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Eine höhere Ebene

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Eine höhere Ebene

„Versprich mir bitte eines. Versprich mir, dass wir nicht miteinander schlafen werden.“
Meine Bitte war eine Lüge. Natürlich wollte ich mit ihr schlafen. Mein Verlangen verglühte mich schier, die Worte waren nur heiße Luft. Und Maya spürte das.
Ich schob eine Wand angestauter Lust vor mir her, die sie schwer übersehen konnte. Maya hatte schon immer die Dinge gesehen, die zwischen den Worten lagen. Und natürlich sah sie auch das Korsett der Angst, in das mein Verlangen geschnürt war, das mich dazu trieb, diese törichten Worte auszusprechen.

Der Zauber aus alten Tagen knisterte zwischen uns. Oder das, was wir dafür halten mochten. Was ich dafür halten mochte.
Das Rauschen in meinen Ohren klang wie das Meer und hätte sie in diesem Moment die Hand nach mir ausgestreckt, wäre ich darin ertrunken.
Der Moment entschwand, nahm seine Möglichkeiten mit sich und hinterließ eine Situation, die vor Belanglosigkeit zu verdampfen drohte.
Worte stolperten aus unseren Mündern, voll gesogen mit geheucheltem Interesse an alltäglichen Banalitäten und deren Schatten.
Namen aus der Vergangenheit flatterten zwischen uns hin und her. Doch sie führten in keine bestimmte Richtung, kreisten um das, was wir nicht aussprachen.
„Und wie geht es deinem Bruder?“
„Der hat einen Job als Fernfahrer, sehe ihn selten.“
„Ist er nicht mehr mit Frauke zusammen?“
„Hat sich von ihm getrennt. Wahrscheinlich hat er deswegen als Fernfahrer angefangen. Die Nähe schmerzt ihn.“

Die Bedienung erlöste uns für einen kurzen Moment aus unserem Elend. Mit ihrem falschen Lächeln fügte sie sich wunderbar in unser kleines Drama ein. Sie gab einen großzügigen Blick auf ihre Trinkgeldgarantie preis und stellte zwei Cocktails in unser Bühnenbild.
Maya und ich versteckten uns kurz hinter den Gläsern und sammelten Kraft für den zweiten Akt.
Sie sah mich dabei nicht an, aber ich wusste, dass sie meine Blicke auf sich brennen spürte.
Ob sie sich auch so viele Gedanken gemacht hatte, was sie zu diesem Treffen anziehen würde? Sündiges Rot umschmeichelte ihre Reize, schimmerte seidig in der diskreten Beleuchtung der Cocktailbar.
Es war eine unbeholfen kurze Umarmung zur Begrüßung gewesen, doch noch immer konnte ich den Stoff auf meinen Fingerkuppen kribbeln spüren. Ihr weicher Duft lag mir noch in der Nase.
Für einen Moment wurde der Wunsch, sie in die Arme zu schließen beinahe übermächtig. Ich wollte in ihr versinken, in die Zeit zurücktauchen, die wir einst miteinander geteilt hatten. Die noch immer in meiner Erinnerung so lebhaft blühte.
Ich hatte lange geglaubt, sie wäre die Eine.
Wann der Traum zu welken begann, kann ich heute nicht mehr sagen. Mangelnde Liebe war es nicht gewesen. Zumindest nicht in meiner Erinnerung.
„Wir konnten uns gegenseitig nicht mehr helfen“, pflegte ich damals zu sagen. Vor allem wohl mir selbst.
Nach zwei unbeschwerten Jahren, in denen wir uns so vollkommen wie möglich treiben ließen, strandeten wir plötzlich am Ufer der Tatsachen. Orientierungslos. Von der plötzlich über uns einbrechenden Realität geschockt, gruben wir uns ein, darauf hoffend, dass jemand kommen würde, der uns den Weg wies.
Es kam niemand und wir erlagen dem Stillstand, versanken in Hilflosigkeit. Zu Beginn meinten wir noch, eine große Grube geschaufelt zu haben, in der wir beide Platz fanden, in welcher wir uns gegenseitig Kraft zuflüstern konnten. Aber bald wurde klar, dass jeder in seinem eigenen Loch kauerte. Zu schwach, den anderen nach oben zu ziehen. Jedes Mal, wenn wir versuchten uns die Hand zu reichen, schütteten wir nur Sand ins Loch des anderen, drohten uns gegenseitig zu ersticken.
Ein wehleidiges Schmunzeln kann ich mir nicht verkneifen, wenn ich daran denke, wie lange wir dort ausgeharrt hatten - aus Angst uns zu bewegen und damit den duldbar gewordenen Schmerz wieder zu neuen Ausbrüchen zu verhelfen.
Schließlich flutete ein lang anhaltender Regenschauer unsere Verstecke und trieb uns hinaus. Auf die damals scheinbar uferlose See. Jeder auf seinem Floß.
Ich fühle mich schuldig, weil in meinen Erinnerungen der Sex eine solch große Rolle spielt. Auf einer höheren Ebene stand fest: Wir gehören zusammen. In unserem Elend vermochten wir uns jedoch nicht mehr zu helfen. Und wir schliefen nicht mehr miteinander.
Ja, auf einer höheren Ebene mochten wir füreinander bestimmt sein, doch irgendwann fühlte ich mich so klein, dass ich an diese Ebene nicht mehr heranreichte, sie nur noch aus der Ferne wie ein erstrebenswertes Ideal betrachten konnte. Ein Ideal, das sich über meine Bedürfnisse definierte.
Ich bildete mir ein, dass alles wieder wie früher sein würde, wenn wir nur wieder miteinander schliefen. Ich sehnte mich nach dieser Form der Nähe, wie ein Neugeborenes nach seiner Mutter.
Maßgeblich war es wohl dieser Drang, der mich damals meinen Kurs setzen ließ. Fort von ihr.

