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Eine Reise

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15.03.2021
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Eine Reise

Dieser Jim gefiel ihr nicht. Eigentlich hatte sie dieses Gefühl schon kurz nach dem Einsteigen in sein Auto gehabt. Er hatte eine ölige Stimme und unverschämte Blicke. Cheryl, die im Chor oft neben ihr sang, hatte ihr versichert, dass er okay und nett sei und sie ganz sicher nach P. mitnähme. Er sei ihr Nachbar und sie wisse, dass er jeden Freitag dort hinführe, um Freunde zu besuchen. Kein Wunder, meinte sie, hier lebe er die Woche über aufopferungsvoll bei seiner alten Mutter und arbeite nur nachts ein paar Stunden in einer Tankstelle. Davon könne er aber nicht leben, seine Mutter finanziere ihn wohl irgendwie mit. Am Wochenende käme dann immer seine Cousine zur Pflege ihrer Tante. Naja. Jedenfalls müsse sie kein Geld für den Bus ausgeben. Er nehme öfter Leute mit nach P., habe er erzählt und es auch ihr selbst schon angeboten.
Da saß sie nun also im Auto von Cheryls Nachbarn Jim und ärgerte sich über ihren Geiz für ein Busticket.
Im nächsten Augenblick war sie auch schon da, seine Hand auf ihrem Knie, nur kurz, aber vor Schreck hätte sie fast überhört, was er sagte:
„…tanken gehen. Aber dann, Baby, machen wir eine sehr gemütliche Fahrt nach P…“ Dann lachte er dreckig und ließ seinen Blick über ihren Körper wandern. Spätestens jetzt war ihr klar: Sie musste raus aus diesem Auto. Sie versuchte nicht zu steif zu wirken, sondern möglichst natürlich, damit er keinen Verdacht schöpfte und womöglich auf das Tanken verzichtete, um sie nicht unbeobachtet zu lassen. Woher konnte sie wissen, ob er wirklich zwingend tanken musste?
Als sie sich schließlich dem Parkplatz mit der kleinen Tankstelle näherten, wurde ihr mit einem Mal klar, dass sie schon länger kein Haus mehr gesehen hatte. Wie ein wackeliger Aussenposten der Zivilisation wirkte dieser Ort. Eine Staubschicht schien auf den beiden Gebäuden zu liegen. Flaschen lagen herum und ein Tisch, dem ein Bein fehlte, lehnte an einem Laternenpfahl neben dem überquellendem Mülleimer. Hinter der Tankstelle zweigte eine Straße ab, die sich in den Hügeln der Prärie verlor. Ihre einzige Chance war der Wald, der auf der anderen Seite der Straße begonnen hatte. Wenn sie verschwinden wollte, musste sie dort hin. Oder sollte sie auf die Unterstützung des Tankwartes hoffen und ganz offen sagen, dass sie nicht weiter mitführe? Doch als sie anhielten, kam der Tankwart aus dem Laden heraus, dessen Fensterscheibe einen Sprung zeigte, und sie erhaschte einen Blick auf ein paar trübe, Bier trinkende Gestalten um einen Plastiktisch herum. Ihr Fahrer und der Tankwart begrüßten sich johlend und hauten sich gegenseitig auf den Rücken.
Nein, hier würde sie nicht bleiben, nicht so lange ihr Fahrer da war. Später könnte sie vielleicht mit anderen Leuten weiterfahren, die netter aussahen. Krampfhaft umklammerte sie den Griff ihres Rucksacks und wartete bis Jim mit dem Tankwart zum Bezahlen im Laden verschwunden war.
Eine Sekunde später stieg sie leise aus und rannte auch schon über die Straße auf den Wald zu. Sie hatte ihn schon fast erreicht, da hörte sie Jims wütende Stimme nach ihr rufen:
„Hey, Kleine, wo willst du hin? Komm zurück! Was soll das?“ Sie rannte einfach weiter. Als sie die ersten Bäume passiert hatte, drehte sie sich kurz um und erkannte entsetzt, dass er ihr folgte.
„Verdammtes Luder, bleib stehen! Weißt du nicht, dass der Wald zum Indianerreservat gehört? Hey, da darfst du nicht rein! Die skalpieren dich, hörst du?!“
Blödmann! Hielt der sie für total bescheuert? Wo konnte sie sich nur verstecken? Zum Glück gab es hier keinen Weg. Sie musste nur ein Stück Wald zwischen sich und den Mann bringen und dann ein Gestrüpp finden, das dicht genug war, sie zu verbergen. Mist, ihr Rucksack störte. Warum hatte sie gestern den kaputten Träger nicht mehr repariert? Sie warf ihn in den nächsten Busch und rannte weiter. Dabei beschrieb sie einen Bogen und hoffte, dass sie keine zu deutliche Spur hinterließ. Meine Güte, das schien ein richtiger Urwald zu sein, überall wuchsen kleine Bäume und Büsche und morsche Äste lagen umher.
Hinter einem großen, halb vermoderten Baumstamm hielt sie inne und blickte zurück. Sie konnte ihn nicht sehen, aber sie hörte ihn.
„Du kleine Schlampe! Ich finde dich und dann bist du dran!“ Er lachte böse und fluchte dann laut. Offenbar hatte er sich irgendwo verletzt. Um so besser! Sie lief noch ein Stück tiefer in den Wald. Zu weit durfte sie auch nicht gehen, sonst würde sie später womöglich nicht zurückfinden. Da! Ein dichter Busch voll weißer Blüten. Sie zwängte sich durch die Zweige und regte sich nicht mehr. Ihr grün-schwarzes Shirt und die schwarze Jeans verschmolzen mit der Umgebung. Noch einmal hörte sie Jim nach ihr rufen, doch seine Stimme klang nun lustloser. Er schien keine Idee zu haben, wo sie stecken könnte.

