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Ein Tag in Phillamonka
Ein Tag in Phillamonka
Es ist etwa 8:00 Uhr. Wie jeden Morgen versucht der alte Mr. Grunchville, seinen Bart und seinen Kopf zu richten. Lediglich seine anderen Körperfunktionen und –bereiche lässt er außer Acht. Danach schmeißt er sich wie üblich in seinen schwarzen, zerborstenen Anzug und ist von Angst erfasst, diesen für unauffindbar zu erklären. Doch üblicherweise, unabhängig in welche Richtung er sich seines Anzugs entledigt, kommt dieser immer wieder zu ihm zurück.
Frühstückszeit. Etwa um 8:30 Uhr ist Mr. Grunchville amtlich, hochanmutig angezogen und gepflegt in seiner guten, alten Küchenstube zu finden. Dort betätigt er sich seiner allmorgendlichen Frühstücksgewohnheiten. Ein Hauch von rohem Ei in einer gut umgerührten Tasse Buttermilch, welche er jede Woche immer Sonntags von einem bolivianischen Ziegenbauer in Kauf nimmt. Dafür, dass der bolivianische Ziegenbauer seine grotesken Wortspiele täglich den Leuten, den Bürgern von Phillamonka präsentiert, obwohl diese der bolivianischen Muttersprache nicht mächtig sind.
Neben der Buttermilch mit eingebettetem Ei lädt sich Mr. Grunchville die neuesten Errungenschaften der manilanischen Kochkunst auf seinen Computer und geht geringes Risiko ein, sie selber auszuprobieren. Allerdings ist der Mr. extrem vergesslich, und deswegen gelingt es ihm nicht, die wichtigen Zutaten von den unwichtigen zu unterscheiden, und die wichtigen den unwichtigen überzustellen, was dazu führt, dass unwichtige und wichtige sich vermischen, und ein Hexengebräu entsteht, gegen das Mr. Grunchville sich in völliger Abneigung dagegenzustemmen wagt, und die Mixturen einfach in den Keller stellt, welcher, und das ist zu erwähnen, voller Ergeiz an seiner Flucht aus Phillamonka arbeitet. Allerdings, obwohl dieser die Wände und die Decken der Sklaverei bekehrt hat, ist der Keller in seinen Wurzeln doch noch ein Keller, der eingewurzelt mit den Wurzeln der umliegenden, alten Laubbäume verkeilt ist.
Und das ist Mr. Grunchville dann auch ziemlich egal. Das einzige was ihn neben der manilanischen Kochkunst, seinem Anzug, bei längerem Vorhandensein des Morgenwindes interessiert, sind seine angolanischen Pferde, die ein reicher Angolaner nicht mehr halten konnte, weil er zu schwach war, um die Kraftprotze in die Höhe zu stemmen. Das liegt daran, dass diese Pferde einen Preis bei einem Lottospiel der medizinischen Generation darstellten. Eben ein Pokal in Leben ausgedrückt: Zwei Pferde. Doch diese waren eben zu schwer für den Angolaner zu stemmen, um die Tradition des Pokalstemmens fortzuführen. Deswegen brauchte es einen, der es konnte. Das war eben der talentierte Mr. Grunchville.
Obwohl das Haus des Mr. den Schein auf ein Zusammenprallen mit einem armen, stillosen, entstellten, darin lebenden Mann erweckt, ist es ihm doch tatsächlich gelungen einen dicken Barsch an Land zu ziehen. Der Barsch war nicht etwa ein Barsch. Nein er ist ein dicker Fisch. Dieser besteht aus Holz, ist gut beleuchtet, hat eine Menge Platz für sinngemäß dafür Vorgesehenes, und das sind in diesem Fall Menschen und Tiere. Ein Schuppen wie er im Buche steht mit einer Pflegerin, die sich hauptberuflich um die Angolaner kümmert.
Und Mr. Grunchville ist einer der Angolaner, denn sein Vater verbrachte den größten Teil seines Lebens in Angola. Seine Mutter aber auch. Dennoch ist seine Mutter weniger angolanisch als sein Vater, denn die Mutter ist Einwanderin aus Simbabwe, was das Endergebnis minimal beeinflusst: Ein angolanischer Weißer, dadurch erklärt, dass seine Eltern zwar hautfarbenbedingt eher dunkel beschnitten sind, er aber dennoch im Besitz einer erkennbaren weißen Haut ist. Im Grunde genommen nichts anderes als ein Schwarzer in einer weißen Haut, um die Michael-Jackson-Parodie auf einen Punkt zu bringen.
Etwa um 9:00 Uhr, nachdem sich Mr. Grunchville der Buttermilch erfreulichster Versuchung erfreuen konnte, die manilanischen Mixturen freudiger Erwartung, aber dann doch bedrückenden Hauptes in den unter der Erde liegenden Bereichen unterbringen musste, springt er aus seinem Küchensessel und stolpert nach unten zu seiner Scheune, die er von einem verstorbenem Mann, der sich als Geistlicher ausgab, dadurch in Empfang nehmen durfte, dass seines himmelumscheinenden Auftretens in den letzten Lebensmomenten vor den Augen von diesem, des in seinen letzten Atemzügen als Schamane Wirkenden, aber menschlichen Einflusses nicht abgeneigten.
