfachung am Gegenstand der weichende Körper einfach überrannt wird. Die geduckt hockende zweite Dame, gehemmt durch ihre Physiognomie, gekräftigt durch ihre wild-knisternden Augen, sie scheint mir mit der Welt in einer Hass-Liebe zu stehen, deren sexuelle Dimension mich sogleich aufwühlend ergreift. Vielleicht ist sie aber auch todkrank. Rafft ihre letzten Tage? Klammert sich deshalb so abstrakt an das Leben? Ich weiß dazu nichts zu sagen, ich habe sie nicht untersucht.
Und wie ich diese Gedanken anstelle, ist die Erste mit ihrer Toilette zu einem Ende gekommen und ruckelt leger zurück auf ihren Stuhl. Mir fällt auf, dass ihr Gang ihr Gesicht, ihre ausladende Stirn noch bezaubernd daraufgepropfter erscheinen lässt, so ziemlich wie einen ortenden Geschützturm. Ich lächele ihr zu. Sie blinzelt ein bisschen verständnislos, setzt sich und wird gleich darauf von dem verbliebenen Quintett freudig wiederaufgesaugt.
Jetzt ist es soweit! Die Betrachtung ist abgeschlossen. Es folgt die Berechnung. Ich entfache eine meiner kubanischen Zigaretten, ein "komisches Kraut" wie mir dauernd vorgehalten wird, ganz weiße, befilterte Stängel, die Tiefe haben, die die Lunge reizen und auf eine Art zurücklassen, die wohlig, kraftlos und entspannt ist, in dem Bewusstsein etwas geleistet zu haben, wie nach einem langen, schweißtreibenden Marsch durch bergige Höhen. Andere pflegen dazu zu sagen: "Sie stinken." Ich stinke also und freue mich über die fremden Seitenblicke, die ich in meinen Erntekorb werfe, im Bewusstsein vollkommener Einzigartigkeit und Besonderheit. Ein Selbstbetrug, der das Leben dreitausend Grad lebenswerter macht, ich empfehle dies zur Nachahmung. Also bin ich nun soweit. Bin ich nun gedankenfähig. Habe drei Damen beobachtet und abgespeichert. Was kann man damit machen? Und weil die Erste so ein bisschen antik war, wird es bei mir gleich genauso und ich stelle mir vor ich bin Paris und stehe vor Troja und muss entscheiden zwischen Juno, Athena und Venus, mit nichts anderem bestückt als einem handschmeichelndem goldenen Apfel. Wie würden Sie entscheiden? Dame 1, Dame 2 oder Dame 3? Was würden Sie mit dem goldenen Apfel tun? Ihn beim Antiquariat versetzen? Gab es damals bereits Antiquariate, wo die Zeit noch so neu war? Ich spiele mit dem Gedanken, den Fortgang der Geschichte kennend, durch einen gezielten Wurf Juno zu fällen. Dann würde ich mir die Venus (das ist das Sumpfwesen) schnappen und mit ihm in die Ferne schweifen, ein Moor suchen. Arme Dame Zwei! Möglicherweise würde ich die Göttinen aber auch einfach um den Apfel kämpfen lassen. Welch ein ästhetischer Hochgenuss! Nichtsdestotrotz, es handelt sich um Göttinen, die eine gewisse, althergebrachte Würde ihr eigen nennen, da möchte man nicht so plump daherkommen. Was sagt man also, wenn man ein Goldenes hat und drei liebe Entzückungen, die es wollen? Man erfindet die Apfelparabel und bittet Hephaistos unauffälig zwei weitere Äpfel zu schmieden. Ich vertstricke mich in uninteressanten Sinnlosigkeiten! Der güldene Apfel gebührt meiner Liebsten, meinem Alles, meiner Dame 1, der ersten und einzigen, meiner wahren Liebe. Ich springe ohne zu Zögern auf, trete an den Tisch der Plaudernden, schlage mit der Faust auf die Platte direkt neben das Weinglas der Erwählten, so dass ihr Weisswein sich mit den Scherben des im Fallen Zerbrochenen auf dem Holze mischt, strecke ihr den Knust meines französischen Baguettes entgegen und rufe mit vor Verlangen verzerrter Stimme:

"Nimm diesen goldenen Apfel aus meiner Hand, Schönste der Schönen, griechischer Keil, Sumpfwesen... Sonne der Meta-Ebene und lasse mich an deinem wohligen Halse den Rest meines ohne dich wertlosen Lebens fristen."

Dann fällt mir der Stummel meiner Zigarette, die ich wie der abgehalfterte Vietnamgeneral im äussersten Mundwinkel beherbegte, in ihren Spargel.

Ende.

 

Hallo Bosch,

vor allem der erste Absatz erscheint mri überformuliert. Da hast du es für meinen Geschmack mit der Fabulierlust übertrieben und auch die Bilder empfinde ich nicht als zwingend, hilfreich oder eingängig.
Interessant die wertenden Beschreibungen deines Prots über die Damen seiner Betrachtung, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass sie manchem als langweilig erscheinen. Handlung ist wenig da bis zur Pointe, die in gelungenem Kontrast zu den wortreichen Eindrücken steht. Das hat mir gefallen.

Denn ihre so niedlich-glubschige und zugleich tief-entrückt Art
Bindestrich zwischen tief entrückte Art nicht nötig
das ich gar nicht studiert habe." und saugt triumphprall an ihrer Zigarette.
habe", und ...
triumphprall?
ihre Hüfte ist bedrohlich nach vorne, in Laufrichtung versetzt, so dass ich zunächst dachte, sie würde die Backen schiebend zusammenkneifen.
merkwürdiger Tempuswechsel mitten im Satz
und das hauptsächlich wegen den vermeintlich zusammengekniffenen Po-Backen.
wegen der

Lieben Gruß, sim

 

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