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Eine Reise
Eine Reise
"Nächster Halt... " Ich stieg aus dem Zug, der, wie immer, ein paar Minuten Verspätung hatte. "Wir müssen uns beeilen! Wir schaffen sonst die Bahn nicht." Die Stimme, die aus etwa zwei Metern Entfernung in mein Ohr drang, erschien mir auf einmal so weit weg. Es kam mir vor, als wöllte mich jemand aus einem Traum reißen und mich wecken. In meinem "Halbschlaf" lief ich durch den Bahnhof, hinaus zur Bahnhaltestelle. Noch drei Minuten bis Linie 3 ankommt. Geradeso geschafft. Glück gehabt...
Ich registrierte es und versank wieder in eine andere Welt. Eine Welt voll Glück, Harmonie, Frieden, ohne jeglichen Stress, der mich in dieser Stadt umgibt; ohne diese Anonymität, der man fast hilflos ausgesetzt ist an diesem grauen, tristen, mit bunten Werbetafeln übertönten Ort. Es ist eine Welt, in der DU auftauchst: Grüne, saftige Wiesen; eine alte Kirche aus dem neunten Jahrhundert, die später einmal unser Trauzeuge sein soll; der Himmel, so schön wie noch nie zuvor ein Erdenmantel ausgesehen hat, mit Wolken, die uns die Zukunft voraussagen und zum schwärmen animieren. Es ist eine Welt voller Unschuld, weit weg von gesellschaftlichen Problemen, Medienmanipulation und sozialen Ungereimtheiten. Es ist eine perfekte Welt, in die ich mich zurück ziehe und deine Nähe spüre.
Es ist Sonntagabend, noch eine Minute bis zum Eintreffen der Straßenbahn. Die Worte "Tagträumer", "abholen", "zum Wohnheim fahren" rissen mich aus dieser heilen Welt zurück in den Alltag...
Vielleicht bin ich ein "Tagträumer". Vielleicht bin ich ein verspielter Illusionär. Vielleicht bin ich auch ein sehr introvertierter Mensch. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur ein kleiner Protestant, der sich ein wenig gegen die Gesellschaft lehnt und es hasst, wenn Werbung, Talkshows und Promi-Sendungen dem Menschen sein Individuum nehmen und mit Füßen treten... Vielleicht, vielleicht...