Dann war nur noch Wald um sie herum. Sie atmete tief. War Jim umgekehrt? Selbst wenn, sie durfte nichts überstürzen, musste abwarten. Zum Glück war es Sommer und noch eine Weile hell, vielleicht zwei, höchsten drei Stunden. Sie lehnte sich gegen die Zweige und schloss für einen Moment die Augen. Es war warm. Der Boden duftete, die Blüten um sie herum auch. Sie hörte Vögel und Insekten. Hauptsache hier gab es keine Bären, so nahe am Waldrand sicher nicht. Ein Kuckuck rief. Es war schön, so schön, dass sie fast vergaß, sich Sorgen zu machen, ob sie noch ein Auto finden würde, das sie nach P. mitnahm.
Kitty würde sich erst in zwei Stunden Sorgen machen, wenn sie noch nicht angekommen war. Ich könnte sie trotzdem anrufen, dachte sie und zog ihr Handy hervor. Doch irgendetwas funktionierte nicht. Sie hatte keine Verbindung. War hier ein Funkloch? Auch das noch! Was sollte all dieser Mist heute? Das durfte einfach nicht wahr sein! Ihr war plötzlich heiß und zitterig zumute. Warum in aller Welt hatte sie das bisschen Geld für den Bus nach P. sparen müssen? Sie starrte auf die Uhr, eine Stunde war jetzt herum. Auch fühlte sie sich langsam steif. Sie musste ihre Beine bewegen. Konnte sie schon zurück gehen? War er wirklich weg? Tränen schossen ihr in die Augen und sie schniefte.

