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Ein Ort, den nur wir kennen

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26.06.2015
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Ein Ort, den nur wir kennen

Ich drehte das schmutzige Stück Papier wieder und wieder zwischen meinen Fingern, faltete es auf, faltete es zusammen. Obwohl die Sonne bereits tief stand und ihr kupfernes Licht sich in der Wasseroberfläche des Sees widerspiegelte, war die Luft unerträglich heiss und feucht. Mit dem Handrücken wischte ich die Schweissperlen weg, die mir auf Stirn und Oberlippe standen, strich mir meine langen Haare aus dem Gesicht.

Lass es uns tun. Heute.

Geschrieben mit blauem Kugelschreiber in schnörkellosen Buchstaben prangten die Worte auf dem Zettel. Ich las sie zum tausendsten Mal. Noch immer spürte ich ihre Berührung auf meiner Haut, als sie mir den zerrissenen Papierfetzen zusteckte. Mit zitternden Fingern zündete ich mir eine zerquetschte Marlboro an und starrte auf das ruhige Wasser des kleinen Sees, an den ich mich immer zurückzog, wenn ich nachdenken musste. Hier hatte ich meinen ersten Whiskyrausch erlebt, mein Gott, das war bestimmt fünfzehn Jahre her. Ich erinnere mich noch, wie ich in ein kleines Paddelboot direkt neben dem Steg kotzte. Das war mir am nächsten Tag so furchtbar peinlich, dass ich, ausgerüstet mit einem Eimer und Putzlappen, meine Sauerei aufzuwischen versuchte – doch das Boot war weg. Drüben auf dem kleinen Holzsteg rauchte ich meinen ersten Joint, fühlte das erste Mal die Lippen einer Frau, später den Schmerz der Liebe. Hätte ich damals ahnen können, wie weit mich unerfüllte Sehnsucht treiben konnte, ich hätte bloss ungläubig gelacht. Nachdenklich zog ich an meiner Kippe, schnippte sie weg, bevor ich entschlossen aufstand.
Heute sollte es sein. Wenn nicht heute, dann niemals. Und niemals war keine Option.

