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Eine unfreiwillige Suche

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04.01.2004
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Eine unfreiwillige Suche

"Endlich wieder zuhause!", seufzte Konstantin, als er seine Wohnungstür hinter sich zufallen ließ. Jede Faser seines Körpers freute sich darüber, dass er nicht mehr länger diesen Geruch von Desinfektionsmittel ertragen musste, sondern die Bequemlichkeiten seiner eigenen vier Wände genießen konnte. Auf seine Krücke gestützt, humpelte er als erstes in die Küche – und rümpfte die Nase. Noch nicht einmal ihr schmutziges Geschirr konnte sie in die Spülmaschine räumen! Mit einem Seufzer stellte Konstantin die eingetrockneten Kaffeetassen und dreckigen Teller in die Spüle und ließ Wasser darüber laufen. Das war einer der Gründe, aus denen er froh war, dass sie ausgezogen war. Obwohl ihn ihre Eile überrascht hatte, sie hatte noch nicht einmal warten können, bis er aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Blass und steif wie eine Porzellanpuppe hatte sie neben seinem Bett gesessen. Mit der Halskrause war es vielleicht nicht leicht, sich zu schminken, aber sie hätte doch wenigstens ihm zuliebe das Parfüm benutzen können, das sie in eine exotische, zarte Blüte verwandelte. 'Orchidee', diese einmalige Mischung aus Orchidee, Veilchen, Rose und der Pflaume von Damas, an der Konstantin mitgearbeitet hatte, zwar nur als Chemietechniker, aber er war mächtig stolz darauf. Sie hatte irgendetwas von einer Suche nach dem Sinn des Lebens gestottert oder so ähnlich. Natürlich muss es ein schwerer Schock gewesen sein, als die Ärzte nach dem Unfall eine Zeitlang befürchteten, dass sie querschnittsgelähmt sei. Besonders für sie als Tänzerin. Aber dann ist doch alles glimpflich verlaufen, deshalb also gleich das ganze Leben umzukrempeln – das war wirklich reichlich übertrieben. Wenigstens die ersten Tage, in denen er mit dem Gipsbein alleine nicht so gut klar kam, hätte sie bei ihm bleiben können. Aber nein, oberflächlich hatte sie ihn genannt. Konstantin musste lachen. Wo sie doch sonst immer seine Sensibilität, seine Zärtlichkeit gelobt hatte. Was wollte sie überhaupt?

Konstantin schüttelte den Kopf, wollte nicht mehr an sie denken und holte die Whiskyflasche aus dem Schrank. Das Plätschern beim Eingießen war Musik in seinen Ohren. Endlich wieder ein guter Drink! Er ließ ein paar Eiswürfel ins Glas fallen und hielt es gegen das Fenster. Das Licht tanzte in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und glitzerte in dem Eis. Langsam näherte er das Elixier seiner Nase, schloss seine Augen und atmete behutsam ein. Es roch nach Holz, Würze und Rauch, feuchte Kellerluft wehte umher, dickbauchige Eichenfässer stapelten sich im Dämmerlicht, ein Holzsplitter im Finger, Fluchen, Lachen, Fußgetrampel auf dem Lehmboden, Dudelsackgeleier, Schotten in ihrem Kilt. Schließlich nahm Konstantin einen kleinen Schluck, genoss wie der scharfe Alkohol sich mit dem weichen, rauchigen Geschmack mischte und seine Geschmacksnerven wach kitzelte. Das Feuer brannte seine Speiseröhre hinunter und wärmte von seinem Magen aus den ganzen Körper. Es verschaffte ihm die Illusion von innerer Stärke. Er schloss die Augen und atmete tief durch.

