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Ein Terraradum von vielen
Ein Terraradum von vielen
Detlef ging in seinem Zimmer auf und ab und versuchte dabei an etwas anderes zu denken. Dabei trommelte er mit seinen Fingern gegen alles, was er berührte, die Wände, das Geländer, die Wohnungstüren. Nächtelang hatte er sich um die Ohren geschlagen, jede Millimetereinheit auf Papier ausgemessen und Pläne gezeichnet, sie in seinem ganzen Zimmer aufgehängt, es sich dann oft wieder anders überlegt und sie dann wieder verworfen, solange bis er nach einigen Wochen den perfekten Plan erstellt hatte. Dies ging 3 Jahreseinheiten lang.
Seine Gedanken kreisten immer nur um das Terraradum. Hatte er irgendetwas vergessen? Sicherlich nicht. Er war so nervös, dass er nicht einmal bemerkte, dass er jede Minuteneinheit auf die Uhr sah. Er durfte nichts dem Zufall überlassen.
Aus der Schublade im Wohnzimmerschrank zog er einen schweren Beutel mit Geld heraus und zählte alle Scheine noch einmal nach. Vollzählig.
Detlef sah erneut auf die Uhr, 28:34 Uhr – es war Zeit zu gehen. Er lief die Stiegen herunter, nahm dabei gleich 3 Treppen auf einmal mit und verließ in Windeseile das Haus.
Um diese Uhrzeit war erstaunlich wenig los, dachte sich Detlef, während er schnurstracks Richtung Stadt lief. Er versuchte, die Spannung in seinem Körper zu lösen und hopste in zehn Meter Sprüngen von Stein zu Stein. Dieser Tag sollte einzigartig werden. Ein Tag, den er nie vergessen sollte.
Je weiter er in die Stadt kam, desto schneller wurde er. Er bemerkte nicht, dass er mit 240 km/h über die Steine sprang, merkte nicht, wie sein Herz auf Hochtouren lief. Sein Atem, sein Stöhnen, waren wie ein wirbelnder Sturm in unserer Welt.
Nach 5,7 Zeiteinheiten war er endlich da. Ihn trennten gerade mal 2 Riesenfüße vom Tortoladen.
Sein Traum sollte nun in Erfüllung gehen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und man hätte beinahe denken können, dass es zu nieseln begann.
Detlef kannte jeden Winkel in diesem Laden. Gleich am Eingang links stand die Ausrüstung. Im obersten Regal standen Luftpumpen, darunter Filter und CO2 Anlagen. Er lies seinen Blick durch den ganzen Laden schweifen. Alles war so, wie es sein sollte.
Ein Verkäufer musterte Detlef, der bereits ein Produkt nach dem anderen in den Einkaufswagen legte. Erst zögerte der Mann, doch dann ging er entschlossen auf Detlef zu. Instinktiv drehte sich Detlef um, und sah zu dem Herrn in der blau-grün gestreiften Jacke hoch. Auf dem Namensschild stand R. Weymolt. „Hallo, suchst du was bestimmtest?“
„Ja.“ Detlef spürte die Nervosität in seinen Fingern. Er besann sich zurück, auf die Jahre, die er geschuftet hatte. 3 Einheiten lang hatte er sich die Finger für andere Leute dreckig gemacht, Gärten gemäht, Geschirr gewaschen und abgetrocknet, alten Riesen im Superriesenmarkt den Einkauf erledigt und und und… all dies bis zu dem heutigen Tag. Detlef sah den Verkäufer an und alle Last löste sich auf. Glück erfüllte nun sein Gesicht. „Ich möchte mir ein Terraradum kaufen.“
Der Verkäufer schmunzelte. Es versprach ein guter Tag zu werden. Er wusste, dass seine Tagesprämie noch vor dem Mittag gesichert sein würde. Das hatte er diesem kleinen Kauz zu verdanken. Es sollte ein umsatzreicher Tag werden und ja, Detlef war der erste Kunde der bereit war, ihm heute sein Vermögen für eine kleine Welt zu übergeben.