Es war bereits dunkel, als ich meine Schicht antrat, doch die Hitze staute sich noch immer auf der engen Gasse der Innenstadt. Die dunkelblaue Uniform klebte an meiner Haut. Ich hatte das Gefühl, dass mir die Angst in den Augen stand, jeder mir ansehen konnte, dass heute nichts wie immer war. Bevor ich den Türgriff berührte, sog ich die Nachtluft tief ein, schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Meine linke Hand rückte instinktiv den Waffengurt zurecht.
Alles in Ordnung, Hanna. Lass dir nichts anmerken.
In Gedanken sprach ich mir beruhigend zu. Dann trat ich ein. Drinnen war es um einiges kühler. Ich atmete auf.
„Hey Steven, alles klar?“ Ich wollte ein lockeres Gespräch mit meinem Arbeitskollegen beginnen, in der Hoffnung, damit meine Aufregung ein wenig runterfahren zu können.
„Hanna, hi. Ja, hier läuft alles rund, keine Vorfälle bisher. Zelleneinschluss war vor zwei Stunden. Is’ alles recht ruhig heute, nur unser üblicher Störenfried, die Alte in der 303, macht ab und zu n’ bisschen Radau.“
Ich nickte ihm zu.
„Na dann, viel Spass. Ich hau mich mal für ein paar Stunden aufs Ohr, weck mich einfach, wenn’s Probleme geben sollte.“ Steven nahm seine Füsse, die in schweren Schnürstiefeln steckten, vom Tisch und stopfte sich den letzten Rest seines Sandwiches in den Mund, bevor er hinter der massiven Türe am Ende des langen Gangs verschwand. An diesem Ort hatte alles seine Routine, jeden Tag, jeden Abend, jede Nacht. Frühstück, Arbeit. Mittagessen, Arbeit. Etwas Freizeit, dann Einschluss. Ich mochte meine Stelle trotzdem seit dem ersten Tag, der jetzt fast drei Jahre zurücklag – besonders die Nachtschicht. Die Stille im Gefängnis, das während des Tages laut und trostlos erschien, legte sich nachts wie eine dicke Schneeschicht über das Geschehen, dämpfte die Ängste und Sorgen jeder Insassin und täuschte über all die Schicksale hinter den Gitterstäben hinweg. Bis zum nächsten Morgen.
Als ich vermutete, dass Steven bereits schlafen würde, schritt ich leise den Gang entlang. Vor der zweitletzten Zelle blieb ich stehen.
„Meike. Hey. Bist du wach? Meike!“ Ich konnte sie hinter der dicken Stahltüre nicht sehen, doch durch die kleine Luke, durch welche üblicherweise das Essen gereicht wurde, flüsterte ich ihr zu. Ich hörte dumpfe Schritte, dann ein leises Klicken, als die Luke von Innen geöffnet wurde. Sie griff nach meiner Hand, und ich zuckte zusammen.
„Ich habe auf dich gewartet. Ich wusste, du würdest dein Wort halten, ich wusste es einfach!“ Sie flüsterte, doch ich spürte, dass sie innerlich schrie. „Lass mich gehen. Lass uns gehen!“
Ich hielt die Luft an, tastete nach dem Schlüssel in der Hosentasche meiner Uniform, spürte dessen Zacken, Rundungen, das kalte Metall.
In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich schon seit diesem Mittwoch vor eineinhalb Monaten, an dem ich diese zierliche Frau mit den dunkelbraunen, zu einem kurzen Bob geschnittenen Haaren aus dem Polizeiwagen in ihre Zelle führte und sie mich dabei lächelnd musterte, bereit war. Als ich ihr damals die Handschellen abgenommen hatte, war ich besonders vorsichtig, das fiel mir sofort auf, viel vorsichtiger, als ich es üblicherweise war. Ich blieb länger neben ihr stehen als üblicherweise, beobachtete sie dabei, wie sie sich auf das Bett setzte, und fühlte dabei etwas, was ich nie hätte fühlen dürfen. Ich wollte gar nicht wissen, was sie getan hatte, weshalb sie an diesem Ort war. Nichts hielt mich davon ab, diese Sehnsucht zu spüren, wenn ich tagtäglich an ihrer Zelle vorbeiging und wir ganz leise miteinander sprachen. Manchmal, wenn ich ihr das Abendessen brachte, steckte sie mir kleine Zettel zu und berührte dabei meine Hand. Das war alles, was uns blieb, und ich spürte diese Berührungen jeweils noch Stunden später auf meiner Haut.
Ich öffnete ihre Zellentüre möglichst geräuschlos. Sie stand direkt dahinter, kaum grösser als ich.
„Schön, dich zu sehen“, sagte sie fast stimmlos, ganz ruhig. Wir sahen uns einen Moment lang nur an.

Ich drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch, als wir endlich die Autobahnauffahrt erreichten. Meike sass, ein Bein angewinkelt und ganz an ihren Körper gezogen, auf dem Beifahrersitz meines alten Audis und rauchte bestimmt die fünfte oder sechste Kippe am Stück, während sie sich ständig mit den Fingern durch ihr lockiges Haar fuhr.
„Wo fahren wir eigentlich hin?“, fragte sie, ohne ihren Blick von mir abzuwenden, was meine Nervosität noch weiter steigerte.
„Ich hab’ nen Bulli, der steht direkt über der deutsch-tschechischen Grenze. Ich denke, wir fahren erstmal dorthin, und morgen seh’n wir weiter.“ Ich hörte mir selbst zu und wusste, dass der Plan nicht wirklich durchdacht war.
„Okay“, sagte sie nur und blies den Rauch aus dem fingerbreit geöffneten Fenster. Ich spürte, wie sie den Blick von mir abwandte und den vorbeiflimmernden Lichtern am Autobahnrand nachsah. „Willst du eigentlich gar nicht wissen, wieso ich verknackt wurde?“
„Ganz ehrlich?“ Ich sah kurz zu ihr rüber, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf die nahezu leere Strasse richtete. „Nein. Es würde so oder so nichts an dieser Sache hier ändern.“
„Diese Sache“, wiederholte sie lachend. „Ach, was soll's. Ich habe gedealt. Verdammt, irgendwie musste ich mein Leben ja finanzieren, wie soll man heutzutage schon von der Musik allein leben können?“ Irgendwie klang es wie eine Entschuldigung, aber ich wusste, dass sie nicht zu der Sorte Mensch gehörte, die sich für irgendetwas entschuldigen würde.
Diese verdammte Hitze wurde langsam unerträglich. Ich öffnete das Fenster auf der Fahrerseite, der Fahrtwind rauschte an meinem linken Ohr. Der Gedanke an ihre Nähe liess mich nahezu zittern. Als sie meinen Oberschenkel berührte, fühlte ich eine unbeschreibliche Erlösung von dieser Anspannung, die meinen ganzen Körper beherrschte.
Die Fahrt nach Tschechien über die grüne Grenze dauerte gute zwei Stunden. Nach meinen Berechnungen würde Steven in ungefähr einer Stunde aufwachen und nach dem Rechten sehen. Spätestens dann würde auffallen, dass Meikes Zelle leer und ich mit ihr verschwunden war. Vielleicht war er aber auch längst wach, vielleicht wurde längst nach uns gefahndet.