Unentschlossen bog sie die Zweige ihres Verstecks auseinander und schrie auf. Direkt vor ihr standen drei junge Männer. Es waren Indianer, Native Americans. Doch sie sahen aus wie aus den Filmen, die Geschichten von vor 200 Jahren erzählten. Einer von ihnen hielt ihren Rucksack in der Hand.
„Habt… ihr mitbekommen, was passiert ist?“, fragte sie schließlich leise und hoffte, dass sie wenigstens englisch sprachen.
„Ja“, sagte der eine. Er sah eindrucksvoll aus, groß und sehnig, sehr aufrecht. Sein Oberkörper war nackt, bis auf den Schmuck, den er trug. Seine Blick verband sich für einen Moment mit ihrem, dunkel und direkt. Ihr Körper erschrak, doch nicht wie vorhin im Auto, gar nicht wie im Auto. Jetzt hielt er seinen Blick bedeckt und sie fand seine Züge nicht unsympathisch, obwohl er sein Gesicht bemalt hatte. Die anderen hatten das nicht.
„Dann versteht ihr ja sicherlich, dass ich mich verstecken musste… in euerem Wald." Sie schaute lieber die beiden anderen an. Doch auch die sahen gut aus, jedenfalls der, der ihren Rucksack hielt. Sie trugen leichte Hemden aus Leder, traditionellen Schmuck und alle drei Beinkleider aus Leder. Ihre Haare waren lang und lose zusammengebunden oder geflochten. Ihre Gesichter zeigten nicht den gleichen offenen, etwas naiven Ausdruck, den sympathische weiße Männer ihres Alters häufig trugen, es ging eher ruhige Präsenz von ihnen aus.
„Ja, er ist jetzt weg.“ Der Bemalte lächelte sie an, schaute sich kurz um und sie entspannte sich ein wenig. Er klang ganz normal, freundlich.
„Seit wann?“
„Seit ein paar Minuten.“
„Was, erst seit ein paar Minuten? Dann, dann muss ich noch eine Stunde warten und gehe später zurück. Ich brauche andere Leute, die mich nach P. mitnehmen.“
„Das würde ich nicht machen an deiner Stelle, nicht jetzt am Abend, vielleicht morgen früh. Du hast wahrscheinlich gesehen, was für eine Sorte Männer sich dort jetzt aufhält.“
„Morgen früh? Aber was soll ich… ich kann hier nicht im Wald schlafen!“ Fast klang ihre Stimme vorwurfsvoll. Der Mann mit der Gesichtsbemalung zog die Augenbrauen hoch und lächelte wieder.
„Wir schlafen hier im Wald, jedenfalls heute nacht“, sagte er und wie beim ersten Mal traf sie sein Blick auf eine Weise, dass sie nicht wußte, was sie sagen sollte. Daraufhin lachte der Mann mit ihrem Rucksack in der Hand, reichte ihn ihr und drehte sich zum Gehen um. So ging das nicht weiter, ihr Kopf schwirrte.
„Ich verstehe das nicht.“ Mechanisch nahm sie ihren Rucksack entgegen. „Habe ich eine Zeitreise gemacht? Ihr seht aus wie in einem Film!“ Sie war vollkommen verwirrt. Was war das für ein Tag? Nun lachten auch die beiden anderen Männer.
„Wer weiß, vielleicht hast du eine Zeitreise gemacht.“ Der Bemalte zwinkerte ihr zu. „Oder eine Traumreise?“ Sie sah ihn fragend an.
„Nein, keine Sorge. Es ist eine Tradition, ein Ritual, mit dem wir gerade beschäftigt sind. Normalerweise sehen wir nicht so aus.“ Er lachte wieder. „Komm mit, wir haben etwas zu essen.“ Er drehte sich noch einmal um. „Keine Sorge!“ Sollte sie diesen Fremden nun trauen? Andererseits, welche Wahl hatte sie? Unentschlossen folgte sie den sich entfernenden Männern. Neben ihr knackte es und sie lief etwas schneller.
Der Indianer wandte sich um und wartete auf sie. Als sie ihn erreicht hatte, sagte er: „Ich bin Joe. Wie heißt du?“
„Sophia.“
„Okay Sophia, es ist nicht weit und ein guter Platz zum Übernachten. Wir haben sicher eine Matte und eine Decke für dich.“ Nun liefen sie wortlos durch den Wald, doch Sophia beschäftigte ein Gedanke:
„Ihr wart die ganze Zeit in unserer Nähe vorhin?“, frage sie schließlich. Joe lachte. „Ja, du bist ganz gut im Unsichtbarwerden, aber wir sind noch besser.“ Als sie nichts erwiderte, suchte er ihren Blick.
„Er hatte eine Waffe, wußtest du das?“ Erschrocken blickte sie auf und schüttelte den Kopf.
„Wir haben abgewartet, Männer wie der sind unberechenbar. Trotzdem, wir hätten schon eingegriffen...“ Sophia schluckte.
Bald erreichten sie eine natürliche Lichtung, in deren Mitte schon Feuerholz aufgestapelt war. Drum herum lagen Isomatten und Decken verteilt. Jetzt begannen die Männer Brot, Maiskolben und Fleisch aus einer Tasche zu räumen. Bierflaschen oder sonstiger Alkohol, den sie von Männergesellschaften normalerweise erwartet hätte, kamen nicht zum Vorschein. Es würde klares Wasser zu trinken geben. Sie war erleichtert. Hatten viele Indianer in den Reservaten nicht mit Alkoholproblemen zu tun? Hatte sie mal gelesen.
Welch abenteuerliche Wendungen hatte dieser Tag nun schon genommen! Sie fühlte sich aufgewühlt, doch Angst hatte sie nicht mehr. Es schienen nette Jungs zu sein. Welche Art von Tradition sie wohl hier pflegten? Sie nahm sich vor, im Laufe des Abends danach zu fragen…

