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Eine Affäre mit der Wirklichkeit

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19.03.2003
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Eine Affäre mit der Wirklichkeit

Forcado ist ein hässlicher Mann. Er ist klein, das Haar öligschwarz und lang. Nicht so lang wie bei einer Frau, aber vereinzelte Haarsträhnen fallen über die Ohren. Man sieht, er hat Locken, sobald er auf Pomade verzichtet. Wenn Forcado sich bewegt, ahnt man das Spiel seiner Bauchmuskeln.
„Ich freue mich, dass Sie gekommen sind“, sagt Forcado zu Danella, die an ihrer Rose nestelt und Forcado nicht ansehen mag.
„Danke, für die Blume“, haucht sie, ihre roten Fußnägel betrachtend.
Forcado reckt sich ein wenig, seiner geringen Größe bewusst. Sein Blick tastet Danella ab. Sie stellt sich vor, Forcado betrachtet sie mit dem Bauch. Aus dem Bauch heraus gesehen ist sie verletzlich, weil sie unbedingt mit diesem Mann ficken will. Ja, sie stellt sich vor, er würde sie aufspießen, wie den Stier in der Arena tags zuvor. Danella fühlt Forcados Blick wie eine feuchtheiße Zunge vom Nabel abwärts gleitend. Fast ungläubig bemerkt sie die Zunge zwischen den weißen Zähnen Forcados, obwohl diese gerade zwischen ihren Schamlippen unverschämt Tango tanzt.

Es ist heiß und schwül im Restaurant und auch in Danellas Bauch. Sie trinkt den Vino verde wie Wasser, die Dorade rührt sie kaum an. Ihr Interesse am Fisch ist mäßig, reizt sie doch mehr die Vorstellung wie Forcados Mund, ob dieser nach ihr schmeckt. Daher spielt sie mit ihrer Zunge, leckt sich die Zähne, wie um zu überprüfen, ob sie sauber genug sind. Sie weiß, Forcado ist darauf trainiert, Interesse zu deuten. Erregte, wilde Stiere sind am leichtesten zu fangen. Danella ist schmal gebaut. Sie sitzt mit durchgedrücktem Kreuz am Tisch, die vollen Brüste in Positur. Forcado lächelt. Danella starrt wie hypnotisiert auf Forcados fettig glänzende Lippen. Lippen, die an ihren Brustwarzen saugen. Sie seufzt und rutscht auf ihrem Stuhl hin und her, hält endlich still, die Beine nun artig geschlossen, wartet auf die Hand, auf Fingerspitzen, die über die Innenseite der Schenkel kriechen. Sie ist bereit.
Unerträglich grausam und unerwartet tupft eine schmale braune Hand mit einer blütenweißen Serviette Danella zurück in das Restaurant und an den Tisch. Die Finger der Hand sind lang und schlank. Der Handrücken ist schwarz behaart, die Serviette verknüllt und Danella fühlt sich achtlos beiseite gelegt.

Danella betrinkt sich, ohne es zu merken. Der Wein ist jung uns spritzig, anders als Danella, die gemessen am Wein eine gealterte Primadonna ist. Nach dem Essen gehen sie hinaus, Forcado hält galant die Tür auf, der Boden schwankt gefährlich. Danella stöckelt vorsichtig mit ihren dünnen, hohen Absätzen voran, öffnet den Mund, spricht aus was sie nicht sagen will und Forcado reicht ihr eine Zigarette. Wangen im Primadonnengesicht werden zu gierigen Höhlen. Im Abendlicht leuchten die Spitzen der Stadt und die Glut der Zigarette. Danellas Glut. Danella ist hungrig, sie will sich endlich satt essen können. Diese verdammten Essprobleme, verflucht sie sich, will, dass Forcado sie anfasst, spreizt die Beine ein wenig. Sie will brennen, aufgezehrt werden, will den Kerl in sich aufsaugen, wie vertocknete Erde Regen aufnimmt.

Schatten mehrerer Passanten huschen vorbei, ein Heiliger wacht in seinem Schrein. Danella erstarrt unter seinem Schein, bei Forcados Worten, merkt an seinem unscharfen, wie nach innen gerichtetem Blick, dass er sie nicht küssen wird. Sie atmet schwer, lässt den Stummel vor dem Schrein fallen. Drückt diesen mit der Spitze ihres Schuhs, heftig einmal, zweimal als könne die Asche nicht erlöschen.

„Sie werden das Haus mögen“, sagt Forcado. „Die Casa ist wie eine Residenz, Ihnen angemessen.“ Forcado ist ein Makler, der nur wie ein Stierkämpfer aussieht. Er wird Danella nicht bei den Hörnern packen und seinen ungeschützten Bauch präsentieren. Er wird sie nicht vögeln in diesem Haus, das sie mögen soll. Sie wird es nicht kaufen.

 

Hallo Goldene Dame,

"Ich erinnere mich, dass du mir einst geschrieben hast, die Fahne des verdichtenten Schreibens tapfer hoch zu halten"

an was du dich noch erinnerst ... ja, verdichtet ist es besser, wir sind schließlich Autoren von Kurzgeschichten.

"Der Name ist nur ein kleines andeutungsvolles Spiel zur Ambivalenz" ... welches dir gut gelungen ist.

Werde die Geschichte noch einmal lesen, bis dann.

Alles Gute,

Woltochinon

 

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