Was ist neu

Ein Ziel vor Augen

Mitglied
Beitritt
22.09.2005
Beiträge
2

Ein Ziel vor Augen

Ein Ziel vor Augen​

Da saß sie. Ein noch junges Mädchen, auf der Parkbank. Den Kopf gesenkt, gemieden von den Menschen, die hier vorbeikamen. Ihre Kleider waren abgewetzt, ihr Blick stumpf und ein dreckiger Rucksack in ihrem klammernden Griff. Niemand sah sie wirklich an, nur ab und zu streifte ein abschätziger Blick. Keiner fragt nach ihrem Schicksal, fragt nach ihrer Vergangenheit, nach ihrer Zukunft. Keiner glaubte an eine Zukunft für sie, nicht einmal sie selber schien fähig über die Grenze eines Tages zu blicken. So saß sie da, auf ihrem Platz, Tag um Tag, Nacht um Nacht, ohne Ziel, ohne Sinn und scheinbar völlig hoffnungslos – verloren.
Doch eines Tages setzte sich eine alte Frau neben sie. Auch sie schien ohne Heimat, ohne Familie. Und sie blieb neben dem Mädchen sitzen, bis dieses aufblickte. Die alte Frau blickte in Augen, die ihren Glanz verloren hatten, voller Schmerz und Trauer. Früher einmal müssen diese Augen wunderschön gewesen sein, dachte die alte Frau bei sich und blickte das Mädchen lange schweigend an. Sie sah, wie sich die Finger der Kleinen an ihren Rucksack krallten, wie sie unter ihrem Blick nervös wurde. Schnell hatte das Mädchen ihren Kopf wieder zu Boden geneigt, um die Frau nicht anblicken zu müssen. Die alte Frau wartet.
Erst spät am Abend als es längst dunkel geworden war und das einzige Licht von dem Weihnachtsschmuck kam, der seit ein paar Tagen den Park schmückte, hob das Mädchen wieder ihren Kopf. Die Lichter blitzten in ihren Augen, die sich mit Tränen gefüllt hatten. Die alte Frau legte sanft eine ihrer Hände auf die des Mädchens. Die Kleine erschrak und zog ihre Hände weg. Sie rutschte ein Stück zur Seite und fragte erst dann mit leiser, zitternder Stimme, warum die Frau neben ihr sitze. Diese lächelte nur und stand ohne ein Wort auf.
Sie legte dem Mädchen ihre Hand auf die Schulter und ging dann langsam davon. Völlig verwirrt blickte sie der alten Frau nach und legte sich erst spät hin, um ein wenig zu schlafen. Am nächsten Morgen war die alte Frau schon vor dem Aufwachen wieder da und wieder saßen sie den ganzen Tag stumm neben einander. Viele Tage lang ging das so. Und eines Abends stellte das kleine Mädchen erneut die Frage, warum die Frau jeden Tag kommen würde. Wieder bekam sie keine Antwort, nur eine kurze Berührung an der Schulter, wie jeden Abend.
Am nächsten Morgen kam die Frau nicht wieder. Das Mädchen wartete bis zum Abend und wurde immer unruhiger, sie fühlte sich allein gelassen, im Stich gelassen, einsam und verlassen. Sie stand auf. Zum ersten Mal seit ewigen Stunden und Tagen stand sie auf. Ihre Beine waren fast zu schwach sie zu tragen und nur sehr langsam kam sie Schritt für Schritt voran. Den Blick auf den Boden um nicht zu stolpern, den unbekannten Weg, in die Richtung aus der die alte Frau kam und in die sie wieder ging. Es brauchte ihre ganzen Kräfte um nur ein paar Schritte zu tun und so sank sie kaum aufgestanden am nächsten Baum nieder. Sie schluchzte. Erst nach einer Weile schaffte sie es wieder aufzustehen, in kleinen Schritten den Weg weiter zu beschreiten.
Nach ein paar Metern ging sie um eine Ecke und sah auf der nächsten Parkbank die alte Frau sitzen, erwartungsvoll in ihre Richtung blickend. Die Alte stand auf und ging dem Mädchen entgegen, stützte sie und half zu ihrer Bank zu kommen. Dort angekommen, ließ sich das Mädchen völlig erschöpft fallen und weinte. Erst nach einiger Zeit hob sie den Kopf und blickte der alten Frau in die Augen. Diese lächelte zurück und sagte mit sanfter Stimme: „Weißt du nun, warum ich jeden Tag zu dir gekommen bin? Um nicht alleine sein zu müssen, um vermisst zu werden, wenn ich mal nicht komme, um dir die Kraft, den Willen und den Mut zu geben, den du brauchtest um wieder aufzustehen. Damit du lernst, wieder ein paar Schritte zu gehen, um vorwärts zu kommen, um ans Ziel zu kommen, auch wenn es noch so schwer fällt. Und dass du ein Ziel findest, für das es Wert ist, deine Kraft zu opfern.“
Das Mädchen hob ihren Blick, sah in die Augen der alten Frau und streckte ihr eine Hand hin. Die alte Frau nahm vorsichtig die kleine Hand in ihre und blickte nun in strahlende Augen und sah das erste Lächeln auf dem Gesicht der Kleinen, seit sie sie kannte.

