Was ist neu

Ein kleiner Tod

Mitglied
Beitritt
21.09.2005
Beiträge
17
Zuletzt bearbeitet:

Ein kleiner Tod

Ein letztes Zucken bäumt den fadenscheinigen Körper noch einmal auf, bis er endlich unbewegt auf der glatten Oberfläche schwimmt. Das unspektakuläre Ende eines Totentanzes, welcher sich über eine viertel Stunde dahin zog um nun, für alle kommenden Zeiten der Friedlichkeit der ewigen Ruhe Platz zu schaffen. Von der dunkelrot gefärbten Flüssigkeit strömt unentwegt ein süßlicher Geruch aus, der sich ausweitet, in unsichtbaren Wolken dahingleitet und eine Ahnung von dem überbringt, was sich vor so kurzer Zeit ereignete. Schatten der Vergänglichkeit gleiten über die kristalline Umgebung, ein Lichtspiel, welches ein immer neues Bild des Todes entwirft. An einigen Stellen verändert sich der rötliche Saft, wird zäh, dickflüssig, trocknet langsam im Schein des Lichtes. Dort, wo er gänzlich in den festen Zustand übergangen, hat das Rot einer dunkleren Farbe Platz machen müssen, fast schwarz, scheinen die trockenen Ränder. Eine leise Melodie schwebt über allem, ein vertrautes, wenn auch jämmerliches Liedchen, welches kurz stockt um dann abermals zu beginnen. Von nichts wird dieser traurig anmutende Kreislauf unterbrochen. Alles bleibt stumm, bloß diese sich fortwährend wiederholende Musik begleitet den toten Körper auf seiner letzten Reise. Eine Reise ins Nichts.

Mehrmals schüttelt er vor Ekel und Mitleid den Kopf, bevor er den Ort des Geschehens gänzlich betritt. Dann jedoch, als ob eine unsichtbare Schranke überwunden wäre, scheinen seine Schritte souverän und zielgerichtet. Der Körper strotzt vor Kraft und Energie, auch wenn man seinem Gesicht ansieht, dass der Anblick, welcher sich ihm unweigerlich aufzwingt, seinen bürgerlichen Manieren ein Grauen ist. Die manikürte Hand greift ohne Umschweife nach der Grammophonnadel und beendet endlich die nervenaufreibende Endlosschleife. Ein kurzer Blick auf den Betrunkenen zu seinen Füßen, dann auf das immer noch halb gefüllte Rotweinglas auf dem Nachtschränkchen. Angewiedert nimmt er die tote Fliege in dessen Inneren zur Kenntnis. Zimmerservice bitte.

 

Also das nenne ich doch mal einen wirklich gelungenen Perspektivwechsel und ein gelungenes Beispiel für die Macht der Worte:
eine Beschreibung der Dinge über ihre Bedeutung zu stellen.

Respekt !

Gruß
Jürgen

 

Mit einer so guten Kritik hätte ich gar nicht gerechnet, ist nämlich die erste Geschichte die ich veröffentliche...
Also vielen Dank Jürgen, hat mir wirklich Mut gemacht

 

Danke für den Kommentar und die kleine Rechschreibkorrektur panel 1!

 

Hallo, Kücken

Ich kann mich panel 1 und count zero nur anschließen. Eine wirklich originelle Story mit einer selten frischen Pointe.
stylistisch Top!

 

Wow, danke Deschain!
Kann so viel positive Kritik noch gar nicht ganz glauben...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kücken,

ja, die Pointe ist nicht schlecht und macht die Story ingesamt originell. Vom Stil her gibt es allerdings das eine oder andere anzusprechen. Gerade bei einer solch kurzen Geschichte (aber natürlich auch bei längeren) muss jedes Wort auf den Punkt sitzen, und jede Beschreibung funktionieren.

Fangen wir mal an.

Ein FADENSCHEINIGER Körper klingt komisch. Was willst du konkret damit zum Ausdruck bringen?

Bis er ENDLICH unbewegt ... Warum "endlich"? Aus wessen Sicht "endlich"?

