Ein Sommernachtsalptraum
00:19 Uhr: Ein traumhafter Sommerabend neigt sich dem Ende zu. Ich rauche die letzte Zigarette des Tages und trinke dazu noch ein Glas Rotwein. Die Wärme der Nacht umschmeichelt meinen Körper während die Grillen ihr anmutiges Konzert intonieren. Herrlich! Ich fühle mit rundum wohl und liebe den Sommer!
00:32 Uhr: Ich liege im Bett und stelle mir den Wecker auf sechs Uhr. Das Fenster ist geöffnet, damit die laue Sommerluft mich heute Nacht besuchen kommen kann. Frische Luft ist stets ein Wohlgenuss - vor allem beim Schlafen.
00:37 Uhr: Eine Grille scheint es besonders gut mit mir zu meinen und zirpt vor meinem Fenster als gäbe es kein Morgen. Ich versuche, mich davon beruhigen zu lassen und beginne tatsächlich, sanft in den Schlaf zu gleiten.
00:55 Uhr: Wenn das blöde Mistvieh so weiter macht, ist sein „Morgen" auch tatsächlich in Gefahr. In Ermangelung eines Grillenmaulkorbs oder Luftgewehrs schließe ich das Fenster.
01:08 Uhr: Decke mich etwas mehr auf und entledige mich meines T-Shirts. Die Wärme weicht nicht von meiner Seite. Ich drehe mich um und beschließe, umgehend einzuschlafen.
01:23 Uhr: Ich transpiriere wie ein vollständig bekleideter Eskimo in einem finnischen Dampfbad. Ich habe zwar noch nie einen vollständig bekleideten Eskimo in einem finnischen Dampfbad erlebt, kann mir aber kaum vorstellen, dass ein Selbiger dort nicht mindestens genau so schwitzen müsste wie ich in meiner jetzigen Situation. Der Versuch, meine restlichen Klamotten vom Leib zu reißen, scheitert daran, dass ich gar nicht mehr anhabe.
01:36 Uhr: Ssssssssssssssssssssssssss. Ich habe Besuch und haue mir in der naiven Hoffnung, der Stechmücke mit einem gezielten Schlag den Garaus machen zu können so fest auf's Ohr, dass es zu klingeln beginnt.
01:43 Uhr: Bis jetzt noch Ruhe. Vielleicht war es wirklich ein Glücksschlag. Ich döse zufrieden ein...
01:44 Uhr: Sssssssssssssssssssssssss.
01:45 Uhr: Muss ziemlich bescheuert aussehen: ich gehe totmüde, nackt und mit einer Fliegenklatsche bewaffnet im vollbeleuchteten Schlafzimmer auf Steckmückenjagd. Sie wollte Krieg - sie bekommt Krieg!
01:57 Uhr: Nachdem ich bislang erfolglos jeden Zentimeter des Schlafzimmers nach dem Aggressor abgesucht hatte, zeigt sich die Mücke nun endlich - unschuldig am Fensterrahmen sitzend. Ich hole aus, bündle meine Kräfte und schlage so kraft- wie schwungvoll mit einer gezielten Ausholbewegung daneben.
01:58 Uhr: Ich könnte heulen. Scheiß Stechmücken - scheiß Sommer! Was hat sich der Liebe Gott wohl bei der Konstruktion der Stechmücke gedacht? Ich vermute gar nichts!
02:02 Uhr: Sie schwirrt dicht an meinem Kopf vorbei. Ich verfolge ihre Flugbahn und auf einmal... ist sie wieder weg. Nahezu zeitgleich beginnt eine Stelle auf meinem Rücken wie verrückt zu jucken. Mich überkommt ein böser Verdacht, der meine Wut auf das Mistvieh ins Unermessliche steigert.
02:05 Uhr: Der Schweiß beginnt erneut zu rinnen und ich öffne das Fenster - die verdammten Grillen grillen immer noch. Ein Gefühl beschleicht mich, langsam vom Wahnsinn überkommen zu werden. Zufällig laufe ich während der Mückensuche am Spiegel des Schlafzimmerschranks vorbei und muss mit Schrecken feststellen, dass meine Mimik mich mittlerweile sehr an Jack Nicolson auf dem Filmplakat von „Shining" erinnert - meine Axt ist die Fliegenklatsche. Sollte ich mir nun Sorgen machen? Steckt in jedem von uns ein Irrer, der nur auf die richtige Gelegenheit wartet um endlich aus dem scheinbaren Nichts aufzutauchen? Ich singe ein Lied der Smashing Pumpkins vor mich hin: „The killer in me is the killer in you...".
02:12 Uhr: Meine Nase juckt...
02:23 Uhr: Komm her! Zeig Dich! Trau Dich!
02:31 Uhr: Ich kann mein Glück kaum fassen: da sitzt sie! Auf der Raufasertapete direkt hinter meiner Nachttischlampe. Der Schlag ist ebenso hart wie platziert. Die Mücke wird förmlich auseinandergerissen und was zurückbleibt ist ein großer Blutfleck auf der Tapete. Beim Rückschlag bleibe ich mit der Fliegenklatsche an der Nachttischlampe hängen, was zu Folge hat, dass der Glasschirm mit einem lauten Knall auf dem Boden aufschlägt und in tausend Teile zerberstet. Ich will den Scherben ausweichen, komme dabei ins Torkeln und trete beim Versuch, mich wieder aufzufangen in ein Nest aus Scherben. Von Schmerzen gepeinigt renne ich ziellos durch die Wohnung und hinterlasse dabei eine blutige Spur der Verwüstung. Ich schreie, stoße Flüche aus und verwende dabei Wörter, von denen ich bis dato gar nicht wusste, dass ich sie sich überhaupt in meinem Sprachschatz befinden. Meine Wohnung wäre im momentanen Zustand ein prädestinierter Drehort für einen Splatter-Movie.
03:42 Uhr: Nachdem ich meine Wunden gereinigt, die Blutspuren beseitigt und die Scherben aufgeräumt habe, krieche ich förmlich zurück ins Bett. Mein Rücken sowie meine Nase jucken, der Schweiß steht mir auf der Stirn und meine Füße brennen, als wären sie frisch gegrillt. Ich fühle mich mehr tot als lebendig und will nur noch eins: Schlafen! Morgen werde ich mich dann im Reisebüro über Urlaub in Grönland informieren.
03:43 Uhr: Ssssssssssssssssssssssss......