Mein alter VW-Bus befand sich, ziemlich versteckt hinter einigen grösseren Tannen, in einer abgelegenen Waldlichtung. Neben der kleinen Spüle stand eine angebrochene Flasche Whisky. Ich nahm einen ordentlichen Schluck.
„Na, willste auch was davon? Is’ zwar widerlich warm, aber was soll’s.“ Ich reichte ihr die Flasche, und sie trank einige Schlucke, verzog das Gesicht. Meike hatte sich mittlerweile neben dem Bulli ins feuchte Gras gesetzt, und ich legte mich neben sie, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah in den klaren Nachthimmel.
„Ich wusste, dass du mich da rausholen würdest.“ Sie sagte es mehr zu sich selbst denn zu mir. „Aber ich weiss nicht, warum.“
Ich überlegte eine ganze Weile. „Ich habe den Bulli von meinem Vater geerbt, da war ich gerade dreiundzwanzig. Er starb an Krebs. Und ich war nicht da, weil ich mir selbst zu wichtig war, weil ich dachte, vor allem wegrennen zu können, womit ich nicht klar kam.“
Der Whisky brannte in meinem Magen. Ich sah, wie das aufflackernde Feuerzeug sich kurz in Meikes Augen widerspiegelte, als ich mir eine Kippe ansteckte. Wir schwiegen eine ganze Weile. Dann legte sie sich neben mich, drehte sich zu mir um, sodass ich erst ihren warmen, regelmässigen Atem auf meinem nackten Oberarm, dann ihre Lippen auf meinem Hals spüren konnte. Mit geschlossenen Augen genoss ich ihre Nähe und die Stille der Nacht.
„Danke, Hanna“, flüsterte sie in mein Ohr, hielt einen Moment inne, bevor sie ihre Hand in meinen Nacken legte und mich zu sich zog. Als wir uns endlich küssten, schien mein Verlangen in diesem Moment zu zerrinnen, mein Hunger und Durst nach ihr gestillt zu sein. Ihre Lippen fühlten sich unglaublich sanft an, schmeckten nach Whisky und Freiheit. Ich vergrub meine Finger in ihrem Haar, um ihr noch näher zu sein, zog ihr ungeduldig ihr durchgeschwitztes Shirt über den Kopf. Meine Hände wanderten über ihren muskulösen Rücken, als sie sich über mich beugte. Sie war wunderschön, das war alles, was ich in diesem Moment zu denken vermochte. Als ihre Lippen sich von meinen lösten und über meinen Bauch, meine Hüften wanderten, legte ich den Kopf in den Nacken und sah in den Sternenhimmel.