Es hatte geklopft. Als die alte Dame nicht reagierte, betrat die Altenpflegerin leise das Zimmer.
„Frau Körner, hören Sie mich nicht? Ich bringe Ihnen Ihren Tee!“ Sie lächelte freundlich und berührte die Träumende, die in ihrem Rollstuhl vor dem bodentiefen Fenster saß, sanft an der Schulter. Die Sonne schien, die Gardine war zur Seite geschoben. Die große Kastanie im Garten blühte und wehte ihren Duft durch das schräg geöffnete Fenster. Es war ein schöner Vormittag. Sophia Körner blinzelte. Er war es wert, das Träumen zu unterbrechen.
„Ach, mein Tee. Warum nicht? Wenn Sie wüßten, was ich heute schon alles erlebt habe…“

 

Hi @Palawan

Wie schön mit Dir zu träumen, auch wenn ich Dir unterstelle, dass deine Geschichte zu schön ist um wahr zu sein, musste ich mich durch deine geschickte Einführung fangen lassen. Ja, sie ist gelungen. Auch die Spannung ist da! Du brichst geschickt mit den Klischees in die Du fallen könntest und kommst am Schluss auch noch unerwartet im Alter, ja, direkt im Altenheim an. Wunderbar.
Ich habe sie in einem Satz durchgelesen und gefreut. Sie hat für mich alles was ich von einer Kurzgeschichte erwarte. Sie ist Kurz und nimmt einen mit, schneidet Themen an und verläuft sich nicht in Klischees. Auch finde ich es gut gemacht wie der Leser langsam immer mehr Informationen bekommt. Auch wusste ich nicht, dass wir in Kanada waren und das ist gut so (vielleicht habe ich etwas überlesen), doch dieses Hinweislose gefiel mir. Das erhöht den Sog.

Ja, schreib weiter so...

Ich Grüße freundlich in den Abend mit den Gewitterwolken hinein

G.

 

Hallo @G. Husch,
Das freut mich, dass Dir die Tagträumerei meiner alten Dame so gut gefallen hat! Danke für das Lob! Wie wertvoll die Fantasie sein kann, wenn wir nicht mehr viel anderes haben, das hat mich bewegt...
Viele Grüße aus dem hessischen Regen,
Palawan

 

Hallo @Palawan

auch ich habe Deine Protagonistin gerne beim Träumen begleitet. Eine abenteuerliche Reise, es entstehen tolle Bilder. Ich fiebere mit, bin froh, als sie gerettet wird. Und die Auflösung ist überraschend. Das hat mir gut gefallen. Mir ist lediglich aufgefallen, dass ziemlich viele unnötige Füllwörter und Adjektive im Text sind, die ein wenig das Tempo und den Flow nehmen. Dann hab ich bemerkt, dass Du ganz oft das Wort "hier" verwendest. Bin ständig drüber gestolpert. Da würd ich mal nen Suchlauf starten und ein paar "hier's" eliminieren. Oft sind die unnötig.

Hier meine Leseeindrücke:

Als sie schließlich den Parkplatz mit der kleinen verstaubten Tankstelle erreichten, realisierte sie, dass hinter ihr Prärie lag.

Streichkandidat.

Links der Straße aber begann ein Wald. Wenn sie also untertauchen wollte, musste sie in den Wald.

Aber würde ich streichen, unnötiges Füllwort.
Die Doppelung ist unschön.
Vorschlag: Links der Straße begann eine Wald. Dort könnte sie untertauchen.