Heute saß ich Maya gegenüber, und fragte mich, ob es eben dieses Bedürfnis war, welches mich wieder hatte Kontakt mit ihr aufnehmen lassen.
Aus Angst davor, dass es so sein könnte, forderte ich das Versprechen von ihr.
Ich wollte nicht, dass es mit uns so endete wie auf meinen von Gier und Selbsthass getriebenen Feldzügen durch die Häfen der weltlichen Freuden.
Ich wollte nicht die Asche aufkehren, die das Feuer der Leidenschaft von der Möglichkeit des Uns zurücklassen würde.
Ich wollte zurück auf unsere Ebene.
Körperlicher Schmerz durchzuckte mich, als Maya mir schließlich das Versprechen gab. Ich fühlte mich nicht so stark und erhaben, wie ich es mir ausgemalt hatte. Ich fühlte mich, als wäre mir etwas Wichtiges genommen worden.

Mit jedem Cocktail schwemmte ich meine Hemmungen weiter fort, ertränkte sie im Meer meiner Begierde. Aber so viel Vernunft der Alkohol auch aus mir herausspülen mochte, so wenig konnte er doch gegen das Schamgefühl ausrichten. Die Scham fühlte sich an wie der pelzige Geschmack im Mund nach einer durchzechten Nacht.
Je mehr Alkohol ich trank, desto voller sog sich dieser Pelz und zog mich tiefer in sein Reich des Abgestandenen. Dieses Reich sonderte den Geruch der Lüsternheit und des Verrates aus.
Ich ekelte mich vor diesem Geruch. Mir war sehr wohl bewusst, dass ich mich letztlich vor mir selbst ekelte, doch ich wusste mir nicht anders zu helfen als noch mehr zu trinken, um dieses Ekels Herr zu werden.
Maya schien diesen Duft nicht wahrzunehmen.
Sie thronte mir gegenüber auf ihrer Insel und lud mich mit Blicken ein, bei ihr Anker zu setzen.
In einem letzten Aufbegehren meldete sich die Illusion dessen zu Wort, was ich gerne wäre und erinnerte mich an mein eingangs gefordertes Versprechen. Für den Moment des Aufbegehrens wusste ich wieder, warum ich diese Kette ausgeworfen hatte.
Doch diese Kette zähmte mich nicht länger.
Die Kette erwies sich als Schlange, deren gespaltene Zunge sich zu einem gewaltigen Anker formte.
Die Entscheidung, den Anker auszuwerfen, kam plötzlich und ging mit einem körperlich derart heftigen Zucken einher, dass ich mich für einen Moment selbst überrumpelt fühlte. Dieser Moment raubte mir die Balance, die Sicht, den Atem.