Als ich meine Augen öffnete, brauchte ich eine ganze Weile, um mich zu orientieren. Die Sonne schien auf meinen halbnackten Körper, trocknete die von Morgentau überzogene Wiese. Verwirrt versuchte ich, meine alkoholgetränkten Erinnerungen zu ordnen.
„Meike?“ Ich setzte mich auf, rieb mir die Augen. Das helle Sonnenlicht verursachte einen stechenden Schmerz in meiner Schläfe.
„Meike! Verdammt, wo bist du?“, schrie ich in Richtung des Waldes. Nichts. Instinktiv sprang ich auf, rannte barfuss zum Auto. Ich riss die Seitentüre auf, griff ins Handschuhfach.
Meine Waffe war weg. Neben dem leeren Holster lag ein sorgfältig gefalteter Zettel.
Hast du jemals etwas so sehr begehrt, dass du es gehen lassen musstest, um frei zu sein?
Ich liess mich auf den Beifahrersitz sinken und lächelte.

 

Hey Dalina

ich bin noch nicht so erfahren, wie einige, die hier schon kommentiert haben, und habe immer noch Probleme mit einigen Rechtschreibungstücken. Deshalb, möchte ich dir nur mitteilen wie mir deine Geschichte gefallen hat. Ich war natürlich am Anfang davon überzeugt, dass es sich nur um einen Mann handeln konnte. Mir hat es gefallen, so getäuscht zu werden. Außerdem finde ich deinen Schreibstil angenehm und gut durchschaubar. Die Geschichte an sich fand ich toll. Ich mag die Idee, von Romantik in der Handlung, doch es wurde nicht zu kitschig. Dein Ende fand ich auch ganz fabelhaft. (wie hätte es denn schließlich mit den beiden weiter gehen sollen?)
Das macht nichts - freut mich, dass dir meine Story gefallen hat!

Was ich dann doch nicht so gut fand war, dass zwar viel von Hannas Leidenschaft gesprochen wurde, jedoch nie ein Zeichen von Meike kam, dass sie genau so empfindet. Es wirkt ein bisschen so, als würde Meike sie nur benutzen.
Ja, da hast du Recht. Vielleicht hatte es Meike tatsächlich vorwiegend darauf angelegt, ihre Freiheit wiederzuerlangen. Vielleicht war es aber auch mehr. Zumindest für den Moment. Ich weiss, dass das nicht ganz klar ist. Ich weiss aber nicht, ob ich das überhaupt ganz klar sagen möchte:hmm:

Alles in allem, ist es meiner Meinung nach trotzdem, etwas durchaus gelungenes was du das "produziert" hast.
Ich danke dir für deinen Kommentar und die ehrliche Kritik!

Liebe Grüsse, nevermind

 

Hallo noch einmal,

Ob es tatsächlich so einfach ist, wie es hier beschrieben wurde, weiss ich natürlich nicht, aber ganz so schwer scheint es - natürlich je nach Sicherheitsstufe des Gefägnisses - nicht unbedingt zu sein.
Ah okay, sorry, ich hatte mir die ganzen Kommentare nicht durchgelesen, daher habe ich das mit dem Zeitungsartikel nicht mitbekommen. Es stimmt, auf die Sicherheitsstufe des Gefängnisses kommt es sicher auch an und sie scheint ja – aufgrund ihres Vergehens – in einer Abteilung zu sitzen, in der vermutlich keine Serienmörderinnen oder ähnlich schwere Mädchen sitzen. Ich kenne mich da auch zu wenig aus, daher will ich darauf auch nicht rumreiten.

Zwei Dinge wollte ich noch sagen: Mir war irgendwie von Anfang an klar, dass hier eine Frau erzählt. Vielleicht weil ich mich an deine Geschichte "Die Dealerin" erinnert habe. Die Geschichte hatte eine ähnliche Stimmung. Eine Frau, die Grenzen durchbrechen will. Nur dass deine Protagonistin hier noch viel weiter geht, als in "Die Dealerin".