Oder sollte sie einfach auf die Unterstützung des Tankwartes hoffen und dort drinnen ganz offen sagen, dass sie nicht weiter mitführe?

Streichkandidat

Nein, hier würde sie auch nicht bleiben, nicht so lange ihr Fahrer hier war.

Unschöne Doppelung.
Vorschlag: Nein, sie würde auf keinen Fall bleiben, auf keinen Fall, so lange ihr Fahrer (besser: Jim) hier war.

Krampfhaft umklammerte sie den Griff ihres Rucksacks und wartete, bis Jim mit dem Tankwart zum Bezahlen im Laden verschwunden war.

Komma nach wartete.
Hier hab ich richtig mitgefiebert. Sie hofft auf Rettung, stellt fest, dass noch mehr derbe Kerle in der Tanke sind und entschließt sich zu fliehen. Sehr spannend!

Meine Güte, das schien ein richtiger Urwald zu sein, kein so aufgeräumter, wie sie ihn von zu Hause kannte.

Streichkandidat.

Sie durfte auch nicht zu weit gehen, sonst würde sie später womöglich nicht wieder zurückfinden.

Streichkandidat. Unnötiges Füllwort.

Ein großer, dichter Busch mit weißen Blüten war ein gutes Versteck. Hier wühlte sie sich hinein und verbarg sich inmitten seiner Zweige. Gut, dass sie nicht gerade ein rotes Shirt heute angezogen hatte. Noch einmal hörte sie Jim nach ihr rufen, doch seine Stimme klang nun lustloser. Er schien keine Idee mehr zu haben, wo sie stecken könnte.

Die detaillierte Beschreibung finde ich ihr ein wenig fehl am Platz. Würde sich jemand, der auf der Flucht ist und verfolgt wird, solche Gedanken machen.

Vorschlag: Da! Ein dichter Busch voll mit weißen Blüten. Sie zwängte sich durch die Zweige, verharrte ganz still. Das dunkelgrüne Shirt verschmolz mit der Umgebung.

Dann war da nur noch der Wald um sie herum. War er zurück gegangen? Woher sollte sie das wissen? Sie musste hier noch mindestens eine halbe Stunde bleiben, besser eine ganze. Zum Glück war es Sommer und noch eine Weile hell, vielleicht noch zwei, höchstens drei Stunden.

Viele unnötige Wörter, die das Tempo bremsen. Hier könntest Du die Spannung erhöhen.
Lass den Leser teil haben an ihren Emotionen. Du hast zweimal in dem kurzen Abschnitt eine Zeitangabe gleich formuliert. Unschöne Doppelung.

Vorschlag: Dann war nur noch Wald um sie herum. Sie atmete tief durch. War Jim umgekehrt? Selbst wenn ... Sie durfte nichts überstürzen, musste ausharren, abwarten. Zum Glück war es Sommer und noch eine Weile hell. Vielleicht zwei, höchsten drei Stunden. Sie lehnte sich gegen die Zweige, schloss für einen Moment lang die Augen.

Der Boden duftete, die Blüten um sie herum auch. Sie hörte Vögel und Insekten. Hauptsache hier gab es keine Bären, so nahe am Waldrand sicher nicht. Es war schön hier, so schön, dass sie fast vergaß, sich Sorgen zu machen, ob sie noch ein Auto finden würde, das sie nach P. mitnahm.

Hier könntest Du die Sinne des Lesers noch mehr ansprechen. Wie duftet es? Was sind das für Geräusche? An dieser Stelle könntest Du mehr ins Detail gehen. Was ist so schön hier?
Die Doppelung würde ich ausmerzen.

ar hier ein Funkloch? Auch das noch! Als hätte es genau dieses Ereignisses noch bedurft, begann sie nun, Angst zu haben. Sie war hier total allein! Warum in aller Welt hatte sie das bisschen Geld für den Bus nach P. sparen müssen?

Unschöne Doppelungen und unnötige Füllwörter.
Vorschlag: Steckte sie in einem Funkloch? Sie presste die Lippen zusammen, fing an zu zittern, bekam Gänsehaut (so drückst Du die Angst mit show aus). Warum in aller Welt ...