Mit einer Schere bewaffnet ging Konstantin ins Schlafzimmer und kramte seinen alten Jogginganzug hervor. In der linken Hälfte des Kleiderschranks gähnte eine ungewohnte Leere, nur ihr Geruch wehte ihm in die Nase und löste eine diffuse Sehnsucht in ihm aus.
'Endlich wieder genug Platz im Kleiderschrank, auch ein Vorteil!', redete er sich ein. Seine Freizeitkleidung hatte sie auch nie ausstehen können. Sie hatte immer ausgesehen wie aus dem Ei gepellt. Nur auf die Optik zu achten, das war für ihn Oberflächlichkeit! Ihm war es egal, wie er zu Hause rumlief, Hauptsache nichts kneifte oder zwängte ihn ein. Konstantin machte sich auch nicht viel aus seinem eigenen Aussehen, aber er wusste, wie er sich stylen und welches Lächeln er aufsetzen musste, um sehr schnell wieder eine neue Freundin zu finden. Er wechselte seine steife Jeans und sein Hemd gegen den bequemen Jogginganzug. Es tat ihm allerdings Leid, dass er wegen des Gipsbeins die Hose aufschneiden musste. Da verfluchte er das Gipsbein zum ersten Mal.

Konstantin schleppte sich zurück ins Wohnzimmer, stellte Whisky und Eis bereit, legte ein Flötenkonzert von Mozart auf, ließ sich auf das Sofa gleiten, trank noch einen Whisky und schloss die Augen. Die Töne der Flöten und Violinen schwebten durch die Luft, das Ledersofa schmiegte sich an seinen Körper und der Whiskygeschmack wärmte ihn. Was konnte es Schöneres geben? Nein, es lohnte sich nicht, ihr nachzutrauern. Sie waren nur ein paar Monate zusammen gewesen. Kurz vor dem Unfall war sie bei ihm eingezogen, hatte ihn damals überrumpelt. Wenigstens mussten sie keine Möbel aufteilen, alles gehörte ihm. In letzter Zeit hatte sie immer mehr an ihm herumgenörgelt, er solle doch mehr unter Menschen gehen. Ihre Freunde fand er wiederum langweilig. Endlich konnte er wieder tun und lassen, was er wollte.

Als Konstantin die Augen wieder aufschlug, dämmerte es bereits und die Möbel warfen lange Schatten. Ihn fröstelte, obwohl es im Raum recht warm war. Nein, es war eher eine Leere, die von innen an ihm fraß. Er richtete sich auf, streckte sich und schaltete den Fernseher ein. Ihm war einfach nur ein wenig langweilig. Kein Wunder, wenn das Gipsbein ihn zur Untätigkeit verdammte. Konstantin zappte herum, wollte etwas Lustiges sehen, aber keine Beziehungskomödie. Schließlich amüsierte er sich über den Film "Brust oder Keule" mit Louis de Funes. Über diesen Schauspieler hatte sie nur die Nase gerümpft. Er bog sich vor Lachen. Besonders bei der Szene, in der die Hähnchen am Fließband aus Pappe gepresst werden, und Louis de Funes seine unnachahmlichen Grimassen schneidet – einfach köstlich. Ein Testesser, der seine Geschmacksnerven verliert – eigentlich ja eine tragische Gestalt. Plötzlich musste Konstantin daran denken, wie sich sein Leben ändern würde, wenn er seinen Geruchssinn verlieren würde. Es wäre nicht nur für seinen Beruf, sondern auch für seinen Genuss eine Katastrophe! Was wäre er dann? Lieber nicht weiter darüber nachdenken. Entgegen seiner Gewohnheit, nur ein bis zwei Gläser zu trinken, genehmigte er sich den dritten Whisky.