Ja, ich verstehe deine Zweifel. Andererseits braucht es manchmal so verdammt wenig, um jemandem zu verfallen. Da reichen schon wenige Begegnungen, je nach Typ Mensch.
Das stimmt. Ich war selbst schon einmal in einer Situation, in der ich jemandem verfallen bin und jetzt im Nachhinein denke ich, Himmel!, was war da denn los? Dennoch war es eine sehr intensive Phase, die mich weitergebracht hat. Auch um zu wissen, welche Art von zwischenmenschlichen Beziehung ich NICHT will. Aber trotz aller Verschossenheit damals, war da immer ein kleines Fünkchen Selbstschutz, dass mich letztendlich auch dazu gebracht hat, Abstand zu gewinnen. Dieses Gefühl und Bedürfnis, nur zu tun, was in diesem einen Moment richtig ist, das kenne ich auch und das ist nicht verkehrt. Dem sollte man immer mal wieder nachgeben! Ja, ich glaube, das einzige womit ich Probleme habe, ist ihre vollkommene Bereitschaft, das zu tun.

Aber dennoch, toller Text.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hey RinaWu

Ah okay, sorry, ich hatte mir die ganzen Kommentare nicht durchgelesen, daher habe ich das mit dem Zeitungsartikel nicht mitbekommen. Es stimmt, auf die Sicherheitsstufe des Gefängnisses kommt es sicher auch an und sie scheint ja – aufgrund ihres Vergehens – in einer Abteilung zu sitzen, in der vermutlich keine Serienmörderinnen oder ähnlich schwere Mädchen sitzen. Ich kenne mich da auch zu wenig aus, daher will ich darauf auch nicht rumreiten.
Ja, so dachte ich mir das auch. Aber wie einfach es tatsächlich ist, wie gesagt, da kann ich auch nur Annahmen treffen.

Zwei Dinge wollte ich noch sagen: Mir war irgendwie von Anfang an klar, dass hier eine Frau erzählt. Vielleicht weil ich mich an deine Geschichte "Die Dealerin" erinnert habe. Die Geschichte hatte eine ähnliche Stimmung. Eine Frau, die Grenzen durchbrechen will. Nur dass deine Protagonistin hier noch viel weiter geht, als in "Die Dealerin".
Das stimmt, diese Parallele kann durchaus gezogen werden. Mir selbst war beim Schreiben auch nicht ganz bewusst, dass tatsächlich so lange nicht klar ist, dass es sich bei der Erzählerin um eine Frau handelt. Du hast Recht, in gewisser Weise ist diese Geschichte eine gesteigerte Form vom Ausbruch aus dem, sagen wir mal, "bürgerlichen" Leben, den ich bereits in meiner Geschichte "Die Dealerin" angesprochen habe. Interessanter Input, der mir selbst nicht per se aufgefallen ist;)

Das stimmt. Ich war selbst schon einmal in einer Situation, in der ich jemandem verfallen bin und jetzt im Nachhinein denke ich, Himmel!, was war da denn los? Dennoch war es eine sehr intensive Phase, die mich weitergebracht hat. Auch um zu wissen, welche Art von zwischenmenschlichen Beziehung ich NICHT will. Aber trotz aller Verschossenheit damals, war da immer ein kleines Fünkchen Selbstschutz, dass mich letztendlich auch dazu gebracht hat, Abstand zu gewinnen. Dieses Gefühl und Bedürfnis, nur zu tun, was in diesem einen Moment richtig ist, das kenne ich auch und das ist nicht verkehrt. Dem sollte man immer mal wieder nachgeben! Ja, ich glaube, das einzige womit ich Probleme habe, ist ihre vollkommene Bereitschaft, das zu tun.
Das stimmt, ich glaube, diesen Selbstschutz hätten wohl die meisten Menschen, die etwas zu verlieren haben (und das haben wir doch alle auf eine gewisse Weise). Ob es realistisch ist, sein ganzes Leben für die Auskostung eines Moments quasi wegzuwerfen, sei dahingestellt. Unvernünftig würde man das wohl ab einem gewissen Altern nennen:D Vielleicht war es in meiner Geschichte zu einfach. Vielleich hätte Hanna mehr mit sich und ihrer Entscheidung hadern müssen, damit es authentischer erscheint.

Danke für deine Inputs!

Herzlich,
nevermind

 

Hast du jemals etwas so sehr begehrt, dass du es gehen lassen musstest, um frei zu sein?

Hallo nevermind,

Zeit, auch Dich mal zu besuchen –
und, dafür kann‘s nie zu spät sein, herzlich willkommen hierorts!

