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Ein unzumutbarer Platznachbar
Das Lämpchen, das die Passagiere des interplanetaren S-Klasse Fluges nach Vokab-3 darauf hinwies, sich anzuschnallen, erlosch. Henry C. Berg öffnete seinen Gurt und warf seinem Sitznachbarn einen verstohlenen Blick zu. Henry überfiel ein Schüttelkrampf vor lauter Ekel. Angewidert rückte Henry, so weit es sein Sitz zuließ, von der Kreatur weg.
Der Rigolaner bemerkte den auf ihm ruhenden Blick des Menschen, wendete sich ihm zu und fragte mit unerwartet freundlicher Stimme: „Kann ich Ihnen helfen? Möchten Sie vielleicht auch eine Zeitschrift lesen? Ich habe da noch ein paar.“ „Nein nicht nötig, ich weiß mich schon zu beschäftigen“, konterte Henry. Wie konnte es dieses fürchterliche Wesen nur wagen, ihn anzusprechen. Es sollte im Frachtraum fliegen, eingesperrt in einer Kiste, nicht hier in der Economy Class. In diesem Moment ertönte eine Lautsprecherstimme, die erklärte, dass das Schiff jetzt mit Geschwindigkeitsstufe vier flog und in etwa sechs Stunden und 20 Minuten Vokab-3 erreichen würde. Sechs Stunden?! Das würde er niemals aushalten. Aufgeregt wedelte Berg mit der Hand.
„Flugbegleitung! Hallo, ich muss mit einer Flugbegleitung sprechen!“ Der Rigolaner neben ihm war längst wieder in seine Zeitung vertieft. Hastig eilte eine junge Frau in roter Uniform herbei.
„Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?“ Henry beugte sich zu der Dame und sagte, ohne darauf zu achten, ob die anderen Passagiere ihn hören konnten: „Sehen Sie das da?“ Dabei zeigte er auf den Rigolaner. Verwundert schaute ihn die Stewardess an.
„Ja, warum, stimmt etwas nicht?“ Henry war verblüfft: „Ganz recht, etwas stimmt hier offensichtlich nicht. Wieso sitze ich neben einem solchen...?“ Ihm fehlten die Worte. Inzwischen starrten ihn alle Passagiere an. Henry störte das nicht.
„...diesem Vieh?“
Nun schaute auch der Rigolaner von seiner Lektüre auf, sagte jedoch nichts. Er schien etwas verlegen zu sein. Die junge Frau betrachtete erneut den schuppigen Fluggast, dann lächelte sie Berg verständnisvoll an.
„Nun, entschuldigen Sie bitte, da haben Sie natürlich recht. Das ist unzumutbar. Allerdings ist das Schiff recht voll, aber ich werde sehen, was ich tun kann.“ Mit diesen Worten verschwand die Stewardess vorerst in Richtung Pilotenkabine. Henry Berg nickte den verdattert aussehenden Passagieren rechthaberisch zu und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Der Rigolaner packte die Zeitung weg und guckte verständnislos seine rauen Hände an. Er wirkte sehr nachdenklich. Die übrigen Fluggäste kümmerten sich jedoch bereits wieder um ihre eigenen Angelegenheiten.
Ungeduldig hielt Henry Ausschau nach der Stewardess. Was zum Henker gab es denn da zu bereden, die Sache war doch sonnenklar. Wenige Minuten später tauchte die Flugbegleiterin wieder auf. Mit freudig strahlendem Gesicht überbrachte sie Henry die Neuigkeiten: „Sir, wir haben Glück, in der Economy Class ist zwar bereits alles belegt, wie ich es vermutet hatte, aber in der First Class gibt es noch einen freien Platz. Ich musste allerdings die Genehmigung des Captains einholen. Also habe ich ihm die Situation erläutert und er ist der selben Meinung wie ich. Man kann niemandem zumuten, neben so einer abstoßenden Person zu sitzen.“ Befriedigt grinste Henry vor sich hin und fing an, seine Sachen zusammen zu packen. Die anderen Passagiere waren schockiert und bedachten die junge Stewardess mit düsteren Blicken. Diese wandte sich mit charmantem Lächeln dem Rigolaner zu.
„Wenn Sie bitte ihr Gepäck nehmen würden, Sir, da vorne habe ich einen anderen Sitz für Sie.“ Berg stand der Schock ins Gesicht geschrieben, entrüstet sah er zu, wie der Rigolaner seine Sachen nahm und der Stewardess in den vorderen Teil des Schiffes folgte.