Das unspektakuläre Ende eines Totentanzes, welcher sich über eine viertel Stunde dahin zog um nun, für alle kommenden Zeiten der Friedlichkeit der ewigen Ruhe Platz zu schaffen

Ingesamt ist mir der Satz zu vollgestopft. Statt "welcher" würde "der" besser klingen. Auf eine genaue Zeitangabe würde ich verzichten, weil das den Rhythmus stört und dein Ziel, den ersten Absatz möglichst geheimnisvoll und unklar zu gestalten. Der Zweite Teil des Satzes ist ein Nichts an Aussage und könnte wegfallen. Oder was meinst du damit?

ein Lichtspiel, welches

Ein Lichtspiel, das

Eine leise Melodie schwebt über allem, ein vertrautes, wenn auch jämmerliches Liedchen, welches kurz stockt um dann abermals zu beginnen.

Wem soll die Melodie vertraut sein?

"Jämmerliches Liedchen" passt nicht zum sonstigen Stil.

Ich sehe das so. Du hast eine gute Idee gehabt. Du hast versucht, sie im ersten Absatz mit ganz betont überladenen Sätzen zu verschleiern, um uns Leser auf eine falsche Fährte zu locken, oder wenigstens deine Idee zu vernebeln. Bei diesem Versuch bist du sprachlich über das Ziel hinaus geschossen. Das hätte mit einfachen und präziseren Worten genauso geklappt, und hätte mir persönlich mehr Lesevergügen bereitet.

Auch im zweiten Absatz, der die Lösung bringt, könntest du deine Sätze etwas entschlacken und die Worte etwas gezielter setzen.

Dass du schreiben kannst, beweist dein Text. Dass du diesen Text besser schreiben könntest, ist meine feste Überzeugung. Ich hoffe, das kommt so rüber und wirkt jetzt nicht wie ein harter Verriss.

Bei jemanden, der den Nick "Kücken" hat, war ich von vornherein etwas gehemmt, denke aber auf der anderen Seite, dass du, wie alle hier, konstruktive Kritik wünscht.

Dafür, dass dies deine erste (veröffentlichte) Geschichte ist, darf ich dir auf jeden Fall schon mal gute Fähigkeiten bescheinigen.

Grüße von Rick

 

Hallo Rick

Erst einmal danke, dass du dir so viel Zeit genommen hast...

Ich habe im ersten Teil der Geschichte nicht unbedingt die Absicht etwas möglichst geheimnisvoll darzustellen, es geht mir viel mehr um die Vorbelastung mancher Worte. Die Assoziationen des Lesers bei diesen Worten stehen im ersten Teil der Geschichte im Vordergrund, z.B. bei dem Satz "dunkelrot gefärbte Flüssigkeit".
Die Auflösung dieser irreführenden Assoziationen kommt dann im zweiten Teil.
Aus diesem Grund sind auch beide Teile stilistisch von einander getrennt.
Das Wörtchen "fadenscheinig" stand für mich für einen sehr zierlichen, verschwindenen Körper und trägt somit die Idee der Vergänglich keit, außerdem verweist es schon im ersten Teil auf das Insekt.
Das die Sätze im ersten Teil zu vollgestopft sind, ist denke ich Ansichtssache.
(Jemanden nach dem Nickname zu beurteilen ist nicht unbedingt konstruktiv oder?;) )
Liebe Grüße
Kücken

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, das mit dem Nick war mehr als Scherz gemeint. Verbuche ich mal als nicht gelungen.

Ich möchte mich nur noch mal zu dem Begriff "fadenscheinig" äußern, den ich bisher noch nie als körperliche Eigenschaft kannte (im Sinne von zierlich und als Assoziation für Vergänglichkeit), und der gleichzeitig als Hinweis gewertet werden soll, dass es sich um ein Insekt handeln könnte. Ein fadenscheiniges Insekt also.

Ich kannte den Ausdruck bisher nur im Zusammenhang beispielsweise mit einer Ausrede, der man auf diese Weise eine gewisse Unglaubwürdigkeit unterstellt, weil sie eben fadenscheinig ist. Insofern scheint er mir nicht passend zu sein.