Dort in der Scheune erblickt er wie immer die blonde, kurvenreiche, mit einem Hauch von Tierpflegeranzug bekleidete junge Frau im Eingangsbereich. Mit leiser, hauchender, schummriger Stimme erwartet er immer die gleiche Antwort, dass es ihnen prächtig gehe, von der Frage: „Wie geht es denn nun meinen Freunden?“
Die Pflegerin führt ihn dann, an der Hand gepackt, in die hinteren Komplexe der Scheue, welche im ersten Augenblick von Tieren wimmeln, aber dann doch nur Pferde erstrahlen lassen. Im nächsten Moment packt der Mr. die Tiere beim Schopf, stemmt sie in die Höhe und jubelt als hätte er etwas gewonnen, was für andere Unter- und Überbelichtete ein Rätsel bleibt. Aber dann macht er sich daran, die Pferde zu streicheln, und ihnen etwas vom Leben zu erzählen. Die weisen Erfahrungen, die weisen Anregungen, die er den Pferden zu vermitteln versucht, lassen die Pferde kalt, genauso wie die Pflegerin, die sich damit abgibt, sich im Mist der Pferde zu wälzen, um dann das Wasser der Dusche in Anspruch zu nehmen. Allerdings ist das nicht immer so. Manchmal tanzt sie nur, freudiger Erwartung, dass irgendetwas passiert.
Nachdem Mr. Grunchville, sich seinen Ängsten und Predigten entblößt hat, ruft er der Pflegerin noch einmal laut zu - auch wenn sie nicht in seinem Blickfeld liegt - wie sie am besten mit seinen Lieblingen umgeht und beendet das Gerufe mit einem lauten Schrei, das in der angolanischen Landessprache soviel wie „Auf das nächste Kommen“ bedeutet.
Im Anschluss daran, macht er sich auf den Weg, per Anhalter die lange Gerade, die 180-Grad-Kurve, die erneute lange Gerade zum anderen Ende von Phillamonka zu meistern, der Bemerkung erforderlich, dass die Kurve, den ultimativen GAU von Fragen auf Antworten trennt, welche die beiden Geraden bieten.
Allerdings muss er häufig feststellen, wie ungehobelt manche Leute ihre Autos verunreinigen, genauso wie, dass das Geld den Leuten aus den Ohren herausquirlt, was eigentlich nicht möglich ist, wenn man bedenkt, dass jede verwertbare Habseeligkeit, die sich aus einem Ohr befreien lässt beziehungsweise sich selbstständig aussperrt, wohl erheblichen Schaden an dem betreffenden Ohr des betroffenen Menschen anrichtet. Und doch muss Mr. Grunchville diese Gegebenheiten als gegeben abhaken, obwohl er unter Abhaken auch manchmal Abhacken versteht, was wiederum die Köpfe vieler Menschen verunsichert.
Wie auch immer. Um etwa 10:00 Uhr landet er gesund und munter an seinem Arbeitsplatz. Dieser ist gespickt mit Plätzen, obwohl ein Platz ausreicht und den nimmt dann der Mr. geschmeidigen Ganges ein. Seine berufliche Tätigkeit lässt sich grob in drei Tätigkeiten einteilen. Zum einen muss er den Leuten „Hallo“ sagen. Zum anderen ihnen „Tschüss“ sagen. Und zuletzt ihnen die Köpfe waschen. Letzteres ist dann auch die Arbeit, die den Job eines Kopfwäschers im Groben und Ungroben ausmacht, obwohl dem Ungroben eher keine Beachtung zukommt.
Der Beruf eines Kopfwäschers besteht hauptsächlich daraus, der Therapiegruppe weis zu machen, dass sie jemand sind, nicht irgendetwas, aber dann doch noch Menschen wie es alle sind, welche augenscheinlich die groben Merkmale vorweisen, und sich von außermenschlichen Erkennungszeichen leichten Blickes unterscheiden lassen.
Einmal allerdings kam ein Zu-Therapierender, der unsägliche Vorstellungen vom Bild des Universums in die Runde quoll, obwohl die Runde eigentlich sich auf menschliche, molekulare Basen beschränken müsste.
