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Ein Traum

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29.06.2003
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Ein Traum

Schweißgebadet erwachte ich. Es war stockfinster, durch das Fenster im Dach sah ich den Mond, eine winzig kleine Sichel, viel zu weit weg um mein düsteres Zimmer zu erleuchten. Ich hatte wieder einmal denselben Traum gehabt, der mich seit Jahren heimsuchte.
Ich befand mich auf einer weißen Ebene, die kein Ende zu haben schien. Ich war geblendet, konnte weder Konturen noch Muster im endlosen, kalten Weiß ausmachen. Erst nach und nach gewöhnten sich meine Augen an die quälende Helle. Ich begann, die Beschaffenheit des weißen Untergrunds zu erkennen, er war von Rissen und unregelmäßigen Linien durchzogen. Langsam konnte ich den Himmel ausmachen, ein etwas schmutzigeres Weiß als das des Bodens. Dann begann ich zu gehen, ziellos, in die gleißende Helle hinein. Meine Gedanken drehten sich, ich begann zu überlegen wo ich mich befand. Erstaunlich dachte ich später, wie präzise meine Gedanken im Traum waren. Dennoch war es mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, dass ich träumte. Als ich mich bückte und den Boden berührte fühlte ich Kälte, harte, helle Kälte. Ich erkannte, dass ich auf einer endlos scheinenden Eisfläche stand und begann mich zu fragen, wo das Licht herrührte, dass alles in diese unerträgliche Helle stürzte. Es war keine Sonne am Himmel zu erkennen. Erst nach und nach wurde mir bewusst, dass der Untergrund von selbst zu leuchten schien, ein fahler weiß-blauer Schimmer direkt aus dem halb-durchsichtigen Boden. Mich packte das Entsetzen. Wo war ich hier? Wie kam ich hierher? Wie sollte ich diesen unerträglichen Ort des personifizierten Schmerzes jemals wieder verlassen? Durch ein leises Grollen, dass aus dem Eis zu kommen schien und die bis dahin lastende Stille durchbrach, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ich begann zu laufen, schnell, immer schneller, meine Gedanken drehten sich in Panik um sich selbst. Ich spürte ein Zittern, das den unsäglichen Boden durchlief, erst schwach, dann immer stärker, je schneller ich lief. Das Grollen des Eises schwoll wellenförmig an, schien sich zu Stimmen zu formen, schwoll wieder ab, aber steigerte sich unweigerlich. Es wurde lauter, immer lauter, der Boden schwankte stärker und stärker, bis ich das Gleichgewicht verlor und fiel. Aber zu meinem eigenen Erstaunen und Entsetzen schlug ich nicht auf, denn vor mir hatte sich eine Kluft aufgetan, wie das Maul eines entsetzlichen Raubtieres, das mich mit Gebrüll verschluckt. Ich fiel, scheinbar endlos, durch eine Welt aus Eis. Die Stimmen wurden deutlicher, je tiefer ich fiel, ich konnte sie beinah verstehen, doch immer wenn ich dachte ich hätte ein bekanntes Wort, ja nur eine bekannte Silbe aufgeschnappt, ging es unverständlicher denn je weiter. Ich hörte die Stimmen vieler Menschen, Männer, Frauen, Kinder, und alle hatten eins gemein: sie klagten, schrien, heulten, kreischten in einer unverständlichen Sprache voller Schmerz, es klang wie das Sterben eines ganzen Volkes, das in unendlicher Qual jammerte, dem Untergang geweiht. Mit einem Mal verstummte das Jammergeschrei. Ich blickte nach unten und das was ich kurz vor dem Aufschlag sah schockierte mich mehr als alles andere: Eine Stadt, konserviert im Eis, eine Metropole, begraben unter der kalten Last der Antarktis.
Schweißgebadet erwachte ich...

 

Hallo Kurzgeschichten.de'ler!

