Ein Krieg
Ein Krieg
Ich laufe in schnellem Tempo über den Asphalt, die Luft schneidend kalt in meinen Augen, die Finger fest um den Stein geklammert und ich werfe ihn mit aller Wucht in die Menschenmenge vor mir, denn irgendjemanden wird er schon treffen, und er wird es verdient haben.
Ich bin wie eine Brausetablette im Wasser, ich löse mich auf unter dieser Maske und ich werde in jedem Tropfen meinen Geschmack hinterlassen, und der letzte Schluck wird bitter sein, sie werden es schon spüren, die, sie, die mich aufsaugen wollen, dieser riesige Schwamm von Menschen. Sie wollen mich anders sehen, ich soll werden wie sie, aber das werde ich nicht, ich werde mich wehren, und ich werde eine Faust ballen, ich werde ihre grinsenden Dämonenfratzen zerschlagen wie Porzellan.
Der Stein trifft, ein dumpfer Ton und ich renne, fort von hier, sollen sie mir doch folgen, meine Seele können sie mir nicht entreißen, niemals. Diese Armee der Angepassten, niemals werde ich mich ihnen unterwerfen; sie wollen, dass ich aufgebe, mich aufgebe, aber ich lasse mich nicht unterkriegen, dies ist ein Krieg, mein Krieg, und sie werden ihn verlieren oder ich werde untergehen, aber ich werde nicht zu ihnen gehören.
Diese geistlosen Körper, wandeln durch die Straßen ohne Ziel, ohne Heimat, wie hypnotisiert von ihren grausamen Göttern angeleitet, verfremdet, ohne Willen, ohne Gesicht, nur leere, weiße Fratzen, die Mundpartie zu einem Grinsen verzogen, ihr sollt wach werden, ihr sollt sehen. Keine Farbe in ergrauten Augen, keine Träume dahinter, nur ein monotones Rauschen, das ihre Sinne betäubt, aber dieser Stein in meiner Hand, dieser Stein, der durch die Luft segelt mitten hinein in diesen stummen Sumpf, er wird sie wach rütteln, er wird genau treffen, mitten ins Schwarze, und sie werden Schmerz fühlen, aber mein Gott, sie werden etwas fühlen.
Sie werden mich sehen, aber mein Gott, sie werden etwas sehen, und wer soll sie sehend machen, wenn nicht ich, wenn nicht dieser Stein in meiner Hand, dieser Stein in der Luft, der, wie in Zeitlupe, seinem Ziel entgegen fliegt.
Auch, wenn sie Panzer haben, wenn sie Feuerwaffen besitzen, Geschosse, die alle Träume in Fetzen reißen, selbst, wenn es meinen Körper in Stücke sprengen sollte, ich werde nichts bereuen, gar nichts, denn ich habe gelebt unter den Toten, ich habe ihnen den Weg gezeigt, den sie gehen müssen, raus, raus aus der Sklaverei, aus dieser grausamen Diktatur falscher Herrscher, falscher Ideale, falscher Götzen, die sie leer gesaugt haben, bis auf den letzten Tropfen Lebenswillen. Aber mit mir haben sie nicht gerechnet. Und ich habe immer noch diesen Stein.
Fest in meiner Hand.
Und er soll fliegen.
Und er soll sein Ziel nicht verfehlen.
Und alles wird ein Ende haben.
…
Der Blick wird klarer, als ihn ein hupendes Auto aus den Gedanken reißt, unsanft wird die Straße erkennbar, auf der er steht, der Asphalt hart und kalt an seinen Füßen klebend. Menschenmassen schieben sich vor ihm geschäftig wimmelnd durch die Fußgängerzone und kein Ende in sicht.
Ein stechender Schmerz in seiner linken Hand erinnert ihn an den Stein, den er eben fand, und welcher nun fest von seinen Fingern umklammert in seiner Hand liegt. Ausdruckslos betrachtet er sein Werkzeug, und nach einem unschlüssigen Augenaufschlag lässt er den Stein in seine Tasche gleiten.
Zur Erinnerung.