Die Beiden wurden nach ein paar Tagen nie wieder im Park gesehen. Die alte Frau hatte das Mädchen zum Reden bewegt und das kleine Mädchen hatte gelernt ihr zu vertrauen. Die Frau schenkte ihr Hoffnung und Zuversicht und war ihr ein Mensch, der sie nicht alleine ließ und immer hinter der nächsten Ecke auf sie wartete, wenn sie mal nicht so schnell konnte, der sie stützte und ihr half, die nächste Parkbank zu erreichen, wo sie ihr eine Hand reichte und ihr neue Kraft und Ruhe gab.
Es kam die Nacht, in das Mädchen wach wurde, unruhig und wachsam um sich blickte. Neben ihr, die alte Frau, war wach und blickte aus trüben Augen an. „Danke, mein Kind!“ war alles was sie sagte und das Mädchen nahm still ihre Hand. Die letzte Geste, die sie der Frau geben konnte, war ihre Hand auf der Schulter der Alten. Sekunden später waren die Augen der Alten geschlossen und wurden nie wieder geöffnet.
Das Mädchen weinte viel und blieb lange Zeit an dem Platz, wo ihre Freundin von ihr gegangen war. Sie verharrte dort, als warte sie nur darauf, dass die alte Dame zurückkehrte und mit einem Lächeln sagte: „Hast du mich schon vermisst?“ Doch es vergingen Stunden und Tage ohne die vertraute Stimme, ohne eine Hand und ohne Hilfe. Das Mädchen glaubte nicht daran, je wieder aufstehen zu können, je wieder einen Schritt zu tun, doch eines Abends erinnerte sie sich an die ersten Worte, der damals noch unbekannten Dame.
Und sie stand erneut auf und ging ein paar Schritte, ohne Richtung, ohne Weg, aber mit Ziel. Mit dem Ziel, wieder einen Menschen zu finden, mit dem sie zusammen Schritte gehen konnte oder für jemanden eine helfende Hand sein zu können.

Heute ist das kleine Mädchen Erwachsen und ihrer alten Freundin hat sie ihr Leben zu verdanken. Das kleine Mädchen aus dem Park ist inzwischen Mutter von drei bezaubernden Kindern und eine wundervolle Ehefrau. Ihre Augen blitzen wieder und haben den Glanz, den die alte Frau nur in ihnen vermuten konnte. Oft ging die junge Mutter noch in den Park und an die Stelle, an der sie der alten Freundin zum ersten Mal begegnet war. Sie hatte sie nie vergessen, bei jedem Schritt hatte sie immer wieder an sie gedacht und auch heute denkt sie noch bei jedem Schritt vorwärts in die richtige Richtung an sie.
Und heute erzählt sie ihrer ältesten Tochter ihre Geschichte und erzählt ihr von dem Menschen, der ihr das Leben bedeutete. Ihre Tochter ist heute so alt, wie sie damals und hat alle Hoffnung verloren, weiterzugehen. Sie würde sich aufgeben und ihr Leben hinschmeißen, wenn es nach ihr ginge. Doch nach dem Gespräch mit ihrer Mutter ist sie nicht mehr sicher. Vielleicht sollte sie es noch mal versuchen, an der Hand ihrer Mutter, einen Schritt zu tun. Und wenn es heute nur einer sein mag, vielleicht sind es morgen dann schon zwei.
Und so steht die Tochter von ihrer Parkbank auf, um ihrer Mutter hinterher zu gehen, ihre Hand zu ergreifen, sich von ihr helfen zu lassen, um sich letztendlich wieder auf den Weg zu machen, zu einem Ziel. Und wenn es das Ziel sein soll nicht alleine zu sein...............