Und weil sich Deine Geschichte, an der es nix zu mäkeln gibt, um Freiheit (bis hinein in die Zigarettenmarke, jene, die ausgerechnet warb mit der „Freiheit“ des Cowboys, i. d. R. ein Hilfsarbeiter mit prekärem Job) und Liebe, beide Ideale sind eng miteinander verbunden (sehn wir mal von ab, dass auch noch der Glaube i. S. des gegenseitigen Vertrauens dazugehört), sofern niemand des andern Besitz wird, fällt dann ein wenig im ersten Teil der Geschichte, da Hanna/die Erzählerin über sich selbst spricht, wie oft das Possessivpronomen „mein“ verwendet wird, obwohl noch keine zwote Figur eingeführt ist … und selbst mit dem Auftritt des Kollegen sind

Es war bereits dunkel, als ich meine Schicht antrat, ... Die dunkelblaue Uniform klebte an meiner Haut. ..., sog ich die Nachtluft tief ein, schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Meine linke Hand rückte instinktiv den Waffengurt zurecht.

Wessen Uniform könnte z. B. noch an meiner Haut kleben? Okay, die Schicht könnte man aus Kollegialität von einem andern übernommen haben … Da solltestu noch mal insgesamt drüber gehen, denn eine Wendung wie „klebte mir an der Haut“ oder „schloss … die Augen“ täte dem Ganzen keinen Abbruch.

Dabei ist mir durchaus bewusst, dass die Verwendung des Possesivpronomens als Stilmittel verwendet werden, um Gefühle verstärkt darzustellen, wie etwa hier

..., sodass ich erst ihren warmen, regelmässigen Atem auf meinem nackten Oberarm, dann ihre Lippen auf meinem Hals spüren konnte. ... / Als ihre Lippen sich von meinen lösten und über meinen Bauch, meine Hüften wanderten, legte ich den Kopf in den Nacken und sah in den Sternenhimmel.

Ähnlich in kleinem Rahmen geschieht's mit dem Adverb „üblicherweise“
..., doch durch die kleine Luke, durch welche üblicherweise das Essen gereicht wurde, … war ich besonders vorsichtig, das fiel mir sofort auf, viel vorsichtiger, als ich es üblicherweise war. Ich blieb länger neben ihr stehen als üblicherweise, beobachtete sie dabei, ...
von „gewöhnlich“ bis „sonst“ gibt‘s da gleichwertige Ausdrücke ...

Hier ließe sich die arge Klammer („…, dass ich schon seit …, bereit war.“)

In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich schon seit diesem Mittwoch vor eineinhalb Monaten, an dem ich diese zierliche Frau mit den dunkelbraunen, zu einem kurzen Bob geschnittenen Haaren aus dem Polizeiwagen in ihre Zelle führte und sie mich dabei lächelnd musterte, bereit war.
durch einfaches Möbelrücken vermeiden, etwa „In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich schon bereit war seit diesem Mittwoch vor eineinhalb Monaten, an dem ich diese zierliche Frau mit den dunkelbraunen, zu einem kurzen Bob geschnittenen Haaren aus dem Polizeiwagen in ihre Zelle führte und sie mich dabei lächelnd musterte.“

Wir leiden wohl beide unterm ollen Kleist, ich in der Einleitung ...

Gleichwohl:

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Friedrichard

Wessen Uniform könnte z. B. noch an meiner Haut kleben? Okay, die Schicht könnte man aus Kollegialität von einem andern übernommen haben … Da solltestu noch mal insgesamt drüber gehen, denn eine Wendung wie „klebte mir an der Haut“ oder „schloss … die Augen“ täte dem Ganzen keinen Abbruch.
Stimmt, das ist mir ehrlich gesagt gar nicht aufgefallen, oder zumindest nicht negativ. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Possessivpronomen nicht stören, sondern vielmehr verstärken. Aber es war möglicherweise zuviel des Guten. Ich mag Possessivpronomen irgendwie.