Wie ihr sicher bemerkt, bin ich neu hier. Wollte das Kurzgeschichtenschreiben einfach mal ausprobieren. Über Kritiken würde ich mich freuen (bitte seid nicht zu hart, das ist meine erste KG).

the_antediluvian

 

Hi Antedeluvian,

und erstmal ein herzliches Willkommen auf dieser netten Seite :anstoss:

Das ist also deine erste Kurzgeschichte. Und ich muss sagen das sie mir ganz gut gefallen hat. Dein Stil wirkt schonmal sehr ordentlich (muss er auch bei einer Geschichte dieser Länge). Waren wirklich ein paar schöne Formulierungen dabei, ein paar Dinge sind mir allerdings auch negativ aufgefallen. Ich zähl mal auf.

konnte weder Konturen noch Muster im endlosen, kalten Weiß ausmachen.
Ich würde das kalte Weiß durch ein steriles Weiß ersetzen. Das Kalt passt zwar später zum Eis, aber die bloße Farbe würde ich nicht als Kalt empfinden.

Erstaunlich dachte ich später, wie präzise meine Gedanken im Traum waren
Das mit dem Traum ist mir nicht eindeutig genug. Am Anfang der Geschichte wacht dein Protagonist schweißgebadet auf. Er erzählt von seinem Traum. Dann am Ende wacht er plötzlich wieder schweißgebadet auf. Ich würde die Geschichte ein wenig Umstrukturieren. Lass ihn doch einfach am Ende aufwachen. Beginn sofort mit dem Traum, so dass der Leser noch gar nicht weiss was da eigentlich gerade passiert. Am Ende kannst du ihn dann in seinem Bett sitzen lassen und erklären das er diesen Traum immer wieder hat. Vielleicht könntest du auch noch eine Verbindung herstellen. Der Mann/die Frau könnte Wahrsager/in sein. Der Traum an sich ist ja wirklich erschreckend. Sehr Endzeitlich...
Aber im Nachhinein bleibt es eben nur ein Traum. Vielleicht findest du da noch einen Bezug zur Realität.
Wie wäre es denn, wenn der Protagonist am Ende aufwacht und plötzlich ein helles, weißes Licht durch sein Fenster strahlt? Damit könnte man die Geschichte dann auch gleich beenden, hat nämlich was erschreckendes.

dass ich auf einer endlos scheinenden Eisfläche stand
Streich das Endlos weg. Hattest ja schon vorher erwähnt dass es sich um eine weiße Einöde handelt.

Wie sollte ich diesen unerträglichen Ort des personifizierten Schmerzes jemals wieder verlassen?
Das fand ich etwas übertrieben. Personifizierter Schmerz? Er fühlt sich doch eher einsam und verlassen oder? In Gefahr ist er ja an dieser Stelle noch nicht.

Es wurde lauter, immer lauter, der Boden schwankte stärker und stärker,
Du wiederholst dich manchmal. Oder versuchst durch Worte wie "unglaubliche" oder "entsetzliche" die Stimmung noch mehr zu pushen. Das muss gar nicht. Der Leser fühlt sich auch durch eine klare, dezentere Ansage nicht um sein Gefühl betrogen.

Aber genug genörgelt. Deine Geschichte hat was. Besonders der Sturz am Ende und die Erkenntnis was da nun im Eis konserviert ist haben mir gut gefallen.
Allerdings finde ich die Tatsache, dass alles nur ein Traum ist ein wenig ernüchternd. Kannst dir ja meine Anregung weiter oben mal durch den Kopf gehen lassen.

Dein Stil gefällt mir schonmal ganz gut. Mal gucken ob das auch so bleibt, wenn du eine längere Story mit verschiedenen Charakteren und Dialogen schreibst. Hoffe mal sowas von dir hier in Zukunft zu lesen. Hast auf jeden Fall Talent und Potenzial.

schönen gruß
*Christian*

 

Hallo Antedeluvian!

Auch ich bin ein Neuling dieser Seite und habe auch erst eine Geschichte geschrieben.
Deine Geschichte gefällt mir als unerfahrener Kritiker gut. Das mit dem Eis ist eine tolle, gut umgesetzte Idee.Interessant fände ich eine Art Fortsetzung, in der aus dem Traum Wirklichkeit wird oder sich herausstellt, dass es die Vergangenheit des Erzählers war.

Gruss Van Horebeke

 

Hallo!

Danke erstmal für die konstruktive Kritik. Ich habe eure Anregungen mit Interesse gelesen. Vielleicht kommt demnächst wirklich eine Fortsetzung, mal sehen...

...und immer dran denken:

As long as legends endure in the cosmos and the deeds of heroes are celebrated in the annals of eternity, none who gaze in awe beyond the mists and are blessed to behold it shall ever forget the splendour of a thousand swords gleaming beneath the blazon of the Hyperborean Empire.

 

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