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Ein Tag wie jeder andere
Wie jeden Morgen stehe ich auf, gehe durchs Haus und öffne die Läden vor den Fenstern. Anschließend geht es zur Tür raus, um nach dem Briefkasten zu sehen. Meistens ist etwas da, sei es auch nur Werbung. Was auch immer ich finde, ich bringe es rein zu meiner Frau, der ich sogleich den Schlüssel gebe. Sie hängt ihn wieder zu den anderen, während ich ins Wohnzimmer gehe. Sie hat mir bereits Musik aufgelegt. Etwas Schönes zum Mitsummen. Leider weiß ich nicht mehr genau, wie die Gruppe heißt, aber sie gefällt mir. Ich setze mich auf meinen Sessel und lege die Beine hoch auf einen kleinen Sitzsack, der sich dafür als äußerst bequem erweist.
So döse ich ein wenig vor mich hin, ehe mir einfällt, dass die Läden offen sind. Nanu, es ist schon dunkel draußen. Zumindest spät muss es sein, grau und trist, wie sich der Himmel präsentiert. Ich stehe auf und mache die Fenster zu, ziehe die Vorhänge zusammen und gehe sicher, dass alles dicht ist. Schließlich ist das Haus doch unsere Privatsache, da muss niemand hineinschauen zu später Stunde. Jetzt hab ich wieder was geschafft, das Haus ist ganz schön groß, und ich setze mich in meinen Sessel und lege die Füße hoch.
Da höre ich meine Frau rufen. Was wohl los ist? Ich stehe auf und sehe nach ihr: Sie steht im Flur vor einem offenen Fenster. Ach, das muss ich übersehen habe. Ich gehe ihr entgegen und hebe beschwichtigend die Hände, ehe ich mich daran mache, den Laden zu schließen und die Vorhänge zuzuziehen. Sie legt mir ihrerseits die Hand auf den Arm. Verdutzt blicke ich sie an, mache dann aber weiter. Dann kann ich meiner Frau nur noch irritiert zusehen, wie sie kopfschüttelnd den Gang entlang läuft. Hat sie noch etwas gesagt? Ist etwas passiert?
Durcheinander und etwas angestrengt gehe ich ihr nach bis in die Küche. Gerade macht sie das Frühstück bereit und ich setze mich an den Tisch. Es gibt etwas Tee und Brot mit Wurst. Letztere ist mir etwas zu viel und außerdem so unglaublich zäh. Etwas pikiert muss ich Reste davon übrig lassen. Meine Frau wirft sie schulterzuckend in den Müll. Hatte sie noch etwas gesagt? Sie scheint mir so stumm in letzter Zeit.
Ach, da ist noch ein Gesicht, ein junger Mann ist zu Besuch. Ich kenne ihn gut, er mich auch! Wir lachen etwas, ich glaube, weil ich eine Miene verzogen habe. Das kann ich gut, Scherze machen. Ich mache ständig Scherze, vielleicht auch etwas zu oft. Ich merke, dass meine Frau manchmal nur den Kopf schüttelt. Aber es fällt mir schwer, mir zu merken, welchen Witz sie gut und welchen sie nicht so gut fand. Irgendwie scheint das auch nicht konstant zu sein. Aber Humor ist, wenn man trotzdem lacht, sage ich immer. Und da hat mir bisher noch jeder zugestimmt!
Nach dem Frühstück gehe ich durchs Haus. Alle Läden sind schließlich offen, wie ich feststellen muss und sorgsam verschließe ich sie wieder. Es ist doch schon spät! Oder nicht?
Ich sitze gerade wieder in meinem Sessel, da kommt meine Frau herein und zeigt auf die Rollläden und Vorhänge des Wohnzimmers. „So spät ist es nicht, mach doch wieder auf“, bittet sie mich. Ich zucke mit den Schultern und entschuldige mich, ich war wohl etwas durcheinander. Hastig eile ich durch das Haus und öffne wieder alle Läden und ziehe die Vorhänge beiseite. Auch wenn es draußen grau und düster ist. Nun, bald ist Abend, dann mache ich wieder alles zu. Soll ja schließlich Ordnung sein, hier im Haus. Und ich werde dafür sorgen, dass jeder hier sicher ist.
Es gibt Mittagessen! Ich habe zwar keinen Appetit, aber meine Frau fragt lieb und nett, ob ich nicht dazu kommen wollte. Ich sehe nur noch einmal kurz nach den Fenstern. Und dem Briefkasten – vielleicht ist ja Post gekommen. Meistens ist etwas da, sei es auch nur Werbung. Was auch immer ich finde, ich bringe es rein zu meiner Frau, der ich sogleich den Schlüssel gebe. Sie hängt ihn wieder zu den anderen, während ich ins Wohnzimmer gehe.
Da steht sie wieder und sieht mich fragend an. Sie wirkt etwas kraftlos. Ach so, sie hat etwas zu essen bereitet, sagt sie. Ich stehe auf und folge ihr in die Küche. Wir essen gemeinsam, der junge Mann ist auch wieder da.
„Wie bist du denn …?“, frage ich.
„Ich habe einen Schlüssel“, sagt er bereits. Er schaut dabei nicht einmal auf. Merkwürdig, er wusste wohl, dass ich fragen wollte, wie er hereingekommen sei. Ein gescheiter Junge. Aber gut, so muss ich mir keine Sorgen machen, dass ein Fenster oder gar eine Tür unverschlossen war. Alles ist in Ordnung.