Irgendwann in der Nacht wachte Konstantin wieder auf. Der Fernseher plärrte noch, die Whiskyflasche war halb leer, in seinem Kopf ratterte ein Presslufthammer und er hatte einen Geschmack im Mund, als hätte er den Mülleimer ausgelutscht. Er schleppte sich ins Bad, schluckte eine Aspirin und putzte sich die Zähne. Der Pfefferminzgeschmack stieg bis in die Nase hoch, doch der Rest eines schalen Geschmacks blieb im Mund. Im Bett wickelte er sich in seine Seidenbettwäsche. Endlich nicht mehr diese kratzende Krankenhauswäsche! Seufzend strich Konstantin über das glatte Material, das seinen Körper umspielte. Seine Hände irrten suchend umher. Dann nahm er ihren Geruch wahr und die Kälte des Bettes kroch bis in seine Knochen. Irgendetwas fehlte ihm. Sex war es nicht, aber etwas anderes fiel ihm nicht ein. Er riss die Bettwäsche hinunter, doch ein Hauch ihres Geruchs drang immer noch in seine Nase. Da sie die letzten Tage kein Parfüm mehr benutzt hatte, überwogen ihre Körperausdünstungen, die Konstantin jetzt an leicht muffeliges Puder erinnerten. Er konnte sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr riechen. Früher hatte er stundenlang mit der Nase über ihrer Haut schweben können. Hatte er da nur ihre Bodylotion wahrgenommen? Im Fernsehen hatte er gesehen, dass Tiere sich beschnuppern, um festzustellen, ob sie zueinander passen. Er überlegte, ob das bei Menschen auch so sei. Ob die Parfüms, die seine Firma herstellte, diesen Mechanismus verfälschen? Was für ein Blödsinn ging ihm da auf einmal durch den Kopf? Ein Parfüm ist etwas Wunderbares! Es vermischt sich mit dem eigenen Körpergeruch, wirkt bei jedem Menschen anders. Außerdem ist es ein Ausdruck von Kultur, das ist es doch, was uns von Tieren unterscheidet! Konstantin wälzte sich hin und her. Der verdammte Gips war einfach an allem Schuld, er drückte, darunter schienen tausend Ameisen zu kribbeln und er konnte sich nicht kratzen. Schließlich stand er auf und besprühte das Bettzeug mit seinem Aftershave. Die Wolke aus Sandelholz, Lorbeer und Nelke war jedoch zu intensiv und er musste wieder aufstehen um zu lüften. Endlich fiel er in einen unruhigen Schlaf.

Die nächsten Tage glitten wie im Nebel an ihm vorbei. Wenn sein Magen knurrte, ließ er den Pizzaservice kommen, ein Essen weit unter seinem Niveau, aber was blieb ihm übrig. Irgendwann hört er sogar auf, sich darüber zu beschweren, dass die Paprika nach Essig und die Oliven nach Stroh schmeckten. Dosenfraß! Alles wurde ihm mehr und mehr gleichgültig. Er kippte einen Whisky nach dem anderen, ohne ihn zu schmecken. Als alle Flaschen leer waren, trank er Wasser. Tagsüber starrte er in den Fernseher ohne wahrzunehmen, was gerade lief. Bis der Fernseher eines Tages plötzlich dunkel wurde. Konstantin humpelte hin, überprüfte die Anschlüsse, doch noch nicht einmal das Kontrolllämpchen brannte. Auch die Stereoanlage schwieg und die Lampen ließen sich nicht einschalten. Seine Sicherungen waren in Ordnung, der Stromausfall musste an einer übergeordneten Stelle eingetreten sein. Erschöpft ließ Konstantin sich auf das Sofa fallen. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Die schwarze Ledergarnitur, die Möbel aus Chrom und Glas, die modernen Bilder an den Wänden – alles erschien ihm plötzlich kalt und sinnlos. Sinnlos? Was war nur los mit ihm? Jahrelang hatte er sich um jede Überstunde gerissen, damit er sich seinen Whisky, gutes Essen und ein paar andere Kleinigkeiten leisten konnte, die das Leben angenehm machen. Als Chemietechniker schwamm Konstantin nicht gerade in Geld, aber er war zufrieden. Jetzt hatte er endlich genug Zeit, sich voll seinen Genüssen hinzugeben. Aber sie erschienen ihm auf einmal wie ein Schmetterling, der jedes Mal zwischen den Händen entschlüpft, wenn man ihn fast gefangen zu haben glaubt. Ein Glas Whisky entfaltet eine Symphonie der Geschmacksnerven, nach dem dritten Glas stumpfen sie ab und nach einer halben Flasche erntet man einen Kater und einen abscheulichen Geschmack im Mund. Warum kriegt man das Glück nicht zu fassen? Warum läuft es immer wieder vor einem davon? Meinte sie das, wenn sie von Oberflächlichkeit redete? Ach was, ohne dieses verdammte Gipsbein würde alles wieder sein wie früher. Sie hatte einfach nur Unsinn geredet. Es war doch normal, sich nach so einem Unfall nicht so gut zu fühlen, das würde sich schon wieder legen. Doch die Leere, die in seinem Inneren bohrte, wuchs immer weiter. Konstantin hielt es zu Hause nicht mehr aus, er warf einen Blick auf die Uhr und beschloss, einkaufen zu gehen. Ein bisschen frische Luft würde ihm gut tun. Er zog sich um und machte sich auf den Weg.