Es schien mir, als stürzte ich mit dem Rücken voran in ein kaltes Meer. Schwer wie ein Stein riss es mich nach unten. Die Wasseroberfläche schloss sich über mir und Mayas Angstschrei drang sonderbar dumpf zu mir durch.

Für einen Moment betrachtete ich die Welt über mir wie durch eine dicke Schicht klaren Eises. Alles wirkte sonderbar verzerrt, unwirklich.
Der Augenblick wurde durchbrochen, als Maya scheinbar mühelos die Oberfläche durchpflügte. Ihre Hände fanden die meinen, ergriffen sie, und zogen mich empor.

Nur am Rande nahm ich das Chaos wahr, das ich verursacht hatte.
Ich beäugte fasziniert den Schnitt in meiner Handfläche. Mühsam vollzog ich die Verbindung mit dem umgestürzten Tisch und dem Scherbenmeer der Cocktailgläser. „Ihr bekommt nichts mehr. Raus mit euch – und lasst euch hier nicht mehr blicken!“, blaffte die Kellnerin.
Ich wollte einen Witz über ihre Zwillingsschwester reißen, doch Maya schob mich hinaus in die Kühle der Nacht.
Als die Tür sich hinter uns schloss, fiel auch der Vorhang meiner Wahrnehmung.

oOo​

Nur zögerlich hebt er sich wieder. Die Welt, die sich dahinter verbirgt, sticht grell auf meine Sinne ein, löst einen Schmerz in meinem Kopf aus, der ewig in der Leere meines Innern wiederzuhallen scheint. Mühsam unterdrücke ich ein Stöhnen, stelle mich schlafend.
Maya weiß, dass ich wach bin, doch wir spielen diesen letzten Akt unseres Dramas in stummer Übereinkunft.
Sie schält sich bemüht leise aus den Laken und schleicht sich fort.
Ich schiele verstohlen zu ihr hinüber und beobachte sie dabei, wie sie mit unkoordinierten Bewegungen ihre Kleidung zusammensucht, sich fahrig anzieht. Das Rot ihrer Bluse schmerzt so sehr, dass ich die Augen schließen muss.
Ganz kurz durchzuckt mich der Gedanke, dieses Spiel zu beenden.
„Bitte bleib doch noch zum Frühstück“, liegt mir auf der Zunge. Als ich mir vorstelle, wie unsere Blicke sich treffen, presse ich die Lippen hart aufeinander, ersticke diesen Gedanken. Die Vorstellung, die eigene Trauer in ihren Augen gespiegelt zu sehen, erscheint mir unerträglich.
Kein Kaffeeduft könnte das Eingeständnis, welches in der Luft lag, übertünchen. Das Alte war fort, und für das Neue waren wir noch nicht bereit.
Als sich die Tür schließt, schwappt die Stille über mir zusammen.
Das Blut rauscht in meinen Ohren und klingt wie das Meer.

 

Hallo Kasimir,

habe mich über deinen Beitrag gefreut. Sowetwas

viele starke Bilder, die einen mit Wucht in den Bauch treffen: Die Inszenierung im Cafe und das Bild der Beziehungsgrube – Gänsehaut!
lässt doch das herz eines jeden wanna-be-autoren höher schlagen :)

Deine kritik hinsichtlich der Überfrachtung ist nicht auf taube Ohren gestoßen und ich habe auch lange über deine Vorschläge nachgedacht, konnte mich aber bisher nicht dazu durchringen etwas zu ändern.

Das Rauschen in meinen Ohren klang wie das Meer und hätte sie in diesem Moment die Hand nach mir ausgestreckt, wäre ich darin ertrunken.

Da fragt man sich: Worin? In der Hand, in den Ohren? Ah, im Rauschen!
Auf die Antwort kommt man aber spät. Deswegen schlag' ich vor, statt „darin“ „in ihm“ einzusetzen, damit der Bezug deutlicher wird.

ich denke, dieser etwas lose Bezug ist hier zu verzeihen, was damit gemeint ist, überfordert den Leser doch sicher nicht, oder?
Zudem finde ich die Doppeldeutigkeit sehr schön. Sich in ihre Hand begeben, darin versinken ...

Ich wollte nicht die Asche aufkehren, die das Feuer der Leidenschaft von der Möglichkeit des Uns zurücklassen würde.

Das Feuer kann man weglassen, die Verbindung Asche-Leidenschaft kann jeder Leser vollziehen - das Feuer ist schon längst ein konventionelles Symbol für Leidenschaft.

hier hast du mich fast überzeugt. Bin letztlich aber bei meiner Version geblieben, da ich es rhythmisch wohlgeformter finde und zudem die die vermeiden möchte (und welche klänge hier in meinen Ohren zu gestelzt)

Da überfordert die schnelle Bildfolge!
Insel – Anker - personifizierte Illusion – Kette – Schlange - gespaltene Zunge – gewaltiges Anker
Das ist extrem! Und relativiert sich leider selbst. Die Steigerung geschieht so schnell, dass man keine Zeit hat, ihr zu folgen und der Eindruck verpufft fast, bevor er entstehen kann.
ja, an dieser Stelle hab eich lange gefeilt. Wahrscheilich wirklich ein bisschen dick. Was mich allerdings reizt ist wieder die Mehrdeutigkeit, die diese Passage zulässt. Aber mal gucken, vielleicht vereinfache ich das noch.

In jedem fall Danke für dein aufmerksames Lesen und deine herausgepickten Kritikpunkte.

Und auch ein Danke an Laurenz von Arabien. .
Für deinen Beitrag bekommst du sicher keine Auszeichnung für Konstruktivität ;) aber gefreut hat mich das grandios natürlich trotzdem :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer

Deine Geschichte gelesen, sitze ich nun da und fühl mich irgendwie feucht (halt! nicht im sexuellen Sinne!) und dunkelrot. Ja, ich kanns irgendwie nicht anders beschreiben. Was mich störte war dieses "verglüht mich" am Anfang. Das will nicht so recht runter, meiner Meinung nach.

Und da war irgendwie zu viel Wasser drin, finde ich. Aber das war wohl auch gewollt wässrig, immer wieder. Du hast das konsequent durchgezogen und den Schluss fand ich auch schön. Vielleicht würde ich dort aber das "schwappt" durch "schlägt" ersetzen. Ich als Leserin war irgendwie froh aus diesem Meer wieder rauszukommen, dieses "schwappt" hat mich irgendwie erschlagen (haha, und dann schlag ich "schlägt" vor, was?) :) Jedenfalls klingt "schwappt" für mich wie Wasser in den Ohren

Aber insgesamt behielt mich deine Geschichte bis zum Ende und ich freue mich auf deine nächste.

Es winkt
Sternenkc

 

Hallo sternenkatze

und danke für deinen Kommentar.

"verglüht mich" am Anfang. Das will nicht so recht runter, meiner Meinung nach.
dieses Wort drückt exakt aus, was ich auszudrücken versuche. Vielleicht muss man eine solche Empfindung erst gespürt haben, damit man die Umschreibung nachvollziehen kann ;)

zum Schwappen vs schlagen:
Schlagen hat an dieser Stelle einen zu aggressiven Tenor, deshalb schwappen.

Schön, dass dich die kg bis zum Ende halten und gefallen konnte.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer,

„Versprich mir bitte eines. Versprich mir, dass wir nicht miteinander schlafen werden.“

An diese Sätze könnten sich nun etliche Geschichten anfügen und alle würden sie auf den dritten, vierten Satz hinauslaufen:

Meine Bitte war eine Lüge. Natürlich wollte ich mit ihr schlafen.

Es läuft immer darauf hinaus, klingt auch viel devoter als: Zu mir, oder zu dir :D? Insofern ist klar, worauf es am Ende hinausläuft.

Und dann ist aber auch schon bald vorbei, mit dem Offensichtlichen, dann wird es arg methapohorisch, als Leser wirbel ich zwischen den Tiefen des Meeres und des Himmels Paradies - hin und her. Auf und ab, hin und zurück.
Er sucht, was er nicht zu finden vermag, weil er sich selbst im Wege steht. So hab ich es gelesen.
Sie spielen da brav ihre Rolle am Bistrotisch und wissen beide, um den dramatischen Verlauf ihrer Aufführung.