Dieser kostümierte sich als UFO-Berater, und wollte der Runde Dunst vormachen, dass das Leben außerhalb der Erdoberfläche vor Jahrmillionen seinen Lauf nahm, obwohl das bei der irdischen Entwicklung auch zutrifft, wenngleich es sich bei anderem um mehr Jahrmillionen handelt. Der Leiter der Gruppe konnte allerdings schnell davon ablenken, indem er seinen Zaubertrick anwendete, dessen Sinn es ist, eine gehirnintensive Behandlung hervorzurufen, und damit konnte er dann dem als UFO-Berater Gekleideten aufbinden, dass Gehirne besser leben, als UFO-Berater, anlässlich dessen, ihnen keine andere Aufgabe geben zu müssen als zu denken, während ein UFO-Berater sowohl denken, sehen, hören, schmecken, riechen, gehen, sitzen, rennen bewerkstelligen sollte, damit ein solch übliches Leben seinen Lauf nehmen kann. Bei den Heidendingen, die man da können muss, hat dieser sich im Sause-Brauseschritt von dem UFO-Wahn befreit und abgewandt, und strebt nun eine Karriere als Gehirnwandler an, der der Versuchung des Voodookults nicht wiederstehen kann .
Was Mr. Grunchville dort macht, ist nun einleuchtender: Er versucht den Leuten Macht einzuverleiben, ihnen die Kraft zu geben, neue Wege zu gehen, ihnen zu sagen:
„Lebendiges, menschliches, humanoiden-merkmalaufweisendes Wesen, was du bisher in deinem Leben zu Stande gebracht hast, ist nicht das, was du zu Stande hättest bringen können, wenn du dir meine Worte genauer durch den Kopf gehen lassen würdest!“
Etwa um 17:00 Uhr ist die Sitzung dann beendet, dessen ungeachtet er gerne die Leute mehr seiner Überzeugung inspirieren wollte, wenngleich das nicht in seiner Macht steht. Das ist die Macht des Einzelnen, die der Mr. zwar beeinflussen kann, aber nicht so, dass er sein eigenes Imperium Gleichgesinnter aufbauen kann.
Nach Beendigung der Sitzung macht er sich flott auf, um den Weg in die Heimat zu beschreiten, genauer gesagt zu durchforsten, denn obwohl Mr. Grunchville weit weg von seinem Zuhause in solchen Momenten ist, liegt es doch so nah, denn ein schmales Waldstück straßen- und wegefrei unweit seiner Arbeitsstelle, ermöglicht ihm ein schnelles Heimkehren, wenngleich der Wald in dunklen Stunden vor unbekannten, wissenschaftlich nicht bestätigten Tieren wimmelt. Obwohl diese Bedrohlichkeit vortäuschen, sind sie dann doch wie der Hase, wenn man Schnelligkeit mit Bedrohlichkeit vergleicht, gegenüber der Schildkröte ausgiebig unterlegen. Die Tiere stellen keine Gefahr für Mr. Grunchville dar, kommen sie doch nicht einmal an seine Fähigkeit heran, Dinge mit angoranischer Hochnäsigkeit und gleichkommendem Blickvermögen in tiefster Finsternis zu erraten.
Nachdem er über fürstliche Moose, kaiserliche Laubblätterformen, furchterregende Nadelbaumnadeln, dunkle Uneinschätzbarkeit, viele Augen, welche die Unbekanntheit in Person darstellten, hinweg ist, erreicht er nun sein trautes Heim. Dort angekommen, erkundigt er sich zuerst über den Zustand seiner angolanischen Gefährten, die allerdings wie immer, so die Bestätigung der cholerischen Pflegerin, sich in Topzustand er- und auffinden lassen.
Nach Besichtigung, der, von der aus Jamaika stammenden Pflegerin, richtig wiedergegebenen Tatsachen, was auch auf die Tatsache zutrifft, dass die Pflegerin jamaikanischen Ursprungs ist, wirft er seine Kleidung umher, bedient sich seiner saudi-arabischen Abendkappe, die ihm ein Scheich geschenkt hat, wenngleich der Scheich ihm gut zu Gesicht gestanden hätte, obwohl dieser schnell den Kopf unter seinem Gefährten verbarg. Dann lichtet er seinen Kühlschrank, der übersäht ist, von essbaren Utensilien, was sich zum größten Teil aus Krabbenfleisch aus Thailand zusammensetzt, welches er den thailändischen Vertretern am Ende seines Lebens versprochen hat, zurückzuzahlen. Allerdings ist das Ende oftmals nicht genug, denn ohne Anfang gibt es kein Ende.
Und nach Verzehr der Krabbenmahlzeit, und dem Einnehmen seiner Vitamindrops, die sich aus einer Fahrkolonne des Mittleren Westens der USA leicht entnehmen lassen, walzt er müde in sein Bett und träumt von seinem nächsten Leben als lebender Stern am Himmel, der so voluminös anmutet, dass die Erdenbewohner die ganze Nacht nur nach oben blicken.
Die Gedankenspiele des Mr. geben noch Preis, dass es sich bei dem Stern, zwar um einen Stern handelt, der für die Erdenbewohner sichtbar ist.
Allerdings müssen Bewohner anderer Planeten, der Faszination des Sternes wegen, erst auf die Erde gelangen, um den vollen Umfang seiner Erleuchtung zu erkennen. Und das ist eine Aufgabe, der der Mr. in kaum einen Fall gewachsen ist.