 

hi.
ist meine erste Geschichte hier, bin also nicht sicher, ob sie hier richtig ist....
LG, Bärli

 

Hallo Bärchen,

eine schöne, Mut machende Geschichte. Über die Zeiten solltest du aber noch mal schauen. ;)

Niemand sah sie wirklich an, nur ab und zu streifte ein abschätziger Blick.
streifte sie ein
Keiner fragt nach ihrem Schicksal, fragt nach ihrer Vergangenheit, nach ihrer Zukunft.
Warum hier plötzlich Gegenwart?
Keiner glaubte an eine Zukunft für sie
und hier wieder Vergangenheit?
Die alte Frau wartet.
und hier wieder Gegenwart
Erst spät am Abend als es längst dunkel geworden war
Und wieder Vergangenheit
und legte sich erst spät hin, um ein wenig zu schlafen.
im Winter auf einer Parkbank, ohne sich zumindestens mit alten Zeitungen zu schützen?
stützte sie und half zu ihrer Bank zu kommen.
und half ihr, zu ihrer Bank ...
Heute ist das kleine Mädchen Erwachsen
erwachsen
Oft ging die junge Mutter noch in den Park
Schon wieder ein unsinniger Tempuswechsel

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Baerchen,

Ich finde deine Geschichte echt gut! Zwar sind da paar Zeit fehler, aber die kann man ganz leicht verbessern.
Deine Geschichte sagt viel über Gerühle aus, und das gefällt mir!

 

Eine wunderschöne Geschichte mit Märchencharakter. Gefällt mir gut.

Grüße
Chris

 

Säääärvus Baerchen,

nachträglich ein herzliches Willkommen von mir. Ich hoffe, die zwei Beiträge hier oben waren nicht deine letzten auf kg.de. ;)

Deine Geschichte hat mir Spaß gemacht. Liegt an dem Märchen-Charakter, den Chris Stone schon erwähnt hat. Fast Fabel-gleich schreitet deine Geschichte voran, was bei mir einen angenehmen Lesefluss bewirkt.
Allerdings schreitet deine Geschichte in meinen Augen auch ähnlich unbeholfen voran wie die Protagonistin, als sie sich erstmals von der Bank erhebt. Das liegt vor allem an den sprachlichen Mängeln (wie z.B. die von sim erwähnten Wechsel in der Erzählzeit), aber auch an für meinen Geschmack zu simpler Erzählweise. Selbst Märchen können imho einen etwas ausgereifteren Satzbau mit mehr Finesse vertragen. So wie sie ist kommt die Geschichte zumindest mir zu kindlich und tolpatschig daher.

Diesen Kritikpunkt darfst du aber gerne als sehr subjektiv und pingelig abhaken. Mag anderen sicher anders gehen.

Insgesamt bereue ich die Zeit nicht, die ich für deine Geschichte geopfert habe. Sie ist auf schöne Weise erbauend und macht Spaß.

Ciao,
.maxinho

P.S.:

Baerchen schrieb:
Es kam die Nacht, in das Mädchen wach wurde, unruhig und wachsam um sich blickte. Neben ihr, die alte Frau, war wach und blickte aus trüben Augen an. „Danke, mein Kind!“ war alles was sie sagte und das Mädchen nahm still ihre Hand.

"... in der das Mädchen..."

Außerdem schadet ein "und" vor "unruhig" nicht.

Die konstruktion "Neben ihr, die alte Frau, war wach..." ist unglücklich. Entweder "Neben ihr: Die alte Frau, wach..." oder "Die alte Frau neben ihr war wach...".

"... und blickte sie aus trüben Augen..."

Dem letzten Satz tut ein Schwung Beistriche gut: "... war alles, was sie sagte, und das Mädchen..."

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom