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Eine Prise Luft

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09.04.2005
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Eine Prise Luft

Es war Anfang der fünfziger Jahre, als ich mit der Eisenbahn nach Paris fuhr. Damals arbeitete ich bei einem angesehenen Antiquitätenhändler. Ein guter Kunde hatte die Beschaffung einer Porzellanschale aus der Ming Dynastie in Auftrag gegeben. Diese Rarität schlummerte angeblich auf dem Pariser Flohmarkt, wo ein Freund sie zufällig aufgespürt hatte.

Obwohl ich eine exakte Beschreibung der Schale und den genauen Standort des Straßenhändlers bei mir trug, konnte ich den Kerl nicht sofort auftreiben. Mehrmals durchquerte ich den Flohmarkt, aber vergebens. Erst am späten Nachmittag traf ich meinen Schwarzhändler.
Während wir beide über den Preis der blauweißen Schale feilschten, bemerkte ich beiläufig auf der anderen Seite einen kleinen Mann der in der rechten Hand einen viel zu großen Regenschirm mit sich herumschleppte. Das Monstrum wirkte ziemlich dickbäuchig und drohte aufzuspringen, obwohl es unterhalb des Schaftes mit einer kräftigen Hanfschnurr fest zugebunden war. Doch was mir vor allem auffiel, war die nervöse Unruhe, die den Mann erfüllte. Fortwährend sah er um sich, beobachtete hektisch die Besucher, so, als befürchte er jeden Augenblick das plötzliche Anbrechen einer Gefahr.
Mein Händler hatte inzwischen bemerkt, dass ich abgelenkt war und erklärte mir:
„Das ist ein, marchand à la sauvette, Monsieur.“
Er erklärte mir, dass es ein fliegender Händler wäre, also ohne Genehmigung und nur den richtigen Moment abwartete, um seine Ware feilzubieten.
„Gendarmen, verstehen Sie“, fügte er mit grossen Augen hinzu.
Natürlich hatte ich das verstanden.
Auf einmal löste der kleine Mann die Hanfschnur auf und wie eine verwelkte Blüte platzte der Schirm auseinander. Kleine eigenartige Holzkästchen, ein wenig größer als eine Zündholzschachtel lagen zerstreut auf dem gespannten Tuch des Schirmes.

Nachdem wir uns über den Kaufpreis der Schale geeinigt hatten, nahm ich die in dickem Zeitungspapier eingewickelte Antiquität ab. Obwohl ich damit sofort ins Hotel zurückgehen wollte, verlockten mich die Neugierde und vor allem diese Kästchen, die dieser seltsame Mann anpries.
So wie ein Bürgermeister seine Schärpe in den Nationalfarben Frankreich stolz vorführt, baumelte um seinen Hals ein grob abgetrenntes schmales weißes Laken mit einer schwarzen Inschrift. Ich fragte meinen Händler, was die Inschrift wohl bedeuten könnte.
Une bouffée d’air“, las er, „er verkauft … Luft … eine Prise Luft.“
„Luft?“, wiederholte ich, wobei ich grinsen musste.
Mein Händler aber schüttelte hierüber nur den Kopf, er war sichtlich zufrieden mit unserem Geschäft, sah auf seine billige Armbanduhr und beschloss für heute abzubrechen. In zwei gekonnten Handgriffen hatte er seinen einfachen Stand demontiert und wenig später verließ er mit seinem kleinen vierrädrigen Karren den Markt.
Ich stand nun vor dem aufgespannten Regenschirm und griff nach einer dieser kleinen Schatullen. Sie war aus Sperrholz gebastelt und hatte einen aufgesetzten Boden. Eine dunkle Beize sollte ihr ein gediegenes Aussehen verleihen. Klebriger billiger Siegellack an den Falze sollte sie luftundurchlässig machen. Im Deckel war grob der Namen einer Stadt eingeritzt. Biarritz, ich kannte diesen mondänen Badeort am Atlantik. Der Händler versuchte mir nun zu erklären, dass in diesem Kästchen Meeresluft aus dem Kurort eingefangen wäre. Dann zeigte er mir andere Kästchen mit anderen Namen.

Als ich den Händler nach einer Weile verließ und ein paar Francs ärmer war, führte ich in meiner rechten Hosentasche ein kleines Kästchen mit. Es trug die Inschrift Pékin. Warum ich gerade diese Schatulle mit der Inschrift Pekings den anderen bevorzugte, wusste ich nicht. War es vielleicht das ferne China und die damit verbundene Fremde was mich bewogen hatte, ich konnte es nur erahnen.

Fast zwanzig Jahre später befand ich mich eines Tages während einer Kulturreise durch China auf dem himmlischen Platz in Peking und hielt das Kätschen erneut in der Hand.
Meine junge chinesische Reiseleiterin beobachtete mich und wollte wissen, was in dem Kästchen wäre. Ich erzählte ihr die Geschichte. Sie lächelte unverständlich und fragte mich, ob ich daran glauben würde.
„Nein, selbstverständlich nicht“ antwortete ich Ihr, „ich wusste schon damals, dass in diesem Holzkästchen keine Luft aus eurer Stadt eingeschlossen wäre“.
„Aber wissen Sie,“ fragte ich Sie„ dass ein sehr aparter Duft in dieser Schatulle eingefangen ist?.“
Sie sah mich mit Stielaugen an und begann zu kichern, wie die jungen chinesischen Mädchen dies halt tun. Dann nahm Sie das Kästchen aus meiner Hand, hielt es vor ihre Stupsnase, schnupperte daran und fragte vergnüglich:
„Paris?“
Ich nickte und sie geriet ins Schwärmen.

 

hallo lettre,

eine schöne Geschichte hast du da geschrieben :).

Was mir noch auffiel:

Während wir beide über den Preis der blauweißen Schale feilschten, bemerkte ich beiläufig auf der anderen Seite einen kleinen Mann; der in der rechten Hand einen viel zu großen Regenschirm mit sich herumschleppte.

Das Semikolon ist falsch am Platz, da du dich danach noch auf den Satz davor beziehst. Mach' ein Komma draus.

Mein Händler aber schüttelte hierüber nur den Kopf, er war vollzufrieden mit unserem Geschäft, sah auf seine billige Armbanduhr und beschloss für heute abzubrechen.

voll zufrieden und nach beschloss ein Komma

Als ich den Händler nach einer Weile verließ, und ein paar Francs ärmer war, führte ich in meiner rechten Hosentasche ein kleines Kästchen mit.

nach verließ das Komma weg

Fast zwanzig Jahre später, befand ich mich eines Tages während einer Kulturreise durch China auf dem himmlischen Platz in Peking und hielt das Kätschen erneut in der Hand.

Komma weg


„Nein, selbstverständlich nicht“ antwortete ich Ihr, „ich wusste schon damals, dass in diesem Holzkästchen keine Luft aus eurer Stadt eingeschlossen wäre“.

ihr / eingeschlossen ist


„Aber wissen Sie,“ erzählte ich weiter„ dass ein sehr aparter Duft in dieser Schatulle eingefangen ist.“

Fragezeichen am Schluß oder besser: ..fragte ich sie...

Ich nickte und Sie geriet ins Schwärmen.[/

sie klein

Gerät sie ins Schwärmen, weil sie Paris schon kennt? Oder hat sie schon von Paris gehört und gerät ins Träumen?


Lieber Gruß
ber

 
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hallo lettre,

als ich die einleitung der geschichte las, erkannte ich am stil deine geschichte "die Schreibmaschine"
wie jetzt auch in dieser geschichte ist die pointe deine ganze stärke. der abschlusssatz ist wirklich fantastisch. der spannungsaufbau ist dezent aber wirkungsreich.
das waren die positiven bemerkungen.
der erzählstil hingegen ... nun, der leser holpert sich vorwärts. manches wirkt geschustert - unlieb hintereinandererzählt. du hast keine energie ins detail des erzählstils investiert - wohlwissend, dass die pointe stark genug sein wird. du magst vielleicht recht haben - aber der oberflächliche charakter deiner geschichte zerstört trotzdem das gesamtbild. und ich würde dir wirklich empfehlen, die einzelnen textbezüge zu überarbeiten:


Während wir beide über den Preis der blauweißen Schale feilschten, bemerkte ich beiläufig auf der anderen Seite einen kleinen Mann; der in der rechten Hand einen viel zu großen Regenschirm mit sich herumschleppte.

hinter "Mann" ist ein semikolon anstatt ein punkt - warum?
"schrim" ist doppelt. du könntest "Der Stockschirm" mit "Das Monstrum" ersetzen, oder den 2. satz in den 1. satz fliessen lassen.

Der Schirm wirkte ziemlich dickbäuchig und drohte jeden Augenblick aufzuspringen.

hier kommt schon wieder "Schirm"
"dick" ist doppelt

"Der Stockschirm war unterhalb des Schaftes mit einer dicken Hanfschnur fest zugebunden. Der Schirm wirkte ziemlich dickbäuchig und drohte jeden Augenblick aufzuspringen. "

>>

Das Monstrum wirkte ziemlich dickbäuchig und drohte aufzuspringen, obwohl es unterhalb des Schaftes mit einer kräftigen Hanfschnur fest zugebunden war.

Doch was mir vor allem auffiel, war die nervöse Unruhe, die der Mann erfüllte.

"der" >> "den" richtig?

Mein Händler hatte inzwischen bemerkt, dass ich dem Spielchen mit dem Mann und seinem komischen Schirm nacheiferte und sagte zu mir:

dieser satz klingt aber nicht schön! besser: Mein Handelspartner hatte inzwischen bemerkt, dass ich abgelenkt war und erklärte mir:
es muss nicht noch einmal erwähnt werden, wer die hauptperson ablenkt - darum geht es doch in der geschichte! versuche immer, doppelte informationen für den leser zu vermeiden.

"Das ist ein, marchand à la sauvette, Monsieur."
Er erklärte mir, dass es ein fliegender Händler wäre, also ohne Genehmigung und nur den richtigen Moment abwartete, um seine Ware feilzubieten.
"und sagte mir: "..." "und erklärte mir" - eine übersetzung sollte besser so klingen:
...und erzählte mir: "Merchand à la sauvette, Monsieur!" Ein fliegender Händler also, der ohne Genehmigung ...

"Gendarmen, verstehen Sie", fügte er hinzu.

fehlt hinter "Sie" ein fragezeichen?

"Gendarmen, verstehen Sie", fügte er hinzu.
Ich verstand ihn sehr gut

das holpert aber auch ein bisschen:

"Polizei, verstehen Sie?[das komplett in französisch]"fügte er mit grossen Augen hinzu. Natürlich hatte ich das verstanden... [Absatz]

Wenig später löste der kleine Mann die Hanfschnur auf und wie eine verwelkte Blüte platzte der Schirm auseinander. Kleine eigenartige Holzkästchen, ein wenig größer als eine Zündholzschachtel lagen zerstreut auf dem gespannten Tuch des Schirmes.

"Wenig später" - was heisst das? der hauptdarsteller hat ihn die ganze zeit beobachtet? so lange?
entweder du lässt die beiden weiterverhandeln, wobei ein geräusch die aufmerksamkeit des hauptdarstellers zurück zum fliegenden händler bringt, oder du reduzierst "wenig später" in "auf einmal".