Armer Held, das Rot ihrer Bluse wird ihm immer ein Dorn im Auge sein.

Ich finde ja, dass je häufiger man es liest, immer mehr auf eigene Entdeckungsreise geht. Da ist so viel Platz zwischen den Zeilen, auch wenn ich mich beim ersten Lesen sehr darin verloren glaubte.

Ein klitze kleines Stück, fand ich Deinen Text jedoch zu lang:

Kein Kaffeeduft könnte das Eingeständnis, welches in der Luft lag, übertünchen. Das Alte war fort, und für das Neue waren wir noch nicht bereit.

Da hab ich mich so gefreut, es selbst begriffen zu haben, und dann erklärst Du es mir noch mal. Mannooh.

Gern gelesen und sicher auch so schnell nicht wieder vergessen.
Gibt es eigentlich schon ein Copy, zu ihrer Sicht des Abends?
Nicht, dass ich es schreiben wollte. Aber lesen :D:!

Beste Grüße
Fliege

 

Hey Fliege,

dane fürs Ausbuddeln dieses Textes.
Freut mich, wenn du da so viel herauslesen konntest. Habe ich seinerzeit auch viel Herzblut investiert :gelb:

Gern gelesen und sicher auch so schnell nicht wieder vergessen.
Das ist Balsam
Gibt es eigentlich schon ein Copy, zu ihrer Sicht des Abends?
Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen. EIne reizvolle Idee, aber ich glaube nicht, dass die mal ihre Realisation erfährt. Aber wer weiß ...

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer,

im Grunde eine schöne Geschichte. Die Gliederung durch den Vergleich zu den 5 Akten eines Dramas fand ich richtig gut. Schade fand ich, dass das Problem der beiden so unklar geblieben ist. Du hast viele starke Metaphern benutzt, aber für mich ist es einfach unklar gebleiben, was die beiden für ein Problem haben, das so unüberwindbar ist. Eine kleine gedankliche Stütze wäre hilfreich gewesen ;)

LG Tarina

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Weltenlaeufer,

ich seh grad, das die Geschichte schon alt ist, aber da ich sie jetzt nun gelesen und mir einen halben Kommentar dazu ausgedacht habe, schreib ich den auch hin.

Ich fand die Geschichte sehr sympathisch, gerade weil ich sie wegen der ueberreizten und teilweise schiefen Bilder nicht ganz ernstnehmen konnte. Mit welcher Geschwindigkeit da von einem zum anderen Bildfeld gesaust wird (von der Wand der Lust zum Korsett der Angst, von der Kette zur Schlange zum Anker, siehe Kasimir) ist schon ein bisschen lustig und selbst das Wasser ist mal Verlangen, mal die Realitaet, die ueber sie hereinbricht und auf der sie auf Floessen voneinander davontreiben. Machte mir allerdings nichts aus, weil ich es einfach diesem romantisch nach der "hoeheren Ebene" strebenden Erzaehler in die Schuhe geschoben habe und als Charakterisierung passte es mir dort hervorragend gut. Und als dann die Wogen ueber ihn hineinbrechen, habe ich mir einfach vorgestellt, dass er da vom eigenen Metapherngebaeude erschlagen, bzw. im eigenen Metaphernmeer davongeschwemmt wird.
Uebrigens, als er da ploetzlich ueberschwemmt wird und wie unter Glas ist, bis sie ihn rauszieht, das ist tatsaechlich einfach schoen. Das hat mir der Text gezeigt, das auch wilde und wirre Metaphorik schoen sein kann, wenn man sich mal drauf einlaesst (gut, es ist natuerlich nicht alles gleichmaessig schoen, etwa die Lochsitz-Allegorie, die ruehrt mich nicht so sehr). Und wenn man das aus aesthetischer Ueberzeugung heraus nicht tun will, dann kann man es eben ironisch-metapoetisch lesen.

Als die Tür sich hinter uns schloss, fiel auch der Vorhang meiner Wahrnehmung.
hehe, wie praktisch

Mein Favorit:

Ich wollte nicht, dass es mit uns so endete wie auf meinen von Gier und Selbsthass getriebenen Feldzügen durch die Häfen der weltlichen Freuden.
Feldzug durch Haefen ist grandios.

Nur dies gefiel mir nicht:

Sie gab einen großzügigen Blick auf ihre Trinkgeldgarantie preis und stellte zwei Cocktails in unser Bühnenbild.
Das ist doch nun echt ein Flachwitz der so gar nicht zur Stimmung passt und ausserdem der Buehnen-Metapher Konkurrenz macht

Sündiges Rot umschmeichelte ihre Reize, schimmerte seidig in der diskreten Beleuchtung der Cocktailbar.
ahem

Ich sehnte mich nach dieser Form der Nähe, wie ein Neugeborenes nach seiner Mutter.
ahem ahem

Gerne gelesen.

lg
fiz

 

Hallo inverse,

da hast du ja einen alten Text von mir rausgekramt. Danke für deine Vorschläge, ich werde drüber nachdenken.

He Tarina,

Schade fand ich, dass das Problem der beiden so unklar geblieben ist
wenn man im Nachhinein eine Erklärung abgeben muss, hat der Text natürlich versagt. Hat er wohl dann bei dir. Die Gedankliche Stütze wird an sich durch den Titel aufgebaut. Oder sollte zumindest so sein ;) Das Streben nach illusorischen Idealen, die zu luftig sind, alsdass sie in der Realität Wurzeln schlagen könnten.


Hallo feirefitz,

auch dir einen lieben Dank fürs Lesen und kommentieren. Deine Interpretation hat mir besonders gefallen:

weil ich es einfach diesem romantisch nach der "hoeheren Ebene" strebenden Erzaehler in die Schuhe geschoben habe und als Charakterisierung passte es mir dort hervorragend gut. Und als dann die Wogen ueber ihn hineinbrechen, habe ich mir einfach vorgestellt, dass er da vom eigenen Metapherngebaeude erschlagen, bzw. im eigenen Metaphernmeer davongeschwemmt wir
Ich habe es zwar damals weniger ironisch gemeint, aber im Kern trifft es die Aussage. Das Ironische ist ein neuer Gedanke, den ich durchaus reizvoll finde. Damals hätte es mich womöglich gekränkt, aber jetzt, mit dem entsprechenden Abstand, hat das schon was - Muss ich den Text heute doch selbst mit dem Anflug eines Schmunzelns lesen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Salve weltenläufer,

zugegebenermaßen dachte ich beim ersten Lesen: Das darf doch nicht wahr sein! Diese Sprache! Dieses schwülstige Gesabbel!

Jetzt bin ich der Ansicht, dass das ein ganz treffender Tonfall für den Ich-Erzähler mit seiner höheren Ebene ist. Von der er nach der Trennung von Maya nie wirklich runtergekommen ist, im Gegenteil, er hat sich in seinem Elfenbeinturm aus Worthülsen so wohnlich eingerichtet, dass er allen Ernstes

Die Kette erwies sich als Schlange, deren gespaltene Zunge sich zu einem gewaltigen Anker formte.
Die Entscheidung, den Anker auszuwerfen, kam plötzlich und ging mit einem körperlich derart heftigen Zucken einher, dass ich mich für einen Moment selbst überrumpelt fühlte. Dieser Moment raubte mir die Balance, die Sicht, den Atem.

Es schien mir, als stürzte ich mit dem Rücken voran in ein kaltes Meer. Schwer wie ein Stein riss es mich nach unten. Die Wasseroberfläche schloss sich über mir und Mayas Angstschrei drang sonderbar dumpf zu mir durch.

denkt, wenn er einfach nur besoffen vom Hocker kippt.

Klar, dass er danach die holdselige Retterin flachlegen muss, und ebenso klar, dass der nächste Morgen so enden wird, wie schon die Beziehung.

Das Alte war fort, und für das Neue waren wir noch nicht bereit.
Und das wird er wohl nie sein, der arme kleine Elfenbeinturmheld.

Die Geschichte ist zwar weder sonderlich romantisch noch erotisch, aber mit dem Erzähler und v.a. seinem Tonfall schaffst Du es, dass der Leser einen Blick auf eine tragikkomische Gestalt und ihre Beziehung werfen darf. Ein bisschen bösartig von Dir, dem Prot mangels Selbstironie keinen Anteil daran zu gewähren, sondern ihn in seinem überbordenden, lächerlich lyrischen Ernst derart vorzuführen.

Aber mir hats gefallen, diese Geschichte für den zweiten und den dritten Blick. Nur hätte ich den Stil ohne ironische Brechung kaum ertragen - und auch mit schwerlich über einen ganzen Großtext hinweg.

LG, Pardus

 

He Pardus

ganz treffender Tonfall für den Ich-Erzähler mit seiner höheren Ebene ist. Von der er nach der Trennung von Maya nie wirklich runtergekommen ist, im Gegenteil, er hat sich in seinem Elfenbeinturm aus Worthülsen so wohnlich eingerichtet
Ja, die Sprache muss hier natürlich mit dem aufgeblasenen Idealen und Vorstellungen zusammenpassen. Schön, wenn mir das gelungen ist :)

Und das wird er wohl nie sein, der arme kleine Elfenbeinturmheld.
nein, weil das Alte nicht wirklich fort ist, er hält sich daran noch immer fest

Ein bisschen bösartig von Dir, dem Prot mangels Selbstironie keinen Anteil daran zu gewähren, sondern ihn in seinem überbordenden, lächerlich lyrischen Ernst derart vorzuführen.
Stimmt eigentlich, diese Bösartigeit habe ich nie gesehen, aber jetzt wo du es sagst: böser weltenläufer :baddevil:

Nur hätte ich den Stil ohne ironische Brechung kaum ertragen
#
das ironische Brechen liegt dir doch im Blut ;)

Vielen lieben Dank für deinen Kommentar, habe mich gefreut :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Also, ich mag die Geschichte sehr. Im Mittelteil ist sie zwar ziemlich langsam, das wollte ich erst kritisch anmerken…

Und wir schliefen nicht mehr miteinander.
Ja, auf einer höheren Ebene mochten wir füreinander bestimmt sein, doch irgendwann fühlte ich mich so klein, dass ich an diese Ebene nicht mehr heranreichte, sie nur noch aus der Ferne wie ein erstrebenswertes Ideal betrachten konnte. Ein Ideal, das sich über meine Bedürfnisse definierte.
Ich bildete mir ein, dass alles wieder wie früher sein würde, wenn wir nur wieder miteinander schliefen. Ich sehnte mich nach dieser Form der Nähe, wie ein Neugeborenes nach seiner Mutter.
Maßgeblich war es wohl dieser Drang, der mich damals meinen Kurs setzen ließ. Fort von ihr.

Aber es ist wohl alles nötig. Zumindest kann ich keine angemessenen Ratschläge geben, wo und wie kürzen.

Eine Kleinigkeit:
Hier wusste ich nicht, welche Figur spricht:

Namen aus der Vergangenheit flatterten zwischen uns hin und her. Doch sie führten in keine bestimmte Richtung, kreisten um das, was wir nicht aussprachen.
„Und wie geht es deinem Bruder?“
„Der hat einen Job als Fernfahrer, sehe ihn selten.“
„Ist er nicht mehr mit Frauke zusammen?“
„Hat sich von ihm getrennt. Wahrscheinlich hat er deswegen als Fernfahrer angefangen. Die Nähe schmerzt ihn.“

vielleicht einfach so etwas, wie : sie sagte/ sie fragte
Falls Du bezweckst, dass es vollkommen gleichgültig ist, wer die Belanglosigkeiten spricht, ist es natürlich egal. Bin halt darüber gestolpert.

Ich hatte lange geglaubt, sie wäre die Eine.

Immer wieder schön, wenn man nur 7 Worte liest, und gleich die Assoziationsrakete startet..

Liebe Grüße,
T. Anin

 

Hallo T Anin,

ja, ich denke auch, dass die Geschichte diesen langsamen Part braucht. Letztlich spiegelt ja auch das einen Teil der Vorstellungen des Prots wider.

Hier wusste ich nicht, welche Figur spricht:
mit manchen Dialogen kann man das getrost so machen, denke ich. Also hier z.B. ist es ja völlig unerheblich, wer was sagt.

Immer wieder schön, wenn man nur 7 Worte liest, und gleich die Assoziationsrakete startet..
Immer wieder schön, wenn man das erreichen kann :)

Ganz lieben Dank für deinen Kommentar

grüßlichst
weltenläufer

 

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