Als Konstantin vor dem Fahrstuhl stand, fiel ihm auf, dass auch hier kein einziges Lämpchen brannte. Er schlug mit seiner Faust auf den Knopf bis seine Hand schmerzte. Mehr erreichte er damit nicht. Normalerweise hätte er es als Training betrachtet, die fünf Etagen hinunter zu laufen. Aber mit dem Gipsbein -! Da hörte er ein Poltern im Treppenhaus, die Tür öffnete sich und sein Nachbar stellte eine Einkauftasche ab. Er war wie Konstantin etwa Ende zwanzig, in Gegensatz zu diesem jedoch untersetzt, seine Haarpracht hatte schon stark nachgelassen und vom Treppensteigen hatte er rote Flecken im Gesicht. Konstantin wusste noch nicht einmal, was er beruflich macht, aber er wirkte auf ihn nicht sehr kultiviert.
"Tag Herr Neumann! Wie geht's?" Er keuchte noch ein wenig, aber seine Stimme hatte einen angenehmen Bass, erinnerte an eine Höhle voller Geborgenheit.
"Gehen kann man mein Gehumpel wohl kaum nennen! Mit dem Gips kann ich mich kaum bewegen und das Bein juckt zum Verrücktwerden", knurrte Konstantin.
"Ja, Frau Schmidt hat mir von Ihrem Unfall erzählt. Wie geht es ihr?", fragte Herr Kramer und blickte Konstantin mitleidig an.
"Sie hat – äh – sie ist ausgezogen." Konstantin war es peinlich, darüber zu reden.
"Oh", machte Herr Kramer nur und schaute auf Konstantins Einkaufstasche hinunter. Glücklicherweise machte er keine mitleidigen oder gar hämischen Bemerkungen und Konstantin entspannte sich wieder.
"Sie wollten wohl eben auch einkaufen gehen. Das könnte ich schon machen, wenn Sie noch ein paar Minuten warten."
"Nicht doch, machen Sie sich keine Umstände." Konstantin wollte von niemandem abhängig sein. Aber es bereitete ihm schon Mühe, mit seiner Krücke gerade stehen zu bleiben. Er musste sich an der Wand abstützen und wäre froh, wenn er nicht bis zum Supermarkt humpeln musste. Sein Nachbar schaute Konstantin von der Seite an und winkte ab.
"Halb so wild. Ich muss sowieso noch einmal los und der Fahrstuhl funktioniert bestimmt gleich wieder. Ein Bagger hat unten auf der Straße ein Stromkabel beschädigt, das wird schon wieder repariert. Kommen Sie doch eben zu mir rein, ich räume meine Sachen ein und Sie schreiben solange einen Einkaufszettel." Bevor Konstantin eine Ausrede einfallen konnte, hatte Herr Kramer ihn schon in seine Wohnung geführt. Die Wände waren in der aufwendigen Schwammtechnik marmoriert, die Einbauküche bestand aus massiver Eiche und auf dem Küchentisch stand eine gelbe Rose in einer kleinen Vase.
"Sehr schön haben Sie es hier!" Konstantin setzte sich auf einen der Korbstühle und wunderte sich, dass ein Mensch, der so grobschlächtig aussah, einen so guten Geschmack beweisen konnte.
"Danke. Ich habe alles selber renoviert, auch die Küche habe ich selbst gebaut, sonst könnte ich mir das nicht leisten", erwiderte Herr Kramer bescheiden. Er stellte die Einkaufstasche auf den Tisch und begann, sie auszupacken.
"Die sehen nicht aus, als würden sie nur zur Zierde hier hängen", sagte Konstantin und deutete auf die Küchenwerkzeuge aus Edelstahl und den Messerblock voller Solinger Schneidwerkzeuge.
"Seit meiner Scheidung muss ich selber kochen", lachte Herr Kramer, hielt aber sofort inne und schaute Konstantin verlegen an. Wahrscheinlich war er sensibel genug, um jede Erinnerung an Chantal zu vermeiden. Konstantin begann, sich in seiner Gegenwart wohl zu fühlen. Vielleicht hatte er sich in den letzten Tagen doch ein wenig einsam gefühlt.
"Setzen Sie sich doch. Ich würde Ihnen ja gerne einen Kaffee anbieten, aber ohne Strom geht das schlecht." Er holte gerade eine Papiertüte aus seiner Einkaufstasche.
"Hier, Sie müssen einen dieser wunderbaren Äpfel probieren, ihr Geschmack ist umwerfend, riechen Sie erst einmal!"