"Une bouffée d'air", las er, "er verkauft … Luft … eine Prise Luft."
"Luft?", wiederholte ich, wobei ich grinsen musste.
eine gute wörtliche rede hat auch gestiken - besonders wenn es typische menschen sind, die sprechen. der franzose könnte eine faust ballen, und wenn er "luft" sagt, seine hand mit einem ruck öffnen. das gibt den personen mehr leben.

er war vollzufrieden mit unserem Geschäft

"vollzufrieden" igitt! besser "sichtlich zufrieden" zumindest aber auseinander

Beize sollte ihr ein gediegenes Aussehen verleihen. Klebriger billiger Siegellack an den Falze sollte sie luftundurchlässig machen.

"sollte" ist vermeidbar doppelt. besonders bei der beize bin ich davon überzeugt, dass das schächtelchen sicherlich ein gediegenes aussehen hat. deshalb würde ich die möglichkeitsform im ersten satz nicht verwenden.

Im Deckel war grob der Namen einer Stadt eingeritzt. Biarritz, ich kannte diese Stadt,
"Stadt" ist doppelt. nim dorch ein fürwort für die 2. "Stadt"

Als ich den Händler nach einer Weile verließ, und ein paar Francs ärmer war, führte ich in meiner rechten Hosentasche ein kleines Kästchen mit.

"Kästchen" musst du jetzt spezifizieren, sonst klingt die wortwiederholung schlecht. also "ein kleines Kästchen" >> "eines dieser kleinen Kästchen"

"Kästchen" an sich kommt zu oft vor in deiner geschichte. "Schächtelchen" wäre ein synonym - und auch fürwörter würden dir helfen.

Warum ich gerade diese Schatulle mit der Inschrift Pekings den anderen bevorzugte, wusste ich nicht. War es vielleicht das ferne China und die damit verbundene Fremde was mich bewogen hatte, aus den vielen Schachteln zu wählen, ich konnte es nur erahnen.

"aus den vielen Schachteln" solltest du ganz weglassen - wieder unnötige wiederholung der information

Fast zwanzig Jahre später, befand ich mich eines Tages während einer Kulturreise durch China auf dem himmlischen Platz in Peking und hielt das Kätschen erneut in der Hand.

das klingt aber geschustert. du kannst nicht einfach so einen heftigen übergang machen. die 20 jahre vergehen erst --- einiges passiert --- in dieser zeit kristalliert sich ein grund heraus, nach china zu reisen.

Meine junge chinesische Reiseleiterin beobachtete mich mit ihren großen Kulleraugen und wollte wissen, was in dem Kästchen wäre.

"Kulleraugen"? bei einer chinesin?

Ich erzählte ihr die Geschichte. Sie lächelte unverständlich und fragte mich, ob ich daran glauben würde.

diese beiden sätze darfst du gerne mit einem "und" verbinden

antwortete ich Ihr

"Ihr" klein

Sie sah mich mit Stielaugen an und begann zu kichern, wie die jungen chinesischen Mädchen dies halt tun.

wie tun sie es denn?
das bild, dass du vor augen hast, betrifft junge schülerinnen untereinander. die chinesin, die ihn begeleitet hat, muss hoch gebildet sein - kein kind mehr. und genau so eine adrette chinesin kann paris riechen und schwärmen.

ausserdem - den 2. teil der geschichte würde ich in gegenwart schreiben. das klingt viel besser!

fazit: gute geschichte - aber ziemlich ungeschliffen

bye

barde

 

Hallo,
bernadette,Barde und S.H.
Ich bin erfreut, dass euch die Geschichte gefällt. Danke für die Tipps.

salut,
lettre

 

Hallo lettre!

Auch mir hat die Geschichte gefallen :)

Der Schluss ist wirklich sehr gut! Ansonsten: Flüssig zu lesen, nicht zu lang o.ä.
Dennoch muss ich Barde zustimmen; die Geschichte wirkt stellenweise fast etwas sachlich. Manche Handlungen machen auf mich den Eindruck, aufgezählt und nicht erzählt zu werden.

Trotzdem eine wirklich schöne Geschichte.

LG

 

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