Dabei ist mir durchaus bewusst, dass die Verwendung des Possesivpronomens als Stilmittel verwendet werden, um Gefühle verstärkt darzustellen, wie etwa hier
..., sodass ich erst ihren warmen, regelmässigen Atem auf meinem nackten Oberarm, dann ihre Lippen auf meinem Hals spüren konnte. ... / Als ihre Lippen sich von meinen lösten und über meinen Bauch, meine Hüften wanderten, legte ich den Kopf in den Nacken und sah in den Sternenhimmel.
Genau so habe ich mir das gedacht.

Ähnlich in kleinem Rahmen geschieht's mit dem Adverb „üblicherweise“
..., doch durch die kleine Luke, durch welche üblicherweise das Essen gereicht wurde, … war ich besonders vorsichtig, das fiel mir sofort auf, viel vorsichtiger, als ich es üblicherweise war. Ich blieb länger neben ihr stehen als üblicherweise, beobachtete sie dabei, ...
Es handelt sich hier bei den letzten beiden Malen um absichtliche Wiederholungen von "üblicherweise", das war mir während des Schreibens schon bewusst. Ich mag neben Possessivpronomen auch Wiederholungen;) Beim ersten "üblicherweise" hast du Recht, da wäre ein Synonym tatsächlich besser.

Hier ließe sich die arge Klammer („…, dass ich schon seit …, bereit war.“) In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich schon seit diesem Mittwoch vor eineinhalb Monaten, an dem ich diese zierliche Frau mit den dunkelbraunen, zu einem kurzen Bob geschnittenen Haaren aus dem Polizeiwagen in ihre Zelle führte und sie mich dabei lächelnd musterte, bereit war.
durch einfaches Möbelrücken vermeiden, etwa „In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich schon bereit war seit diesem Mittwoch vor eineinhalb Monaten, an dem ich diese zierliche Frau mit den dunkelbraunen, zu einem kurzen Bob geschnittenen Haaren aus dem Polizeiwagen in ihre Zelle führte und sie mich dabei lächelnd musterte.“
Stimmt schon, dieser Satz ist ziemlich verschachtelt. Aber mir gefällt der Klang nicht, wenn "bereit war" in der Mitte des Satzes steht, denn ich wollte dieses bereit sein am Schluss betonen. Aber man könnte natürlich zwei Sätze daraus machen, das stimmt schon. Da mein Stil ansonsten eher knapp ist, d.h. kurze Sätze, denke ich, dass man diesen Schachtelsatz ausnahmsweise durchgehen lassen kann:D

Wir leiden wohl beide unterm ollen Kleist, ich in der Einleitung ...
Wieder einmal werde ich nicht aus all deinen Erwägungen schlau:hmm:

Gleichwohl:Gern gelesen
Das freut mich umso mehr, ich danke dir für deine ehrliche Kritik und deine Mühe.

Herzlich, nevermind


Liebe maria.meerhaba

Jedes Mal, wenn ich deinen Namen unter meiner Geschichte lese, bekomme ich etwas Angst:lol: Mal sehen, ob die Angst berechtigt ist.. here we go

Ich habe die Geschichte schon vor Wochen gelesen, nur habe ich damals nicht gewusst, was ich dazu sagen soll. Jetzt auch nicht, aber ich versuche es mal.
Ohje, na das klingt jetzt nicht so berauschend...

Der Anfang ist toll. Das will ich schnell mal loswerden. Der war gut, das gefällt mir, vor allem der erste Satz ist sehr schön. Und es war interessant und so, bis zu der Befreiung. Das ging kinderleicht, kein Konflikt, keine Probleme, beide verschwinden viel zu einfach aus dem Gefängnis und das ist der Knackpunkt für mich, wo die Geschichte an ihrer Glaubhaftigkeit verliert und nur noch zu einem Lesbentraum wird.
Hmm. Also, erstmal Danke dafür, dass dir immerhin der Anfang gefallen hat. Ich sehe ein, dass die Befreiung scheinbar vielen zu einfach von der Hand geht, aber ich kanns nur nochmals betonen, ich wurde von einer wahren Gegebenheit inspiriert, und je nach Sicherheitsstufe im Gefängnis ist es tatsächlich kinderleicht, jemanden zu befreien, so war es jedenfalls im von mir genannten Fall, der mir als "Vorbild" diente. Wärterin macht Türe auf, nimmt Häftling mit und sie flüchten zusammen nach Italien. War selbst erstaunt, dass sowas möglich ist, aber es war möglich. Das mit dem Lesbentraum find ich jetzt nicht so nett:lol: Ich meine damit, es sollte nicht ums Lesbischsein per se gehen in dieser Geschichte. Es sind nunmal jetzt einfach zwei Frauen Protagonistinnen, aber das sollte nichts zur Sache tun, meiner Meinung nach...