Das Ding, das er Konstantin vor die Nase hielt, war schrumpelig und so klein wie ein Tennisball. Seit Jahren bevorzugte Konstantin Obstsorten wie Mangos oder Litschis, doch er wollte nicht unhöflich sein und hatte seit Tagen nichts Frisches mehr gegessen, also ließ er den Apfel in seine Hand gleiten. Er fühlte sich rau an, seine Oberfläche war offensichtlich nicht gewachst. Es gab sogar diese Pickelchen, braune Schönheitsmale, die bei modernem Obst doch gar nicht mehr vorkamen. Konstantin näherte seine Hand der Nase, er erwartete, dass der Apfel einfach nur süß roch. Stattdessen strömte ihm eine herbe Frische entgegen, die ihm das Wasser ihm Mund zusammen laufen ließ. Es knackte, als er hineinbiss. Im ersten Moment schmeckte es so säuerlich, dass sich sein Zahnfleisch zusammen zog. Dann tropfte der süße Saft am Kinn hinunter. Knorrige Äste, die sich der Sonne entgegenstrecken, jeden Lichtstrahl in Aroma umwandeln, Herbstwind, der die ersten Blätter umherwirbelt, feuchtes Gras, das an den Füßen kitzelt, Kinderlachen, raue Baumrinde unter den Händen, Zweige, die sich in den Po bohren, Funken, die aus Augen sprühen, Zöpfe, die ihn unterm Kinn kitzeln. Die Weite der Felder, die Frische der Natur, das alles war mit einem Mal wieder zum Greifen nah. Warum hatte er so lange darauf verzichtet? Na ja, seit er im Gymnasium als 'Bauerntrampel' gehänselt worden war, hatte er sich immer mehr von Allem distanziert, was nur im Entferntesten nach Bauernhof roch. Vor allem der Schweinestallgestank. Das ist kein Geruch mehr, es ist ein Gas, das die empfindlichen Geruchsnerven abtötet, bis in die Lunge hinunter ätzt und sich kaum auswaschen lässt. Kann ein Bauernsohn gleichzeitig ein Genießer sein?