Das Essen war gut, nur bin ich scheinbar etwas in Gedanken verloren. Ich gieße das Falsche auf meinen Teller, aber meine Frau ist sofort da und nimmt mir kopfschüttelnd das Gericht ab. Ich bekomme einen neuen Teller, fertig angerichtet und kann essen.
Der junge Mann ist auch da, er lacht etwas und ich lache mit. Meine Frau und er unterhalten sich und ich machte ein paar Scherze dazu. Das kann ich gut, Scherze machen. Ich mache ständig Scherze, vielleicht auch etwas zu oft. Ich merke, dass meine Frau manchmal nur den Kopf schüttelt. Aber es fällt mir schwer, mir zu merken, welchen Witz sie gut und welchen sie nicht so gut fand. Irgendwie scheint das auch nicht konstant zu sein. Aber Humor ist, wenn man trotzdem lacht, sage ich immer. Und da hat mir bisher noch jeder zugestimmt!
Nun ist es Zeit, auf den Friedhof zu gehen, meine Eltern besuchen. Meine Frau nickt nur, als ich Hut und Jacke nehme und sage, wo ich hinmöchte. Sie hat sich gerade in die Küche gesetzt und trinkt etwas Tee. Wahrscheinlich ruht sie sich erst einmal von der ganzen Hausarbeit aus. Das hat sie sich aber auch verdient, meine gute Frau.
Ich gehe raus, die Straße runter, denselben Weg, den ich immer gehe. Kurz vor der großen Kreuzung nach links. Bis zum Ende, wo die große Eiche steht und da … ist eine Baustelle. Nun, das ist kein Problem. In diesem Ort bin ich groß geworden, ich muss nur zunächst links statt rechts. Dann die Straße runter. Ja, bis aufs Feld. Hier kann ich einen Umweg machen und komme dann zu … ja, ich muss hier nur länger entlang laufen.
Der Weg ist ganz schön lang. Aber ich werde mich nicht geirrt haben, schließlich bin ich hier aufgewachsen. Hier in … zuhause eben. Probieren wir es doch hier im Feld einfach mal mit links. Da sind ein paar Fahrradfahrer, ich winke mal höflich! Sie nicken mir zu, fahren weiter. Recht flott unterwegs, junge und quickfidele Burschen.
Ah, da vorne ist eine Straße. Wenn ich neben ihr her laufe, komme ich wieder zurück. Langsam wird es mir doch ungemütlich. Meinen Gang zum Friedhof muss ich auf morgen verschieben. Es wird auch langsam dunkel, wenn ich das richtig erkenne.
Zum Glück ist nicht viel los, ich muss sagen, mir ist immer recht unbehaglich, wenn Autos vorbeifahren. Auch im Haus, das ist ein ordentlicher Lärm. Und durch die Fenster können die Leute dann auch noch reinschauen und sehen, wie ich mich erschrecke. Einen armen alten Mann auslachen, das ist nicht nett. Deswegen müssen die Läden abends zu! Oh, es wird Zeit. Ich muss dringend nach Hause, um die Türen und Fenster zu schließen. Vorhänge müssen zugezogen werden. Gerade liegt alles offen, ich muss mich beeilen, es wird dunkel. Ich muss mich beeilen, meine Frau wartet bestimmt schon. Zum Glück ist hier nicht viel los, ich habe etwas Unbehagen, wenn Autos vorbeifahren.
Da kommt eins! Hastig, schnell zur Seite. Etwas von der Straße ab, es hat angefangen zu regnen.
Ich muss gestürzt sein. Dreck klebt an meiner Jacke. Eine schöne Jacke, die meine Frau ausgesucht hat. Oh nein, das wird ihr nicht gefallen. Wieder mehr Arbeit für sie. Was habe ich denn nun schon wieder gemacht? Wo bin ich eigentlich? Es ist so dunkel … da ist immerhin die Straße. Es regnet heftig und es ist kalt geworden. Zitternd reibe ich die Arme an meinen Oberkörper, verteile den Matsch und die roten Spritzer darin noch mehr.
Ein Auto hält und der Fahrer steigt aus: „Ist alles in Ordnung?“
„Ich muss nach Hause“, winke ich und blicke nach links und rechts. Wohin muss ich?
„Sie müssen sich den Kopf angeschlagen haben“, redet der Mann weiter.
„Ich muss nach Hause!“, sage ich.
„Wo wohnen Sie denn?“
Viele Menschen stehen um mich herum. Und rotes Licht ist da. Aber der Himmel ist noch immer dunkel. Ich liege auf dem Rücken, aber der Boden ist weich. Ein Mann beugt sich über mich.
„Wie geht es Ihnen?“
„Ich muss nach Hause!“, erwidere ich. Was wollen all die Menschen von mir? Warum ist hier so viel los? So viele Menschen, so viel Treiben, dieses grelle Licht, was ist denn los?
Neben dem Mann steht eine ältere Frau, die ebenfalls auf mich herabblickt. „Endlich bist du wach! Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht“, sagt sie.
Ich runzle die Stirn: „Wer sind Sie? Ich muss nach Hause!“