Wo bleibt denn der Konflikt, den diese Geschichte braucht, schlussendlich ist das ein modernes Gefängnis und nicht eine Holzhütte aus dem wilden Westen. Es ging mir einfach zu reibungslos und das habe ich an der Geschichte total gehasst.
Schade, dass du die Geschichte nun sogar gehasst hast. Das wollte ich nicht;) Es ging dir zu reibungslos, okay. Ich wollte nicht unbedingt den Konflikt des "Ausbrechens" in den Vordergrund stellen, obwohl das natürlich ein wichtiger Part der Geschichte ist. Aber es sollte eben mehr darum gehen, was einen Menschen antreibt, so etwas zu tun. Denn genau das habe ich mich gefragt, als die Wärterin, die eines Nachts den Häftling befreit hat und mit ihm durchgebrannt ist, schliesslich gefasst wurde und in den Medien sagte, dass sie das "immer wieder tun würde".

Und dann dieses Ende:Ich liess mich auf den Beifahrersitz sinken und lächelte. Ich weiß nicht. Die hat gerade ihr Leben für sie geopfert und kann nur noch flüchten und dann verschwindet die andere Dame und die nimmt das mit einem Lächeln hin? Ich wäre ausgerastet und wäre voller Zorn gewesen. Ehrlich. Das Leben der Dame ist am Arsch und auch wenn der Spruch auf dem Zettel schon schön ist, die nimmt das locker hin.
So locker, wie es scheint, nimmt sie es eben nicht hin, hier endet bloss die Geschichte. Ich wollte damit halt andeuten, dass sie es von Anfang an gewusst hat, wie das Ganze enden würde. Und trotzdem konnte sie nicht anders, als zu tun, was sie schliesslich tat, mit all den Konsequenzen. Aber ich verstehe, dass es dich stört, und du bist ja auch nicht die erste, die das bemängelt hat. Ich werde mir überlegen, ob sie vielleicht doch lieber heulen und schreien sollte;)

Wie gesagt, bis zu dem Ausbruch habe ich die Geschichte gern gelesen und mitverfolgt, aber danach ist für mich die Luft ausgegangen und sie wurde für mich unglaubwürdig. Sorry.
Schade, aber ich nehms zur Kenntnis. Unglaubwürdig ist es in dem Sinne nicht, da wirklich so passiert. Aber das ist deine Empfindung und es ist meine Aufgabe als Autorin, dir diese notwendige Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Ich danke dir für deine Kritikpunkte und für das kleine Lob am Anfang, immerhin:D

Herzliche Grüsse, nevermind

 

Recht tustu,

moin,

liebe nevermind,

einen eigenen Kopf zu zeigen. Ich versteh meine Beiträge eh als Vorschläge, denen man folgen kann, aber nicht muss. Wir verstehn uns, so soll es auch sein,

bis bald,

Friedel

 

Hallo nevermind,

ich habe deine Geschichte direkt zweimal gelesen, weil ich sie so schön finde. Die Charaktere haben mich total überrascht, sie haben sich so echt angefühlt und so sehr wie Leute, deren Handlung ich nicht ganz vorhersagen kann. Das mag ich total.

Mein liebster Satz ist:

Ich erinnere mich noch, wie ich in ein kleines Paddelboot direkt neben dem Steg kotzte.
weil er so schön die poetische Stimmung bricht, einfach wunderbar.

Das Ende hat mir ganz besonders gefallen, ein bisschen hatte ich schon geahnt, was passieren würde, aber Hanna ja vielleicht auch, wenn sie ehrlich mit sich selbst ist.

Vielen lieben Dank für's Teilen dieser tollen Geschichte <3
Und liebe Grüße,
Maria

 

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