Den Teil mit dem "allein" würde ich streichen. 1. weiß sie ja nicht sicher, dass Jim nimmer da ist und 2. wird es dem Leser auch klar, ohne das zu erwähnen

Dann war die Stunde herum. Konnte sie jetzt zurück gehen? War er auch wirklich schon weg? Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen und sie schniefte. Unentschlossen bog sie die Zweige ihres Verstecks auseinander und schrie auf. Direkt vor ihr standen drei junge Männer. Es waren Indianer, Native Americans, wie sie hier jetzt hießen. Doch sie sahen aus, wie die aus den Filmen, die Geschichten von vor 200 Jahren erzählten. Einer von ihnen hielt ihren Rucksack in der Hand.

Das liest sich ein wenig holprig. Du könntest die Spannung deutlich erhöhen.

Vorschlag: Sie starrte auf das Handydisplay, eine Stunde hatte sie ausgeharrt. Die Gelenke schmerzten, waren steif. Sollte sie sich aus dem Versteck hervorwagen? War Jim wirklich weg? Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen und sie schniefte, während sie die Zweige auseinanderbog. Sie schrie auf. Direkt vor ihr standen drei junge Indianer, Native Americans, wie man sie jetzt nannte. Ihr Blick fixierte die Männer. Sie sahen aus, wie die Indianer aus den Filmen. Einer von ihnen hielt ihren Rucksack in der Hand.

Das ist übrigens eine spannende Stelle. Sehr überraschend! Hat mir gut gefallen.

Wieso? Ich verstehe das nicht.“ Mechanisch nahm sie ihren Rucksack entgegen. „Habe ich eine Zeitreise gemacht? Ihr seht aus einem Film!“ Sie war vollkommen verwirrt. Was war das für ein Tag? Nun lachten auch die beiden anderen Männer.

Da fehlt was.
Ihr seht aus wie aus einem Film.
Oder: Ihr seht aus wie die Indianer aus den Filmen.

Sie sah ihn fragend an.
„Nein, keine Sorge. Es ist eine Tradition, ein Ritual, mit dem wir gerade beschäftigt sind. Normalerweise sehen wir nicht so aus.“

Doppelung.
Vorschlag: Sie schaute ihn an.

Auch er lachte nun. „Komm mit, wir haben etwas zu essen.“ Er drehte sich noch einmal um. „Keine Sorge!“ Sollte sie diesen Fremden nun trauen? Andererseits, welche Wahl hatte sie? Unentschlossen folgte sie den sich entfernenden Männern. Neben ihr knackte es und sie lief etwas schneller.

Streichkandidaten.

Okay Sophia, es ist nicht weit und ein guter Platz zum Übernachten. Wir haben sicher eine Matte und eine Decke für dich.“ Nun liefen sie wortlos durch den Wald, doch Sophia beschäftigte ein Gedanke:

Streichkandidaten. Alles unnötige Füllwörter.

„Wir haben abgewartet, Männer wie der sind unberechenbar. Trotzdem waren wir zu dritt und wir hätten schon eingegriffen.“ Sophia schluckte.

Das klingt etwas holprig.
Vorschlag: "Wir haben abgewartet. Männer wie der sind unberechenbar. Natürlich hätten wir eingegriffen, wenn etwas passiert wäre.
Sophia schluckte.

Nicht lange danach erreichten sie eine natürliche Lichtung, in deren Mitte schon Feuerholz aufgestapelt war. Drum herum lagen Isomatten und Decken verteilt. Jetzt begannen die Männer Brot, Maiskolben und Fleisch aus einer Tasche zu räumen. Bierflaschen oder sonstiger Alkohol, wie sie von Männergesellschaften normalerweise erwartet hätte, kamen nicht zum Vorschein. Es würde klares Wasser zu trinken geben. Sie war erleichtert. Hatten viele Indianer in den Reservaten nicht mit Alkoholproblemen zu tun? Hatte sie mal gelesen.

Alles Streichkandidaten.

Welch abenteuerliche Wendungen hatte dieser Tag nun schon genommen! Doch hier fühlte sie sich nicht schlecht. Es schienen nette Jungs zu sein. Welche Art von Tradition sie wohl hier pflegten? Sie nahm sich vor, im Laufe des Abends danach zu fragen…

Streichkandidaten.

