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Ein tödlicher Gedanke
„Ich bin in der Lage, mich in die Gedanken von Menschen hinein zu versetzen.“
„Wie ist das möglich?“
„Keine Ahnung. Ich habe es schon immer gekonnt.“
„Wie schaffst Du das?“
„Ich brauche den jeweiligen Menschen nur einmal berühren. Alles, was sich in seinem Kopf abspielt, wird für mich sichtbar.“
“Was für Dinge siehst Du?"
„Alles, worüber sich Menschen Gedanken machen. Schöne Dinge, schlimme Dinge und manchmal … manchmal schaue ich dem Abgrund direkt ins Auge. Du glaubst nicht wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie die absolute Kontrolle haben. Wenn sie die Regeln selbst festlegen. Wenn sie Herr über ihre eigene Welt sind. Wenn die totale Macht in ihren Händen liegt. Glaube mir, Menschen sind schlecht. Sie sind abgrundtief schlecht!“
„Solange es Gedanken sind, ist es nicht so schlimm. Es spielt sich ja nur im Kopf ab.“
„Nicht immer.“
„Was meinst Du?“
„Manchmal passieren die Dinge tatsächlich. Im selben Moment oder einige Zeit später. Ich glaube, dass dies dann etwas mit mir zu tun hat. Wenn ich in die Gedanken fremder Menschen eintauche und daran teil habe, werden sie so oder so ähnlich auch in der Realität passieren.“
Der Blick auf den Baum, der schon immer vor dem Haus gestanden hat, erfüllte Samuel mit Furcht. Trotz der Angst konnte er seinen Blick nicht von diesem Monster wenden. Der Wind sorgte für eine grausige Melodie und bestärkte das Angstgefühl. Für einen kurzen Moment dachte Samuel daran, zu seiner Mutter runter zu gehen. Er verwarf jedoch diesen Gedanken, da er sich nicht die Blöße geben wollte. Er war ja immerhin schon acht Jahre alt und hoffte, dass es ihm gelingen würde das durchzustehen.
„Hast Du jetzt in diesem Moment Zugang zu einem Menschen?“
„Ja. Es ist ein kleiner Junge. Den traf ich heute auf dem Spielplatz. Der, mit dem es diesen Krach gab.“
„Und?“
„Ich habe es nicht genutzt. Das geht nicht auf Knopfdruck. Irgendwann, wenn er seinen Gedanken freien Lauf lässt, bekomme ich ein Signal. Wenn dieses sich bemerkbar macht, bin ich in der Lage zu entscheiden, ob ich das möchte oder nicht.“
„Was ist das für ein Signal?“
„Ich sehe sein Gesicht und habe einen kurzen schmerzvollen Stich in meinem Kopf.“
„Hattest Du dieses Signal schon?“
„Ja.“
„Also könntest Du dich jetzt einklinken.“
„Ja.“
„Beweis es mir!“
„Mein Gott, es ist ein Kind. Er macht sich wohl Gedanken über seine Power Rangers Figuren.“
„Darum geht es doch nicht. Ich möchte nur wissen wie das funktioniert und wie es sich auswirkt.“
„Ok. Ich werde es versuchen.“
Für Kate wurde es zunehmend schwieriger mit ihrem kleinen Sohn allein zu sein. Die neue Arbeit, Samuel, das wenige Geld und der andauernde Stress bezüglich ihrer Scheidung setzen ihr ziemlich zu. Hinzu kam ihr neuer Freund. Ihr angehender Ex-Mann kam mit der Situation nicht zu Recht und machte ihr schlimmste Vorwürfe. Samuel sollte jedoch nichts von alldem mitbekommen.
„Und?“
„Nichts.“
„Wie?“
„Ich habe noch nichts sehen können.“
„Ach komm. Du nimmst mich auf den Arm.“
„Nein. Du musst etwas Geduld haben.“
„OK. Ich komme gleich wieder.“
„Wohin gehst Du?“
„Ich hole uns Kaffee.“
Der starke Wind beunruhigte Kate und sie schaute auf den Baum, der vor dem Haus stand. Ob Samuel wohl Angst hat, dachte sie kurz und machte sich Sorgen. Einen kleinen Moment dachte sie daran hochzugehen. Allerdings würde er sie wahrscheinlich für verrückt halten und ihr Vorwürfe machen. Sie entschied sich nicht zu ihm zu gehen.
„Hast Du jetzt was für mich? … Was ist los? … Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Wo ist dein Sohn?“
„Er liegt im Bett.“
„Steht vor dem Haus ein großer Baum?“
„Ja. Wieso fragst du mich?“
„Oh mein Gott! Der Junge auf dem Spielplatz...“
Kate ging zurück in das Wohnzimmer und hatte zwei Kaffee bei sich. Ihr Freund war da und sie unterhielten sich über seine angebliche Gabe. Etwas ironisch fragte Sie
„Hast Du jetzt was für mich?
Irgendwas stimmte nicht und sie hakte noch mal nach: “Was ist los? Ist etwas nicht in Ordnung?“
Völlig nervös und aufgebracht fragte Carl: „Wo ist dein Sohn?“
Noch in einem ruhigen Ton antwortet Kate: „Er liegt im Bett.“
Die nächste Frage überraschte Kate: „Steht vor dem Haus ein großer Baum?“
Nun wurde sie etwas unruhiger: „Ja. Wieso fragst Du mich?“
„Oh mein Gott! Der Junge auf dem Spielplatz. Der war doch so wütend auf Samuel, wegen dem Ball.“
Ein immenser Krach schallte von der oberen Etage zu den beiden. In Hektik und
der Ungewissheit, was passiert sein könnte, rannten beide hoch.
Sie liefen in Samuels Zimmer und ihnen bot sich ein grausames Bild. Der Baum konnte dem starken Wind nicht standhalten und neigte sich so stark zur Seite, dass der obere Teil in Samuels Zimmer fiel. Unzählige Äste bohrten sich in den kleinen Körper des Jungen und ließen ihm keine Chance.
Zwei Tage später:
„Bist Du soweit?“
„Willst Du das wirklich?“
„Er hat meinen Sohn getötet“
„Er ist selbst noch ein Kind“
„Tu es Carl!“