„Wie groß soll denn das Terraradum sein?“ Detlef musste nicht lange überlegen, denn er wusste wie alles auszusehen hatte. Nun war es Zeit in die Offensive zu gehen. „Ich hätte gerne das 7000 V Radum von Beyershole, dazu die CO2 Anlage für 7000-7500 V – auch von Beyershole- und dazu den passenden Filter. Ja genau den gleich daneben.“ Detlef ging den Gang entlang und durfte einmal König sein. Er fühlte sich heute wie ein Erwachsener. Der Verkäufer fuhr mit dem Einkaufwagen hinter ihm her und zog ein Produkt nach dem anderen heraus, ganz wie Detlef wünschte. Solche Kunden waren Rudolph Weymolt am Liebsten.
„… Luftpumpe 230 von Gorg,… . Dann hätte ich gerne die Prachtallee 2, 10 Obstbäume, 3 Beerensträuche, 4 Reihenhäuser, 2 Villen und ein Häuserblock von Gart.“ Der Einkaufswagen war nun zu ¾ gefüllt. Nun kamen sie in die letzte Abteilung, zu Nr.7.2.1 die Terrarierabteilung. Detlef sah sich alle Terrarierdosen genau an. Er wollte nur Wenige kaufen, denn er hoffte auf baldigen Nachwuchs. Er hatte sich die besten Produkte gekauft mit denen er glaubte, gute Lebensbedingungen für sie schaffen zu können. Zwar gab ihm das keine Garantie für eine blühende Zivilisation, denn Terrarier können selbst unter den besten Bedingungen physisch und psychisch erkranken oder sich selbst zerstören, aber die Chancen für gesundes Leben verdoppelten sich allein durch eine gute Ausstattung. Detlef entschied sich für die Dose mit 2 Männern, 2 Frauen und 3 kleinen Kindern. Er blickte auf das Preisschild und hatte Glück. Terrarier waren heute im Angebot.
Nach mehreren Tageseinheiten des Aufbauens zogen die Wochen ins Land. Es war eine Heidenarbeit bis alles so stand, wie Detlef es wollte, doch als alles fertig war, wusste Detlef, dass sich die Mühe gelohnt hatte. Nun saß Detlef auf dem Stuhl und beobachtete die Terrarier durch die Scheibe. Er konnte Stunden davor verbringen. Er hätte gerne gewusst, was sie dachten oder was sie miteinander sprachen, aber dass würde er wohl nie erfahren. Zwar konnte er vieles aus dem Verhalten der Terrarier erschließen, immerhin stand in seinen Büchern vieles darüber, aber ihre Sprache würde er nie verstehen können. In seinen Büchern stand auch, dass Terrarier Gewohnheitstiere wären und Veränderungen nur schwer ertrugen. In 7 Tageseinheiten erschuf Detlef eine kleine Welt. Obwohl er sich Zeit dabei Zeit lies, beging er einen Fehler. Detlef hatte ihnen einen Platz zugedacht, an denen sie Wasserfluten ausgeliefert waren. Darum legte er sie in seine große Hand und schiffte allesamt auf die andere Seite des Terraradums. Als Zeichen ihrer Dankbarkeit malten sie ihm eine Krone in den Sand, jenes Zeichen, welches auf seinem Armband abgebildet war.
Es war der 78.14.298 und ein ganz besonderer Tag für Detlef und seine Terarrier. Ein Terrarierpaar hatte Nachwuchs. Detlef saß vor der Radumscheibe und trank zur Feier des Tages ein Flodi auf ihr Wohl. Und er war froh, dass er bisher keine Sterbefälle zu verbuchen hatte. Gegen Terrarierkrankheiten war noch kein Riesenheilkraut gewachsen. Und manchmal konnte eine ganze Zivilisation einfach dahinraffen.