Sie fühlte sich nicht schlecht = show, dont tell. Würde ich beschreiben. Ist sie entspannt? Zeig es an ihrer Körperhaltung.

Sehr gerne gelesen.

Ich wünsche Dir einen wundervollen Tag.

Liebe Grüße,
Silvita

 

Liebe @Silvita,
Hab vielen Dank für Deine wertvolle Kritik! Ich werde den Text entsprechend überarbeiten. Was einem dann durch so einen fremden Blick plötzlich erst auffällt...
Liebe Grüße,
Palawan

 

Hola @Palawan,

seit KrakatauKrakau hast Du einen (großen) Stein bei mir im Brett – wie man so sagt. Dieses Mal verschlägt es uns an den Rand der Prärie. Auch gut.
Dein Konzept ist, bevor wir im Altersheim landen, einfach und wirksam. Gleich zu Beginn hast Du diesen Unsympath Jim ins Spiel gebracht, und dass der zuverlässiger Garant für irgendetwas Negatives ist, liegt auf der Hand.
Tatsächlich hab ich gespannt Deinen Text gelesen – alles gut formuliert, alles fließt, alles logisch.

Es gibt fast nichts zu meckern:

… Tankstelle erreichten, realisierte sie, dass …
Ich hab‘s gerade @gertomat geschrieben, dass sich dieses Kursive nicht so homogen in einen ganz gewohnten Satz einfügt. Doch vielleicht liegt‘s an mir: Sprache ist im Wandel – ich aber nicht:hmm:. Wenn ich etwas realisiere, verwirkliche ich etwas.

... damit er keinen Verdacht schöpfte und womöglich auf das Tanken verzichtete, …
Jottweedee, Tank leer, dennoch aufs Tanken verzichten? Fliegen die dann mit der Drohne weiter?

Er sah eindrucksvoll aus …
Wie muss sich das der Leser vorstellen?

Na, jedenfalls ist das arme Mädel gerettet und es wird Tee serviert. Als ‚Zack-Zack‘ hab ich diesen Übergang empfunden. Bin enttäuscht, mit den Gedanken noch im Wald, schon am Spekulieren, wie die Sache aufgedröselt wird – und finde mich plötzlich à la April-April! beim arg gealterten Mädel wieder. Du schreibst diese letzte Szene sicherlich bewusst im betulichen Ton, nur hat sie leider große Nähe zu all den anderen Texten, die den Leser verabschieden mit ‚Ach, war ja nur ein Traum‘ oder Vision, Koma, Vollrausch, Hirngespinst, was weiß ich …:

Sie lächelte freundlich und berührte die Träumende, …
Und die sagt tatsächlich:
Wenn Sie wüßten, was ich heute schon alles erlebt habe…“

Beste Grüße nichtsdestoweniger, meine Liebe!
José

 

Hi @josefelipe,
da musste ich doch laut lachen, als ich Deine Überlegung mit dem Tank las. Stimmt irgendwie...??? Also mal sehen... Aber manchmal tankt man ja auch, obwohl man noch nicht zwingend müsste. Nun, und in diesem Fall wollte Jim wohl auch seinen Tankstellen-Kumpels Hallo sagen, wenn er schon gerade vorbei kam. Hm, mal sehen...
Realisieren hat zwei Bedeutungen, habe ich gerade nochmal nachgeschlagen, eine auch im Sinne von erkennen.
Dass der Schluss eine gewisse Enttäuschung darstellt, nehme ich mal teilweise als Kompliment, es wäre also auch noch weiterhin interessant gewesen und das freut mich. Bestimmt verknallt sie sich an diesem Abend noch in mindestens einen dieser netten Burschen...?
Die etwas betulichere Sprache am Ende, naja, ich habe mir vorgestellt, diese alte Dame zu sein und dann passte es dazu. Und, wie ich schon an @G. Husch geschrieben habe, meine Intention war zu thematisieren, welche Freude, welcher Trost die Fantasie in manchen Situationen sein kann, welche Bedeutung sie haben kann und das vollkommen ohne künstliche Intelligenz...
Den bemalten Schönen muss ich wohl nun doch noch etwas beschreiben, Mist.?
Vielen Dank also für Deine Kritik und Anteilnahme!
Palawan

 

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