"Na, wie schmeckt der Apfel?"
Konstantin schreckte auf. Wie lange hatte er vor sich hin geträumt?
"Unbeschreiblich", murmelte er, biss noch einmal hinein – und starrte auf einen Wurm.
'Diese Parasiten sind doch nur dazu da um uns den Genuss zu verderben!', dachte er.
"Oh je, ein Wurm!", rief Herr Kramer und wurde ein wenig rot. "Das tut mir ganz außerordentlich Leid!"
"Ach, wenn sie wüssten, wie viele Würmer ich als Kind schon aus Versehen geschluckt habe!", lachte Konstantin. "Aber über diese Schädlinge müssen wir uns ja glücklicherweise nur noch sehr selten ärgern."
"Na ja, ich freue mich heutzutage über einen Wurm. Er ist doch ein Indiz dafür, dass der Apfel nicht mit Chemie vollgepumpt worden ist", erwiderte Herr Kramer. Konstantin zuckte zusammen. Bevor er über diese Idee nachdenken konnte, dröhnte plötzlich der Beatles Song "Let it be" blechern und verzerrt durch den Raum.
"Ach, wir haben wieder Strom!", rief Herr Kramer und stellte das Radio leise. "Dann kann ich gleich wieder mit dem Aufzug runter fahren. Hier, schreiben Sie ihren Einkaufszettel!"
Konstantin kritzelte auf dem Notizblock herum, dann stand er auf und schüttelte Herrn Kramer die Hand. "Vielen Dank für den Apfel!"
"Kommen Sie doch demnächst mal auf einen Kaffee vorbei – oder noch besser: auf einen Apfel – ohne Wurm natürlich!" Herr Kramer lachte.
Konstantin lächelte. Kann ein Wurm sinnvoller sein als die Chemie, die ihn verhindern soll?

 

Hallo tamara

Hier meine Notizen zu deiner Geschichte.
Alle Sinne wurden bedient, vielleicht etwas Geruch- und Geschmackslastig.
Und mich als Whiskyliebhaber hast du natürlich schwer geschockt, als du das edle Elixier mit Eis runterkühlst, bis man nix mehr riechen kann. ;)

Die Suche nach dem Sinn des (eigenen) Lebens wirkt gesucht.
Die ganze Geschichte ist mMn etwas holprig umgesetzt.

Beispiele:

Es roch nach Holz, Würze und Rauch, feuchte Kellerluft wehte umher, dickbauchige Eichenfässer stapelten sich im Dämmerlicht, ein Holzsplitter im Finger, Fluchen, Lachen, Fußgetrampel auf dem Lehmboden, Dudelsackgeleier, Schotten in ihrem Kilt.
Ein Monstersatz. Ab und zu ein Punkt, dann passts.

Das Feuer brannte seine Speiseröhre hinunter und wärmte von seinem Magen aus den ganzen Körper.
So hört es sich an, als würde der Whisky in Flammen stehen.
Besser: 'Der Whisky brannte wie Feuer in der Speiseröhre und...'

..., das Ledersofa schmiegte sich an seinen Körper und der Whisky(geschmack) wärmte ihn.
Nur Whisky, Geschmack wärmt ja eigentlich nicht.

Seit Jahren bevorzugte Konstantin Obstsorten wie Mangos oder Litschis, doch er wollte nicht unhöflich sein und hatte seit Tagen nichts Frisches mehr gegessen, also ließ er den Apfel in seine Hand gleiten.
Ich meine, er hat ja nicht aus Höflichkeit seit Tagen nichts gegessen. :D
Vorschlag: ', doch er wollte nicht unhöflich sein, auch hatte er seit Tagen nichts Frisches mehr gegessen, und so ließ er den Apfel in seine Hand gleiten.'

Lieben Gruss
dot/

 

Hallo Sim und Dotslash,
meine Güte, habt ihr nicht nur alle Geschichten bewertet, sondern schreibt auch noch ausführliche Kritiken, sogar zu den nicht so guten KGs! Was für eine Arbeit! Vielen Dank noch einmal.
Mit dieser Geschichte hatte ich so meine Schwierigkeiten, ein zweiter Erzählstrang, das wäre vielleicht eine Idee gewesen.

@dotslash: Sorry, wenn ich deinen feinen Wiskey-Geschmack geschockt habe? ;) Auch deinen anderen Vorschläge leuchten mir ein, danke!
tamara

 

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