Ansonsten ist es doch schön zu erfahren, dass du offensichtlich 100% zu deinem Text stehst, und die von mir angesprochenen einzelnen Punkte aus deiner Sicht keiner besonderen Beachtung bedürfen. Muss ja auch nicht sein. Ich sehe sie trotz deiner Antwort nach wie vor so, zumal der Versuch einer inhaltlichen Klarstellung nicht gleich stilistische Anmerkungen zwangsläufig mit beantwortet.

Grüße von Rick

 

hi kücken

Dort, wo er gänzlich in den festen Zustand übergangen

übergeht

Das Pseudonym eines Künstlers vermittelt nun einmal einen ersten Eindruck und was man zu erwarten hat. das lässt sich nicht vermeiden. ich verstand noch nie, warum sie die leute hier nicht klangvolle namen aussuchen können. aber das ist ja eure sache.

Deine Geschichte finde ich, von der Idee sowie umgesetzt, gut.

Rick, deine Ratschläge hier sind etwas fadenscheinig! ;D

Eine leise Melodie schwebt über allem, ein vertrautes, wenn auch jämmerliches Liedchen, welches kurz stockt um dann abermals zu beginnen.
Das lied ist vertraut, da es in der Endlosschleife gespielt wird, wie erst im zweiten Abschnitt deutlich wird. wie vieles. das ist ja das Stilmittel hier, mit dem der Text arbeitet. und bei der Kürze funktioniert es. wer da schon den Rotstift angesetzt hat, ohne zuende zu lesen, ist selbst schuld.

Bis er ENDLICH unbewegt ... Warum "endlich"? Aus wessen Sicht "endlich"?
die Fliege verreckt jämmerlich, rick. für sie kommt der Tod endlich.

da ich dich respektiere, rick, weißt du ja. daher nichts für ungut und ich will auch keinen text verteidigen, den ich nicht verfasst habe.

Denn verbesserungswürdig ist er noch. akkurater muss er werden, jedes Wort seine Zugehörigkeit finden.
gerade am anfang solltest du den Leser nicht mit einem "fadenscheinigen Körper" kommen, da man da nicht unbedingt assoziiert. das kannst du später bringen. zwei klare, leichtverdauliche Sätze zu Begin.

besten GRuß

 

Hallo Aris,

wem ist das Lied vertraut? Der toten Fliege?

Und die Fliege sehnt ihren Tod herbei? Endlich?

Sorry, das ist sehr wohl ernsthaft zu hinterfragen, weil der Text sich für eine Erzählerpespektive entscheiden müsste, und diese Erklärung (fast) unterstellen würde, die Fliege erzählt uns den ersten Teil, oder?

Na egal, ich will jetzt auch nicht zu kleinlich wirken, vielleicht habe ich mich da auch verrannt und den grundsätzlich philosophischen Ansatz falsch interpretiert. Im Philosophieren war ich schon immer eine Niete.

Schönen Sonntag noch, ich muss mich jetzt leider aus der spannenden Diskussion ausklinken.

Grüße von Rick

 

Feigling bleib hier.

ich bin auch kein Philosoph. den philosophischen Ansatz hier können andere durchleuchten. das ich hier lese, war zufall.

Aber wenn jemand, egal ob mensch oder fliege, elendig verreckt, dann kommt der Tad endlich, da die Qualen vorbei sind. und wenn ich so einen Tod beobachte, dann sage ich auch endlich, wenn es soweit ist. wie oft hast du Mäuse totgeschlagen, die in den Mausefallen noch zuckten, Rick?

 

Hallo Aris,

gestern musste ich dringend weg, sorry. Aber hier habe ich ohnehin erst einmal alles gesagt, was ich sagen wollte. Mir geht es nach wir vor um die Erzählperspektive und in diesem Zusammenhang um die Einordnung bestimmter wertender Begriffe wie "endlich" oder "vertraut".

Ich habe noch nie Mäuse totschlagen müssen, die in Mausefallen zuckten. Vielleicht würde mich das beim Philosophieren "endlich" mal weiterbringen. So, genug gescherzt, ich bin (leider) schon wieder auf dem Sprung und muss noch schnell etwas anderes kommentieren. Wünsche dir (und allen anderen) einen schönen Restsonntag. Und besonders natürlich Kücken, um deren Text es hier ja geht (habe ich gerade noch die Kurve gekriegt).

Grüße von Rick

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom