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Eine Nacht in San Franzisko
Eine Nacht in San Franzisko (überarbeitet)
Eine Nacht in San Franzisko
Ich fuhr mit einem Mietwagen den Pacific Coast Highway Richtung Norden von Los Angeles nach San Franzisko. Die kurvenreiche Küstenstraße führte an schönen Stränden und Klippen vorbei. Ich hatte keine Eile, hielt an den ausgeschilderten Aussichtspunkten an, um zu rasten.
Die wunderschönen Strände lagen einsam und verlassen da. Badegäste waren hier selten zu sehen, denn selbst bei schönem Wetter hatte das Meer hier kaum höhere Temperaturen als 15 Grad Celsius. Vereinzelt sah ich Spaziergänger am Strand oder an den mit dem Auto leicht zugänglichen Stellen Surfer. Die Brandung toste und die Luft klebte von der Gischt. Ich stand oben auf den Klippen, sah auf den Horizont. Der Himmel über der See war bezogen, wie so oft.
Weit draußen durchbrach die Sonne vereinzelt die Wolkendecke. Ich sah ein Liebespaar, eng umschlungen. Bei seinem Anblick fröstelte ich.
„Es könnte alles so schön sein“, dachte ich, als mir der Wind ihre hellen Laute zutrug.
„Dieser Scheißkerl hat alles kaputt gemacht“, fluchte ich laut gegen die Elemente an. Da war sie wieder, diese kalte Wut, die ich so sehr versucht hatte, zu unterdrücken.
„Verdammt!“ Ich suchte hilflos irgendeinen Gegenstand, den ich zertrümmern konnte, so wie da meine Welt in Scherben lag. Aber hier am Aussichtspunkt war nichts, woran ich meine Wut ablassen konnte, außer vielleicht die mich auslachenden Möwen.
„Ja, lacht ihr nur über mich.“ Ich fühlte den Stachel meiner Kränkung so tief in meinem Herzen dass ich blind vor Zorn an Rache dachte.
In meiner Fantasie wollte ich ihn leiden sehen, sosehr leiden lassen, wie auch ich litt.
„Nur zu“, kreischten die Möwen.
Ich stieg wieder in mein Auto und fuhr weiter. Ich verschwendete keinen Blick auf die Golden Gate Bridge, ließ sie links liegen und umrundete damit die Nordspitze der Halbinsel. Das Meer an ihrer Seite war jetzt die San Francisco Bay. Ich folgte der Ausschilderung Fisherman`s Wharf. Dort angekommen hielt ich vor dem Holiday Inn. Der Hoteldoorman kam sofort, öffnete die Wagentür und nahm meine Autoschlüssel entgegen, um dann meinen Mercedes wegzufahren. An der Rezeption checkte ich ein: „Misses Sullivan, Ihre Zimmernummer ist 212. Sie haben einen direkten Blick auf den Hafen.“
„Danke schön, “ antwortete ich, nahm die Keycard entgegen. Mit dem Lift gelang ich in den second floor. Es roch es nach Fisch aus der Küche und mein Magen krampfte sich vor Hunger zusammen.
Im ganzen Hotel wirkte es unheimlich still. Mein Gepäck befand sich bereits auf dem Zimmer und auch ein mexikanisches Zimmermädchen, das mir beim Auspacken behilflich sein wollte. Entnervt winkte ich ab. „Gibt es noch was warmes zu essen?“, fragte ich sie stattdessen.
„Nein Miss, die Küche hat um 22.00 Uhr bereits geschlossen. Aber ich könnte einen kalten Imbiss für sie herrichten lassen.“
„Nein danke. Ich werde es noch woanders versuchen“ , sagte ich und gab dem Mädchen ein Trinkgeld.
Ich sehnte mich so sehr nach einer Dusche, dass ich meine Kleidung achtlos auf den Boden fallen ließ. Unter der heißen Dusche spülte ich den Staub der Straße fort. Ich überlegte mir, welche Schritte ich zu unternehmen hätte, um meine Rache zu vollenden. Das Wasser rann über mein Gesicht und mit ihm überschwemmte mich die Erinnerung:
Hilflos hatte er mir seinen Betrug gestanden, nach Verzeihung und Verständnis gewimmert. Ich hatte es schon lange geahnt. Ihm vorgehalten. Nachspioniert. Die Beweise präsentiert.
„So leicht mache ich es dir nicht!“, hatte ich ihm daher entgegen geschleudert, „Dein Schuldgefühl einfach durch ein erpresstes Geständnis bei mir abzuladen reicht mir nicht als Entschuldigung für diesen Betrug! Wie soll ich dir je wieder vertrauen? Wenn ich mit dir schlafe, werde ich mich fragen: hat sie ihn auch so berührt? Hat sie ihn erregt? Was hat sie, was ich nicht habe? Liebt er mich, schläft er mit mir, oder in Gedanken nur mit der anderen.“
„Nein es ist nicht so wie du denkst, “ stöhnte er damals gequält auf. „Ich liebe nur dich!“
Um es zu beweisen bedrängte er mich, riss mir Kleid und Unterwäsche vom Leib und nahm mich. Erstaunlicherweise erregte mich meine Wut unermesslich. Seine Gewalt, mit der er mich überzeugen wollte, hatte etwas. Ich erwiderte sie ihm, indem ich ihn biss und kratzte. Ich genoss seine Schreie, die ihn dazu trieben immer heftiger in mich zu stoßen. Unsere Wut gipfelte in einem Höhepunkt aus Hass und Enttäuschung. Fast hätte ich ihm deswegen verziehen, aber, als er weinte wie ein kleines Kind, war meine Empörung über seinen Verrat wieder erwacht. Ich krallte meine rechte Hand in seine Haare und riss seinen Kopf von mir hoch.
„Verschwinde!“ zischte ich ihn an.
Es war absurd, es war unser geilster Fick seit Jahren und ich jagte ihn davon.
Ich hatte eine vage Vorstellung warum.
Wir waren so verliebt und berauscht von unseren Sinnen gewesen. Unvorstellbar, dass uns je etwas trennen könnte. Und doch war es passiert: er betrog mich.
Das schmerzte. So sehr, dass ich mich aufbrezelte, ein Taxi nahm und in das italienische Viertel der Stadt fuhr. Dort reihten sich die Bars und Striptease Lokale aneinander.
In der ersten Bar wurde ich gleich von einem großen dunkelhaarigen Mann auf einen Drink eingeladen. Er sah gut aus, ohne Zweifel. Er taxierte mich, sah meine wippenden Brüste über dem schwarzen Lack der Korsage. Seine Augen stierten mich an und ich sah, wie das Weiß in seine Augen stieg, doch er war nicht der Richtige. So ging ich von Bar zu Bar. Viele Männer umgarnten mich, geizten nicht mit Zweideutigkeiten. Aber keiner konnte mich so richtig scharf machen. Es zermürbte mich und nachdem ich den letzten Lackaffen loswurde, nahm ich ein Taxi und fuhr über die Golden Gate Bridge nach Sausalito. Dort hatten wir in einem romantischen Hausboot gelebt.
Mein Gott waren wir glücklich. Hippies waren wir, so losgelöst von Raum und Zeit, wie man es nur sein konnte, wenn man nur für den Moment lebte: Ich sah uns, wie wir uns anfassten. Jede Körperregion des anderen erfassten. Es gab keine Tabus. Er vögelte mich, als wäre ich einzigartig und ich fand mit meiner Zunge jede Pore, jede Öffnung, in die man eindringen konnte. Wenn wir uns liebten, versank alles: Es gab nur uns. Glühende Messer, die in die Haut schnitten, mal sanft und liebkosend, mal herrlich schmerzend. Unsere wunden Leiber erhielten keine Pause. Warum auch?
Alles andere verschwand. Unsere Leidenschaft aufeinander, wurde nur gebremst, wenn Hunger und Durst verlangten, gestillt zu werden. Aber auch beim Essen, beknabberten wir uns. Tauschten den Speisebrei in unseren Mündern, verteilten den Wein auf unsere Körper, um ihn zusammen mit dem Schweiß des anderen aufzulecken.
Ich saß in diesem Taxi und mein Schoß wurde bei dieser Erinnerung feucht. Ich sah an der Uferstraße die Hausbootkolonie, in der wir gelebt hatten, sah die Veränderung: Aus den Booten waren schwimmende Häuser mit allem Komfort geworden. Das, was ursprünglich unser Lebensgefühl hier geprägt hatte, war untergegangen. Nur ein Hauch von dem, was wir hier erleben durften, war noch zu erahnen. Wehmütig betrachtete ich die schwimmenden Luxushäuser.
Vielleicht hat unsere Ehe und auch der Alltag unsere Liebe in etwas Komfortables und Bequemes verwandelt? Dieser Gedanke beschäftigte mich, denn: alles war selbstverständlich geworden. Tatsächlich lebten wir seit Jahren nebenher, rieben uns aneinander auf, enttäuscht von dem, was von unseren Idealen übrig geblieben war. Starrköpfig und kompromisslos bissen wir die Zähne zusammen, um so etwas...,etwas wie Harmonie, künstlich zu erhalten.
Ja, ich konnte es mir eingestehen: Mit seinem Betrug hatte er als erster zugegeben, was im Grunde schon lange Wahrheit gewesen ist: Wir verstanden es nicht mehr, uns zu fesseln und zu begehren. Es gab nur noch Gewohnheit. Keine Liebe. Die Erkenntnis, unsere Liebe war schon vor vielen Jahren verloren gegangen, beflügelte mich. Wusste ich doch: Der abgerissene Strick könnte geknotet werden. Die Enden mussten nur dort zusammentreffen, wo sie sich verloren hatten.
„Zum Flughafen,,“ orderte ich den Taxifahrer an. „Ich muss die nächste Maschine nach L.A. erreichen. Ich habe dort was Dringendes zu erledigen.“
Der Taxifahrer zuckte gleichgültig mit den Schultern, gab Gas.